2016/2017, Folge 1–16

  • Folge 1
    „So wohnt Wiesbaden“ – Ein Blick durchs Schlüsselloch
    Das kennt jeder: Beim Spaziergang durch die Nachbarschaft fällt der Blick wie zufällig ins fremde Fenster und man ertappt sich beim Gedanken: Wie wohnen die da eigentlich? Was sind das für Leute, die hier in dieser schicken Altbauwohnung mit Stuck leben? Fragen wie diese haben sich auch Autorin Tina Humburg und Fotografin Sandra Hauer gestellt. Bis sie eines Tages in ihrer Stadt Wiesbaden anfingen, zu recherchieren, zu klingeln und zu fragen. Aus bloßer Neugier entstand so kurzerhand ein interessanter Bildband: In „So wohnt Wiesbaden“ werfen die beiden einen Blick durchs Schlüsselloch einiger Stadtbewohner und zeigen, wie kreativ diese ihren Häusern und Mietwohnungen den persönlichen Stempel aufdrücken.
    Autorin und Fotografin haben sich dabei nicht nur auf exklusive Altbauwohnungen und Villen der Landeshauptstadt konzentriert. Sie zeigen auch, wie Durchschnittsverdiener und Studenten leben. Und warum es hier Menschen gibt, die sich liebevoll auf Booten oder in Bauwagen eingerichtet haben. In „hauptsache kultur“ erzählen sie die Geschichten hinter ihren Fotos und was es auch in Wiesbaden für Mieter und Besitzer bedeutet, dass Wohnen in dramatischem Tempo immer teurer wird – und sich damit auch so manche Straße und Nachbarschaft verändert.
    Bericht: Alexander C. Stenzel
    Schluss mit dem Drama! – Was passiert mit Frankfurts Städtischen Bühnen?
    Es ist schon ein wahres Trauerspiel, was da seit einiger Zeit am Willy-Brandt-Platz gegeben wird. Die Hauptfiguren: Zwei renommierte Frankfurter Kulturinstitutionen, das Schauspiel und die Oper. Sie leiden, und das bereits seit Jahren, denn ihre Häuser sind marode, zu lange überließ man sie ihrem Schicksal. Weil dieses Drama aber langsam keiner mehr mit ansehen kann, scheint jetzt endlich Rettung in Sicht. Seit Wochen wird in Frankfurt heftig über die Zukunft der Städtischen Bühnen diskutiert. Die Vorschläge sind mannigfaltig: Von Sanierung über Abriss und Neubau bis Umzug ist alles dabei. Fest steht bislang nur eines: Auf die Stadt kommen immense Ausgaben zu.
    Entschließt sie sich die traditionsreiche „Theaterdoppelanlage“ zu sanieren, dann – so die ersten Schätzungen – könne das bis zu 380 Millionen Euro kosten. Sollten Teile des Gebäudes zudem – wie gerade angedacht – unter Denkmalschutz gestellt werden, wird alles noch viel teurer. Bei solchen Zahlenspielen muss man in Frankfurt nicht lange warten, bis Gegner auf die Bühne treten: Der ehemalige Planungsdezernent Martin Wentz sieht jetzt eine „einmalige Chance“ gekommen und plädiert dafür, die Kulturtempel andernorts ganz neu und gar getrennt voneinander zu errichten.
    Die „Bürgerinitiative Altstadtforum“ träumt derweil schon von einem Wiederaufbau des alten, jugendstilhaften Schauspielhauses an gleicher Stelle. Beides Vorschläge, die für den Intendanten der Oper, Bernd Loebe, einer Katastrophe gleich kommen: Er kämpft vehement dafür, Theater und Oper am gleichen Ort und auch im gleichen Gebäude zu belassen. Was aber sagt dazu die neue Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD), die – gerade neu im Amt – jetzt mit dieser kulturpolitischen Herkulesaufgabe konfrontiert ist? Wird sie dem Trauerspiel endlich ein Ende bereiten? „hauptsache kultur“ über eine hausgemachte Frankfurter Tragödie.
