Drastische rbb-Sparmaßnahmen: So sollen 49 Millionen Euro eingespart werden

Einschnitte im Programm, Stellenabbau und Verkauf von Gebäuden

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 22.02.2023, 17:43 Uhr

Dr. Katrin Vernau ist Intendantin des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) – Bild: rbb/Gundula Krause
Dr. Katrin Vernau ist Intendantin des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb)

Nach dem Skandal um die ehemalige rbb-Intendantin Patricia Schlesinger kündigte ihre Nachfolgerin Dr. Katrin Vernau eine umfassende Überprüfung des rbb-Programmangebots sowie drastische Einsparmaßnahmen an. In einer heute veröffentlichten Pressemitteilung wird erläutert, wie sich der rbb für die Zukunft neu aufstellen will. Konkret sollen Einsparungen von 49 Millionen Euro erreicht werden, um die Misswirtschaft ihrer Vorgängerin zu kompensieren.

Mehrerträge aus dem Rundfunkbeitrag wurden nämlich nicht – wie von der KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs) gefordert – bis zum Ende der aktuellen Beitragsperiode zurückgelegt, sondern flossen in den laufenden Haushalt. Deshalb müssen müssen bis Ende 2024 rund 41 Millionen Euro wieder aus der Planung herausgenommen werden. Hinzu kommen weitere rund 8 Millionen Euro, die für 2023 und 2024 zwar als Einsparziel durch die ehemalige Geschäftsleitung vorgesehen, aber nicht mit Maßnahmen unterlegt waren.

In „gemeinsamer Anstrengung aller Direktionen und Hauptabteilungen“ sei es dem rbb gelungen, die Ausgaben bis zum Ende der laufenden Beitragsperiode wieder den Einnahmen anzupassen. Eine deutliche Reduktion der Ausgaben sei dabei unumgänglich. Ziel des entwickelten Maßnahmenpakets sei es, ungeachtet der angespannten Finanzlage alle strategischen Voraussetzungen zu schaffen, um das regionale Profil des rbb in Fernsehen, Radio und Online zu schärfen.

Intendantin Dr. Katrin Vernau: Diese Kurskorrektur ist ein Kraftakt, aber dringend erforderlich. Ohne unser entschiedenes Handeln noch in der laufenden Beitragsperiode würden wir spätestens Ende 2024 in einen finanziellen Abgrund blicken. Die Zahlungsfähigkeit wäre nicht mehr ohne weiteres sichergestellt. Vernau weiter: Angesichts der Ausgangslage sind wir in der erweiterten Unternehmensleitung überzeugt, den richtigen Weg in eine bessere Zukunft gefunden zu haben. Es ist uns gelungen, ausreichend Mittel zu mobilisieren, um sowohl in moderne Technologie und zukunftsfähiges Programm als auch in die regionale Berichterstattung in und aus Brandenburg investieren zu können. Darüber bin ich sehr froh und allen Beteiligten zu Dank verpflichtet. Der rbb steht damit auf wirtschaftlich solider Basis und ist programmstrategisch für die Zukunft gut aufgestellt.

Die Maßnahmen im Einzelnen

- Die Programmdirektion als Taktgeber im rbb senkt ihre Ausgaben gegenüber der bisherigen Planung in diesem und im nächsten Jahr um insgesamt 21 Millionen Euro.

- Im linearen Fernsehen will sich der rbb auf das Programm in der Zeit zwischen 18 und 22 Uhr konzentrieren. Die Nachrichten-Flaggschiffe „rbb24 Abendschau“ sowie „rbb24 Brandenburg aktuell“ sollen dabei weiter gepflegt werden.

- Von 2024 an sollen sich die Maßnahmen in einem neuen Programmschema zeigen. Dabei folge man strategisch der Idee, „die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in Berlin und Brandenburg sowohl mit traditionellen als auch modernen Erzählweisen abzubilden“. Thementage und dialogorientierte Sendungen, aber auch Übernahmen aus den Angeboten der ARD sollen dabei fester Bestandteil sein. Speziell in den „zuschauerschwächeren Zeiten nach 22 Uhr“ soll der Programmaufwand minimiert werden.

- Erhebliche Einsparungen werden sich bei fiktionalen Produktionen ergeben sowie dadurch, dass die Federführung für das Studio Warschau beim WDR verbleibt. Das journalistische Engagement des rbb im Nachbarland Polen soll davon unberührt bleiben.

