Bradley Walsh, Jamie Bamber itvNüchterner Realismus ist auch das Motto bei der Gestaltung der Kulissen des Major Investigations Unit, dem Polizeirevier auf dem DS Brooks und DS Devlin ihren Dienst versehen. Gerade dieser Ansatz ist allerdings bei den späteren Gerichtsszenen ein Nachteil. Der Zuschauer muss im Gerichtssaal vielleicht mehr Zeit verbringen als in jedem anderen Szenenbild der Serie, also sollte der, wenn schon nicht eine einladende Wärme wie beim Original, zumindest eine gewisse Faszination ausstrahlen. Realismus darf da auch gerne ein bisschen in den Hintergrund treten. Dieses Set ist noch verbesserungswürdig, vielleicht müsste es auch nur besser beleuchtet werden.
Auffallend ist in diesem Zusammenhang auch die Gestaltung der Büros der Crown Prosecutors. „Law & Order“-Fans wissen seit langem, dass im Vorspann der Serie die Polizeibeamten in blau gezeigt werden und die Anwälte in rot. In der UK-Fassung wurde dieses Farbmuster nun auch für die Büros beider Abteilungen übernommen: das Polizeirevier ist in blau gehalten, die Büros von James Steel und Co. in einer Art weinrot. Das bringt einen Fan zunächst zum schmunzeln, ist dann aber doch recht angenehm anzusehen.
Insgesamt lässt sich konstatieren, dass der „Law“-Teil, dem „Order“-Teil in dieser ersten Episode noch stark überlegen ist – dies dürfte zu einem erheblichen Teil auch überwiegend auf die Besetzung zurückzuführen sein. „Battlestar Galactica“-Fans werden sich darüber freuen Jamie Bamber mit seinem echten, britischen Akzent zu hören. Bamber als Devlin und Bradley Walsh als Brooks verkörpern mühelos das eingespielte Team, bei dem die Chemie nicht nur stimmt, sondern geradezu beeindruckt. Ihre Wortwechsel sind schnell und pointiert. Auch Harriet Walter fügt sich als die Revierleiterin Detective Inspector Natalie Chandler wunderbar in dieses Gesamtbild ein. Sie ist hier zwar nur in wenigen Szenen zu sehen, aber die reichen aus um zu zeigen, dass Walter die Idealbesetzung für den Part ist.
Ben Daniels, Beatrice McArdle itvBei den Crown Prosecutors stimmt das Zusammenspiel dagegen noch nicht wirklich ganz: Ben Daniels ist als James Steel zwar durchaus interessant, doch sind die Verantwortlichen in der Pilotfolge in die Klischeefalle getappt. Allzu einfach erscheint die Darstellung Steels als edler Ritter, der den Opfern selbstlos zu ihrem Recht verhelfen will, während der gegnerische Strafverteidiger als ruchloser Gegenpart hochstilisiert wird. Diese Schwäche im Drehbuch hätte durch bessere Schauspielerführung ausgeglichen werden können. Etwas mehr Ambivalenz hätte gut getan, zumal die Stärke des Originals ja gerade darin besteht im Laufe des „Order“-Teils auch die Grauzonen und Ungerechtigkeiten des Rechtssystems aufzuzeigen, auszuloten oder gar anzuklagen. So erscheinen hier nicht die weißen Perücken der britischen Anwälte fremdartig, oder dass die Richterin hochehrwürdig mit „Mylady“ angeredet wird – sondern eben vielmehr die fast gänzliche Abwesenheit solcher kritischen Diskurse.
Bill Paterson verströmt als Oberstaatsanwalt George Castle, oder wie es hier heißt „Director“ des „CPS London“, väterliche Wärme und wirft mit Kommentaren um sich, die durchaus auch von Adam Schiff (Steven Hill) stammen könnten, dem allerersten Staatsanwalt des Originals. Wirklich beurteilen wird man Paterson in der Rolle wohl erst können, wenn er selbst einmal seine Schlachten gegen die Obrigkeit austragen muss. Fast komplett farblos bleibt dagegen leider Freema Agyeman als Alesha Phillips, Steels Assistentin. Obwohl im Original mittlerweile sechs verschiedene Darstellerinnen die gleiche Funktion inne hatten schafft es Agyeman nicht an auch nur eine davon heranzureichen. Dieser Mangel in Sachen Besetzung kann sicherlich nur durch eine bessere Ausarbeitung von Phillips? Funktion bei der Staatsanwaltschaft ausgeglichen werden. Doch in der ersten Folge scheint sie die einzige zu sein, welche die Lösungen und Recherchen für Steel mundgerecht vorbereitet, während der über die Ehre des Rechts philosophiert. Das muss sich ändern. Eine Stärke bei „Law & Order“ war stets das Gefühl des andauernden Teamworks. Steel und Philips müssen die Lösungen öfter gemeinsam finden, sich die Bälle zuspielen – so wie eben die Polizisten auch.
Bradley Walsh, Jamie Bamber itvWomit natürlich nicht gesagt werden soll, dass alles genauso wie beim Original bleiben muss. Schließlich braucht „Law & Order: UK“ gerade auch seine Unterschiede zum Überleben. Puristen wird sofort die andere Schriftart als bei den US-Serien auffallen, wobei das verbindende „CHUNG CHUNG“ gleich geblieben ist. Mike Posts subtiles „Law & Order“-Thema ist einer leicht heroischen Fanfare von Andy Price gewichen, die zunächst gewöhnungsbedürftig erscheint, dann aber doch überzeugt. Auf den Vorspann trifft dies leider nicht zu, die recht einfallslos aneinander gereihten Bilder der Stadt und der Schauspieler passen überhaupt nicht zu der Melodie. Auch der obligatorische Gang der vier Hauptfiguren im Flur des Gerichtsgebäudes kann da nichts retten.
Schließlich muss noch festgehalten werden, dass es sich bei der Geschichte der ersten Episode mit dem Titel „Care“ nicht um ein Originaldrehbuch handelt. Die Pilotfolge ist eine Neuverfilmung von „Cradle to Grave“, einer „Law & Order“-Folge aus der zweiten Staffel, die 1992 in den USA ausgestrahlt wurde. Sämtliche Episoden der ersten Staffel werden derartige Neuverfilmungen sein, natürlich angepasst an die Örtlichkeiten und das britische Rechtssystem. So wurde im übrigen auch beim französischen Ableger „Paris enqu?tes criminelles“ verfahren.
Zwar mögen Neuverfilmungen von 13 aus über 400 Drehbüchern „Law & Order“ nicht so stark negativ ins Gewicht fallen, wie es beispielsweise bei der Neuauflage von „Mission: Impossible“ in den 80-er Jahren der Fall war. Dennoch wäre es mehr als wünschenswert, dass sich „Law & Order: UK“ in dieser Hinsicht ab der zweiten Staffel, falls es denn eine geben sollte, komplett vom Original abnabelt, auch um ein vollwertiges Mitglied des gleichen Serienuniversums zu werden. Und wer weiß, vielleicht können dann die Beamten aus New York, oder die aus London ja in naher Zukunft einmal den Weg über den großen Teich finden und in einer Folge gemeinsam ermitteln. Das Potential ist da, Verbesserungen müssen auf jeden Fall noch vorgenommen werden. Doch, wie immer, sollte man einer Serie mit vielversprechenden Grundlagen die Chance geben sich zu entwickeln. „Law & Order: UK“ hat diese Chance auf jeden Fall verdient.
Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.