Staffel 1, Folge 1–10
Staffel 1 von Literatur to go startete am 07.09.2024 in der 3sat-Mediathek und am 07.09.2024 auf 3sat.
1. „Brief an den Vater“ von Franz Kafka
Staffel 1, Folge 1 (5 Min.)Diesmal liest Simon Löcker aus Franz Kafkas „Brief an den Vater“. Reinhardseminar-Absolvent Simon Löcker, festes Ensemblemitglied am Stuttgarter Schauspiel, sitzt mit dem IPad in der Hand auf einem Sessel. „Dass ich ein solches Nichts bin“, schickt er die harten Worte Kafkas ins Dunkel um sich herum. Worte auf 103 handgeschriebenen Seiten, mit denen der verzweifelte Dichter 1919 versucht, seinen Vaterkonflikt zu bewältigen. Lilith Häßle, gefeierte Burgtheater-Schauspielerin, liegt in einem blauen Kleid im Bett. Das Bettzeug hat dieselbe Farbe.
Kein Anfang, kein Ende, keine Orientierung. Der 1972 veröffentlichte Text klingt wie eine aktuelle Analyse der Lebensrealitäten junger Menschen. Bewegungslos geworden vor lauter Anforderungen, liegen sie da und telefonieren. Bei Ingeborg Bachmann noch mit Wählscheibe. Inhalt und Form der Texte werden in den etwa fünfminütigen Kurzfilmen von Regisseurin Beate Thalberg mit Schauspielszenen und einigen Schwarz-Weiß-Bildern aus alten Filmen assoziativ verknüpft, weitergedacht oder gespiegelt. Ein entfesselter Kosmonaut aus einem Science-Fiction-Film der 1960er-Jahre etwa blickt schwebend auf Schauspielerin Adriane Grządziel, die in einem Lichtkegel an einem Vintage-Mikrofon steht und zu ihm nach oben schaut.
Dabei klagt sie das Universum an ob ihres Ausgesperrt Seins von der Welt, wie Marlen Haushofer es in ihrem Werk „Die Wand“ beschreibt. „Dieses Angebot ist für alle gedacht. Wichtig war uns aber, das Leben junger Menschen explizit zu integrieren, danach wurden die Texte ausgewählt“, so Regisseurin Beate Thalberg und der Literaturchef des österreichischen Kultur-Radiosenders Ö1, Kurt Reissnegger, die sich diese Reihe ausgedacht haben.
In dieser Folge liest Simon Löcker aus Kafkas „Brief an den Vater“, ergänzt durch Schwarz-Weiß-Bilder eines einsam aufwachsenden Jungen. Der Konflikt zwischen dem jähzornigen Vater und dem empfindsamen Sohn ist zentral. Kafkas Schreiben war ein Versuch, sich vom Vater zu emanzipieren, obwohl er dessen Anerkennung suchte. Themen wie die Riesenhaftigkeit des Vaters aus dem „Urteil“ und die Verwandlung zu Ungeziefer sind wiederkehrend. Kafkas Brief wurde nie übergeben, erschien aber 1952 in der „Neuen Rundschau“. (Text: 3sat)Deutsche TV-Premiere Sa. 07.09.2024 3sat Deutsche Streaming-Premiere Sa. 07.09.2024 3sat-Mediathek 2. „Dicht“ von Stefanie Sargnagel
Staffel 1, Folge 2 (5 Min.)Diesmal liest Eva Mayer, Schauspielerin am Wiener „Theater in der Josefstadt“, aus Stefanie Sargnagels Buch „Dicht“. Phlegma, Hasch und Schokobonbons, die „Aufzeichnungen einer Tagediebin“ porträtieren die Rückseite Wiens, eine räudige Welt aus Beisl, Psychiatrie und Bruchbude, bevölkert von überaus liebenswerten Antihelden. Filmisch als aberwitziges Roadmovie aufbereitet, sind biografische Spuren in dieser Geschichte nicht zufällig. Stefanie Sargnagel wurde nach eigenen Angaben „groß im Internet“, aufgewachsen aber sei sie auf der Straße. Kein Tragikalarm, denn „Traurigkeit wurde neben der Donau zu beschwingter Melancholie“. (Text: 3sat)Deutsche TV-Premiere Sa. 07.09.2024 3sat Deutsche Streaming-Premiere Sa. 07.09.2024 3sat-Mediathek Deutsche TV-Premiere ursprünglich angekündigt für den 14.09.20243. „Die Wand“ von Marlen Haushofer
