2025 (Folge 480–493)
Ostsee unter Waffen – Was treibt Russlands Schattenflotte?
Folge 480 (45 Min.)
Üben für den Ernstfall. Die Soldatinnen und Soldaten der Marine begegnen bei ihren Übungen auf der Ostsee häufig russischen Kriegsschiffen.Bild: NDR/Lennart BanholzerJeden Tag fahren Öltanker der sogenannten russischen Schattenflotte an der norddeutschen Küste entlang. Russland verschifft so sein Rohöl – mutmaßlich sanktionswidrig – und finanziert seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Für die deutsche Küste sind die Schiffe eine Gefahr: Zum einen, weil sie alt sind und es bei Unfällen zu einer Ölpest kommen könnte, zum anderen, weil die Schattentanker in Verbindung mit Fällen von Sabotage und Spionage stehen. Für die „NDR Story“ haben die Reporter Lennart Banholzer und Simon Hoyme die deutsche Marine in das Gebiet der Schattenflotte begleitet und sind der Frage nachgegangen, warum es dem Westen und insbesondere der Europäischen Union nicht gelingt, die Schattenflotte zu kontrollieren oder gar zu stoppen.Im Rahmen der internationalen Marine-Mission „Baltic Sentry“ (Ostsee-Wache) beobachten deutsche Einsatzkräfte verdächtige Schattenschiffe rund um die Uhr. Das solle Präsenz signalisieren, erklären sie in der „NDR Story“, und zur Abschreckung beitragen. Denn die Hunderte Alttanker stehen nicht nur im Verdacht, Sanktionen zu unterlaufen, sondern auch, Sabotageakte gegen die kritische westliche Infrastruktur auszuführen. Und wie die Reporter auf hoher See miterlebten, sind die Schattentanker auch aus russischer Sicht alles andere als einfache Handelsschiffe. So begleiten mittlerweile regelmäßig Kriegsschiffe der russischen Marine die Schattentanker. Bei den Vorbeifahrten sind offenbar Maschinengewehre mit Soldaten in voller Ausrüstung besetzt, also schussbereit. Auch vor den Küsten Estlands und Polens kam es in den vergangenen Monaten zu gefährlichen Begegnungen mit russischen Kriegsschiffen. In einem Fall schickte Russland sogar einen Kampfjet zum Schutz eines Tankers. Dass die Öltanker auch Umweltgefahren mit sich bringen, zeigen Unfälle wie etwa im Schwarzen Meer. Eine große Sorge, die die Ostseeanrainerstaaten umtreibe, sei ein absichtlich herbeigeführter Unfall als Teil hybrider Kriegsführung Russlands, beschreibt der Sicherheitsexperte Sebastian Bruns vom Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel. Die deutsche Marine habe nicht genug Schiffe und Kapazitäten, um alle verdächtigen Öltanker lückenlos zu überwachen. Auch Aktivisten von Greenpeace sehen Russlands Schattentanker als große Gefahr. Bei einer Protestaktion auf der Ostsee pinselten sie im Januar „Risk!“ (Risiko) an die Bordwand eines Schattentankers – in voller Fahrt. Internationale Kritiker wie der Wirtschaftswissenschaftler Robin Brooks vom Washington Thinktank Brookings Institution fordern denn auch gerade von der EU eine härtere Gangart gegen die Schattenflotte. „Die USA haben im Januar 193 russische Schiffe sanktioniert und damit Russlands Ölexporte auf See drastisch einbrechen lassen“, sagt er. Tatsächlich sanktionierte auch die EU weitere Schiffe, zuletzt nach langem Ringen mit der Slowakei, auch das inzwischen 18. Sanktionspaket. „Es ist an der Zeit, dass die EU nun in der Ostsee die Schattenschiffe stoppt“, so der Washingtoner Wissenschaftler Brooks. Einer, der die Beratungen in Brüssel gut kennt, ist der ehemalige Außenminister von Litauen, Gabrielius Landsbergis. Er war bis Ende 2024 im Amt und bezeichnet die Sanktionen der EU heute als „Show“. Eigentlich müsse das Ziel der EU sein, dass Russland die Sanktionen nicht umgehen kann. Dafür müssten sie ständig angepasst und erweitert werden. „Bei jedem Treffen sprechen wir über die Bedrohung durch Russland. Doch wo haben die Russen das Geld für ihre Armee her? Es ist das gleiche Geld, das sie durch das Öl und die Sanktionsumgehung verdienen.“ Es gibt zudem die Vermutung, dass bisher auch westliche Geschäftsinteressen eine konsequentere Umsetzung der EU-Sanktionen verhindert hätten. Beispielsweise gehörten etliche der Schattentanker ARD-Recherchen zufolge vor Beginn des Ukraine-Krieges westlichen Reedereien, darunter auch deutsche, und wurden dann mit vergleichsweise hohen Profiten an Zwischenhändler verkauft, die sie wiederum dem russischen Ölhandel zuführten. Die neuen Betreiber sind dabei nicht zwingend russische Betreiber, wie ein im Film anonymisierter örtlicher Marktkenner erläutert, sondern vor allem Firmen in Dubai. „Schon mit einer einzigen Fahrt“, schildert der Insider, „sind bis zu zehn Millionen Dollar Gewinn erreichbar.“ Allerdings hätten die in Dubai registrierten Firmen dort meist nur Briefkästen, die Auftraggeber agierten zumeist von Indien aus. Wie die „NDR Story“ mithilfe von Datenanalysen nachzeichnet, ist Indien das Ziel vieler Öltransporte per Schattentanker. Denn sie liefern dem Land das Rohöl für örtliche Raffinerien, die daraus etwa Benzin oder Diesel produzieren, das Indien exportiert, auch in die EU und an deutsche Tankstellen. Laut US-Experte Robin Brooks vernachlässigen Deutschland und die EU ein wirkungsvolles Mittel gegen Moskaus Kriegsherren. „Deutschland kann der russischen Kriegswirtschaft enorm schaden, noch dazu ohne eigene Kosten“, so der Brookings-Analyst. „Es müsste nur die russischen Schattentanker aus der Ostsee ausschließen. Das würde den Preis für Rohöl aus dem Ural senken und Russland in die Wirtschaftskrise schicken. Das Einzige, was es dafür braucht, ist Mut.“ Putin wolle den Westen zwar weiterhin glauben machen, dass Sanktionen nicht wirkten. „In Wahrheit“, so Brooks, „sind sie überaus effizient.“ (Text: NDR) Deutsche TV-Premiere Mo. 01.09.2025 NDR Altwerden unbezahlbar – Die Pflege vor dem Kollaps
