Mediathek wichtiger als lineares Fernsehen: ARD-Vorsitzender sieht „Ende der Massenmedien“

Junge Mediatheknutzer kommen nicht mehr zurück ins Lineare

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 11.08.2025, 17:18 Uhr

Florian Hager, ARD-Vorsitzender und Intendant des Hessischen Rundfunks – Bild: HR/Tim Thie
Florian Hager, ARD-Vorsitzender und Intendant des Hessischen Rundfunks

Seit Anfang des Jahres ist hr-Intendant Florian Hager auch ARD-Vorsitzender. In dieser Funktion gab er der Süddeutschen Zeitung ein Interview und sprach über den sich rasant verändernden Bewegtbildmarkt. Dabei tätigte er einige bemerkenswerte Aussagen.

Für 2025 versuchen wir grundsätzlich dahin zu kommen, dass uns die Mediathek wichtiger ist als das Lineare, erläutert Hager – fügt dann jedoch noch hinzu: im Wissen, dass auf Jahre hinaus das lineare Fernsehen etwa bei der Reichweite immer noch wichtiger sein wird. Aber wir müssen jetzt die Veränderung hinbekommen. Die Medienforschung gehe davon aus, dass 2030 der Kipp-Punkt erreicht sein wird, an dem mehr Menschen Bewegtbildinhalte nicht-linear nutzen als linear. Für diesen Punkt müsse man bereit sein, das sei für die ARD überlebensnotwendig.

Florian Hager führt aus, dass das gemeinsame Erleben eines aktuellen Ereignisses nicht zwingend etwas mit dem Medium zu tun haben müsse. Ob etwas zum Beispiel ein Livestream ist oder im Fernsehen läuft, das wird immer egaler, so Hager. Wenn das Ereignis nicht so enorm ist, dass man zwingend das normale Fernsehprogramm aufbrechen muss, dann ist auch eine Livesendung in der Mediathek ein gutes Mittel.

Seiner Ansicht nach befinden wir uns momentan in einer Zwischenphase. Zwar würde bei politischen Ereignissen immer noch das Stammpublikum den „Brennpunkt“ nach der „Tagesschau“ gucken, gleichzeitig merke man jedoch, dass immer mehr Menschen eben nicht den ‚Brennpunkt‘ abwarten, sondern sofort informiert werden möchten.

Er glaube nicht daran, dass das klassische Fernsehen irgendwann komplett abgeschaltet wird, aber auch die ARD habe mittlerweile erkannt, dass es nicht reicht, in der Mediathek einfach Inhalte des Ersten zur Verfügung zu stellen, sondern dass man ein eigenes Angebot braucht. Im Digitalen entstehen nämlich Produkte für andere Zielgruppen, die für das normale Fernsehen niemals entstanden wären, weil es da keinen erfolgversprechenden Platz dafür gäbe. Die Altersstruktur der Mediatheknutzer sehe sehr anders aus. Das Ziel, Menschen von da zurück ins Lineare zu ziehen, haben wir natürlich als Idee irgendwann gehabt. Im Sinn von: Lass doch die Jungen mal älter werden, die kommen dann schon um acht Uhr in die ‚Tagesschau‘. Aber haben wir vor ein paar Jahren gemerkt, dass das nicht mehr funktioniert. Nach Ansicht von Hager verändere sich die Mediennutzung so radikal, dass es auch inhaltlich kein Brückenbauen zurück gibt.

In dem Zusammenhang machen ihm Plattformen wie TikTok große Sorgen. Wenn ich hauptsächlich TikTok-Nutzer bin, dann ist auch eine öffentlich-rechtliche Mediathek nichts mehr für mich. In meinem ganzen Nutzungsverhalten kommt eine Mediathek als Phänomen dann nämlich einfach nicht mehr vor. Wenn am Ende der KI-Agent die Nutzer ohne den Weg über Webseiten oder Apps direkt zu den Inhalten bringt, stelle er sich die Frage: Wo finden wir als Öffentlich-Rechtliche, als erkennbare Marke überhaupt noch statt?

Diese Entwicklung bringt Florian Hager zu dem Schluss, dass wir gerade das Ende der Massenmedien erleben. Wir sehen, dass es die Öffentlichkeit in der klassisch gedachten Form auch medial nicht mehr gibt, sondern überall nur Teilöffentlichkeiten. Zwar sei man schon noch in der Lage, Effekte zu setzen, etwa mit sechs Millionen Zuschauern, die allabendlich die „Tagesschau“ gucken, generelle müsse man sich aber stärker überlegen, was die Themen sind, die die Leute wirklich interessieren, um eine gewisse Größe an Teilöffentlichkeit erreichen zu können.

Um die klassische Einschaltquote für einzelne Sendungen gehe es dabei nicht, auch wenn laut Hager ARD und ZDF zusammen mehr Menschen in Deutschland erreichen als Netflix. Vielmehr gehe es ihm um den Auftrag, Orte zu schaffen, die eine Funktion von Zusammenhalt haben – sowohl im Digitalen als auch im echten Leben.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am

    Stimmt, tomgilles! ABER solange die meisten Sendungen, Filme und Serien erst linear ausgestrahlt werden müssen um bis zu 2 1/2 Jahre in der Mediathek abrufbar zu sein, muß erstmal diese Einschränkung abgeschafft werden. Genauso muß die Gebührenpflicht reformiert werden, denn diese Einnahmen sind eigentlich fürs Fernsehen linear gedacht und nicht um die Mediatheken mit Eigenproduktionen und Rechtekäufe zu füllen!
    • am via tvforen.de

      Ein sehr progressiver Ansatz. Dieser Florian Hager ist den Intendanten und restlichen öffentlich-rechtlichen Programmverantwortlichen weit voraus.

      weitere Meldungen

      Hol dir jetzt die fernsehserien.de App