Staffel 1, Folge 3 (5 Min.)Diesmal liest Schauspielerin Adriane Grządziel ihre Lieblingsstelle aus Marlen Haushofers Roman „Die Wand“. Adriane Grządziel spielte zuletzt die weibliche Hauptrolle in Adrian Goigingers Film „Der Fuchs“ und gewann dafür im Ensemble den Deutschen Filmpreis in Silber für den besten Spielfilm. Sie liest ihre Lieblingsstelle aus Marlen Haushofers „Die Wand“, ein Buch, das die Schauspielerin seit ihrer Jugend begleitet. Eine Frau will mit ihrer Cousine und deren Mann ein paar Tage in einem Jagdhaus in den Bergen verbringen.
Nach der Ankunft unternimmt das Paar noch einen Gang ins nächste Dorf – und kehrt nicht mehr zurück. Am nächsten Morgen stößt die zurückgebliebene Frau auf eine unüberwindbare Wand, hinter der Totenstarre herrscht. Im Kurzfilm stapfen Kosmonauten über Planeten mit wenig Leben. Eine unendliche Sehnsucht kommt auf – nach der grünen Natur auf der Erde und ihren Menschen. Doch gibt es diese irdische Idylle überhaupt noch? Seltsam aktuell klingt Haushofers Endzeit-Experiment. (Text: 3sat)Deutsche TV-Premiere Sa. 07.09.2024 3sat Deutsche Streaming-Premiere Sa. 07.09.2024 3sat-Mediathek Deutsche TV-Premiere ursprünglich angekündigt für den 21.09.20244. „Komm, süßer Tod“ von Wolf Haas
Staffel 1, Folge 4 (5 Min.)Diesmal liest Schauspieler Tommy Fischnaller-Wachtler aus „Komm, süßer Tod“, dem Erfolgsroman von Wolf Haas. Schauspieler Tommy Fischnaller-Wachtler, seit der Spielzeit 2023/24 Ensemblemitglied des Tiroler Landestheaters, liest seine Lieblingsstelle aus „Komm, süßer Tod“. In seiner Interpretation bekommt die Geschichte zweier konkurrierender Rettungsvereine eine fast schweijksche Anmutung. Eine halsbrecherische Blaulichtfahrt und die Verbesserung der Auftragslage durch allerlei Tricks stehen im Zentrum des Kapitels. Leichen pflastern die Wege von Wien, und der Jargon der Sanitäter hat es in sich. „Hast gerochen, wie besoffen der war?“ fragt einer seinen Kollegen im rasenden Wagen. „Wer? Der Arzt?“, antwortet der andere. Fischnaller-Wachtler balanciert facettenreich auf einer Welle von Schmäh und Verbrechen. (Text: 3sat)Deutsche TV-Premiere Sa. 07.09.2024 3sat Deutsche Streaming-Premiere Sa. 07.09.2024 3sat-Mediathek Deutsche TV-Premiere ursprünglich angekündigt für den 28.09.20245. „Die Klavierspielerin“ von Elfriede Jelinek