Folge 481 (45 Min.)Heimleiter Stefan Lüpken ist dringend auf mehr Pflegekräfte angewiesen.Bild: NDREin emotionaler Film über den Pflegenotstand in Deutschland. Wer in Deutschland ins Pflegeheim kommt, muss um die 3000 Euro aus eigener Tasche zahlen, mehr als doppelt so viel wie noch vor zehn Jahren. Warum ist Pflege so teuer und warum stehen so viele Heime trotzdem vor großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten? In der Seniorenresidenz Hatten in der Nähe von Oldenburg in Niedersachsen zeigen sich die Konstruktionsfehler des deutschen Pflegesystems. Während Pflegeheimplätze gefragt sind (und in Zukunft immer gefragter werden), stehen hier 26 Pflegezimmer leer.Es gibt zu wenig Fachkräfte, um einen weiteren Stock zu eröffnen. Weil das aber enorme Umsatzeinbußen bedeutet, steht dieses Heim wie so viele kurz vor dem Konkurs, trotz des hohen Bedarfs. Und die Pflegebedürftigen? Sind plötzlich „arm wie eine Kirchenmaus“. So sieht sich Brigitte, die hier seit einem Jahr zu Hause ist. Das Ersparte? Bis auf einen Schonbetrag aufgebraucht, das Sozialamt muss einspringen. „Sie fühlen sich wie Bürgergeldempfänger, auch wenn das nicht stimmt“, sagt Heimleiter Stefan. Viele aus Stefans Heim haben 45 Jahre in Vollzeit gearbeitet und sind jetzt im Alter auf Sozialhilfe angewiesen. Für den Heimleiter auch deshalb ein Problem, weil die Antragsstellung oft mühsam ist und das Geld erst mit Verzögerung fließt. Die NDR Autoren Lars Kaufmann und Phillipp Eggers porträtieren einfühlsam, welche Auswirkungen die Probleme der Pflegeversicherung auf die Betroffenen haben. Auf Heimbewohner und Pflegekräfte und auf die, die ein Pflegeheim wirtschaftlich führen müssen. Steigende Preise für Instandhaltung und Lebensmittel, aber vor allem die gestiegenen Lohnkosten führen zu immer höheren Kosten, die wegen der leeren Kassen der Pflegeversicherung auf die Bewohnerinnen und Bewohner umgelegt werden müssen. Gleichzeitig fehlen in fast allen Heimen Pflegekräfte, sodass viele Zimmer nicht belegt werden können. Ein Blick nach Dänemark zeigt, dass es anders geht: in dem skandinavischen Land wird die Pflege vor allem über Steuereinnahmen finanziert. Der Eigenanteil, den Pflegebedürftige zahlen müssen, ist viel geringer. Fast 30 Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung setzt sich auch in Deutschland die Erkenntnis durch, dass das System der Teilkaskoversicherung Pflege aufgrund des demografischen Wandels nicht mehr zukunftsfest ist. Während Expertinnen und Experten in einer Arbeitsgruppe Antworten auf die drängenden Probleme suchen, hoffen die Bewohner und Pflegekräfte in Hatten, dass ihr Heim überleben wird und dass gute Pflege – unabhängig von der Höhe der Rente – bezahlbar bleibt. (Text: NDR) Deutsche TV-Premiere Mo. 08.09.2025 NDR Deutsche Streaming-Premiere Fr. 05.09.2025 ARD Mediathek Wenn Ärzte Fehler machen – Wer hilft den Patienten?
Folge 482 (45 Min.)Moritz wurde als Baby im Krankenhaus falsch behandelt und ist heute schwer behindert. Der Gerichtsprozess läuft seit 13 Jahren.Bild: Michael Kern / BR / BR/Michael KernTausende Menschen in Deutschland beginnen jedes Jahr einen Rechtsstreit, weil sie einen medizinischen Behandlungsfehler erlitten haben oder das vermuten. Ihr Kampf um Entschädigung vor Gericht ist oft quälend, langwierig, teuer – und meist erfolgslos. Warum ist das so? Sind Gerichtsverfahren der beste Weg, wenn in der Medizin etwas schiefgegangen ist? Und wie wird in anderen Ländern mit medizinischen Fehlern umgegangen? Der Film begleitet schwer geschädigte Patientinnen und Patienten und zeigt, was sich in Deutschland ändern sollte.Als Joachim Greuner sich im Mai 2019 auf den Weg ins Krankenhaus machte, glaubte er, dass er gleich seinen neugeborenen Sohn auf dem Arm halten würde. Doch Maxim und seine Mutter Silja starben beide innerhalb der nächsten zehn Stunden nach der Geburt. Woran, das erklärt Joachim Greuner nach seinen Angaben über Wochen niemand. Seitdem kämpft er gegen Ärzte, Klinik, Gutachter und die Justiz. Ein Kampf, den er nicht erwartet hat, obwohl er selbst Rechtsanwalt ist. Hauke Bochem und Chantal Gerstenberger stecken seit über 13 Jahren in einem Gerichtsverfahren fest. Sie verklagen die Klinik, in der ihr mittlerweile 14-jähriger Sohn Moritz geboren wurde. Er ist geistig und körperlich schwer behindert. Zwar hat ein Gericht längst festgestellt, dass bei seiner Behandlung nach der Geburt Fehler passiert sind, doch die Klinikversicherung will die Summen nicht zahlen, die das Gericht festgesetzt hat. Der Film begleitet schwer geschädigte Patientinnen und Patienten und zeigt ihren zermürbenden und oft aussichtslosen Kampf vor Gericht. Gleichzeitig macht die Dokumentation auf ein schwerwiegendes Problem aufmerksam: Die teuren Gerichtsprozesse tragen häufig nicht dazu bei, dass die Ursachen von Behandlungsfehlern abgestellt werden. So können weitere Patientinnen und Patienten zu Schaden kommen. In Dänemark stellt der Film einen Lösungsansatz vor: Dort hat man schon vor 30 Jahren einen Weg gefunden, Betroffene schnell zu entschädigen und aus Fehlern zu lernen. (Text: NDR) Deutsche TV-Premiere Mo. 15.09.2025 NDR Atommüll in Niedersachsen – Für immer Asse?