- Nicht weiter aus eigener Kraft leisten können werde sich der rbb die Finanzierung des „ARD-Mittagsmagazins“ im Ersten. Da der ARD bei der Sendung die Kooperation mit dem ZDF sehr wichtig ist, soll es über die Fortführung Gespräche zwischen ARD und ZDF geben.

- Im Digitalen wolle sich die Programmdirektion auf weniger, dafür qualitativ hochwertige Angebote konzentrieren, mit denen auch „jene Beitragszahlerinnen und Beitragszahler erreicht werden, die den rbb bisher kaum nutzen“.

- Profitieren sollen von den Umschichtungen neben rbb24 Digital die Angebote des rbb in der Mediathek, Audiothek und auf Drittplattformen. Programmangebote sollen künftig primär für die nonlineare Nutzung produziert werden. Verstärkt werden soll zudem die regionale Berichterstattung aus Brandenburg. Dadurch soll die journalistische Präsenz im westlichen Teil des Bundeslandes hörbar, sichtbar und spürbar intensiviert werden.

- Die Produktions- und Betriebsdirektion werde ihre Budgets im Laufe der Jahre 2023 und 2024 um 7 Millionen Euro senken und sich bei ihren künftigen strategischen Planungen und Workflows strikt an den Bedarfen der Programmdirektion orientieren. Gewährleistet sollen dabei sowohl der Ausbau der IT-Sicherheit als auch Investitionen in neue Technologien bleiben. Hohe Beachtung gelte der Optimierung der Metadaten für eine bessere Auffindbarkeit des Programmangebots in der Mediathek im Rahmen der digitalen Erneuerung der ARD. Auf den neuesten Stand gebracht werden soll zudem das Studio von „rbb24 Brandenburg aktuell“.

- In der Verwaltungsdirektion leiste das Gebäudemanagement einen besonders hohen Beitrag zum Gesamtsparvolumen. Dies komme der Programmdirektion zugute, die damit höhere Abstriche vermeiden konnte. Insgesamt soll das Gebäudemanagement bis Ende 2024 rund 10 Millionen Euro des erforderlichen Einsparvolumens erbringen. Dazu beitragen sollen Einmaleffekte durch den geplanten Verkauf von zwei Immobilien und zwei Grundstücken abseits der Kernstandorte Berlin und Potsdam. Die Regionalstandorte mit den Studios in Cottbus und Frankfurt/​Oder sollen erhalten bleiben. Strukturell auswirken werde sich mittelfristig die dank mobiler Arbeit mögliche Reduktion von Büroflächen um 25 Prozent und 10 Prozent bei den sonstigen Flächen. Hinzu kommen Abmietungen, die teilweise bereits begonnen haben. Sichergestellt werden sollen Investitionen zur Erneuerung der Technik und zum Erhalt des Gebäudebestands. Von Einsparungen berührt sein soll aber auch die Mitarbeiterversorgung – durch reduzierte Öffnungszeiten der Kantinen und höhere Essenspreise.

- Die Kosten für Personal und Organisation sollen bis Ende 2024 um knapp 11 Millionen Euro sinken. Es bleibe beim bereits verhängten Stopp zur Nachbesetzung von Stellen, wobei eine bestehende Taskforce im Einzelfall prüfe. Abgebaut werden sollen die in der Vergangenheit außerhalb des regulären Plans aufgebauten Stellen. Die Personalplanung soll insgesamt im Sinne des nachhaltigen Sparens der künftig kleineren Organisationsstruktur des rbb angepasst werden. Dazu werden bis zum 1. Januar 2025 insgesamt 100 Stellen abgebaut.

- Gespart werden soll nicht zuletzt auch an der Spitze des Senders: Intendantin Dr. Katrin Vernau kündigte an, die Geschäftsleitung von derzeit vier auf zwei Direktionen zu verkleinern. Über den genauen Zuschnitt werde noch entschieden. Fest stehe, dass es keine eigenständige juristische Direktion mehr geben wird.

- Perspektivisch um die Hälfte verringert werde zudem die im ARD-Vergleich überdurchschnittlich hohe Anzahl an außertariflich Beschäftigten. Erhalten sollen AT-Verträge – unterhalb der Ebene der Direktoren – ausschließlich Leiter und Leiterinnen der rbb-Hauptabteilungen.