Staffel 1, Folge 5 (5 Min.)Diesmal liest Marie-Luise Stockinger aus „Die Klavierspielerin“ von Elfriede Jelinek. Burgtheater- und Filmschauspielerin Marie-Luise Stockinger („Maria Theresia“, „Schnee“, „Kafka“) liest ihre Lieblingsstelle aus „Die Klavierspielerin“ von Elfriede Jelinek, das Psychogramm einer gestörten Mutter-Tochter-Beziehung. Hinter der bürgerlichen Fassade terrorisiert und dressiert die herrschsüchtige Mutter ihre Tochter Erika und unterwirft sie ihren maßlosen Besitzansprüchen. Bald kann Erika auf menschliche Nähe nur mehr mit Aggression reagieren und mit einem Spiel aus Macht und Unterwerfung. Als kalt und spröde wurde Jelineks Sprache bezeichnet, tatsächlich leuchtet sie. Marie-Luise Stockinger kostet den musikalischen Rhythmus dieser Sprache aus. Tragikomische Situationen verstärken sich durch eine nüchterne Stimme. (Text: 3sat)Deutsche TV-Premiere Sa. 07.09.2024 3sat Deutsche Streaming-Premiere Sa. 07.09.2024 3sat-Mediathek 6. „Die Arbeit der Nacht“ von Thomas Glavinic
Staffel 1, Folge 6 (5 Min.)Diesmal liest Tilman Tuppy seine Lieblingsstelle aus „Die Arbeit der Nacht“ von Thomas Glavinic. In einem verlassenen Großraumbüro mit braunen Pflanzen und dicker Staubschicht leuchtet sich der Schauspieler mit einer Taschenlampe den Weg. Blackout? Pandemie? Atomunfall? Im Roman scheint der Icherzähler der letzte Mensch auf Erden. Immer mehr zieht der Autor seinen Helden „hinüber in die Dunkelheit des nicht begreifbaren Teils der menschlichen Existenz“, urteilt Kritikerin Iris Radisch. Burgtheaterschauspieler Tilman Tuppy erhöht den Grundtakt des Grusels, indem er der Tour de Force durch den Schrecken eine Alltäglichkeit in der Stimme verleiht. Die Dystopie ist keine mehr. (Text: 3sat)Deutsche TV-Premiere Sa. 07.09.2024 3sat Deutsche Streaming-Premiere Sa. 07.09.2024 3sat-Mediathek 7. „Probleme, Probleme“ von Ingeborg Bachmann
Staffel 1, Folge 7 (5 Min.)Diesmal liest Lilith Häßle, seit 2019 fest am Burgtheater, „Probleme, Probleme“ von Ingeborg Bachmann. Es geht in diesem relativ unbekannten Text ums Liegen, Ausschlafen und die Zumutungen des Lebens. Beatrice muss jetzt einen Job vorweisen – und einen Mann, denn sie ist schon 20 Jahre alt. Letzteren hat sie sogar: Erich. Aber sie verbringt lieber Zeit mit dem anderen, dem Verheirateten. Der Aktionismus ihrer französischen Freundin nennt sie „grauenvoll“, denn „Man konnte schließlich nicht ein Hippie sein und in die Oper wollen, Riesenrad fahren und die Welt umstürzen – jedenfalls nicht in Wien“. Eine höchst humorbegabte Autorin zeigt sich hier. Und eine Schauspielerin mit tiefem Gefühl für Witz und Understatement. (Text: 3sat)Deutsche TV-Premiere Sa. 07.09.2024 3sat Deutsche Streaming-Premiere Sa. 07.09.2024 3sat-Mediathek 8. „Echtzeitalter“ von Tonio Schachinger
Staffel 1, Folge 8 (5 Min.)Diesmal liest Nils Arztmann aus Tonio Schachingers „Echtzeitalter“. Ohne dass jemand aus seinem Umfeld davon wüsste, ist Till mit 15 eine Online-Berühmtheit, der jüngste Top-10-Spieler der Welt. Nur: Wie real ist so ein Glück? Nils Arztmann sorgte schon während seines Studiums am „Max Reinhardt Seminar“ in Wien für Aufsehen und ist inzwischen festes Mitglied im Ensemble des Wiener Theaters in der Josefstadt. Der Schauspieler wählt eine bitter-humorvolle Stelle, in der Till und sein sterbender Vater