    Bericht: Simon Broll
    Vom Taunus in die Welt – Die Glaskunst aus dem „Derix-Atelier“
    Ein „Derix“-Werk hat schon fast jeder einmal gesehen, aber kaum einer kennt „Derix“. „Derix“ – was ist das überhaupt? Das berühmte Gerhard-Richter-Fenster im Kölner Dom zum Beispiel ist ein „Derix“-Werk – ein Kunstwerk nur aus Glas, eine geniale Komposition aus 11 250 Glasquadraten in 72 Farben. Hergestellt wurde es im Taunus, im Glasatelier „Derix“. Von hier aus gehen die beeindruckendsten Glasbilder in die Welt: „Derix“-Werke kann man etwa in der Kathedrale zu Reims, in New York an einem Denkmal für die Opfer von Ground Zero, in einer U-Bahn-Station in Taiwan oder im Mainzer Dom finden.
    Selbst der Hessische Rundfunk hat ein „Derix“-Werk – direkt neben seinem Haupteingang. Das ehemalige Familienunternehmen arbeitet regelmäßig mit großen Künstlern zusammen wie Markus Lüpertz, Imi Knoebel und Max Uhlig. Eine hessische Erfolgsgeschichte, die in diesem Jahr ihr 150-jähriges Jubiläum feiert. „hauptsache kultur“ besucht die beeindruckende „Derix“-Werkstatt und fragt, wie haben sie das hier eigentlich geschafft: Von Taunusstein die Welt mit Glaskunst zu erobern?
    Bericht: Natascha Pflaumbaum
    In den Trümmern Syriens spielte er für die Hoffnung – Der Klavierspieler Aeham Ahmad hat in Wiesbaden eine neue Heimat gefunden
    Er ist bekannt geworden als der mutige Pianist, der mitten in den Trümmern des komplett zerstörten syrischen Flüchtlingslagers Jarmuk in Damaskus spielte. An dem Ort, den UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon als die „tiefste Hölle“ im Syrien-Krieg bezeichnete. Hier ist der gebürtige Palästinenser Aeham Ahmad aufgewachsen, hier lernte er von seinem Vater Klavierspielen und studierte Musik, hier musste er erleben, wie Syrien durch den Krieg in Schutt und Asche gelegt wurde und der sogenannte „Islamische Staat“ in Jarmuk die Kontrolle übernahm. Er trotzte dem Musikverbot und den drakonischen Strafen, die auf Verstöße dagegen drohen, und spielte hier immer wieder heimlich spontane Klavier-Konzerte, um den Kindern und Erwachsenen zumindest kurze Momente der Ablenkung zu schaffen.
    Er riskierte sein Leben für wenige Minuten der Freiheit, „damit wir nicht komplett wahnsinnig wurden“, wie er erzählt. Die Videos des mutigen Mannes gingen um die Welt, die „New York Times“, CNN und die BBC berichteten. Lange hielt der junge Mann der Gewalt und den Schrecken stand, die er jeden Tag in Jarmuk erlebte, aber als IS-Kämpfer im vergangenen April sein Klavier verbrannten, zerstörten sie seinen letzten Funken Hoffnung. Seitdem war sein Leben akut bedroht und Aeham Ahmad entschloss sich schweren Herzens zu fliehen.
    Nach einer langen Odyssee hat er seit kurzem in Wiesbaden eine neue Heimat gefunden, und eine Zukunft! Eine Künstleragentur hat ihn gerade unter Vertrag genommen, er spielt fast jeden Tag irgendwo im Land Konzerte und bald erscheint seine erste CD. Der Mann, der den Menschen in Syrien so viel Hoffnung spendete, schöpft langsam wieder selbst welche. Mit „hauptsache kultur“ spricht Aeham Ahmad darüber, wie schwer es ist, weiterzuleben, wenn zuhause Familie und Freunde ständig mit dem Tod bedroht sind und wie er versucht, in Deutschland von seiner Musik zu leben.
