unvollständige Liste – 2018, Folge 207–225

  • Folge 207
    Judy Lybke ist ein Phänomen unter den deutschen Galeristen: Seit über 20 Jahren gehört er zu den erfolgreichsten Kunsthändlern weltweit und ist gleichzeitig immer mit beiden Beinen auf dem Boden geblieben. Der in Leipzig geborene Self-made-Man hat die zweite Generation der Leipziger Schule, die „Neue Leipziger Schule“ aus der Taufe gehoben und aus einer ganzen Künstlergeneration, die an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst studierte, zum Erfolg gebracht. Sein Meisterkünstler ist bis heute Neo Rauch, doch auch die Studenten, die nach dem großen Künstler an die Hochschule kamen, sind bis heute erfolgreich: Martin Eder, David Schnell, Tim Eitel, Matthias Weischer. „Der Name schien mir gut zu passen. Leipziger Schule kann man auch leicht ins Englische übersetzen, school klingt immer gut und außerdem ist es eine Referenz an Arno Rink und dessen Generation.“. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereDo 25.01.2018MDR
  • Folge 208
    Als Entwickler des Motorradbaues in Sachsen ist Jörgen Skafte Rasmussen in die Geschichte eingegangen, als ein Mitbegründer der späteren Auto Union (1932) – symbolisiert durch die 4 Ringe (Audi) – kennt ihn die ganze Welt. Der Name Rasmussen wird – fast einhundert Jahre nach der berühmten Firmengründung in Zschopau – noch immer mit dem feierlichen Klang in der Stimme ausgesprochen, der nur „den ganz Großen“ vorbehalten ist. Als 20-Jähriger verlässt er Dänemark, um sich in Sachsen zum Ingenieur ausbilden zu lassen.
    Mit 25 Jahren gründet er in Chemnitz seine erste Firma und im Alter von 34 Jahren legt er im kleinen Zschopau den Grundstein für ein Fahrzeugunternehmen von Weltrang – den DKW-Konzern. Ob nun „Dampf-Kraft-Wagen“ oder „Das kleine Wunder“, die Marke DKW hat seit den 1920er Jahren Weltruf. Nirgendwo laufen in dieser Zeit mehr Motorräder vom Band, als in Zschopau. Konzernchef Rasmussen ist es, der mit einem DKW dem Frontantrieb bei Autos zum Durchbruch verhilft. Und es sind nicht nur Motorräder und Autos, Rasmussen baut LKWs, Kühlschränke und Flugzeuge.
    1932 geht der DKW-Konzern in der Auto-Union auf und gehört damit zum Fundament eines Großteils der modernen, deutschen Automobilindustrie, wie Audi in Ingolstadt, Volkswagen in Wolfsburg und nicht zu vergessen, wenn inzwischen auch Geschichte, MZ in Zschopau. Der MDR erzählt in einem neuen Film der bekannten MDR-Reihe „Lebensläufe“ die erstaunliche und tragisch endende Karriere von Jörgen Skafte Rasmussen – einem Autopionier, Visionär und Großunternehmer von Format. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereDo 15.02.2018MDR
  • Folge 209 (30 Min.)
    Sein Name fällt immer wieder, wenn es um den Medizin-Nobelpreis geht, in den USA ist er mehrfach zum Wissenschaftler des Jahres gekürt worden, und gerade erst wurde ihm die Ehrendoktorwürde der University of Cambridge verliehen. Neuerdings zeigen die technischen Fachrichtungen und die Industrie großes Interesse an seiner Arbeit, denn der Wissenschaftler weiß, unter welchen Bedingungen das Gehirn in der Lage ist, Kreatives und Innovatives hervorzubringen. Das Verrückte ist: Werner Schunk behandelt nach wie vor seine schwerkranken Patienten in der heimischen Praxis in Gotha.
    Dabei deutete am Anfang seines Berufslebens nichts darauf hin, dass der Thüringer eines Tages zu den 100 besten Wissenschaftlern der Welt gekürt wird. Trotz herausstechender schulischer Leistungen ging er nicht auf die Oberschule. In der DDR der 1950er Jahre sollten vor allem Arbeiter- und Bauernkinder zu Akademikern aufsteigen, Werners Vater war aber Angestellter. So absolvierte er zunächst eine Handwerkslehre. Als Schlosser reparierte er in seiner Heimatstadt Gotha Straßenbahnen. Die schwere und schmutzige Arbeit qualifizierte ihn für die Arbeiter- und Bauernfakultät in Halle.
    In nur einem Jahr absolvierte er den Lernstoff, auf Russisch. Nach seinem ausgezeichneten Abitur wurde ihm nahegelegt, in der Sowjetunion Atomphysiker zu werden. Er lehnte ab mit der Begründung, er wolle mit und für Menschen arbeiten und deshalb viel lieber Arzt werden. Er studierte, gründete eine Familie und wurde dann der jüngste Professor in der DDR. Neben seinem Alltag als Arzt und Hochschullehrer erforscht er seit vier Jahrzehnten das Gehirn. Werner Schunk ist einer der Pioniere auf dem Gebiet des Hirnstoffwechsels.
