Powers – Review

Schräge Superhelden-Verfilmung beim PlayStation Network – von Marcus Kirzynowski

Marcus Kirzynowski
Rezension von Marcus Kirzynowski – 30.03.2015, 12:00 Uhr

Früher war er ein Held, heute ist er nur noch ein Cop: Christian Walker (Sharlto Copley)

Die Adaption der Comicreihe „Powers“ als Fernsehserie hat bereits eine längere Geschichte. Ursprünglich hatte der Kabelsender FX 2011 eine Pilotfolge drehen lassen, die dann wohl nicht so recht überzeugen konnte. Erst war noch von Nachdrehs die Rede, dann hörte man gar nichts mehr von dem Projekt – bis im Zuge des jüngsten Booms der Superheldenserien Sony Pictures TV ankündigte, Powers werde die erste Eigenproduktion des PlayStation Networks werden. Dafür wurde wieder bei Null angefangen und alle Rollen neu besetzt.

Dabei hat das Endergebnis mit den anderen in den vergangenen Jahren neu angelaufenen TV-Serien mit Superhelden recht wenig gemeinsam. Das liegt zu einem großen Teil sicherlich daran, dass schon die Comicvorlage von Autor Brian Michael Bendis (der auch an der Adaption mitgewirkt hat) und Zeichner Michael Avon Oeming zwar bei einem Sublabel von Marvel erscheint, aber eben keine der company owned Mainstreamreihen ist, sondern eher ein Autorencomic, bei dem Schöpfer Bendis die Rechte und kreativen Fäden in der Hand behält.

Natürlich gibt es auch in „Powers“ allerlei kostümierte Gestalten mit übernatürlichen und teils abstrusen Fähigkeiten und entsprechende durchgeknallte Gegenspieler. Eingebettet sind deren Auseinandersetzungen allerdings in einen relativ komplexen Hintergrund einer alternativen Gegenwart, die sich nur in Nuancen von der unseren unterscheidet. Das ermöglicht einen halbrealistischen Ansatz und das Gedankenspiel „Was wäre, wenn es Menschen mit Superkräften wirklich gäbe?“, wie es etwa auch schon Alan Moore in seinem modernen Klassiker „Watchmen“ durchexerziert hat. Die Grundprämisse geht so: Die Handlung spielt in einem Amerika, in dem Menschen mit übernatürlichen Kräften zum Alltag gehören, sie werden allgemein Powers genannt. Einige von ihnen nutzen ihre Gaben tatsächlich, um als Helden Gutes zu tun, andere setzen sie aber lieber ein, um sich selbst zu bereichern. Deshalb unterhält die Polizei von Los Angeles auch eine Spezialeinheit, die sich ausschließlich deren Straftaten widmet, die sogenannte Powers Division.

Für die arbeitet mit Christian Walker (Sharlto Copley, „District 9“) auch ein Detective, der früher als Diamond selbst einmal ein Superheld war, bis er seine Kräfte von einem Tag auf den anderen verlor. Gezwungen, nun ein Leben als Normalsterblicher zu führen, befindet sich Walker seitdem praktisch in der permanenten Sinnkrise. Die Auftaktfolge beginnt damit, dass Walkers Partner in einem Moment der Unaufmerksamkeit einem kriminellen Power zum Opfer fällt. Daraufhin bekommt Walker eine neue, noch unerfahrene Partnerin zugewiesen, Deena Pilgrim (Susan Heyward). Die geht ihm zunächst einmal tierisch auf die Nerven, nach und nach raufen sich die beiden aber natürlich zusammen, wie das in Cop-Shows nun mal so läuft. Ihr erster gemeinsamer Fall konfrontiert sie mit dem Mord an einem weiteren Superhelden namens Olympia. Dem ist beim Sex mit dem jungen Groupie Calista (Olesya Rulin) praktisch das Herz explodiert – nicht gerade ein heldenhafter Tod. Die Superhelden-Groupies – sogenannte Wannabes, weil sie auch selbst gerne Superkräfte hätten – sind ein weiterer alltäglicher Bestandteil dieser fiktiven Welt. Sie schlafen nicht etwa nur aus Bewunderung mit Helden, sondern vor allem, weil deren Sperma kurzzeitig ebenfalls Superkräfte verleiht.