    Bericht: Uli Zimpelmann
    Die neue „hauptsache kultur“-Serie: „Kann das weg? – Saehrendt ermittelt“
    Ein jeder kennt sie, die kuriosen – und häufig amüsanten – Geschichten von Kunstwerken, die nicht als solche erkannt und so zum Opfer übereifriger Putzkräfte wurden. Joseph Beuys’ berühmt-berüchtigte „Fettecke“ ist sicherlich das prominenteste Beispiel dafür, was passieren kann, wenn Künstler mit ihren Werken an einem allgemeinen, eher klassischen Kunstverständnis anecken. Frei nach dem Motto „Ist das Kunst oder kann das weg?“ geht der Kunsthistoriker, Publizist und gebürtige Kasselaner Christian Saehrendt jetzt für „hauptsache kultur“ auf Suche – nach Kunstwerken im öffentlichen Raum, die kaum noch als solche wahrgenommen werden.
    Teilweise sind sie seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil des Stadtbilds und gelten mancherorts als Kuriosum, andernorts als Markenzeichen – und doch werden sie bisweilen übersehen, wie zum Beispiel in Kassel die „Landschaft im Dia“ von der inzwischen aufgelösten österreichischen Architekten- und Künstlergruppe „Haus-Rucker-Co“. Das Werk sieht aus wie ein riesengroßer Dia-Rahmen.
    Ursprünglich stand an gleicher Stelle das Auetor, das den Blick auf die namensgebende Landschaft freigab. Später wurde es durch das alte Staatstheater Kassel ersetzt, welches dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer fiel. Im Jahr 1977 kam schließlich die „Landschaft im Dia“-Stahlkonstruktion, sie sollte – ähnlich wie das Auetor – den Ausblick vom Friedrichsplatz in die Ferne einrahmen. Eine nette Idee oder hat sie sich mittlerweile überlebt? Ist der „Rahmenbau“ Kunst – oder eher überflüssig? Ein Fall für „hauptsache kultur“ und Christian Saehrendt!
    Bericht: Tanja Küchle (Text: hr-fernsehen)
    Deutsche TV-PremiereDo 22.09.2016hr-Fernsehen
  • Folge 2
    Die Hoffnung war mal grün – Warum Frankfurt ein wichtiges Versuchslabor für „Die Grünen“ und ihre Bundespolitik war.
    Sie kämpften für Umweltschutz und gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens – und hatten sehr schnell politisch Erfolg: Vor 35 Jahren zogen die „Grünen“ das erste Mal in Frankfurts Stadt-Parlament ein. Kritisch beäugt von den etablierten Parteien, begannen sie von hier aus ihr Projekt, erst Hessen und dann die Bundesrepublik umzukrempeln. Über diese Anfangszeit hat der Journalist Claus-Jürgen Göpfert nun ein Buch geschrieben: Darin erzählt er wie aus verschiedenen sozialen Bewegungen 1980 die Protestpartei „Die Grünen“ entstand. Göpfert konzentriert sich dabei auf die Geschichten in Frankfurt, weil hier wichtige Politiker wie Joschka Fischer, Daniel Cohn-Bendit und Jutta Ditfurth ihre ersten politischen Schritte wagten.
    So lässt er die Studentenproteste, den Häuserkampf im Westend und das Waldhüttendorf vor den Toren der Stadt wieder auferstehen. Die Main-Metropole – so eine These aus dem Buch – war ein Versuchslabor für die junge Partei. Hier wurden die Kämpfe zwischen Realpolitikern und Fundamentalökologen ausgetragen: Soll man Regierungsverantwortung übernehmen oder nicht? „hauptsache kultur“ begibt sich mit dem Autor in Frankfurt auf Spurensuche, trifft Zeitzeugen aus den Anfängen. Und stellt mit Blick auf die Geschichte auch die Frage: Wie wird es weitergehen mit den Grünen in Hessen?
    Autor: Simon Broll.
    (Claus-Jürgen Göpfert: Die Hoffnung war mal grün. Aufstieg einer Partei – Das Frankfurter Modell. Westend Verlag. Erscheint am 4.10.2016).
    Hubertus Meyer-Burckhardt – Talkmaster und Medienprofi aus Kassel.
