Happy Town – Review

von Michael Brandes

Rezension von Michael Brandes – 05.06.2010

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Happy Town

Haplin in Minnesota, auch „Happy Town“ genannt, ist eine jener liebenswert-skurrilen Kleinstädte, die einst im Mittelpunkt von Serien wie „Ausgerechnet Alaska“ oder „Picket Fences“ standen. In Haplin leben freundliche Menschen, die 24 Stunden täglich von einem süßen Duft nach Backwaren berauscht werden, der sich über der ganzen Stadt verbreitet. Denn auf einem Hügel liegt, überall im Ort gut sichtbar, das Herz der Stadt: das Backwarenimperium „Our Daily Bread Baking and Confectioners“. In der liebevoll „Bready“ getauften Fabrik arbeiten rund zwölf Prozent der Einwohner. Der Eigentümer ist die Familie Haplin, nach der die Stadt benannt ist.

Das ist die Kulisse einer neuen Serie, die vom US-Network ABC gezielt als „Twin Peaks“-Nachfolgerin beworben wurde. Ein gewagter Vergleich aus Marketinggründen, der trotz gewisser Parallelen weder „Happy Town“ noch David Lynchs Klassiker gerecht wird. „Happy Town“ ist eine humorvolle und intelligente Crime- und Mysteryserie, die Zeit und Raum benötigt für ihre vielen Figuren und falschen Fährten. Sie richtet sich an Freunde verspielter, kleiner Serien, die sich selbst nicht sehr ernst nehmen und immer ein wenig zu sehr neben der Spur liegen, um beim breiten Publikum punkten zu können. Auch die Anhänger von gewitzten, mit Sorgfalt konstruierten Gruselgeschichten, die auch den 50. Stephen-King-Roman noch verschlingen, werde ihre Freude an „Happy Town“ haben.

Lauren German

Zumindest letztere dürfte die recht brutale Eingangsszene nicht abschrecken: In einer kleinen Hütte am verschneiten Stadtrand geschieht ein Mord. Lediglich dunkle Umrisse sind zu erkennen vom Täter, der sich kurzfristig entscheidet, sein Opfer nicht mit einer Kugel niederzustrecken. Stattdessen hämmert er dem noch lebenden Objekt mit einem spitzen Werkzeug ein Loch in die Stirn. Als der Sheriff ein paar Filmminuten später am Tatort eintrifft, durchfluten bereits Sonnenstrahlen das kreisrunde Loch im Schädel des Toten.

Doch schon in der zweiten Szene entsteht der Eindruck, sich plötzlich in der lieblichen Welt der „Gilmore Girls“ wiederzufinden. Begleitet von einer fröhlichen Country-Melodie lernen wir Haplin kennen, stellvertretend mit den Augen einer hübschen, jungen Frau namens Henley (Lauren German). Sie ist neu in Haplin und möchte einen Kerzenshop eröffnen. Dass ihr Besuch einen anderen Hintergrund haben muss, lässt sich leicht erahnen. Die Pilotfolge wird es bald bestätigen. Henley wird von der Besitzerin der Pension, in der sie unterkommt, durch die Stadt geführt. Eine ganze Menge Leute gilt es dort kennenzulernen. In der Pension wohnen außer ihr noch vier fröhliche Witwen, die sich die Zeit mit Karten spielen vertreiben. Dazu noch Merritt Grieves (großartig: Sam Neill), ein seriös gekleideter, konservativ wirkender Herr, mit dem Henley schnell Freundschaft schließt. Merritt hat ausgerechnet in diesem verschlafenen Nest das „House of Usher“ eröffnet, einen nostalgischen Souvenirshop für Cineasten. Kunden hat er nicht. Die zwielichtigsten Gestalten im Dorf sind, zumindest auf den ersten Blick, die Gebrüder Stiviletto: Lincoln, Ronald, Womper und Baby Boy Stiviletto – eine moderne Version der Dalton-Brüder.

Geoff Stults, Steven Weber

Die Stadt wird von mysteriösen Ereignissen aus der jüngsten Vergangenheit geplagt, die während des Jahrmarkts wieder hochkochen. Sieben Jahre lang verschwand alle zwölf Monate ein Bewohner von Happy Town spurlos. Gingen diese Menschen freiwillig oder war ein Serientäter am Werk? Die Frage, wie man mit dem nie aufgeklärten Sachverhalt umgehen soll, entzweit die Stadt. Manche halten die Verschollenen für tot und möchten die Geschehnisse vergessen, andere hoffen weiter auf ein Wunder. Sie halten die Erinnerung aufrecht und suchen weiter nach einem Täter. Viele Einwohner machen einen geheimnisvollen Unbekannten für das Geschehen verantwortlich, den sie „The Magic Man“ getauft haben – weil weder er noch die Verschollenen Spuren hinterlassen. Doch inzwischen lebt die Stadt seit fünf Jahren wieder in Frieden, und die Anhänger der „Magic Man“-Theorie rätseln: Ist er weggezogen? Verstorben? Verhaftet wegen eines anderen Verbrechens, in einer anderen Stadt? Oder hat er das Interesse am Morden verloren und ist so lautlos verschwunden wie er gekommen ist?

Als einige Bewohner während des Jahrmarkts ein großes Erinnerungsbanner mit den überdimensionalen Bildern der sieben Verschwundenen quer über die Hauptstraße hängen wollen, kommt es zu Handgreiflichkeiten. Einen lautstarken Dialog leisten sich vor allem der grauhaarige Sheriff Griffin Conroy (M.C. Gainer) und John Haplin (Steven Weber), der wichtigste Mann im Ort. Eines der sieben Fotos auf dem Banner zeigt seine Tochter Addie, die zum Zeitpunkt ihres Verschwindens erst acht Jahre alt war. Die Auseinandersetzung wird unterbrochen, als Griffin über den in der Nacht zuvor begangenen Mord unterrichtet wird. Das Verbrechen ist also nach Haplin zurückgekehrt.

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