    Trotz einfachster technischer Bedingungen gelangen ihm bahnbrechende Erkenntnisse, die ihm Gastprofessuren u.a. an der Universität Erlangen, am Curie-Institut in Paris, an der Universität Neu Delhi und am Nobel-Institut einbrachten. Trotz verlockender Angebote im Westen, die ihm exzellente Forschungsbedingungen, grenzenloses Reisen und viel Geld gebracht hätten, kehrte er immer wieder zu seiner kleinen Familie nach Gotha zurück. Hier lebt er bis heute – immer noch im Dienst für seine Patienten – als besonderer Zeitgenosse und bescheidenes Genie. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereDo 01.03.2018MDR
  • Folge 210
    Er ist Schriftsteller, Jurist, Filmemacher, Historiker, Literat, Philosoph, Fernsehunternehmer, vor allem aber: ein Universalist, der in jedem dieser Genres erfolgreich ist. Sein Werk wurde mit den großen Preisen in Literatur, Film und Philosophie ausgezeichnet. Was ihn antreibt, ist das Fragen nach dem scheinbar Unwichtigen und Abseitigen, überall wittert er versteckte Zeichen und unentdeckte Geschichten. Sein Vorbild ist die Fledermaus, sie ist hellhörig und neugierig. Mit diesem Forscherdrang ausgestattet wurde Alexander Kluge hierzulande zum bedeutendsten intellektuellen „Medienarbeiter“, „Schamane des freien Denkens“ hat man ihn genannt. Der Film blättert an ausgewählten Beispielen die vielen Facetten des Künstlers und Intellektuellen Alexander Kluge auf. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereDo 12.04.2018MDR
  • Folge 211
    Erich Kästner verkörpert wie kaum ein anderer deutscher Autor den Typus des unantastbaren Schriftstellers. Generationen von Lesern sind mit ihm aufgewachsen. Mit „Emil und die Detektive“ (1929) revolutioniert er die Kinderbuchliteratur. 1899 kommt Erich Kästner in Dresden zur Welt. Seine Mutter Ida ist schwermütig. Immer wieder muss der Junge sie davon abhalten, in die Elbe zu springen. Daraus erwächst ein ungewöhnlich enges Verhältnis. In der Weimarer Republik steigt Erich Kästner rasch als Redakteur, Schriftsteller und Drehbuchautor auf. Mit seiner klaren Sprache prägt er die Neue Sachlichkeit. Auch seine kriegskritische Lyrik ruft ein weltweites Echo hervor. 1933 sieht Kästner in Berlin, wie seine Bücher verbrannt werden.
    Dennoch wandert er nicht aus, veröffentlicht nun unter Pseudonym und im Ausland. 1941 schreibt er das Drehbuch für „Münchhausen“. Später verhaftet ihn die Gestapo, lässt ihn aber wieder frei. In der Nachkriegszeit ist Kästner eine moralische Instanz. Doch er kann an seine früheren Erfolg nicht mehr anknüpfen, verstrickt sich in Liebesaffären und bekämpft seinen Frust mit Alkohol. Bis zu seinem Tod 1974 hadert er mit dem Entschluss, nicht ins Exil gegangen zu sein. Das Doku-Drama wirft einen neuen Blick auf das Bild von Erich Kästner. Neben den Literaturwissenschaftlern Sven Hanuschek und Laura Mokrohs kommen auch die Kinderbuchautorin Cornelia Funke, die Regisseurin Caroline Link und der Sänger Campino zu Wort. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereDo 19.04.2018MDR
    Erstausstrahlung ursprünglich für den 06.07.2017 angekündigt
  • Folge 212
    Arno Rink gehört zu den bedeutendsten Malern der DDR. Im Frühwerk fühlte sich Rink noch dem sozialistischen Realismus verpflichtet, doch zunehmend beschäftigte er sich in seinen figurativen Bildern mit Mythologie, Erotik und seinen inneren Kämpfen. In seiner Rolle als Professor und Rektor an der berühmten Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig wurde er zum Wegbereiter der Neuen Leipziger Schule und verhalf ihr zu internationalem Erfolg. Er selbst hingegen kam nie an den Erfolg seiner Schüler heran, allen voran Neo Rauch. Über sein Werk ist wenig bekannt. Rink verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in seinem Atelier oder an der Hochschule. Als einziger Hochschulrektor schaffte er es, auch nach der Wende seine Position zu behalten.