    Wenn er nach seinem Beruf gefragt wird, antwortet Hubertus Meyer-Burckhardt ganz selbstverständlich: „Produzent“, doch prominent geworden ist er vor allem als Talkmaster der „NDR Talkshow“, die er seit mehr als 15 Jahren, mit einer Unterbrechung, moderiert. Seine Heimatstadt ist Kassel, hier ist er geboren und aufgewachsen. Er machte sein Abitur am Friedrichsgymnasium, und mit 15 Jahren bewarb er sich als Statist am Kasseler Schauspiel. „Es war wie ein Musenkuss“, schwärmt Hubertus Meyer-Burckhardt über die Welt, die sich ihm damals am Theater eröffnete, „so als wenn man einen Menschen trifft, in den man sich schock-verliebt.“ Von da an wusste er, dass er für andere bürgerliche Berufe nicht mehr in Frage kommt, sagt er.
    So wurde er Theaterregisseur, Filmproduzent, Moderator und Buchautor. Und noch immer übt er alle Berufe mit Leidenschaft aus. Heute lebt er in Hamburg, doch nach Kassel kommt er immer gern zurück, ist befreundet mit dem Oberbürgermeister Bertram Hilgen und stolz, dass sich seine Geburtsstadt so gut entwickelt hat. „hauptsache kultur“ hat Hubertus Meyer-Burckhardt, der in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag gefeiert hat, in Kassel getroffen und ist mit ihm zu den Orten gegangen, die für ihn prägend waren.
    Autorin: Christine Romann.
    Das Eurozeichen in Frankfurt – Kann das weg?
    Christian Saehrendt ermittelt. Einst Symbol für die gemeinsame Währung, inzwischen geliebtes Hassobjekt ihrer Gegner: die „Euro-Skulptur“ vor der ehemaligen EZB am Willy-Brandt-Platz polarisiert. Schon vor dem Umzug der Europäischen Zentralbank ins Frankfurter Ostend 2015 wurde Kritik an der Skulptur des für seine farbenfrohen Plastiken bekannten Nauheimer Künstlers Ottmar Hörl laut. Gerade im Zuge der Finanzkrise von 2008 empfanden nicht wenige Bewohner der Stadt, darunter auch Kulturschaffende, das Objekt als deplatziert und hätten es lieber ins nächstgelegene Museum verfrachtet. Noch steht das 2001 zur Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung errichtete übergroße Eurozeichen mit den 12 Sternen an seinem angestammten Platz – und ist zum beliebten Fotomotiv geworden. Die Schwester-Skulptur am Frankfurter Flughafen wurde bereits vor vier Jahren aufgrund des eklatanten Sanierungsbedarfs entfernt. Ist das Kunstwerk also reif für den Schrottplatz? Christian Saehrendt ermittelt!
    Autorin: Tanja Küchle.
    Prekäre neue Welt – Die Abstiegsgesellschaft.
    Es ist ein scheinbarer Widerspruch: seit Jahren sinken in Deutschland die Arbeitslosenzahlen, doch die Abstiegsangst – vor allem in der Mittelschicht – nimmt zu. Eines der zentralen Versprechen der „alten Bundesrepublik“ war die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs. Das funktioniert nicht mehr. Oliver Nachtwey, vom renommierten Frankfurter Institut für Sozialforschung, analysiert nun in seinem Essay „Die Abstiegsgesellschaft“ die Ursachen und beschreibt die Folgen für unsere Gesellschaft, unser Leben. „hauptsache kultur“ hat ihn getroffen.
    Autor: Joachim Gaertner.
    Eine nordhessische Krimiautorin entdeckt ihre Heimat neu: War Wickenrode bei Kassel ein „braunes“ Musterdorf?
    Die Idylle täuscht. Hinter den schmucken Fachwerkfassaden, unter gemütlichen Dächern spielte sich Grauenvolles ab: Ein brutaler Mord aus dem Jahr 1938 an einem verhassten Großbauern wird niemals aufgeklärt. Erst Mitte der 60er Jahre, nachdem erneut eine Leiche auftaucht, wird wieder ermittelt. Und dann kommt endlich Bewegung in die alten Geschichten. Die Autorin Nicole Zaspel alias Nicole Braun schreibt über ihre Heimat Wickenrode in Nordhessen Krimis und die Bewohner des kleinen Örtchens mögen, wie ihr Dorf literarisch verarbeitet wird. Doch bei den Recherchen für den aktuellen historischen Krimi stößt die Autorin auf einen alten NS-Reiseführer, der dem Leser Wickenrode als nationalsozialistisches „Musterdörfchen“ empfiehlt.