Folge 483 (45 Min.)Krisensitzung der Bergleute, 500 Meter unter der Erde.Bild: NDR/raufilmIn das havarierte Atommülllager der Asse dringen unkontrolliert große Mengen Wasser ein. Betriebsführer Guido Oesterreich steht vor einer kaum lösbaren Aufgabe: Er soll mit seiner Belegschaft das Wasser aufhalten und dabei auch noch das brüchige Bergwerk stabilisieren. Sonst droht die radioaktive Kontamination einer ganzen Region. Ein Eisenkorb voller Bergleute rast scheppernd durch die Dunkelheit hinab in die Tiefe: Schachtlager Asse II, ehemaliges Salzbergwerk bei Wolfenbüttel in Niedersachsen. Endlager für radioaktiven Atommüll. Einen halben Kilometer unter der Erde hantieren die Bergleute mit Schläuchen bei 40 Grad Hitze.Bohrgestänge drehen sich kreischend in das Salzgestein. Mitten im Lärm steht Betriebsführer Guido Oesterreich. Er soll den Wassereinbruch der Asse irgendwie in den Griff bekommen. Diese Aufgabe scheint kaum lösbar. Denn das Wasser strömt schon seit Jahren durch zahllose Felsspalten in das Atommülllager. „Bisher konnten wir das eindringende Wasser weiter oben im Berg abpumpen“, so Oesterreich. „Doch seit letztem Sommer findet es plötzlich andere Wege und strömt tiefer in den Berg, bis knapp über die Kammern mit dem Atommüll.“ Erreicht das Wasser den radioaktiven Abfall, droht die Kontamination der ganzen Region. Ein Wettlauf mit der Zeit, bis der Atommüll endlich aus der Asse herausgeholt und in ein sicheres Endlager gebracht werden kann. Von 1965 bis 1978 hatte man hier radioaktivem Abfall eingelagert, angeblich zu Forschungszwecken. Am Ende lagen 126.000 verstrahlte Fässer Atommüll im Berg vergraben. Und die Betreiber erklärten der Bevölkerung, die Asse sei jetzt ein „ganz besonders sicheres“ Endlager. Wenige Jahrzehnte nach diesem Versprechen steht die Asse für die ungelösten Konflikte der Atomkraft, deren strahlenden Schrott Deutschland nicht loswerden kann. Über ein Jahr lang hat ein Filmteam die Bergleute unter Tage begleitet – und in der Welt darüber die fragwürdige Politik um den Atommüll beobachtet. Zum ersten Mal nehmen in dieser Story Bergleute der Asse in ungewohnter Klarheit Stellung vor der Kamera und offenbaren unbekannte Einblicke in den erschreckenden, absurden Alltag einer Menschheitsaufgabe, die vergangene Generationen ihnen hinterlassen haben. (Text: NDR) Deutsche TV-Premiere Mo. 22.09.2025 NDR Hitze und Beton – Der zähe Kampf gegen die Versiegelung
Folge 484 (45 Min.)ARD/SWR ZUGEPFLASTERT!, „Wie schützen wir unsere Städte vor dem Hitzekollaps?“, am Mittwoch um 22:50 Uhr im ERSTEN. Deutschlands Städte heizen immer mehr auf: Jeden Tag verschwinden 50 Hektar kühlende Grünfläche. Während denkmalgeschützte Flächen nicht entsiegelt werden dürfen, bieten sich für andernorts effektive Möglichkeiten, am Thermometer zu drehen. Unternehmen, Institutionen, aber auch Privathaushalte sind gefragt. Bild: der denkmalgeschützte historische Marktplatz in Helmstedt, NiedersachsenBild: SWR/Ingo MendeHitzewellen schon im Juni, hohes Gesundheitsrisiko, amtliche Warnungen selbst für den Norden. Und doch verschwinden jeden Tag mehr kühlende Grünflächen unter Asphalt und Beton. Die Versiegelung der Städte geht weiter. Die Temperatur steigt. Für diese „NDR Story“ haben die Filmemacherinnen Gesine Enwaldt und Melanie Stucke recherchiert: Wie wirken sich Hitzetage im Körper aus, wo fehlt kühlendes Grün am meisten, warum ist es so schwierig, die Entwicklung zurückzudrehen und die Städte wieder zu entsiegeln? Landschaftsgärtner Tom Klose nimmt teil an einem Experiment.Er schluckt eine Pille mit integriertem Thermometer, bevor er in der Sonne schuftet. In Braunschweig legt er einen Schwammstadt-Park an, inmitten der versiegelten Innenstadt. Während Tom Klose die kühlende Oase erschafft, dokumentieren die Autorinnen, wie sich die Hitzetage in seinem Körper auswirken. In einer großen Datenrecherche für die „NDR Story“ spürt ein Forschungsteam des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) mit Luftüberfliegungsdaten und künstlicher Intelligenz auf, in welchen Städten besonders wenig Grün zu finden ist. Im Norden nehmen sie besonders Braunschweig, Hannover und Helmstedt unter die Lupe. Und die Recherche geht noch weiter: Schreiben die Städte vor, dass z. B. Parkplätze von Bäumen beschattet werden? Und sind diese Bäume dann auch zu finden? Die Lösung für das Hitzeproblem ist klar, und grün: Bis zu zehn Grad können Bäume graue Stadtflächen herunterkühlen, Wärmebildmessungen belegen das. Was sind die Gründe dafür, dass große Werksgelände, Schulhöfe, Parkplätze oder Schottergärten trotzdem weiter Hitzetreiber bleiben? (Text: NDR) Deutsche TV-Premiere Mo. 29.09.2025 NDR Deutsche Streaming-Premiere Fr. 26.09.2025 ARD Mediathek Aal in Gefahr
Folge 485 (45 Min.)Jörn Ross ist einer der letzten Schleifischer.Bild: NDR/Ute JurcovicsDer Europäische Aal ist der Fisch des Jahres 2025. Ein Rang, den nur bedrohte Tierarten bekommen. Und dennoch ist der Aal ein beliebter Speisefisch und gilt auch im Norden als Delikatesse. Stirbt der Aal aus, verschwindet auch ein uraltes Handwerk. Denn für viele Fischer ist er der letzte Brotfisch. Sie fürchten ein Fangverbot und wollen die Art mit anderen Maßnahmen retten. Schaffen sie das? Und was hilft dem Aal wirklich? Dieser Frage geht die „NDR Story“ nach. Soll man Aal noch essen? Für die Kunden von Aale-Dieter auf dem Hamburger Fischmarkt keine Frage.Seit 66 Jahren steht er dort jeden Sonntag und hat kein Problem, seine Räucheraale loszuwerden. Rund 20 Euro kostet ein mittelgroßes Exemplar. Auch beim Fischverkauf vom Kutter in Schleswig herrscht Andrang. Jörn Ross, einer der letzten Schleifischer, könnte weitaus mehr Aal verkaufen, als er fängt. Der Bestandsrückgang ist dramatisch in der Schlei, in Nord- und Ostsee und in ganz Europa. Nach Untersuchungen des Internationalen Rats für Meeresforschung, ICES, ist das Aufkommen an Jungfischen in Europa seit Anfang der 1980er-Jahre um rund 99 Prozent eingebrochen. Die Wissenschaftler des ICES fordern deshalb ein komplettes Aalfangverbot für Freizeitangler und gewerbliche Fischer. Für Jörn Ross und seinen Sohn Nils wäre das ein Berufsverbot. Ohne den Aalfang, sagen sie, müssten sie den Familienbetrieb schließen. Es gibt ihn seit mehr als 300 Jahren. In den Küstengewässern gilt bereits eine Schonzeit von sechs Monaten. Von Mitte September bis Mitte März dürfen die Fischer keine Aale in der Ostsee fangen. Aber Ross sieht sein Gewerbe zu Unrecht am Pranger. „Wir Fischer sind es, die den Aal schützen und dafür sorgen, dass er uns erhalten bleibt.