    Er hielt die Hochschule weitestgehend frei von politischen Einflüssen. Der Film „Arno Rink“ widmet sich erstmals dem Werk des Künstlers. Rink, der 20 Jahre lang mit einer Krebserkrankung lebte, machte nie einen Hehl aus seiner emotional labilen Befindlichkeit. In seinem Frühwerk ist noch die Doktrin des sozialistischen Realismus sichtbar. Ein Leben lang ging es ihm um das Geschlechterverhältnis: die Versuchung, der Mann als Opfer seiner Leidenschaften und seiner inneren Kämpfe. Arno Rink starb 2017 in Leipzig. In der Dokumentation äußern sich unter anderem seine Witwe Christine Rink, seine Tochter Marie-Thérèse, seine langjährigen Begleiter Neo Rauch und Rosa Loy sowie einige seiner Schüler wie Miriam Vlaming oder Michael Triegel. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereDo 03.05.2018MDR
    Die Erstausstrahlung fand bereits am 29.04.2018 bei arte statt.
  • Folge 213
    Der Dresdner Uwe Steimle ist ein Störenfried und Heimatkundler. Er hat einen Auftrag und davon macht er immer dann Gebrauch, wenn er um die Menschen, das Ansehen und die Geschichte seiner Heimat fürchtet. Wenn die Stadt auf dem Dresdner Neumarkt etwas naseweis ein „Denkmal für den permanenten Neuanfang“ postiert, taucht Uwe Steimle dort mit einer Fernsehturmattrappe auf, um auf den seit vielen Jahren ruinösen Zustand des Dresdner Fernsehturms hinzuweisen. Wenn in der Galerie Neue Meister in Dresden ostdeutsche Klassiker nach und nach abgehängt werden, schlägt Steimle Alarm. Uwe Steimle ist nicht allein nur Schauspieler und Kabarettist, bisweilen tourt er durch das Land wie ein inoffizieller Ostbeauftragter.
    Für ihn ist das Lebenshaltung. Steimle wurde 1963 in Dresden als Arbeiterkind geboren, darauf legt er Wert. Er lernt Industrieschmied und geht dann nach Leipzig auf die Schauspielschule. Er tritt in der „Herkuleskeule“ auf und ist Kommissar im Polizeiruf, bis er ersetzt wird. Er tourt ununterbrochen mit seinen Solo-Programmen durch Deutschland und sammelt dabei skurrile Geschichten aus dem Alltag. „Lebensläufe“ folgt einem Mann, der zum kulturellen Inventar Mitteldeutschlands gehört, einem streitbaren Zeitgenossen und Künstler. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereDo 24.05.2018MDR
  • Folge 214 (30 Min.)
    Der Bäckerssohn Oskar Maria Graf hat sein Heimatdorf Berg am Starnberger See mit 17 Jahren verlassen. Er ist daraufhin bei der Revolution mitmarschiert, nannte sich Maria und „Provinzschriftsteller“, wurde Anarchist, Kommunist, Revolutionär und kannte angeblich „Herrn“ Hitler persönlich. Das jedenfalls verraten die biografischen Daten. Obwohl Graf nach dem Exil in sein idyllisches „Heimatdorf“ Berg physisch nur noch selten zurückgekehrt ist, hat er es geistig nie verlassen. So etwa hat er Zeit seines Lebens und überall auf der Welt die Lederhose getragen oder kaum über etwas anderes geschrieben als über seine Heimat. Der Film „Ein Oskar für Bayern“ nähert sich Oskar Maria Graf aus heutiger Sicht.
    Prominente Graf-Leser wie Peter Gauweiler, Konstantin Wecker oder Sepp Bierbichler, aber auch der Fischer aus Berg erzählen von ihrer Lektüre, ihren Erlebnissen und ihren Erinnerungen an Graf und liefern so ein emotionales Porträt seines Werkes. Dem gegenübergestellt werden die wenigen, aber eindrücklichen Archivaufnahmen von Oskar Maria Graf: Sein Besuch am Grab der Mutter, oder seine Begründung, wieso er sich in New York nur am dortigen bayerischen Stammtisch „integrieren“ wollte und sich weigerte, Englisch zu lernen: „Ich möchte gleich sagen, dass ich mich niemals als Emigrant empfunden hab, weil ich ein deutscher Schriftsteller bin, und die deutsche Sprache absolut meine Heimat ist.“. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereDo 07.06.2018MDR
    auch außerhalb der Reihe
  • Folge 215 (30 Min.)
    Arzt war er und Schriftsteller, atheistischer Jude, überzeugter Humanist, gläubiger Kommunist, glühender Pazifist und naiver Kämpfer für eine bessere, gerechtere Welt. Er floh vor den Nazis und vor Stalins Schergen, wurde nach dem Krieg hochdekorierter DDR-Funktionär, erster Botschafter der DDR in Polen, Gründungsmitglied der Akademie der Wissenschaften. Er gehörte zur Aufbaugeneration der DDR und damit zu jenen linken Intellektuellen, die nach der Erfahrung des Faschismus und zweier Kriege unbedingt an eine neue kommunistische Gesellschaft glauben wollten. Bis zu seinem Tod schrieb er, fast wie getrieben, sozialkritische Theaterstücke und Romane, Märchen für Kinder, satirische Texte.
