Galavant – Review
Märchen-Musical von ABC – von Gian-Philip Andreas
Rezension von Gian-Philip Andreas – 12.01.2015, 12:10 Uhr
Fogelman kennt sich da auf jeden Fall aus. Als Autor von Pixars „Cars“ und Disneys rasanter Märchenverwitzelung „Rapunzel – Voll verföhnt“ gilt er längst als Spezialist fürs Ironisch-Komische, für einen Tonfall mithin, der auch seinen ersten Ausflug in die TV-Comedy auszeichnete: „The Neighbors“. Für „Galavant“ holte er sich versierte Musical-Experten an Bord, den achtfach oscarprämierten Disney-Komponisten Alan Menken und den Texter Glenn Slater. Beide waren auch maßgeblich für das Gelingen von „Rapunzel“ verantwortlich, und für „Galavant“ schrieben sie ein bis zwei neue Songs pro Episode.
Wie wenig ernst die Macher bei dieser Märchenschnurre um den schneidigen Ritter Galavant genommen werden wollen, zeigt sich schon nach wenigen Sekunden der schmissigen Eröffnungsnummer, inszeniert in einem kleinen, mittelalterlich dekorierten, von grünen Auen umrankten Dorf mit reetbedeckten Häusern, bunten Marktständen und flauschigen Schafen: Da hält ein Gemüsehändler zwei Kürbisse in die Kamera und behauptet, der legendenumrankte Held habe „cojones“ in etwa dieser Größe. Und direkt darauf spricht ein Gefangener am Pranger unumwunden aus, mit wem wir es hier zu tun bekommen: „A fairy-tale cliché!“, ein Märchenklischee also. Und Galavant, gespielt vom dressmanhaften Briten Joshua Sasse, kommt dabei tatsächlich die pittoreske Küste entlanggeritten wie Prinz Charming. Galavant! Galavant! Galavant! Der Name des smarten Jünglings wird in der ersten Nummer so oft gejuchzt, dass man ihn nie wieder wird vergessen können, ob man will oder nicht. Musical, eben.
Neben Sasse spielt noch eine Handvoll gut aussehender bzw. gut singender, ansonsten aber noch nirgendwo sonderlich aufgefallener Darsteller mit. Nur für die männlichen Schurkenrollen verließ sich Fogelmann auf die bewährten Kräfte Timothy Omundson („Psych“) und Vinnie Jones, den walisischen Schreck-Tackler vom FC Wimbledon, der, nachdem er die Fußballschuhe an den Nagel gehängt hatte, Schauspieler in ungezählten B-Actionfilmen wurde. Dass wir diesen Mann fürs Grobe in „Galavant“ tatsächlich singen hören dürfen, ist schon mal das Einschalten wert.
Das „Was“ ist in „Galavant“ selbstredend nicht halb so wichtig wie das „Wie“, das sich überwiegend über Song & Dance und einen fast erdrückend ironischen Tonfall definiert, der nie Zweifel daran aufkommen lässt, dass man hier keinen Figuren zuschaut, mit denen es ernsthaft mitzufiebern gilt. Natürlich ist das nicht neu (das Monty-Python-Musical „Spamalot“ und dessen Filmvorlage „Die Ritter der Kokosnuss“ sind dabei die offensichtlichen Vorbilder), doch wenn King Richard in der Pilotfolge einen schmissigen Song aufs Thronzimmerparkett steppt, in dem er die blutigsten Varianten aufzählt, wie er Galavant töten könnte, oder wenn sich im Finale der zweiten Episode sowohl Richard und Madalena als auch Galavant und Isabella in einer Parallelmontage gegenseitig ihre Abneigung versichern, dann macht diese Travestie herkömmlicher Musicalstanzen trotzdem großen Spaß. Wenn man so will, erweist sich „Galavant“ in diesen Sequenzen als Realfilm-Variante der längst komplett durchironisierten Animationsfilme von Pixar und DreamWorks. Der Humor aus „Shrek“ oder „Rapunzel“ wird hier auf echte Schauspieler übertragen – was phasenweise gut funktioniert. Zumindest in den Songs: Wenn Galavant, Isabella und Sid einen Hügel hinaufreiten und dabei eine lautstarke Mutmachernummer schmettern, geht das nicht ohne den Gag, dass Galavant nach der letzten, langgezogenen Note japsend nach Luft ringt und ächzt: „Ich hab Bauchschmerzen, der Song war echt lang.“
In den Dialogen dagegen hat „Galavant“ mit dieser Bloß-nicht-ernst-Strategie bald erwartbare Probleme. Sie wirken wie Füllmaterial zwischen den einzelnen Songnummern (die deshalb wohl auch, mit den musicaltypischen Retardierungen, auf Viertelstundenlänge gestreckt werden) und missraten, wenn sie Sitcoms nacheifern wollen. In Folge 2 etwa nimmt Galavant auf seinem Weg zu Madalena zwecks Aufbesserung der Reisekasse an einem Ritterturnier teil; dabei wird er von einem eitlen Ritter (Gastauftritt von „Full House“-Star John Stamos) herausgefordert, der „Deine Mudder“-Witze reißt und als „Jean Hamm“ vorgestellt wird: Bemühte Witzischkeit dieser Art zündet einfach nicht. Eine Ritterparodie auf die Trainings-Montagen aus Filmen wie „Rocky“ ist da schon lustiger, vor allem, weil dazu ein bräsiger Hard-Rock-Song von der „Eye of the Tiger“-Resterampe eingespielt wird, amtlich aus den tattrigen Lungen hervorgequietscht vom „Skid Row“-Haarmetall-Urgestein Sebastian Bach. Das beweist: Sobald Musik dazukommt, wird es hier spaßig. Sonst weniger.
Vielleicht ändert sich das, wenn bald angekündigte Guest Stars wie Ricky Gervais, „Weird“ Al Yankovic und Rutger Hauer ins Geschehen eingreifen. Bislang aber wird der Haupt-Plot vom Neben-Plot um King Richard deutlich in den Schatten gestellt – was auch daran liegt, dass Timothy Omundson die Ko-Stars darstellerisch abhängt. Wie er die Klischeerolle eines ebenso bösen wie eitlen Königs lässig aus dem Handgelenk schüttelt, so als spiele er einen realitätsfremden Topmanager; wie er sich nach einem Blick aufs eigene Blümchenhemd dazu anschickt, sich vom Ritter Gareth in Männlichkeit ausbilden zu lassen, das ist wirklich komisch und bis dato das Faszinierendste an dem, was „Galavant“ jenseits des Musikalischen zu bieten hat.
Gewiss, die ganz große Komödie muss hier nicht erwartet werden. Acht Folgen „Galavant“ werden auf drei Stunden Spielzeit hinauslaufen: Was als Überbrückung der „Once Upon a Time“-Pause gedacht ist, kann schon deshalb kaum mehr als eine Zwischenmahlzeit sein. Das Sympathische daran aber ist, dass Fogelman und Co. auch nie den Anschein erwecken, dass sie mehr als einen solchen Snack im Sinn hatten.
Meine Wertung: 3,5/5
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Folgen der Serie.Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: ABC Studios
Über den Autor
Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für fernsehserien.de rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 („Lonely Souls“) - gefolgt von The Sopranos S03E11 („Pine Barrens“), The Simpsons S08E23 („Homer’s Enemy“), Mad Men S04E07 („The Suitcase“), My So-Called Life S01E11 („Life of Brian“) und selbstredend Lindenstraße 507 („Laufpass“).
Lieblingsserien: Twin Peaks, Six Feet Under, Parks and Recreation