“ Wie viele seiner Berufskollegen und zahlreiche Angelvereine engagiert sich Ross beim „Aalutsetten“. Dabei werden Millionen von Jungfischen, die sogenannten Glasaale, in Flüssen und Seen ausgesetzt. Sie stammen aus Fängen an der Atlantikküste, vor allem aus Spanien und Frankreich. Früher wanderten die Jungfische von allein in die Binnengewässer ein. Heute kommt nur noch ein Bruchteil auf natürlichem Weg dort an. Es gibt zu viele Hindernisse: Schleusen, Wasserkraftwerke und andere Baumaßnahmen, die den Tieren den Weg versperren oder sie sogar töten. Der Glasaalbesatz soll das kompensieren und dabei den Fischern ihr Einkommen sichern. „Aalutsetten“ sagen sie, ist Artenschutz. Ob das stimmt, ist umstritten. Umweltverbände und die Wissenschaftler des ICES fordern auch einen Stopp von Glasaalfischerei und Besatz. Es sei nicht bewiesen, dass diese Maßnahmen die Überlebenschancen des Aals erhöhen. Der Meeresökologe Reinhold Hanel, Leiter des Thünen-Instituts für Fischereiökologie in Bremerhaven, ist Mitglied des ICES. Für ihn steht fest, dass jahrzehntelange Besatzmaßnahmen dem Aal nicht geholfen haben. „Man weiß zu wenig über die Zusammenhänge, um wirklich klar sagen zu können, ob der Mensch hier eingreifen sollte oder nicht. Weil man die Konsequenzen nicht kennt, sei ein Verbot von Aal- und Glasaalfischerei überfällig. Der Aal birgt noch viele Geheimnisse. Schon Aristoteles rätselte, wie er sich vermehrt. Die Tiere laichen in der Sargassosee, ein Meeresgebiet im Nordatlantik, bis zu 7000 Meter tief. Von dort driften die Larven an die europäischen Küsten, wo sie sich zum Glasaal entwickeln. Ein Teil der Jungfische steigt dann in die Binnengewässer auf und wandelt sich zum Gelbaal. Bis zu 30 Jahre bleiben die Tiere an einem Ort, bevor sie sich – dann als Blankaal – wieder auf die Reise in den Sargassosee machen. Wie die Fische navigieren, weiß niemand, und noch nie wurde ein Aal beim Laichen beobachtet. Unklar ist auch, warum der Bestand seit Jahrzehnten schrumpft. Der Klimawandel, Umweltverschmutzung, Parasiten – es gibt viele Bedrohungen. Nicht zuletzt auch der Schmuggel von Glasaalen nach Asien. Aalimporte aus Europa sind verboten. Die „NDR Story“ zeigt den Alltag norddeutscher Fischer und ihren Einsatz beim „Aalutsetten“. Er begleitet Biologen des Fischereiinstituts in Rostock, die den Aalbestand in Mecklenburg-Vorpommern untersuchen. Gedreht wurde auch an der Havel. Rund 100 Kilometer Flusslauf sind dort mittlerweile weitgehend renaturiert. Deiche, Steine und andere Uferbefestigungen wurden abgebaut, Flussarme, die schon verlandet waren, wieder angeschlossen, Schilf und Auwälder angelegt. Ein idealer Lebensraum für den Aal. Doch aus eigener Kraft schaffen nur wenige Tiere die lange Reise in die Havel. Es sind noch viele Hindernisse aus dem Weg zu räumen, um den Aal zu retten. (Text: NDR) Deutsche TV-Premiere Mo. 06.10.2025 NDR Justiz am Limit – Was heißt das für die Bürger?
Folge 486 (45 Min.)In vielen Gerichten rollt noch der Gerichtsdiener die Akten durch die Flure.Bild: NDR/Lars HinrichDie Zahlen sind alarmierend: In Deutschland fehlen laut DRB (Deutscher Richterbund) 2000 Richter und Staatsanwälte. Akten stapeln sich in den Gerichten. Es gibt mehr als eine Million offene Verfahren. Verurteilte Straftäter laufen laut BKA frei herum, weil deutschlandweit rund 170.000 offene Haftbefehle wegen Personalmangels und Überlastung nicht vollstreckt werden können, davon werden 821 Personen wegen Mordes oder Totschlags gesucht. Bittere Folge der Überlastung von Gerichten und Staatsanwaltschaften: 63 dringend Tatverdächtige mussten 2024 aus der Untersuchungshaft entlassen werden, weil das Verfahren nicht innerhalb eines halben Jahres eröffnet werden konnte, traumatisierend für viele Opfer, die hofften, Gerechtigkeit zu finden.Überlange Verfahren bekommen vor allem die Bürgerinnen und Bürger zu spüren. Die Autorin Rita Knobel-Ulrich begleitet verschiedene Fälle: Danielle wurde vergewaltigt und musste auf die Prozesseröffnung vor dem Strafgericht fünf Jahre warten. Simones Sohn benötigte wegen seiner Behinderung einen mobilen Stuhl. Das Verfahren vor dem Sozialgericht gegen die Krankenkasse zog sich zwei Jahre bis zu einem Vergleich hin. Peter führt einen Sorgerechtsstreit vor dem Familiengericht, doch ein Prozesstermin ist nicht in Sicht. Er fürchtet, dass am Ende die Richter nach so langer Zeit eine irreparable Entfremdung konstatieren und er sein Kind nicht mehr wiedersieht. Und dann sind da noch überlange Verfahren vor überlasteten Verwaltungsgerichten: wenn sich ein Streit über Baugenehmigungen hinzieht, Asylverfahren Jahre dauern. Der Bauherr weiß nicht, ob er mit dem Bau seines Hauses beginnen kann, der Asylbewerber nicht, ob er gehen muss oder bleiben darf. Besserung ist vorerst nicht in Sicht: Denn bis 2030 wird ein Drittel aller Richter und Staatsanwälte in den Ruhestand gehen. Wie versuchen Gerichte und Staatsanwaltschaften, die Not zu bekämpfen? Welche Möglichkeiten bieten sich Klägern? Und was macht das mit dem Rechtsempfinden der Bürger, wenn Fälle nicht oder zu spät bearbeitet werden? (Text: NDR) Deutsche TV-Premiere Mo. 20.10.2025 NDR Deutsche Streaming-Premiere Fr. 17.10.2025 ARD Mediathek Gefährliche Sekte – Freundeskreis Bruno Gröning