    Gedichte schrieb er auch, meistens, wenn er verliebt war. Friedrich Wolf war eine schillernde Gestalt, kämpferisch, charismatisch und ganz zweifellos ein schwärmerischer Frauenheld. Sieben Kinder hinterließ er bei seinem Tod 1953, vier eheliche und drei uneheliche, unter ihnen Markus Wolf, der spätere Geheimdienstchef der DDR und Konrad Wolf, Filmregisseur bei der DEFA. Geprägt durch die Erfahrung zweier Kriege steht Friedrich Wolfs Schicksal und sein Lebensweg für die sozialen und politischen Umbrüche, die diese Generation so intensiv erlebte. Che Guevara Documania. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereDo 14.06.2018MDR
  • Folge 216 (30 Min.)
    Eigentlich hätte er in New Orleans, Memphis oder mindestens in Chicago zur Welt kommen sollen. Stattdessen erblickt Jürgen Kerth 1948 im katholischen Krankenhaus in Erfurt das Licht der Welt. Dazu noch in einer Familie, die mit Musik nicht wirklich etwas am Hut hat. „Kerthes“ Erweckungserlebnis kommt erst 14 Jahre später in der Erfurter Sportschule. Dort trifft er Hans-Jürgen „Gotte“ Gottschalk. Der kann Gitarre spielen und Jürgen merkt schnell: „Das, was der kann, will ich auch.“ Die erste Gitarre ist ein billiges Spielzeugmodell, doch egal. „Kerthe“ hat die Musik für sich entdeckt und lernt schnell. Der Sound dieser Zeit – die Beatles.
    Die Haare werden länger und Jürgen gründet „Spotlight“, seine erste Band. Als Autodidakt laboriert „Kerthe“ seitdem in der Grauzone der DDR-Musikszene. Ohne Profiausweis sind seine Bandprojekte stets von Verboten bedroht. Drei Gruppen gehen so den Bach runter. Doch es hilft nichts, will Kerth sein Leben nicht als Feinmechaniker verbringen, muss er die Erfurter Musikschule besuchen. Dass er die Berufsmusikerprüfung besteht, hält er heute noch für einen Glücksfall. Nach dem Beat kam der Jazz, dann der Blues. Wenn man ihn fragt, welche Musiker ihn beeinflusst haben, dann fällt neben Jimi Hendrix und B.B. King selbstverständlich auch der Name Bach.
    Schließlich kommt dessen Familie ebenfalls aus Thüringen, denn „Kerthe“ ist erklärter Lokalpatriot. In der DDR gilt er – seit seiner ersten LP im Jahr 1976 – als der Blueskönig. Seine deutschen Texte – legendär. Der besondere Sound von „Kerthe“ wird seit Jahrzehnten bestimmt von „der Einen“. Die Eine – das ist seine Gitarre der Marke MIGMA. Ihr, die ständig geflickt, aufgemotzt, getunt und von seinem Besitzer verbessert wird, ist er treu – seit 50 Jahren. Seine Liebe zur amerikanischen Musik, zum Blues, kann er seit dem Mauerfall ausleben. Die Sehnsuchtsorte von damals sind heute für ihn erreichbar und wurden fast zu einem zweiten Zuhause. Erlebnis Musik. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereDo 19.07.2018MDR
  • Folge 217 (30 Min.)
    Hanns Eisler – geboren am 6. Juli 1898 in Leipzig, gestorben am 6. September 1962 in Ostberlin – Jude, Komponist, Sozialist. Musik für die Massen wollte er schreiben, den Soundtrack der Weltrevolution. Seine Regieanweisung für die „Vier Stücke für gemischten Chor“: „Dieses Lied singt man eigentlich so: Zigarette im Mundwinkel, Hände in den Hosentaschen, leicht grölend, damit es nicht zu schön klingt und niemand erschüttert wird. Auf den Straßen zu singen.“ Der junge Eisler gilt als hochbegabt. Arnold Schönberg unterrichtet ihn und beklagt sich über sein ungebührliches Benehmen. 1933 emigriert er: Frankreich, Dänemark, Großbritannien, Holland, USA.
    1938 veranstalten einflussreiche Freunde für ihn und seine Familie sogar „Welcome Concerts“, die in der New York Times mehrfach beachtet werden. Eisler unterrichtet in Mexico City am Konservatorium und an der New York School, schreibt Filmmusiken für Hollywood – u.a. auch für Fritz Langs Anti-NS-Film „Auch Henker sterben“. Er komponiert Reklamemusik für die amerikanische Ölindustrie für die Weltausstellung 1939. Natürlich auch Sinfonik, Kammermusik und Vokalwerke. Doch Eisler ist Kommunist, sein Haus ein Emigrantentreffpunkt.
    Ab 1943 überwacht das FBI den deutschen Dissidenten. Es folgen Ausweisung, Emigration nach Mexiko. 1949 siedelt Hanns Eisler nach einigem Zögern in die DDR über. Johannes R. Becher unterstützt ihn. Und dann beginnt die neue Schaffensperiode des Hanns Eisler: Er komponiert die DDR-Nationalhymne, die Neuen Deutschen Volkslieder, wird Professor an der Berliner Musikhochschule. Trotz hoher Ehrungen kommt es immer wieder zu Spannungen mit dem SED-Regime. Mit dem Untergang der DDR verschwindet Eislers Werk scheinbar von den deutschen Konzertprogrammen. Inzwischen gibt eine Eisler-Renaissance. Hat Hanns Eisler eine neue Chance auf Unsterblichkeit? (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereDo 26.07.2018MDR
  • Folge 218 (30 Min.)
