Jane the Virgin – Review

Ein Ausblick auf die Drama-Soap von The CW – von Bernd Krannich

Bernd Krannich
Rezension von Bernd Krannich – 17.11.2014, 12:00 Uhr

Verkettung unglücklicher Zufälle: Jane (Gina Rodriguez) und Mutter Xiomara (Andrea Navedo) müssen sich etwas einfallen lassen

Im amerikanischen Fernsehen tun sich Formate jenseits von Cops, Anwälten und Ärzten regelmäßig schwer. Selten einmal schafft es eine Serie, die sich jenseits dieser Genres versucht, zum Zuschauererfolg zu werden. Gleiches gilt – trotz Kritikerlob – auch für die neue Serie „Jane the Virgin“ von The CW. Darin steht die abstruse, aber herzenswarme Geschichte der 24-jährigen Jane Villanueva im Zentrum, die durch Umstände, wie sie nur in einer Fernsehserie aufkommen können, bei einem Frauenarztbesuch versehentlich einer künstlichen Befruchtung unterzogen wird. Ihr Umgang mit der Schwangerschaft sowie ein komplexes Figurengeflecht aus ihrer Familie und der Familie des unfreiwilligen Samenspenders werden teils ernsthaft, teils augenzwinkernd als Satire auf eine Telenovela aufgearbeitet.

Die Prämissen von „Jane the Virgin“ sind in ihrer Konstruiertheit auch für den Dauer-Fernsehgucker nicht ganz leicht zu schlucken: Solch ein Geflecht von Beziehungen unter den Hauptfiguren bekommen andere Soaps erst nach Jahren hin. Andererseits muss man die Prämissen auch nur einmal hinnehmen, der Rest der Serie ergibt sich danach eher organisch. Zentral in „Jane the Virgin“ sind zwei Konzepte: einerseits die Beziehungen der Figuren zu ihren jeweiligen Eltern (bisweilen auch mal zu anderen Familienmitgliedern). Andererseits das Festhalten der Figuren an einmal getroffenen Entscheidungen, auch wenn man sich dadurch immer tiefer in eine Bredouille bringt.

Janes zentrale Entscheidung etwa wurde ihr als Teenagerin von ihrer Großmutter Alba (Ivonne Coll) aufgedrückt: mit dem Sex bis zur Ehe zu warten. Vor dem Hintergrund von Albas lebensfroher und mit 16 Jahren schwanger gewordener Tochter Xiomara (Andrea Navedo) durchaus nachvollziehbar. „Jane the Virgin“ lebt davon, dass Jane dadurch jedoch nicht zum eindimensionalen Charakter wird. Denn sie ist nicht verklemmt, mit ihren Freundinnen und Arbeitskolleginnen ist sie offen und hat auch mit deren sexuellen Abenteuern keine moralischen Probleme. Auch in der Beziehung mit ihrem Dauerfreund, dem Polizisten Michael Cordero (Brett Dier), ist Jane kein Kind von Traurigkeit, überschreitet aber ihre selbst gezogene Grenze nicht.

Das Herz der Serie bilden Jane und ihre Mutter Xiomara: So unterschiedlich die beiden Frauen sind, so sehr sie beide glauben, besser zu wissen, wie die andere ihr Glück finden kann, so respektieren sie sich doch am Ende stets und können über das Meiste offen reden – Kritikervergleiche zu Rory und Lorelei aus den „Gilmore Girls“ sind dann allerdings doch sehr weit hergeholt. So hat etwa Xiomara seinerzeit beschlossen, ihre Tochter über einige Umstände ihrer Empfängnis und Geburt im Unklaren zu lassen. Deshalb glaubt Jane, der Vater sei ein Soldat gewesen, dessen Namen ihre Mutter vor einem Schäferstündchen nicht einmal in Erfahrung gebracht habe.