Der heute von der BILD verkündeten Streichung von Dieter Nuhr aus dem rbb-Programm widersprach der Sender und stellte via Twitter klar: Dieter Nuhr hat für das Erste und den rbb oberste Priorität. Selbstverständlich wird das erfolgreiche Satireformat ‚Nuhr im Ersten‘ auch 2024 fortgeführt. Nur eine Sendung mit Dieter Nuhr wird 2024 wegfallen, die für die ARD-Themenwoche.

Konkrete Einsparmaßnahmen im Programm bestätigte der rbb auf Anfrage von DWDL. Demnach sollen speziell für die Primetime am Donnerstag, Samstag und Sonntag keinerlei neue Produktionen mehr entstehen. Auch für Sendungen im rbb-Fernsehen nach 22 Uhr soll kein Geld mehr ausgegeben werden. Im Zuge dessen werden die Talkshow „Thadeusz und die Beobachter“ sowie die erst kürzlich gestartete Literatursendung „Studio Orange“ mit Sophie Passmann nicht weiter fortgesetzt.

Weiterhin investiert werde in den Vorabend, der als „Primetime des RBB“ gelte und weiterentwickelt werden soll. Am Montagabend soll es weiterhin gebündelt Service-Inhalte zu sehen geben, darunter das auf 90 Minuten verlängerte Magazin „Super.Markt“. Dieses wird dann auch Gesundheitsthemen beinhalten – im Gegenzug spart man sich künftig das Format „rbb Praxis“ am Mittwochabend, wo stattdessen Dokumentationen und Reportagen mit den Schwerpunkten Gesellschaft und Geschichte zu sehen sein sollen. Für den Dienstagabend soll ein neues Dialog-Format entstehen, das „gesellschaftlich relevante Themen zuschauernah aufgreifen“ soll. Der Freitagabend sei dagegen für regionale Unterhaltung reserviert.

Die Strategie sowie sämtliche Maßnahmen wurden von Intendantin Dr. Katrin Vernau am heutigen Mittwoch (22. Februar) bei einer Belegschaftsversammlung des rbb gemeinsam mit allen Führungskräften der zweiten Ebene vorgestellt, die seit Ende des vergangenen Jahres an der strategischen Weichenstellung gearbeitet haben. Sie seien das Ergebnis zahlreicher Workshops und Gespräche über alle Bereiche hinweg, unterstützt durch die Medienforschung. Jetzt seien alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefragt, diesen neuen Rahmen mit kreativen Ideen und Programmimpulsen gemeinsam zu gestalten.

Intendantin Dr. Katrin Vernau: Diese intensive Zusammenarbeit, bei der alle Beteiligten frei von Bereichsegoismen an einem Strang zogen, war für mich eine sehr ermutigende, gute Erfahrung, die mir Hoffnung macht, für den jetzt vor uns liegenden steinigen Weg der Umsetzung. Vernau weiter: Mir ist bewusst, wie schwierig die Situation und die bevorstehenden Veränderungen für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des rbb sind. Aber wir gehen diesen Weg gemeinsam, denn er bedeutet für den rbb, wieder zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Nach allem, was war und womöglich im Zuge der Aufklärungsarbeit noch kommt, bleibt unser Auftrag, für die Menschen in Brandenburg und Berlin da zu sein: im Fernsehen, im Hörfunk, in der Mediathek, in der Audiothek – und überall dort, wo sie sowohl nach gut recherchierten und für sie nützlichen Informationen als auch nach qualitativ hochwertigem Programm suchen.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1987) am