    Als Kind überzeugter kommunistischer Eltern wächst Dagmar Manzel auf. Die Arbeiterklasse über alles. Sie selbst nennt sich bis heute Facharbeiterin für Schauspielkunst. Bloß nicht abheben. Daher die Ablehnung jedweder „Roter Teppich-Allüren“. Die Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule macht sie heimlich. Die Herkunft prägt sie bis heute, ist Motor, Richtwert, Leitfaden. Und gleichzeitig ist sie der Beengung dieser Bodenständigkeit entflohen durch ihre Berufswahl. Hier ist der Riss, der Schmerz, der stete Kampf mit sich selbst, der sie zu solch einer Künstlerin macht.
    Dem über alles geliebten Vater zuliebe tritt sie sehr jung in die SED ein. Mit ihrem Eintauchen in die Schauspielwelt und Boheme der achtziger Jahre in Ost-Berlin, entscheidet sie sich durch die neuen Einflüsse für einen Austritt aus der Partei und nimmt stattdessen noch im Osten den katholischen Glauben an. Sie hat bis heute einen starken Glauben, auch wenn sie eine sehr eigene Haltung entwickelt hat, wie man diesen lebt. Ihr erfolgreicher Weg ist eine der erstaunlichsten Karrieren im Nachwendedeutschland.
    Können und auch Glück ebneten diesen Weg. Im Jahr des Mauerfalls stirbt ihr Vater. Sie sagt, vielleicht besser so und dass er diese politische Entwicklung nie verkraftet hätte. Das ist bis heute ein wichtiges Thema, wie sie eine Haltung zu ihrer ostdeutschen Herkunft entwickelt hat. Und trotzdem weiß sie, dass sie all die Möglichkeiten, die sich nach dem Mauerfall eröffneten, sonst nie bekommen hätte und sehnt sich sicher nicht zurück. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereDo 30.08.2018MDR
  • Folge 219 (30 Min.)
    Der Rennfahrer Peter Mücke begann seine Karriere als Schrauber für einen Melkus-Piloten und führt jetzt, mit 71 Jahren, den größten privaten Rennstall Deutschlands. Mit einem jugoslawischen Fiat wurde Mücke in den 1970ern auf dem Sachsenring und in Frohburg mehrfach DDR-Meister. Mücke ist aber kein Fossil, sondern immer noch der Liebling der ostdeutschen Motorsportfans. Foto aus dem Familienalbum der Mückes
    Der Rennfahrer Peter Mücke begann seine Karriere als Schrauber für einen Melkus-Piloten und führt jetzt, mit 71 Jahren, den größten privaten Rennstall Deutschlands. Mit einem jugoslawischen Fiat wurde Mücke in den 1970ern auf dem Sachsenring und in Frohburg mehrfach DDR-Meister. Mücke ist aber kein Fossil, sondern immer noch der Liebling der ostdeutschen Motorsportfans. Heute ist er Teamchef von „Mücke Motorsport“ und steht bei den GT Masters in Oschersleben oder auf dem Nürburgring an der Seite der Größen der Szene in der Boxengasse. Unter seiner Führung entwickelten sich Talente wie Sebastian Vettel und Pascal Wehrlein zu Siegertypen und im aktuellen Mücke-Team fährt Markus Winkelhock um Podestplätze.
    In der Motorsportarena Oschersleben bei Magdeburg ist er der Boss, die Autorität für junge Fahrer wie Lucas Auer und Sebastian Asch. Auf dem Nürburgring fährt er noch selbst mit seinem 600 PS Ford Capri. Mücke ist ein Phänomen, keine andere Größe des DDR-Motorsports hat nach der Wende eine derartige Erfolgsgeschichte auf den Asphalt gebracht. Wie hat er das geschafft? Wir erleben diesen energiegeladenen Menschen als Teamchef und als Rennfahrer, wir erleben ihn mit seinem Sohn, dem Ford-Werksfahrer Stefan Mücke, im Wettkampf auf der Piste und wir erleben ihn zu Hause mit seiner Frau, wenn er auf dem Dachboden die Alben sucht, in denen sein Vater Zeugnisse seiner Karriere gesammelt hat. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereDo 13.09.2018MDR
  • Folge 220
    Es gibt keinen Bildhauer in Thüringen, der mit seinen Werken in der Öffentlichkeit präsenter ist als Volkmar Kühn. Seine charakteristischen Figuren und Figurengruppen prägen die Ortsbilder von Erfurt, Gera, Rudolstadt, Ilmenau, Greiz oder Kloster Paulinzella. Nicht zu vergessen: Kloster Mildenfurth im ostthüringischen Wünschendorf. Seinen Wohnort hat er in Jahrzehnten zu einem Skulpturen-Park und einer historischen Galerie gemacht hat. Kühns Werk zeichnet sich aus durch großes handwerkliches Können, unverwechselbare figurative Ästhetik und besonderes Wissen über die Tieranatomie.