Folge 487 (45 Min.)Reporterin Edith Dietrich bei der Recherche.Bild: NDR/Markus DasselEine packende Insidergeschichte über eine sektenartige Gemeinschaft. „Es gibt kein unheilbar“, verspricht der Bruno Gröning-Freundeskreis. Die Glaubensgemeinschaft zieht Zehntausende Menschen an, die auf den „göttlichen Heilstrom“ hoffen – selbst bei schweren Krankheiten wie Krebs. Den NDR Autoren Edith Dietrich und Herbert Kordes ist es gelungen, ins Innere des Freundeskreises vorzudringen. Was suchen Menschen in der Gemeinschaft? Und wie gefährlich wird es, wenn sie der Lehre Bruno Grönings mehr vertrauen als dem eigenen Arzt? Der Bruno Gröning-Freundeskreis hat in Deutschland mehr Mitglieder als Scientology – und ist öffentlich doch kaum bekannt.In mehr knapp 700 Gröning-Gemeinschaften, darunter mehr als 70 in Norddeutschland, treffen sich die Anhänger des 1959 verstorbenen „Wunderheilers“ Bruno Gröning. Nach dem Zweiten Weltkrieg strömten Tausende Anhänger Bruno Grönings zu öffentlichen Massenheilungen. Schenken Sie mir ihr Leiden! Ich nehme es!, versprach er. Ein großer Kropf am Hals des Heilers sollte dabei helfen, den „göttlichen Heilstrom“ zu kanalisieren – und Krankheiten fremder Menschen aufzunehmen. Bis heute glauben die Gröning-Anhänger an dieses Versprechen. In Gottesdienst ähnlichen „Einstellungs-Sitzungen“ berichten sie einander davon, wie Alltagsbeschwerden, Sorgen, aber auch schwerste Krankheiten geheilt werden können. Hufeisen und Armbänder aus Aluminiumfolie sollen dabei helfen, den Heilstrom aufzunehmen. Eine eigens eingerichtete, sogenannte „Medizinisch-Wissenschaftliche Fachgruppe“ hat nach Angaben des Freundeskreises rund 18.000 angebliche Heilungsberichte dokumentiert. Harmlose Spinnerei oder gefährliche Gehirnwäsche? Die NDR Reporter Edith Dietrich und Herbert Kordes gehen dieser Frage nach. Sie sprechen mit ehemaligen Mitgliedern des Freundeskreises, die davon berichten, dass das Vertrauen auf Grönings Heilsversprechen tödlich enden kann. Ein Aussteiger erzählt, wie eine Freundin an einer zu spät erkannten Krebserkrankung verstarb: „Ich hätte mir gewünscht, dass jemand von den Verantwortlichkeiten vom Bruno Gröning-Freundeskreis gekommen wäre zu dieser Freundin und gesagt hätte: Jetzt geh aber mal zum Arzt, lass dich untersuchen“, sagt er. Die Schwester einer Anhängerin berichtet von deren qualvollem Tod im Jahr 2023. Sie habe eine medizinische Behandlung im Vertrauen auf Bruno Gröning bis zuletzt abgelehnt. Ihre starken Schmerzen – von den Gröning-Anhängern „Regelungen“ genannt – habe sie als ein Zeichen beginnender Heilung angesehen. Eine weitere Frau berichtet im Interview von Gruppendruck, den sie als Kind im Freundeskreis erlebte: „Mir wurde immer suggeriert, dass ich es selbst in der Hand hätte, wie es mir gesundheitlich geht. Und wenn ich mich dem verschließe, dann sei ich eben selber schuld an meinen Allergien und dem Asthma“, sagt sie. Freundeskreis-Leiter Dieter Häusler bestreitet im Interview, dass die Gemeinschaft ihren Mitgliedern davon abrät, bei Krankheiten einen Arzt aufzusuchen. „Ich sage immer wieder ganz bewusst, wo ich irgendwo auftauche, habt Vertrauen zu eurem Arzt, bleibt in ärztlicher Betreuung“, sagt er. Die ihm von den Reportern geschilderten Todesfälle bedaure er: „Es tut mir für jeden Einzelnen, der sowas erlebt, extrem leid. Aber ich weiß nicht, wie ich das verhindern kann.“ Kritiker werfen dem Freundeskreis eine „Heilutopie“ vor, weil mit den Versprechen unrealistische Erwartungen geweckt werden. „Beim geistigen Weg klingt das alles so wunderbar. Aber es ist eben gefährlich, weil dann notwendige medizinische Maßnahmen ausgelassen werden oder nicht in Anspruch genommen werden“, sagt Michael Utsch von der der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin. Reporterin Edith Dietrich wird selbst Mitglied im Freundeskreis und macht ihre ganz eigenen Erfahrungen mit der Gemeinschaft. (Text: NDR) Deutsche TV-Premiere Mo. 27.10.2025 NDR Tatort Bauernhof – Diebstahl auf dem Land
Folge 488 (45 Min.)Tatort Bauernhof: Von dieser Weide in Scharnebeck (Niedersachsen) wurden über Nacht 4 wertvolle Angusrinder gestohlen.Bild: NDRPlötzlich fehlen vier Rinder auf der Weide. Sie sind einfach verschwunden. Zurückgeblieben sind Reifenabdrücke im Gras, eine verstörte Herde und eine Mutterkuh, die nach ihrem Kalb brüllt. Für das junge Landwirt-Paar Clara und Oliver aus Scharnebeck in Niedersachsen ist der finanzielle Schaden groß. Aber der Verlust geht ihnen auch emotional nahe, jedes Tier trug einen Namen. „Die eine war Olivers Lieblingskuh“, sagt Clara. Hinzu kommt das Gefühl, nicht mehr sicher zu sein. Viele Landwirte in Norddeutschland machen ähnliche Erfahrungen: Ganze Schafherden, Landmaschinen und auch Ernten verschwinden.Behörden und Verbände bestätigen einen Anstieg von Diebstählen. Und eine Farmcrime-Kriminologin, die Straftaten im ländlichen Raum erforscht, sagt dem NDR: Was hier passiert, sind keine Einzelfälle. Weit mehr als die Hälfte der Landwirte seien betroffen. Der breiten Öffentlichkeit ist dies wenig bekannt. So wurden in Mecklenburg-Vorpommern in diesem Jahr schon 17 Diebstähle von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut gemeldet. Allein hier kratzt der Gesamtschaden an der Millionengrenze. Besonders begehrt sind auch GPS-Geräte, die aus Landmaschinen herausgebrochen oder ausgebaut werden. Betroffene