Janes eigentlich sehr zielstrebig auf „Uniabschluss, Arbeit als Lehrerin, Heirat“ ausgerichtetes Leben wird durch einen Gynäkologenbesuch jäh aus der Bahn geworfen – denn damit gerät sie in das Umfeld der wohlhabenden (und somit natürlich intriganten) Solano-Familie. Denn in Folge eines gerade-so-noch-irgendwie-glaubhaft hingebogenen Fehlers der sie behandelnden Gynäkologin erhält sie statt einer Vorsorgeuntersuchung eine künstliche Befruchtung, die eigentlich für die Patientin im Raum nebenan gedacht war. Das Jane verabreichte Erbgut stammt von Rafael Solano (Justin Baldoni), einem ehemaligen Playboy, der derzeit eines der Hotels seiner Familie managt. Eine Krebserkrankung hat ihn kürzlich geläutert – und unfruchtbar werden lassen. Janes Schwangerschaft wird so zu seiner einzigen Chance auf biologischen Nachwuchs.

Rafael befindet sich derzeit in einer Krise: Sein kritischer Vater (Carlos Rota) wird demnächst seine Arbeit der letzten Monate bewerten. Daneben hatten sich Rafael und seine Ehefrau Petra (Yael Grobglas) auseinandergelebt. Nicht zu Unrecht vermutet Rafael, dass sie versucht, die Ehe krampfhaft noch ein weiteres Jahr aufrecht zu erhalten: Denn dann bekäme sie laut Ehevertrag ein Millionenvermögen. Wie weit sie dafür gehen würde, erkennt Rafael erstmals, als sie als „freudige Überraschung“ für ihren Ehemann insgeheim die künstliche Befruchtung ansetzt – die nun zu Janes Schwangerschaft geführt hat. Trotz Rafaels Misstrauen scheint Petra zunächst ihr Ziel erreicht zu haben, denn es zeichnet sich ab: Jane würde einer Weggabe ihres Kindes in die Hände von Fremden wohl nur zustimmen, wenn es sich dabei um ein „glückliches Ehepaar“ handelt. Im Hintergrund der Handlung ist Petras im Rollstuhl sitzende Mutter Magda (Priscilla Barnes).

Der unfreiwillige Spender: Rafael Solano (Justin Baldoni)
Zwei weitere Handlungs-Kunstgriffe runden das Geschehen ab: Einerseits ist die Gynäkologin, die sich den gewaltigen Kunstfehler leistete, Rafaels problembeladene Schwester Luisa (Yara Martinez). Andererseits taucht Petra unvermittelt ein weiteres Mal im Leben von Janes designiertem Ehemann Michael auf: Der überwacht gerade jemanden mit Verbindungen zum Drogenmilieu – in dessen Hotelzimmer die umtriebige Petra sich immer wieder einfindet.

Wer glaubt, dass es in Sachen Figurengeflecht alleine bei diesem Netz aus Beziehungen bleibt, unterschätzt die Kreativität der Serienmacher: Jane etwa ist Angestellte in Rafaels Hotel und kennt ihn zudem von einer bedeutenden früheren Begegnung. Auch Luisa hat die eine oder andere Beziehungsleiche im Keller. Dann gibt es noch den Soap-Star Rogelio de la Vega (Jaime Camil), der Xiomaras Leben durcheinanderbringt. Und ganz ohne Mord kommt auch „Jane the Virgin“ nicht aus.

Was aus diesen Beschreibungen bereits hervorgeht, sei hier nochmal hervorgehoben: „Jane the Virgin“ ist eine Serie mit einem verwirrend großen Figurencast, der durch sehr merkwürdige und unwahrscheinliche Zufälle und Zusammenhänge miteinander verstrickt ist. Oder es schnell wird. Als wöchentliche Dramaserie, die für den US-Markt produziert wird, braucht es da ein Gegengewicht, um ernst genommen zu werden: Die Serie steht dazu, dass sie abstrus ist und stellt sich als ironische Überzeichnung einer Telenovela dar. Ähnlich, wie das zuvor schon „Ugly Betty“ mit anschaulichem Erfolg getan hat.