    Und trotzdem, so sagte ein Kunstkritiker, wurde „der kleine große Mann von der Kunstwelt ein wenig vergessen“. Die Ruine des alten Prämonstratenser-Klosters aus dem 12. Jahrhundert ist ein verwunschener Ort – vor allem durch die Skulpturen von Volkmar Kühn. Seit 50 Jahren leben er und seine Frau im und am ehemaligen Kloster, das im 16. Jahrhundert zu einem Schloss umgebaut, aber nie vollendet wurde. Menschen mit Pferdeköpfen, Schlangenmenschen, Reiter zu Pferde, Bischöfe – androgyn, mit spitzen Nasen, langen Armen und langen Fingern, mit sparsamer Mimik und Gestik, manche durch Masken verhüllt, fast alle nackt und mit deutlich ausgeformten Geschlechtsteilen.
    Die Anlage liegt noch ein bisschen im Dornröschenschlaf, nicht zuletzt, weil es an Ideen und Geld für eine umfassende Nutzung fehlt. Doch seit Jahrzehnten kämpfen die Kühns für deren Erhaltung und Neunutzung. Und der Bildhauer schafft durch seine Kunst Bezüge zur Vergangenheit. Fast symbolhaft ist sein „Mildenfurther Kreuzmensch“, der am monumentalen Westportal der früheren Klosterkirche steht. Auch die drei Mönche an der Mauer zum heutigen Schlossgebäude weisen auf die Klosterkirche hin, von der man heute nur noch mit Blick auf den Grundriss die Ausmaße erahnen kann.
    Der Film von Daniel Baumbach erzählt Volkmar Kühns Lebensgeschichte – von den Anfängen vor über 70 Jahren im thüringischen Königsee, seiner frühen Neigung zur Kunst, seiner Ausbildung zum Keramik-Modelleur, seiner Arbeit als Tierpfleger im Leipziger Zoo, seinem späterem Kunststudium ebenfalls in Leipzig sowie der mittlerweile Jahrzehnte langen Arbeit als freier Künstler, der immer Auftragskunst ablehnte und nur schuf, was ihm wichtig erschien.
    Kühn ist ein eigenwilliger Charakter, der Tiere, wie seine Deutsche Dogge, über alles liebt, mit den Menschen und der Aufgeregtheit der Gegenwart aber weniger klarkommt. Seine Kämpfe mit der Denkmalpflege für eine Nutzung Mildenfurths im Hier und Jetzt werden genauso thematisiert, wie seine künstlerische Bedeutung und die Frage nach dem, was von ihm und seiner Kunst bleibt. Weggefährten, Kunstexperten und Sammler kommen zu Wort kommen – über einen Künstler, der einer der ganz Großen im mitteldeutschen Raum ist, aber bisher nur wenig nationale und internationale Beachtung erfuhr. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereDo 20.09.2018MDR
  • Folge 221
    Waltraud Meier gilt als eine der bedeutendsten Wagner-Interpretinnen. Als Kundry bei den Bayreuther Festspielen begann 1983 die Weltkarriere der damals 27-jährigen Mezzosopranistin. Heute wird sie zudem als berühmteste Isolde-Interpretin unserer Zeit gefeiert. Nun hat sich Waltraud Meier dazu entschlossen, ihre beiden Glanzrollen hinter sich zu lassen. Mehr als 30 Jahre lang hat sie die anspruchsvolle Rolle der Kundry interpretiert; über 20 Jahre hinweg verkörperte sie Isolde, eine der schwierigsten Sopranpartien überhaupt. Neben ihrem Gesang und unverwechselbaren Timbre ist es auch die Intensität ihrer Darstellung, die Waltraud Meier zu einer Ausnahmekünstlerin werden ließ. Sie überzeugte und begeisterte als Marie in Alban Bergs Oper „Wozzeck“ ebenso wie im italienischen und französischen Repertoire als Santuzza, Amneris, Eboli oder Dido.
    Es sind vor allem die großen Wagner-Rollen, für die sie weltweit gekannt und verehrt wird – ob als Ortrud, Venus, Sieglinde, Waltraute oder eben, allen voran, als Kundry und Isolde. Die Dokumentation „Wagner-Legende Waltraud Meier – Adieu Kundry, Adieu Isolde“ folgt Waltraud Meier rund um ihre letzten Aufführungen von „Parsifal“ und „Tristan und Isolde“. Offen schildert die Sängerin, was es für sie bedeutet, Stück um Stück diese beiden Figuren loszulassen. Mit dem Abschied von ihren Paraderollen endet ein entscheidender Abschnitt im Leben einer großen Künstlerin, die selbst aber sagt: „Für jeden Verlust gibt es einen neuen Gewinn.“. (Text: MDR)
    Deutsche TV-PremiereDo 04.10.2018MDR
  • Folge 222 (30 Min.)
