Mythen der Geschichte (A) Folge 164: Alles Walzer – Darf ich bitten?
Folge 164
Alles Walzer – Darf ich bitten?
Folge 164
Wien ist die Stadt der Bälle. Wiens Gesellschaft wird gerade durch die Vielfalt des Ballgeschehens sichtbar: Vom Opernball, dem Kaffeesiederball, dem Flüchtlingsball bis hin zum Lifeball. Regisseurin Barbara Necek porträtiert die Kultur und Gesellschaft einer Stadt, die sich während der Ballsaison stark über das Tanzparkett definiert. Mitte des 18. Jahrhunderts, als das Bürgertum in Frankreich die Revolution vorbereitete, protestierte man in Wien auf ganz eigene Art. Ein neuer Tanz begeisterte das Volk. Beim Walzer wandten Herr und Dame erstmals einander zu, berührten sich gar. Lange Tanzstunden waren nicht nötig – der Walzerschritt war schnell gelernt, und schon ging’s in wilden Wirbeln über die Tanzfläche. Der Walzer entstand als Reaktion auf die strenge Politik der Kaiserin Maria-Theresia. Die erste Habsburgerin auf dem Wiener Thron hatte die traditionellen Faschingszüge verboten. Doch die feier- und tanzfreudigen Wiener erfanden den Ballsaal und veranstalteten hinter verschlossenen Türen die ersten Tanzbälle. Bis heute hat sich eine vielfältige Ballkultur in der österreichischen Hauptstadt erhalten. Da ist der Wiener Opernball, die sicher berühmteste Tanzveranstaltung des Landes. Am letzten Donnerstag im Fasching finden sich lokale und internationale Berühmtheiten in der Wiener Staatsoper ein. Der ORF überträgt live. Und jeder ist gespannt, welchen Star oder welches Sternchen Baulöwe Richard Lugner an seiner Seite hat – ein gefundenes Fressen für die Boulevardpresse. Beim Rosenball, dem offiziellen Ballevent
der Wiener Homosexuellenszene, wird die politische Dimension einer Tanzveranstaltung deutlich. Mit der Veranstaltung will Organisator Holger Thor die Öffentlichkeit auf die Forderungen der Schwulen und Lesben in Österreich aufmerksam machen. Der Philharmonikerball gilt in Österreich als der „Ball der Bälle“. Im Musikverein treffen sich anspruchsvolle Tänzer und wahre Kenner, denen der Opernball zu minder ist, zum elegantesten Ball der Saison. Wien ist nicht nur die Hauptstadt der Musik, sondern mit Sachertorte und Apfelstrudel auch ein wahres Mekka für Feinschmecker. Natürlich hat die Konditorzunft ihre eigene Tanzveranstaltung, den Zuckerbäckerball, der nicht nur von Konditoren besucht wird. Jedes Jahr kommt auch eine französische Schulklasse im Rahmen eines pädagogischen Projektes. Ein ganz besonderes Ereignis ist auch der Ball der Wiener Schulwarte. Nachdem vor mehreren Jahren das Interesse an diesem Event etwas nachgelassen hatte, ergriff eine Gruppe engagierter Schulwarte die Initiative und präsentiert unterhaltsame Showeinlagen. Seither ist der Ball jedes Jahr ausverkauft. Die Einnahmen des Flüchtlingsballs kommen dem Wiener Integrationshaus zugute. Die Veranstaltung gehört seit 15 Jahren fest zur österreichischen Faschingstradition. Das Societyevent soll die Öffentlichkeit auf die immer schwierigere Situation der Flüchtlinge in Österreich aufmerksam machen. Der Film von Regisseurin Barbara Necek wird durch die Vielfalt der unterschiedlichen Ballveranstaltungen ein Spiegelbild der Wiener Gesellschaft. (Text: ORF)