nicht zu Worten finden, aber doch zur Liebe. Arztmann verleiht dieser Sprachlosigkeit eine Intensität, die schmerzt. Dabei balanciert er sicher durch Schachingers grotesken Humor. Zwischen Krankenhauselend und dem sichtlichen Verfall eines Helden – des Vaters – lässt die Regisseurin Beate Thalberg den Schauspieler einen lässigen Tanz der Selbstbehauptung und Zuversicht auf die gescratchten Vocal-Samples von Fat Boy Slim tanzen. Absurd? Das ist der Tod ohnehin. (Text: 3sat)Deutsche TV-Premiere Sa. 07.09.2024 3sat Deutsche Streaming-Premiere Sa. 07.09.2024 3sat-Mediathek 9. „Der Trafikant“ von Robert Seethaler
Staffel 1, Folge 9 (5 Min.)Simon Morzé.Bild: ORF, Lukas BeckDiesmal liest Schauspieler Simon Morzé „Der Trafikant“ von Robert Seethaler. Simon Morzé begegnet einer Figur wieder, die er vor sieben Jahren in der Literaturverfilmung „Der Trafikant“ in der Regie von Nikolaus Leytner gespielt hat. Franz, der 17-jährige Held in Robert Seethalers Roman, heuert als Bursche vom Land in einer Wiener Trafik, einem Zeitungs- und Tabakladen, an. Das fremde Stadtleben hat zwei Fixsterne, die ihn faszinieren: Stammkunde Sigmund Freud und Anezka, eine Varietétänzerin. Vor dem Hintergrund des aufkeimenden Nationalsozialismus erlebt Franz alle Sensationen und Schmerzen der ersten Liebe. Simon Morzé, der für seine Hauptrolle im Film „Der Fuchs“ den Deutschen Filmpreis 2024 als bester Schauspieler gewonnen hat, belässt den Text in seiner Melancholie, gibt der schnörkellosen Sprache Ruhe und Tiefe. Franz durchstreift die nächtliche Stadt und sucht Anezka, sieht überall das geliebte böhmische Mädchen, das er nicht findet. (Text: 3sat)Deutsche TV-Premiere Sa. 07.09.2024 3sat Deutsche Streaming-Premiere Sa. 07.09.2024 3sat-Mediathek 10. „Beteigeuze“ von Barbara Zeman
Staffel 1, Folge 10 (10 Min.)Marie Theres Müller.Bild: ORF, Lukas BeckDiesmal liest Schauspielerin Marie Theres Müller „Beteigeuze“ von Barbara Zeman. Schauspielerin Marie Theres Müller fliegt zu den Sternen. Buchstäblich. Auf einem Kettenkarussell im Wiener Prater schwingt sich die weibliche Hauptfigur in Barbara Zemans zweitem Roman über die Häuser hinweg, die unten stehen „wie Schaulustige“. Hinauf geht es zu Beteigeuze, einem Stern im Sternbild Orion, einer Supernova, ja, super soll es werden. Denn unten auf der Erde ist Pandemie und Endzeitstimmung. Ein schlecht gelaunter Covid-Leugner, verkleidet als Karussellbesitzer, nein, da möchte Therese nicht bleiben, die Heldin mit der guten Beobachtungsgabe, dann doch lieber schnell die Schuhe abstreifen und auf zu Beteigeuze, wo noch alles möglich scheint. Marie Theres Müller gibt dem Text eine Energie, als würde sie tatsächlich ins All unterwegs sein. Mit schwebender Leichtigkeit und dann wieder in einer Intensität, die uns wie ein Sog hineinzieht. Vorsicht, das Karussell dreht sich schon. Wir heben ab! (Text: 3sat)Deutsche TV-Premiere Sa. 07.09.2024 3sat Deutsche Streaming-Premiere Sa. 07.09.2024 3sat-Mediathek
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