„Mich stört es enorm, wenn mit Kindern von oben herab gesprochen wird“

„Wissen macht Ah!“-Moderatorin Clarissa Corrêa da Silva im Interview

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 21.04.2019, 09:05 Uhr

Clarissa Corrêa da Silva und Simon Schneider moderieren den „Kummerkasten“ KiKA

fernsehserien.de: Mit den Problemen der Pubertät sind Sie demnach aus eigener Erfahrung vertraut. Im KiKA moderieren Sie seit 2016 den „Kummerkasten“, in dem es genau darum geht. Haben Kinder heutzutage andere Fragen und Probleme oder fühlen Sie sich eher an Ihre eigene Kindheit und Jugend erinnert?

Clarissa Corrêa da Silva: Teil teils. Das Schöne und auch Wichtige an der Sendung ist, dass wir den direkten Draht zu den Kindern haben und uns nicht irgendwelche Themen selbst ausdenken, sondern in Zusammenarbeit mit der Diakonie auf die eingesandten Fragen eingehen. Ich glaube, die großen Probleme der Vor- oder Frühpubertierenden sind gleichgeblieben. Die Dauerbrenner sind Liebe und Freundschaft, aber auch Selbstfindung. Unter anderem durch die Digitalisierung haben sich allerdings die Umstände verändert, die zu neuen Problemen führen. Die Frage „Wie beliebt bin ich?“ beschränkt sich nicht mehr auf die Klasse oder den Schulhof, sondern verlagert sich heutzutage stark auf soziale Netzwerke. Dort vergleichen sich Pubertierende heute unfassbar viel, während sie versuchen, sich selbst zu finden. Dadurch baut sich ein enormer Druck auf. Ich habe außerdem den Eindruck, dass der Sexual-/​Aufklärungsbereich heutzutage konservativer und tabuisierter geworden ist, als es noch zu meiner Zeit der Fall war.

Ist es in Zeiten von YouTube und Snapchat schwieriger geworden, Kinder mit klassischem Fernsehen zu erreichen? Oder ist das in diesem Alter noch gar nicht so entscheidend?

WDR/​Ben Knabe
Clarissa Corrêa da Silva: Doch, Kinder haben heutzutage sehr früh Zugriff auf alle möglichen Angebote, darunter befindet sich auch viel Bedenkliches. Deswegen ist der „Kummerkasten“ crossmedial aufgestellt, um eine gute Alternative zu bieten. Ich glaube, im Vorschulalter wird das klassische Fernsehen noch viel konsumiert. Viele Eltern nutzen die festen Zeiten vom „Sandmännchen“ oder der „Sendung mit der Maus“, um eine Struktur im Alltag der Kinder zu etablieren. Allgemein sehe ich die Herausforderung darin, sowohl linearen als auch non-linearen Content zu schaffen. Ich vergleiche das gerne mit Spotify. Da suche ich einerseits ganz gezielt nach bestimmten Alben oder meinen Lieblingskünstlern, aber manchmal möchte ich auch aus meiner persönlichen Blase heraus, mich von neuer Musik inspirieren lassen und schalte deshalb einen linearen Stream ein. Diese beiden Interessen gilt es zu befriedigen. Das ist beim Fernsehen aus meiner Sicht ganz genauso. Ich bin überzeugt davon, dass sich guter Inhalt weiterhin durchsetzen wird, unabhängig von den Plattformen. Es ist nur wichtig, auf den unterschiedlichen Ausspielwegen präsent zu sein.

Das klingt sehr einleuchtend. Was zeichnet denn Ihrer Meinung nach allgemein gutes Kinderfernsehen aus?

Clarissa Corrêa da Silva: Gutes Kinderfernsehen muss zunächst mal den Interessen der Kinder entsprechen. Mich stört es enorm, wenn mit Kindern von oben herab gesprochen wird – so Erklärbär-mäßig oder in drei Tonlagen höher. Ich sehe das so: Kinder sitzen die ganze Woche teilweise bis nachmittags in der Schule, deshalb haben sie keinen Bock auf noch mehr Frontalunterricht im Fernsehen. Die Sendungen dürfen und sollen ihnen Spaß machen. Man muss den Kindern nicht jedes Bild bis ins kleinste Detail erklären, sondern ihnen einen kreativen Interpretationsspielraum lassen. Viele Erwachsene trauen Kindern diesbezüglich zu wenig zu. Ich versuche in meiner täglichen Arbeit, stets die Augenhöhe zu bewahren und mit den Kindern ganz normal zu reden.

Clarissa trifft Goethe (l.) und Schiller (r.) KiKA/​Sabine Finger

Das tun Sie unter anderem in einem neuen KiKA-Geschichtsformat, das Anfang des Jahres zu sehen war. In „Triff …“ gehen Sie als zeitreisende Promi-Reporterin auf große Reise. Sie haben sich bereits auf die Spuren von Leonardo da Vinci, Kleopatra und Friedrich Schiller begeben. Haben Sie im Rahmen der Sendung selbst noch etwas dazugelernt?

Clarissa Corrêa da Silva: Definitiv! Im Luther-Jahr lief die Pilotfolge der Sendung, die sehr gut ankam. Daher wurde entschieden, das Format fortzusetzen – allerdings mit ein paar Veränderungen, unter anderem mit mir als neuer Frontfrau. Das freut mich auch deshalb, weil der Wissensbereich im Kinderfernsehen allgemein noch sehr stark männlich dominiert ist. Geschichte ist ein Thema, das sehr schwer unterhaltsam zu vermitteln ist. In der Schule fand ich das selbst unglaublich langweilig und trocken. Ich habe mir immer nur die ungewöhnlichen Anekdoten gemerkt, wie etwa den Namen von Bismarcks Hund. (lacht) Und bei „Triff …“ geht es genau darum, den Menschen hinter der historischen Figur kennenzulernen. Die Verbindung aus den humoristischen, nachgespielten Szenen und den Reportage-Teilen finde ich absolut genial. Schön ist, dass es auch um Persönlichkeiten aus Kunst, Musik oder Wissenschaft geht. Die Sendung macht unfassbar viel Spaß und wir produzieren in diesem Jahr eine zweite Staffel, die 2020 ausgestrahlt wird.

Clarissa trifft Leonardo da Vinci KiKA/​Sabine Finger

Auf der nächsten Seite erzählt Clarissa Corrêa da Silva, weshalb sie im Alter von 19 Jahren alleine von Brasilien nach Deutschland gezogen ist und wie sie ihre Karriere zum KiKA geführt hat.

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