    Sein erster Berufswunsch war Zirkusdirektor. Ganz geklappt hat es nicht, aber nah dran ist er. Christian Friedel ist Schauspieler, Sänger und Entertainer. Und manchmal alles in einem. Seine Karriere ist, gelinde gesagt, beeindruckend. Die erste Hauptrolle spielte er 2009 in Michael Hanekes Film „Das weiße Band“, der prompt für einen Oscar nominiert wurde. Für seinen „Elser“ war er als „Bester Schauspieler“ für den Deutschen Filmpreis nominiert, mit „Zuckersand“ erhielt er einen Grimme-Preis. Sein eigentlicher Arbeitsplatz aber ist das Theater, daran haben der Trubel und die Film-Preise nichts geändert.
    Am Schauspiel Düsseldorf spielt er bei Regie-Weltstar Robert Wilson („Der Sandmann“). Am Staatsschauspiel Dresden ist er seit Jahren als „Hamlet“ zu erleben. Die Inszenierung ist ein echter Hit und wird mittlerweile auch in Stuttgart und Düsseldorf gespielt. Nicht zuletzt, weil Friedel darin auch als Musiker und Sänger brilliert. Mit den Musikern der Dresdener Band „Polarkreis 18“ hat er die „Woods of Birnam“ gegründet. Mittlerweile sind die „Woods“ die wichtigsten Vertreter des „Shakespearean Pop“. Gerade ist ihre dritte CD erschienen, in ihrer Heimatstadt haben sie ein eigenes Festival gegründet und mit ihrem Programm „Searching for William“ gerade in Dänemark gastiert.
    Friedel, geboren 1979, ist Musiker, Theatermann und Filmstar in einem. Am Göttinger Theater führt er dieses Jahr zum zweiten Mal Regie. Der Film hat das charmante Multitalent nach Düsseldorf und Dänemark begleitet, war mit ihm in seiner Heimatstadt Dresden und in dem Magdeburger Kino, in dem Christian Friedel als Kind davon träumte, Schauspieler zu werden. Und er zeigt, wie Friedel 2010 staunend zur Oscar-Verleihung in Los Angeles vorfährt. Von Hamlet bis Hollywood. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereDo 25.10.2018MDR
  • Folge 223 (30 Min.)
    Maxmilian Grünfeld
    Max Grünfelds idyllische Kindheit endet abrupt im April 1944. Während des Pessach-Festes wird er mit seiner Familie von deutschen Soldaten im slowakischen Dorf Pavlovo (heute Ukraine) abgeholt und ins Ghetto von Mukatschevo gebracht. Von hier werden die Grünfelds direkt nach Auschwitz deportiert. Fast alle werden dort in den Gaskammern ermordet – nur Max und sein Vater kommen in Arbeitskommandos. Im Januar 1945 muss Max auf den Todesmarsch nach Buchenwald. Auch dieses Konzentrationslager überlebt er. Nach dem Krieg irrt er noch zwei Jahre durch Osteuropa – auf der Suche nach seinem Vater. In einem Budapester Flüchtlingslager erfährt er, dass sein Vater, eine Woche vor der Befreiung, in Thüringen erschossen wurde. Im Wissen, dass er der letzte Überlebende seiner Familie ist, beschließt er, in die USA auszuwandern.
    Als 19-Jähriger kommt er nach New York. Aus Maximilian Grünfeld wird Martin Greenfield. Er beginnt als Laufbursche in einer Schneiderei in Brooklyn und arbeitet sich dort zu einem der begehrtesten Herrenmaßschneider der USA hoch. Als „Doktor der Anzüge“ kleidet er fortan die politische und kulturelle Elite Amerikas in feines Tuch – von Eisenhower bis Obama, von Paul Newman bis Leonardo DiCaprio. Inzwischen haben seine Söhne Jay und Tod die Geschäftsführung der „factory“ übernommen. Martin Greenfield ist auch mit 90 Jahren noch täglich vor Ort. Seine prägenden Lebenserinnerungen hat er aufgeschrieben, weil „die jungen Leute davon erfahren müssen“. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereDo 08.11.2018MDR
  • Folge 224
    Bob Dylan spielte sie, Elvis spielte sie, auch Bob Marley. Paul McCartney, Sting, Dolly Parton, Joan Baez, Ed Sheeran, David Crosby, Wolfgang Niedecken spielen sie. Eric Clapton sorgte nach seinem legendären Unplugged-Konzert 1992 für einen Run auf die Martin-Gitarre, einer unglaublichen Erfolgsgeschichte im Instrumentenbau. Ein Gitarrenmythos, der im 19. Jahrhundert in Markneukirchen im Vogtland begann und an dessen Fortsetzung in Amerika noch heute geschrieben wird. Der Erfinder Christian Friedrich Martin hatte schon vor fast 200 Jahren mit Umständen zu tun, die auch heute noch das tägliche Leben beherrschen: Bürokratie, Konkurrenzängste, Kleingeisterei.