berichten in der „NDR Story“ von Diebstahl-Summen in fünf- bis sechsstelliger Höhe. Wer steckt dahinter? Nicht selten führen die Spuren der Täter Richtung Osteuropa, Ermittler gehen in einigen Fällen von Bandenkriminalität aus. Aber auch kleine Beutezüge können schmerzen: Landwirtin Viktoria Gloyer aus dem Kreis Segeberg in Schleswig-Holstein bot Eier neben einer kleinen Vertrauenskasse an, bis Diebe ganze Paletten einfach abtransportierten. Immer mehr Landwirte sehen sich zu Überwachung und größeren Sicherheitsmaßnahmen gezwungen. Dabei ist es herausfordernd, weitläufige Felder, Koppeln, Weiden zu schützen, auf dünn besiedeltem Land bleiben Täter häufig unentdeckt. Das Vertrauen in die Ermittlungsbehörden schwindet, erzählen einige Landwirte dem NDR. Sie zeigten manche Taten gar nicht erst an, weil ihnen die Hoffnung auf Aufklärung fehlt. Dabei zeigen erfolgreiche Verfahren, dass auch Diebstähle auf dem Land durchaus aufgeklärt werden. Täter müssen mit hohen Geldstrafen oder Haft rechnen. Die „NDR Story“ rückt die Geschichten der Betroffenen in den Mittelpunkt und zeigt, wie groß das Problem in Norddeutschland ist. So groß, dass darüber gesprochen werden muss. (Text: NDR) Deutsche TV-Premiere Mo. 03.11.2025 NDR Wem gehört das Ackerland? Der Preiskampf um den Boden
Folge 489 (45 Min.)Für die NDR Story begleiteten Reporter Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) bei ihrer traditionellen Erntebereisung mit dem Bauernverband.Bild: NDR/Philipp NöhrDie Preise für Ackerland gehen in Norddeutschland seit Jahren steil nach oben, denn die Nachfrage nach Boden ist riesig. Erzeuger erneuerbarer Energien benötigen Flächen, für Bauprojekte müssen Ausgleichsflächen her. Und: finanzstarke Investoren sehen Boden offenbar als sichere Kapitalanlage. Doch was bedeutet das für die Landwirte, die auf dem Boden wirtschaften? Wird der Acker für sie bald unbezahlbar? Die NDR Autoren Lennart Banholzer und Simon Hoyme haben zwischen Weser und Oder exklusive Einblicke in die Besitzverhältnisse der regionalen Landwirtschaft recherchiert.Sie treffen Bauern sowie Geldanleger, die sich offenbar von Immobilien auf Agrarland verlagern. Sie kaufen teils ganze Betriebe inklusive der dazugehörigen Flächen. Für Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) ein Problem, wie sie im Interview mit der „NDR Story“ sagt: „Wir haben zunehmend Unternehmen, die als Kapitalanlage von außen Böden aufkaufen. Zu hohen Preisen. Was sich dann ein Landwirt nicht mehr leisten kann.“ Einen Einblick in diesen Handel mit dem Ackerland zu bekommen ist nicht einfach. Die NDR Reporter stoßen auf einen verschwiegenen Markt, in dem sich niemand gern in die Karten schauen lässt. Ein Grund: Viele landwirtschaftliche Betrieb sind mittelständische Unternehmen mit vielen Außenbeziehungen. Ein Verkauf hat Auswirkungen nicht nur für die Eigentümer, sondern auch für Mitarbeitende und Kunden oder Auftraggeber. „Die Verkäufer wollen in den seltensten Fällen, dass man weiß, dass sie ihren Hof verkaufen wollen“, sagt der Agrarmakler Simon Wolk aus Schleswig-Holstein, den die Reporter für die „NDR Story“ begleiten konnten. Er sagt, die meisten seiner Klienten seien Landwirte – außerlandwirtschaftliche Investoren seien die Minderheit. Einer von Wolks Kunden ist Hans Bien aus Hessen, dessen Immobilienunternehmen nach eigenen Angaben etwa 500 Wohnungen besitzt und vermietet. Er hat einen landwirtschaftlichen Betrieb in Hessen und jeweils einen in Sachsen-Anhalt und in Brandenburg gekauft. Als Kapitalanlage, wie er sagt. Die Höfe habe er zum Teil verpachtet – „langfristig“ und zu einem „günstigen“ Pachtzins, erklärt er den Reportern im Film. Insgesamt besitze er mehr als 1000 Hektar Land. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Betriebsgröße in Niedersachsen liegt laut statistischem Landesamt bei 76 Hektar. Es gehe ihm nicht darum, seine Betriebe oder sein Acker- und Grünland bald wieder gewinnbringend zu verkaufen, so Bien. Ziel sei es, sein Vermögen zu sichern und an seine Nachkommen weiterzugeben. Doch andere Landkäufer hätten ein anderes Ziel, sagt der Immobilienunternehmer: „Es gibt viele Leute, die glauben, dass man mit Grund und Boden Geld verdienen kann. Ich halte das nicht für gut, aber das ist der Markt.“ Für so manchen Landwirt wirkt die Entwicklung bedrohlich, wie Patrick Rückert aus Mecklenburg-Vorpommern in der „NDR Story“ erklärt, der heute als Geschäftsführer einen großen Betrieb im Osten von Sachsen leitet, der über 3000 Hektar Acker- und Grünland bewirtschaftet und mehr als 1000 Milchkühe hält. Die dafür notwendigen 90 Mitarbeitenden kommen alle aus der Umgebung, sagt Rückert. Sein Betrieb ist in der Gegend ein wichtiger Arbeitgeber. Er ist nach der Wiedervereinigung aus mehreren, in der DDR üblichen Landwirtschaftlichen Produktionsgesellschaften (LPG) hervorgegangen und gehört heute 51 Kommanditisten. Würde ein solcher Betrieb an einen Investor verkauft würden die Arbeitsplätze zusammengestrichen, so befürchtet Rückert. Die „NDR Story“ versucht, einen offenen, ausgewogenen Einblick in die Besitzverhältnisse von norddeutschem Ackerland zu gewinnen und zeigt die Praxis, wie es veräußert wird. Denn sowohl für Investoren als auch für Landwirte gilt – der Preiskampf wird immer härter, Land wird unglaublich teuer. Wo endet das? (Text: NDR) Deutsche TV-Premiere Mo. 10.11.2025 NDR Gewalt und Müll – Problemviertel Phoenix