    Es ist wohl eher fraglich, ob es tatsächlich 21(!) öffentlich rechtliche Fernsehsender und über 50(!) öffentlich rechtliche Radiosender + unzählige Internetpräsenzen braucht!
    Die über 18€ monatlichen Zwangsgebühren, obwohl sehr, sehr Viele nicht einschalten, sind ja nicht das Einzige. Steuerliche Vorteile und Subventionen greifen uns ebenfalls tief in die Tasche und Programmatik, Ausrichtung und Personalplanung gehen komplett am Willen derer vorbei, für die das Ganze eigentlich da sein sollte. Die Jugend hört kein Radio! Sie nutz Youtube und Spotyfi! Schon gar nicht greift sie auf die lachhaften Erziehungs-TV-Formate für Jugendliche zurück.
    Wenn man das Ganze mindestens auf die Hälfte kürzt, ist es immer noch zu viel. Wenn man das Ganze wenigstens einigermaßen auf die tatsächlichen Wünsche der potentiellen Zuschauer zuschneiden würde, würde man trotzdem gegen die Konkurrenz blaß aussehen.
    Zu verknöchert, raffgierig und selbstüberschätzend sind gewachsene Strukturen und Personal.
    Selbst Befürworter des ÖR tun dies nur, um die gleiche politische Blase zu unterstützen - einschalten werden sie trotzdem nicht.
    • (geb. 1979) am

      Vielleicht sollte man erstmal bei den Gehältern der Chefs und ex Chefs und weiteren "wichtigen" Mitarbeitern anfangen zu sparen, da könnte man mehr als 49 Miliionen rausholen
      • (geb. 1978) am

        Dass ausgerechnet "Thadeusz und die Beobachter" den Sparplänen zum Opfer fällt, ist sehr bedauerlich. Immerhin ist das eine der besten und unterhaltsamsten Polit-Talk-Shows im deutschen Fernsehen und eines der wenigen, überregional bedeutsamen Aushängeschilder des Senders. Auf weitere Sendungen mit Dieter Nuhr hätte ich hingegen gut verzichten können. Da er sich seit Jahren immer auf die gleiche Weise an denselben Themen (Islam, Die Grünen, Schule) abarbeitet, hätte man hier auch einfach die alten Folgen wiederholen können. Das wäre vermutlich niemandem aufgefallen und man hätte mehr Mittel für innovative Formate übrig. Statt dessen spart man lieber an der Betriebskantine. Das sagt eigentlich schon alles über den Zustand des Senders und passt perfekt ins Bild unserer völlig maroden und disfunktionalen Hauptstadt.
        • am via tvforen.de

          Für mich hört sich das an nach einem "weiter so wie bisher". Im RBB läuft doch jetzt auch schon in der Regel nur zwischen 18 und 22 Uhr was Aktuelles. Der Rest sind Wiederholungen und Wiederholungen der Wiederholungen.

          Wo fließen denn die 8 Milliarden Euro hin, die ARD und ZDF jährlich von den Bürgern bekommen? Warum muss eine Frau Vernau für solche Arbeit ein jährliches Gehalt von über 300.000 Euro bekommen? Das sind 25.000 Euro pro Monat plus 1000 Euro Mietzuschuss und Bahncard (so hat es der RBB selbst im Dezember benannt).

          Am Programm für die Bürger - die das ganze mit ihren Gebühren schließlich finanzieren - soll gespart werden, aber eine Einsicht darüber, dass solche gigantischen Monatsgehälter für diesen Job (der RBB hatte bundesweit im Januar gerade mal einen Marktanteil von 1,4% und im Februar im eigenen Sendegebiet gerade mal 5,9%) total utopisch und realitätsfremd sind, die fehlt. So kommt man nie auf einen grünen Zweig.
          • am via tvforen.de

            TV Wunschliste schrieb:

            > Konkrete Einsparmaßnahmen im Programm bestätigte
            > der rbb auf Anfrage von DWDL. Demnach sollen
            > speziell für die Primetime am Donnerstag, Samstag
            > und Sonntag keinerlei neue Produktionen mehr
            > entstehen. Auch für Sendungen im rbb-Fernsehen
            > nach 22 Uhr soll kein Geld mehr ausgegeben werden.
            > Im Zuge dessen werden die Talkshow "Thadeusz und
            > die Beobachter" sowie die erst kürzlich
            > gestartete Literatursendung "Studio Orange" mit
            > Sophie Passmann nicht weiter fortgesetzt.

            Ich würde hoffen, dass "Knapp daneben" fortgesetzt wird, da dies aktuell zu meinen Lieblingsformaten zählt. Explizit aufgeführt ist diese Sendereihe hier zwar nicht, aber die genannten Eckdaten lassen nichts Gutes verheißen.

            Im Zweifel darf die Sendung auch gerne auf 20:15 Uhr verschoben werden, wenn nur Sendungen nach 22 Uhr betroffen sind? ;-)

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