Walkers neue Partnerin: Deena Pilgrim (Susan Heyward)
Schnell finden Walker und Pilgrim heraus, dass Olympias Tod jedoch keinesfalls ein natürlicher war, vielmehr steckte ein Droge dahinter, die der telepathisch begabte Johnny Royalle (Noah Taylor) produziert. Dessen Schaltzentrale, die von lauter identisch aussehenden Chargen bevölkert wird (in Wahrheit eine Person, die sich einfach vervielfältigen kann), wirkt wie aus einem Bond-Film entliehen, es fehlt nur noch die weiße Katze.

Diese Inhaltsbeschreibung macht schon deutlich, dass der Tonfall von „Powers“ sich deutlich von dem unterscheidet, was man aus Serien wie „Arrow“ oder „Gotham“ gewohnt ist. Teilweise wird der Trash, der dem Genre immer schon innewohnt, bewusst auf die Spitze getrieben, aber eben auch in nicht jugendfreier Weise ad absurdum geführt (etwa mit Sperma als Art von Anti-Kryptonit). Auch die „guten“ Helden benehmen sich zudem nicht besonders heldenhaft. Paradebeispiel dafür ist Retro-Girl, eine von Genreliebling Michelle Forbes herrlich süffisant gespielte kostümierte Heldin, die das typische Alter für diese Tätigkeit bereits deutlich überschritten hat. Die Ex-Partnerin von Walker (auch in intimer Hinsicht) hat immer einen sarkastischen Spruch auf den Lippen, im Privatleben ist sie eine reiche Geschäftsfrau, die ihr Haus im gleichen grellen Orange eingerichtet hat, das auch ihr Kostüm auszeichnet. Walker selbst ist eher ein abgewrackter Antiheld, wie man ihn aus Hardboiled-Detektivromanen kennt.

Neben aller Lust an der Überzeichnung und am Trash findet sich auch immer wieder Raum für ernsthaftere Überlegungen: Müssen Normalsterbliche in einer Welt ohnmächtig zusehen, in der Kriminelle mit Superkräften unterwegs sind? Sind Menschen auch ohne Kräfte gleichwertig? Und was macht es aus einem – ehemaligen – Helden, wenn er gezwungen ist, sich wieder in die Massen der „Normalen“ einzureihen? Gleich zu Anfang bekommen zudem die (Boulevard-)Medien ihr Fett weg, die in einer Gesellschaft mit Super-Promis natürlich hyperventilieren. Anders als andere aktuelle Comicserien setzt „Powers“ auch (zumindest in den ersten Folgen) nicht hauptsächlich auf einen „Fall der Woche“, sondern erzählt seine Haupthandlungsstränge von Woche zu Woche weiter, auch wenn meist neue spektakuläre Morde präsentiert werden. Diese hängen aber mit dem großen Ganzen, den sinisteren Plänen von Royalle und seinem Mentor „Big Bad“ Wolfe zusammen. Der ist quasi der Oberschurke, ein durchgeknallter Exzentriker, der unter Hochsicherheitsbedingungen gefangen gehalten wird und den Eddie Izzard mit der angemessenen Grandezza spielt.

Sicher erreichen die (ohnehin nur spärlich eingesetzten) Special-Effects-Szenen nicht die technische Qualität, wie wir sie inzwischen aus US-Kino- und TV-Produktionen gewohnt sind. Dafür hat das relativ kleine „Powers“ aber andere Stärken, die gerade daher kommen, dass es nicht auf einem großen Mainstream-Sender läuft: Gepfefferte Sprache ist dadurch ebenso möglich wie sexuelle Anspielungen und comichaft überzeichnete Gewalt. Diese Freiheiten, aber auch der Wille der Autoren um Charlie Huston, ihre Parallelwelt und deren metaphorische Implikationen im Kern durchaus ernst zu nehmen, bieten das Potential, dass „Powers“ das werden könnte, was „Gotham“, „Arrow“ & Co. wegen zahlreicher externer Beschränkungen nie richtig sein können: eine Superhelden-Serie für Erwachsene. Auch wenn in den ersten Folgen noch nicht alles überzeugend ist: Gute Ansätze sind genügend vorhanden.


Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten zwei Folgen der Serie.

Meine Wertung: 4/​5



Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: Sony Pictures TV

Über den Autor

Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing

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