Bei „Jane“ belässt man es aber nicht dabei, die Figuren zu überzeichnen. Als Stilmittel begleitet die Serie einerseits ein „allwissender Erzähler“ aus dem Off. Er kommentiert die Beziehungen der Figuren. Daneben nimmt er die Zuschauer an die Hand und wiederholt häufiger, wie die einzelnen Charaktere zueinander in Beziehung stehen. Daneben übernimmt er die Anmoderation nach den Werbepausen und sorgt durch Hinweise auf Widersprüche und Lügen dafür, dass auch der unaufmerksame Zuschauer der Handlung problemlos folgen kann. Weiterhin ist er auch für orakelhafte Andeutungen zuständig und baut damit Spannung bezüglich kommender Enthüllungen auf. Andererseits versucht die Serie, durch spitzfindige, in Textform auf den Bildschirm geschriebene Kurzkommentare den Humorfaktor zu erhöhen.

Was sehr deutlich für die Serie spricht, ist die sympathische Hauptfigur Jane mit ihrer Darstellerin Gina Rodriguez. Trotz ihrer ungewöhnlichen, für viele Zuschauer vermutlich gar lächerlichen oder als bemitleidenswert empfundenen Entscheidung, bis zur Hochzeit mit dem Geschlechtsverkehr zu warten, ist Jane nicht eindimensional. Sie ist eine Überzeugungstäterin im besten Sinne. Sie versucht ihren Verantwortungen gerecht zu werden, aber sie (ver-)urteilt nicht. Durch ihre Überzeugungen steht sie aber fester im Leben, als das etwa Betty Suarez in „Ugly Betty“ getan hat, die sehr lange im Schatten ihres Chefs geblieben ist. Vergleiche drängen sich bei „Jane the Virgin“ wohl am ehesten zu „Switched at Birth“ auf – nicht nur, weil Ivonne Coll in beiden Serien die Oma der Hauptfigur spielt. Beide beginnen mit einer abstrusen Prämisse, machen daraus aber eine annehmbare Serie. Aus den durchaus soliden Schauspielleistungen ragt Gina Rodriguez als Heldin Jane hervor.

Der Genuss von „Jane the Virgin“ steht und fällt vermutlich damit, ob man die einzelnen Gimmicks persönlich unterhaltsam findet oder von ihnen genervt ist: einerseits der omnipräsente Erzähler mit seinem dicken Latino-Akzent, daneben der von sich selbst unglaublich überzeugte Soap-Star Rogelio De La Vega mit dem ihn als Running Gag immer wieder einholenden Fan-Mob, kleinere optische Gags sowie die stets überraschenden Beziehungen, die die Hauptfiguren mit neu eingeführten Nebenfiguren verbinden. Während man „Jane the Virgin“ Romantikfans und Hardcore-Soap-Liebhabern mit gutem Gewissen als kurzweilige Unterhaltung empfehlen kann, dürfte diese Serie für andere Zuschauer doch zu wenig Substanz haben, um dauerhaftes Sehvergnügen zu bieten.

Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten vier Episoden der Serie.

Meine Wertung: 3/​5

Bernd Krannich
© Alle Bilder: The CW

Über den Autor

Bernd Krannich ist Jahrgang 1974 und erhielt die Liebe zu Fernsehserien quasi in die Wiege gelegt. Sein Vater war Fan früher Actionserien und technikbegeistert, Bernd verfiel den Serien spätestens mit Akte X, Das nächste Jahrhundert und Buffy. Mittlerweile verfolgt er das ganzes Serienspektrum von „The Americans“ über „Arrow“ bis „The Big Bang Theory“. Seit 2007 schreibt Bernd beruflich über vornehmlich amerikanische Fernsehserien, seit 2014 in der Newsredaktion von fernsehserien.de.

Lieblingsserien: Buffy – Im Bann der Dämonen, Frasier, Star Trek – Deep Space Nine

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