Rizzoli & Isles – Review

von Ralf Döbele

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 17.08.2010

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Sasha Alexander

Okay, revolutionäres darf man von neuen Cop-Shows momentan sicher kaum noch erwarten. Dafür müsste sich das Genre erst einmal eine längere Pause gönnen, was bei der immer noch hohen, weltweiten Popularität jener Serien kaum möglich scheint. Letztendlich lässt sich die Qualität eines neuen Kabel-Thrillers sicher an zwei Dingen messen: den Hauptfiguren und der Art und Weise, wie die Fälle präsentiert werden. Bei der Beurteilung sollte man also getreu nach der alten Regel vorgehen: „Es gibt keine neue Geschichten, nur neue Wege sie zu erzählen.“ Leider fällt die Pilotfolge von „Rizzoli & Isles“ auf beiden Ebenen recht spektakulär durch. Ähnlich wie bei „Memphis Beat“ ist das versammelte Schauspielaufgebot recht beeindruckend. Angie Harmon, Sasha Alexander und auch noch Lorraine Bracco – wie kann man derartige Talente versammeln und dann einen Augenblick später so verschwenden?

Jede der Hauptfiguren hat in dieser Hinsicht ein besonders Problem. Jane Rizzoli ist zornig. Andauernd. Es ist kaum überraschend, Angie Harmon derart aufgedreht zu erleben, sie so aggressiv zu sehen. Schließlich zeichnete sich auch ihre „Law & Order“-Staatsanwältin Abbie Carmichael zu einem erheblichen Teil durch diese Charaktereigenschaften aus. Typecasting wird hier jedoch zu einer extremen Herausforderung für die Geduld der Zuschauer, da Janes andauernde Abwehrhaltung schon nach kurzer Zeit kaum mehr nachvollziehbar scheint. Ist sie überhaupt zu anderen, emotionalen Regungen fähig oder dient die Dauer-Defensive lediglich als eine Art Schutzmechanismus? Fast schon verzweifelt erscheinen die Versuche von Drehbuchautorin Janet Tamaro („Bones – Die Knochenjägerin“) diese Dampfwalzen-Mentalität durch chauvinistische Ausbrüche von Janes älterem Kollegen Vince Korsak (Bruce McGill) zu rechtfertigen, komplett mit Empfehlungen für Anti-PMS-Medizin. Wow, von 2010 zurück in die 80er in nur zwei Sekunden. Selbst mit einem eigenen Delorian und Michael J. Fox an seiner Seite würde man das kaum hinbekommen.

Sasha Alexander, Bruce McGill, Angie Harmon und Billy Burke (von links)

Maura Isles ist sicherlich die interessantere Hälfte des Duos, das aber in der Pilotfolge kaum als solches auftritt. Isles hat viel zu wenig Zeit auf dem Bildschirm um sie wirklich gut kennenzulernen. Zu lange verweilt die Folge bei Rizzoli und der Jagd nach dem Chirurgen. Dabei ist Isles die Ungewöhnlichere der beiden, mit ihrem geschniegelten Haus, den ausgefallenen Klamotten, dem stets stylischen Auftreten, selbst an den Tatorten und der Riesenschildkröte, der sich Jane nur mit Erdbeere als Futter zu nähern wagt. Letztendlich ist all dies um Längen interessanter als die Jagd nach dem Möchtegern-Hannibal, der als Serienkiller genauso gut bei „Criminal Minds“, „CSI“ oder „Criminal Intent“ ein passendes Zuhause gefunden hätte. Janet Tamaro fokussiert ihren gesamten Piloten auf die austauschbaren Komponenten von „Rizzoli & Isles“ und nicht auf die Besonderheiten. Genau dies wird ihr letztendlich zum Verhängnis. Die Betonung liegt auf dem, was die neue TNT-Serie wie alle anderen Thriller-Serien erscheinen lässt und nicht auf dem, was es aus der gewaltigen Schar von Konkurrenten herausheben könnte.

Gleichzeitig wird die Jagd nach dem Chirurgen auf äußerst langweilige Art und Weise erzählt. Brutalität und atmosphärisch gelungene Aufnahmen alleine erzeugen keine Spannung. Sie werden nicht effektiv genug genutzt um die Lücken im Drehbuch zu schließen. Die sind hier einfach viel zu groß – vor allem auch durch die auffallende Abwesenheit von Rizzoli und Isles’ Freundschaft im Zentrum und der absolut ausgeleierten und vorhersehbaren Storyline um den irritierenden und dennoch attraktiven FBI-Agenten, mit dem man natürlich erst einmal nicht klar kommt. An weiteren Klischees spart die Episode erstaunlich wenig. Einige tauchen überraschend auf, wie der genannte Anti-Feminismus-Rückschritt, andere sind von Anfang an absehbar. Dass Jane am Ende der Episode (natürlich) vom Chirurgen und seinem Protegé entführt wird und erneut ihrer größten Angst ins Auge blicken muss, ist ebenso klar, wie das anschließende und äußerst schnelle Verdrängen des schrecklichen Erlebnisses mit Isles’ Hilfe.

Angie Harmon, Sasha Alexander

Es ist fast schon bizarr, dass es „Rizzoli & Isles“ gelingt sowohl seinen beiden Hauptfiguren im Piloten einen solchen Bärendienst zu erweisen, als auch die Nebenfiguren praktisch zu ignorieren. Lorraine Bracco bleibt als italienische Übermutter einfach nur schrill, und abseits von kurzer Besorgnis und blutiger Basketball-Nase hat Janes Bruder noch keinerlei Funktion. Genauso wenig hat Bruce McGill es verdient, dass Vince als älterer Kollege von Jane vollkommen auf Fresssucht und Frauenfeindlichkeit als Haupteigenschaften reduziert wird. Unterm Strich steht Janet Tamaro und ihrem Autorenteam eine gewaltige Aufgabe ins Haus um „Rizzoli & Isles“ zu sanieren. Den Quoten haben diese massiven, qualitativen Mängel bislang jedenfalls nicht geschadet. TNT hat „Rizzoli & Isles“ bereits für eine zweite Staffel verlängert, die im Sommer 2011 starten wird.

Trotzdem steht mehr als je zuvor fest, dass irgendetwas in der Chefetage bei TNT aus den Fugen geraten sein muss. Einst war der Sender ein wichtiger Grundpfeiler für den revolutionären Durchbruch anspruchsvoller Dramen im US-Kabelfernsehen. Doch seit nunmehr fast drei Jahren produziert TNT eine Serie nach der anderen, deren Pilotfolgen stets auf Klischees aufbauen, darstellerisches Talent verschwenden und sich wie Schnellschüsse anfühlen. Die Liste an Beispielen ist inzwischen bedrohlich lang: „HawthoRNe“, „Raising the Bar“, „Dark Blue“ und letztendlich auch „Memphis Beat“ ließen einen Serienfan zumeist recht ratlos zurück. Ist das noch der gleiche Sender, der sich mit „The Closer“, „In Plain Sight“, „Leverage“ und der Rettung des NBC-Dramas „Southland“ einen festen Platz im Herzen eines weltweiten Publikums eroberte? Es muss etwas passieren und am Besten schnell, bevor das neue Anwaltsdrama „Franklin & Bash“ und die neue Steven Spielberg-Serie „Falling Skies“ 2010/​2011 an den Start gehen. Früher oder später werden die älteren Erfolgsserien des Senders in Rente gehen. Ohne wirklich hochkarätigen Nachschub könnte TNT der Boden unter den Füßen äußerst schnell wegbrechen.

Meine Wertung: 2/​5

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Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

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