Folge 490 (45 Min.)Das Phoenix-Viertel aus der Luft.Bild: NDRAnfang April, Hamburger Süden. Am Rande des Harburger Phoenix-Viertels gehen etwa 40 Männer aufeinander los. Mit all dem, was sie in die Hände bekommen. Neben Holzlatten, Tischen oder abgebrochenen Besenstielen haben sie auch Messer und Schlagstöcke dabei. Am Ende ist es die Polizei, die die gefährliche Situation auflöst. Mit knapp 30 Streifenwagen im Einsatz und Maschinenpistolen. Ein aufsehenerregender Vorfall, aber wirklich für Verwunderung sorgt so etwas an diesem Ort nicht mehr. Immer wieder kommt es im Phoenix-Viertel oder angrenzenden Straßen zu Überfällen, Schießereien oder Massenschlägereien.Ständig hat hier die Polizei zu tun. Und so einladend, wie der Name des kleinen Quartiers klingt, ist der Ort nicht. Manch einer meidet ihn. Was sagen die Menschen, die hier wohnen? Andere allerdings haben das Phoenix-Viertel nie aufgegeben. Wie etwa Annette Heidemann. Seit über 40 Jahren arbeitet sie im Viertel als Fußpflegerin. Sie hat gesehen, wie sich der Ort über die Zeit verändert und sagt, so schlimm wie jetzt sei es hier noch nie gewesen. Früher habe man bei Auseinandersetzungen wenigstens keine Waffen benutzt. Für Moimen Salem ist das Phoenix-Viertel seit jeher sein Zuhause, der 19-Jährige ist hier aufgewachsen. Heute ist er zweifacher Meister im Boxen und studiert an der Uni. Er, sein Bruder Amir und ihr gemeinsamer Freund Terry Jackson sind im Viertel anerkannt. Für viele der Jüngeren sind sie Vorbilder. Viele, die hier wohnen, träumen von einer besseren Zukunft. Schon immer galt das Phoenix-Viertel als Ort des Ankommens. Doch wer Erfolg sucht, zieht weg. Und was bleibt? Wie sieht das die Freundesgruppe? Probleme im Viertel schon seit der Vergangenheit Mit dem Feuervogel, der aus der Asche kommt, hat der Name Phoenix des Viertels weniger zu tun. Vielmehr ist es nach den ehemaligen Phoenix Gummiwerken benannt. Ein altes Arbeiterviertel aus der Jahrhundertwende. In der anliegenden Fabrik wurden unter anderem Reifen hergestellt. Der Ort ist schon länger auffällig. In den 1970er-Jahren waren viele der Gebäude sanierungsbedürftig, schon damals wollte die Stadt das Viertel zumindest baulich aufwerten. Ihr größtes Problem allerdings, die Bewohner des Viertels erst einmal zu erreichen. Stadt geht gegen Probleme vor. Gelingt das? Auch heute ist sich die Stadt der Herausforderungen im Viertel bewusst. Besonders sichtbar ist dabei das Müllproblem. Mitunter täglich wird das sogenannte Hotline-Team der Stadtreinigung ins Phoenix-Viertel geschickt, um wilden Sperrmüll zu beseitigen. Zerschlissene Sofas, kaputte Schränke oder Bauschutt werden einfach am Straßenrand abgelegt. Offenbar ist das Phoenix-Viertel inzwischen auch Müllhalde für Auswärtige. Das alles belastet den Stadtteil am Rande Hamburgs. Und er hat mit Einwohner*innen zu tun, die es den Stadtplanern nicht gerade leichter macht. Der Bezirk hat eine eigene Erhebung durchgeführt und 60 Prozent der Menschen vor Ort in die selbst klassifizierte Statusklasse „sehr niedrig“ eingeordnet. Fast 90 Prozent der Minderjährigen haben laut Erhebung Migrationshintergrund. Mehr als 30 Prozent der unter 15-Jährigen bekommen offenbar soziale Mindestsicherung. Um die Menschen zu erreichen, hat die Stadt in diesem Jahr einen sogenannten Hilfekompass eingeführt, eine Karte mit sozialen Angeboten rund um das Viertel. Und sie finanziert ein sogenanntes Stadtteilgremium, das für mehr Gemeinschaft sorgen soll, sowie ein soziales Stadtteilbüro. Zusammen organisieren sie Aktionstage, die unter anderem auch dem Sperrmüllproblem Herr werden sollen. Alle im Phoenix Viertel sagen, es muss sich etwas verbessern. Doch wie geht man die Probleme hier am besten an? (Text: NDR) Deutsche TV-Premiere Mo. 17.11.2025 NDR Das Kuh-Experiment
Folge 491 (45 Min.)Bullenkalb auf einem konventionellen Hof steht in einer typischen „Kälberbucht“.Bild: NDRFür diese „NDR Story“ begleitet Filmemacherin Antonia Coenen eine Milchkuh auf einem außergewöhnlichen Weg. Die dreijährige Pummel, eine Hochleistungskuh aus konventioneller Stallhaltung, darf erstmals in ihrem Leben auf eine Weide. Wie viel Kuhinstinkt, wie viel für eine Kuh typisches Verhalten steckt noch in der Milchkuh? Pummel ist trächtig und steht stellvertretend für Millionen Milchkühe in Deutschland, die ihr Leben einzig im Stall verbringen, um ihre Milch zu geben. Auf dem Hof der Familie Möller in Schleswig-Holstein erlebt die Kuh zum ersten Mal Regen, Wind und den Kontakt zu ausgewachsenen männlichen Artgenossen. Die Kamera beobachtet leise und eindringlich, ob sich ihr Verhalten verändert – vom ersten vorsichtigen Schritt ins Freie bis zur Geburt ihres Kalbes.Wird sie die Geburt überstehen und ihr Kalb annehmen und versorgen? Oder hat die jahrzehntelange Zucht auf maximale Milchleistung ihre natürlichen Mutterinstinkte verändert? Der Film blickt hinter die Kulissen eines Systems, das allen Menschen vertraut scheint, und stellt eine zentrale Frage: Wie kann der Spagat zwischen Tierwohl und Milchindustrie gelangen? Wissenschaftler, Tierärzte und Landwirte kommen zu Wort und zeichnen ein vielschichtiges Bild einer Branche zwischen Tierwohl, Wirtschaftlichkeit und Verantwortung. (Text: NDR) Deutsche TV-Premiere Mo. 24.11.2025 NDR Rollkoffer statt Nachbarn – Wie AirBnB & Co. Mieter verdrängen