    Und genauso wie heute viele Menschen ihr Land verlassen, weil sie ihre Kreativität nicht ausleben können, kehrte auch der junge Instrumentenbauer aus Sachsen seiner Heimat den Rücken und wanderte nach Amerika aus. Sechs Generationen der Familie Martin bauen seitdem in Nazareth, Pennsylvania, Gitarren für die Welt. Gitarren, die für eine neue Ära der Musik geeignet waren. Denn die bis dahin gefertigten klassischen Gitarren hatten nur einen Makel.
    Sie waren für die größeren Auditorien der Jazz, Country und Folkszene zu leise. Bei Konzerten wurde sie von Fiddle, Banjo und Klavier einfach übertönt. Und so grübelte Martin nächtelang in seiner Werkstatt, wie er seinem Instrument die nötige Reputation verschaffen kann. Es musste lauter werden. Wie? Mit der legendären X-Form. Damit revolutionierte er den Gitarrenbau. Nach seinem Tod 1873 macht sein Sohn mit dem Einsatz von Palisander-Holz die Martin Gitarre unverwechselbar.
    Christian Friedrichs Enkelsohn erfindet 1912 den Einsatz von Stahlsaiten. Die Martin-Gitarre tritt ihren Siegeszug an. Ihre Wurzeln haben die Nachkommen Christian Friedrichs bis heute nicht vergessen. Der jetzige Firmeninhaber C.F.Martin IV. reiste schon mehrmals nach Markneukirchen, dem Geburtstort und der Wirkungsstätte seines Urahns. Im dortigen Museum sind nicht nur Stücke seines Ur-Ur-Großvaters zu sehen. Die heimatverbundenen Martins spenden immer wieder neue Entwicklungen aus ihrem Sortiment für die Ausstellung „Gitarrengeschichte hautnah“. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereDo 29.11.2018MDR
  • Folge 225
    Fast ein Wunder: Ein „kleiner“ Schneider verhilft der DDR in den 1950er und 1960er Jahren zu internationaler Anerkennung. Die politische Elite um Walter Ulbricht ist skeptisch, lässt den Mann namens Heinz Bormann jedoch gewähren und vereinnahmt ihn sogar. Eine fast vergessene Geschichte aus Magdeburg. So hat alles angefangen: Nach dem Krieg kam der 27-jährige Wehrmachtsoffizier Heinz Bormann ins völlig zerstörte Magdeburg. Er will den Konfektionsbetrieb seiner Schwiegereltern wieder aufbauen. Bormann gräbt ein paar Nähmaschinen aus den Trümmern der zerstörten Fabrik und gründet die „Magdeburger Bekleidungswerkstätten“.
    Der Beginn einer Erfolgsstory. Anfang der 1950er Jahre zählt sein Unternehmen zu den größten der DDR. Der Kundenkreis ist ein illustrer. Die – unter vorgehaltener Hand – als total bieder verschriene Ehegattin von Walter Ulbricht kauft bei Bormann genauso ein, wie berühmte Künstler, ranghohe Wissenschaftler und die Kostümabteilung der DEFA. Sie alle spüren den Hauch westlicher Eleganz im „Bormann-Tuch“. Der eher unpolitische Lebemann Heinz Bormann denkt nicht daran, in den Westen zu gehen. Hier in seiner Heimat will er was werden. So kommt es, dass er in der DDR einer der ersten ist, der professionelle Models auf den Laufsteg schickt.
    In der damals tristen Ost-Modelandschaft eine Sensation. Bormanns erste Schauen finden im Kristallpalast Magdeburg statt. Es folgen Dresden, Berlin, Warnemünde und schließlich die Leipziger Messe. Der internationale Durchbruch! Ein genialer Couturier aus einer ostdeutschen Zuckerrüben- und Maschinenbau-Stadt? Plötzlich wollen alle Bormann haben. Otto, Quelle und Neckermann bestellen 30.000 Kleider, der Westen, der Nahe Osten, die Sowjets – sie alle offerieren Bormann eigene Schauen. Die West-Journaille feiert Bormann und erfindet für ihn so skurrile Namen wie „Zonen-Couturier“ oder „Roter Dior“.
    Die internationale Anerkennung ist ganz nach Walter Ulbrichts Geschmack. Die DDR verdient außerordentlich am Magdeburger Modezar. Bormann gehört zur Hautevolee und zu den Spitzenverdienern der DDR. Damit ist es Anfang der 1970er Jahre abrupt vorbei. Die DDR verändert mit Erich Honecker ihre Wirtschaftspolitik. Bormann wird enteignet. Kurz darauf – der nächste Schicksalsschlag: Er erkrankt an Krebs. Heinz Bormann, der nicht nur Couturier, sondern auch Familienmensch und Vater von vier Kindern war, stirbt im Februar 1989 fast vergessen in Schönebeck. (Text: mdr)
    Deutsche TV-PremiereDo 13.12.2018MDR

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