Folge 492 (45 Min.)Carsten Tech vor einem zweckentfremdeten Wohnhaus in Hannover-Linden. „Die Familien verschwinden aus dem Stadtteil“, sagt der Quartiersmanager.Bild: NDRWohnungssuche in einer Großstadt, für die meisten eine frustrierende Erfahrung. Sedi hat das wie so viele erlebt, sie musste Hannover-Linden verlassen, weil sie in ihrem Lieblingsviertel einfach keine neue Wohnung fand. Dabei sind Dutzende freie Wohnungen im Angebot auf Internetportalen wie Airbnb oder Booking.com zu buchen: möbliert, für Kurzzeitmieter auf Städtetrips oder Dienstreisen. Der Sound der Rollkoffer auf den Bürgersteigen gehört auch in Hannover-Linden längst zum Alltag wie in Barcelona oder Berlin. Gefragte Stadtviertel verändern sich dadurch rasant. Und auch die Mieten steigen.Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) weist für Berlin nach, dass jede zusätzliche Airbnb-Wohnung am Markt die Mieten im direkten Umfeld um durchschnittlich 13 Cent pro Quadratmeter in die Höhe treibt. Sedi kommt inzwischen nur noch für ihre ehrenamtliche Arbeit in ihr altes Viertel. In Yolas früherer Wohnung wechseln jetzt die Mieter. Der Vermieter kündigte ihr wegen Eigenbedarfs. Gute drei Monate später findet sie ihre Wohnung auf dem Buchungsportal Airbnb. Frauke und Riccardo wohnen neben einer umgenutzten Immobilie, aber der Lärm aus dem Haus macht ihnen seit sechs Jahren zu schaffen. Längst ist um die Folgen der Kurzzeitvermietung eine Debatte entbrannt. Wohnen als soziale Frage, inzwischen beschäftigt sich das Europäische Parlament damit. Airbnb, Booking.com & Co.sollen ab Frühjahr verpflichtet werden, Daten über Vermietungen an die Behörden weiterzugeben. Gabriele Bischoff (SPD), Abgeordnete im EU-Parlament, sieht eine erste Hoffnung: Mit diesen Daten könnten sich die Städte überhaupt erst einen Überblick verschaffen, was in ihrer Stadt eigentlich los ist. Aber schon jetzt hat sie Bedenken, dass es bei der kommenden EU-Regulierung große Schlupflöcher gibt. Städte wie Hamburg und Berlin haben Zweckentfremdung von Wohnraum schon vor zehn Jahren verboten und versuchen so, das Problem in den Griff zu bekommen. Hannover hat ein solches Gesetz erst im Sommer dieses Jahres gegen viel Widerstand aus Politik und Wirtschaft eingeführt. Was bringt so ein Verbot? Was haben Sedi, Yola, Frauke und Riccardo davon? Wie verändert sich im kleinen Hannover-Linden durch Kurzzeitvermietung das Wohnviertel, was erhoffen sich Lokalpolitiker und Bewohner von den neuen Regeln? Und können sie die Wohnraumkrise wirklich lösen? (Text: NDR) Deutsche TV-Premiere Mo. 01.12.2025 NDR Bus der Hoffnung: Unterwegs mit rumänischen Wanderarbeitern
Folge 493 (45 Min.)Die Eltern dieser rumänischen Kinder arbeiten im europäischen Ausland; die Kinder wachsen bei einem Elternteil oder bei den Großeltern auf.Bild: NDRJedes Jahr im Frühling füllen sich in kleinen rumänischen Dörfern die Kleinbusse an Parkplätzen großer Supermarktketten, an Tankstellen. Sie sammeln Menschen ein, holen Pakete ab. Fahren über 1000 Kilometer, häufig über 24 Stunden lang, nach Deutschland. Lassen die Menschen in der Dämmerung des neuen Tages aussteigen, in kleinen deutschen Städten, an Baustellen, Bauerhöfen. Schätzungen zufolge arbeiten allein auf deutschen Feldern pro Jahr ca. 182.000 Menschen aus Rumänien. Was erwartet die Menschen, die als Arbeitskräfte im Niedriglohnsektor in Deutschland ankommen? Die „NDR Story“ gibt den Menschen, die sich Jahr für Jahr auch nach Norddeutschland aufmachen, eine Stimme und beleuchtet die oft prekären Lebensbedingungen an ihren deutschen Arbeitsstätten – aber auch die Leere, die sie zu Hause in Rumänien hinterlassen.Auf dem Feld, im Schlachthof, in der Großküche oder der Hotelwäscherei bleiben sie für die deutsche Gesellschaft oft unsichtbar. Rumänien ist einer der größten Arbeiterströme Europas. Manche von ihnen haben ihre Arbeit in Facebook-Gruppen gefunden, haben noch keinen Vertrag und werden wohl auch keinen für ihre Jobs bekommen. Schätzungen zufolge arbeitet jeder fünfte Rumäne, jede fünfte Rumänin im arbeitsfähigen Alter im Ausland. Manche sind ausgewandert. 2024 war Rumänien nach der Ukraine der häufigste Herkunftsstaat von Zuwanderern nach Deutschland, andere kommen bloß für die Saison und fahren am Ende des Jahres wieder zurück in die Heimat. Bei den Männern ist Deutschland das beliebteste Ziel. Sie ernten dort Obst und Gemüse, bauen Häuser, pflegen alte Menschen und reinigen die Ferienwohnungen auf norddeutschen Inseln. Sie werden oft ausgenutzt, ihre Pässe eingezogen, Absprachen aufgekündigt. Einige werden genötigt, unter Druck gesetzt oder in verschimmelten Acht-Bett-Zimmern untergebracht. Die Unterbringung in einem Container mit bis zu sechs Personen kann da schon mal 600 Euro pro Monat kosten. „Wir sind die Sklaven Europas“, sagt Stefan. Er hat in der Reinigung gearbeitet und in der Küche eines Fast-Food-Restaurants. Es sind Menschen, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben aufbrechen. „Nicht für mich, sondern für meine Tochter. Damit sie es leichter hat, nicht durch das gehen muss, durch das ich gegangen bin“, erzählt der 37-jährige Nicu. Kurz nach der Geburt seiner Tochter geht er zum ersten Mal zur Erdbeerernte nach Deutschland. Heute ist die Tochter elf Jahre alt. Für sie wünscht sich Nicu Bildung. Nicht die langen Stunden mal in der Kälte der nassen Felder, mal in der Hitze des Sommers. Für sein Leben hat er sich mit dem Zustand abgefunden. Seine Familie sieht Nicu nur wenige Wochen im Jahr, in den Sommerferien, an den Weihnachtsfeiertagen und wenn es irgendwie möglich ist, am Geburtstag der Tochter. Dragos ist mit vielen Träumen aufgebrochen, wollte seine Frau und die zwei Kinder so schnell wie möglich nach Deutschland nachholen, damit sie dort in die Schule gehen. Die 50 Euro in seiner Tasche haben bis Warschau gereicht. Von dort schlägt er sich durch, schafft es weiter nach Deutschland. Bis nach Wolfsburg. Seit 40 Tagen schläft er dort auf der Straße, als das Filmteam ihn trifft. „NDR Story“-Autorin Alexandra Bidian begleitet Rumän*innen auf der Reise per Kleinbus aus ihrer Heimat nach Norddeutschland, erzählt ihre Geschichten, zeichnet Probleme und Missstände nach, die durch die Wanderarbeit entstehen und taucht ein in eine Lebensrealität, die sich zwar direkt vor den Augen der Deutschen abspielt, aber doch oft unsichtbar bleibt. (Text: NDR) Deutsche TV-Premiere Mo. 08.12.2025 NDR
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