    Ein Schock für sie, aber keine Überraschung für den örtlichen Geschichtsverein. Der schließt seine umfangreichen Recherchen demnächst ab und hält es für wichtig, die nationalsozialistische Vergangenheit aufzuarbeiten. Er unterstützt die Autorin mit vielen Informationen und Fotografien, damit sie sich ein authentisches Bild machen kann. Die Geschichte der eigenen Heimat ist eben nicht nur Idylle und gefühlvolle Seligkeit, sondern fördert manchmal schwer Verdauliches zu Tage. „hauptsache kultur“ hat die Autorin Nicole Braun in Nordhessen getroffen und mit ihr über den sehr offenen Umgang mit der Heimat-Geschichte von Wickenrode gesprochen.
    Autorin: Anke Schnackenberg.
    (Nicole Braun:“Heimläuten“ Kriminalroman, Gmeiner Verlag). (Text: hr-fernsehen)
    Deutsche TV-PremiereDo 29.09.2016hr-Fernsehen
  • Folge 3
    Von Kassel zum IS – Ein Vater kämpft um seine Söhne.
    Sie sind 23 und 19 Jahre alt, als sie zum Islam konvertieren. Zwei ganz normale Kasseler Jungs aus guten Verhältnissen, die mit Freunden abhängen und auf Partys gehen, entsagen plötzlich dem Alkohol und beten mehrmals täglich. Innerhalb weniger Monate beginnen sie sich zu radikalisieren. Kurze Zeit später verschwinden sie: Sie sind nach Syrien in den „Heiligen Krieg“ gezogen und haben sich dem so genannten „Islamischen Staat“ angeschlossen, erfährt ihr Vater aus einem Abschiedsbrief. Für Joachim Gerhard, einen Unternehmer aus Kassel, beginnt der Kampf um das Leben seiner Söhne.
    Es gelingt ihm Kontakt zu ihnen aufzunehmen, er reist mehrmals auf eigene Faust in das syrische Grenzgebiet und unter Lebensgefahr auch in die umkämpfte Stadt Kobane. Bei einer dieser Reisen gelingt es sogar, einen Jugendlichen, der ebenfalls mit seinen Söhnen nach Syrien ausgereist ist, aus dem IS-Gebiet rauszuschmuggeln. Eine folgenschwere Entscheidung. Denn kurz darauf schicken die Söhne ein Handy-Video: Sie teilen ihrem Vater darin mit, dass sie sich von ihm lossagen. Wenig später bekommt Gerhard eine SMS, in der ihm ein Unbekannter schreibt, seine Söhne seien im Kampf für Allah gestorben.
    Doch Joachim Gerhard kann und will das nicht glauben. Er gibt die Hoffnung nicht auf. Bis heute sucht er seine Söhne in Syrien und hat darüber das Buch „Ich hole euch zurück“ geschrieben, mit dem er an die Öffentlichkeit geht. Es ist das erste Buch eines deutschen Vaters, dessen Kinder in Syrien verschwunden sind. Wie sein Leben jetzt aussieht und wie es sich anfühlt, die Kinder an den IS zu verlieren, darüber spricht „hauptsache kultur“ mit Joachim Gerhard, den wir zu Hause in der Nähe von Kassel besuchen.
    Bericht: Wero Lisakowski.
    (Joachim Gerhard/​Denise Linke: „Ich hole Euch zurück – Ein Vater sucht in der IS-Hölle nach seinen Söhnen“, Fischer-Verlag).
    Sie hasst „Tussis“, steht auf „Food-Porn“ und mag „Techno-Omas“: Die Komikerin Lena Liebkind.
    „Kill your Barbie“ – „töte deine Barbie“ – und „Auf die harte Tour“ heißen ihre Soloprogramme. Ihr Motto: „Böse Mädchen haben mehr Spaß“: Lena Liebkind ist Komikerin – eine Comedienne der neuen Generation: frech, ziemlich schräg und „überintegriert“, wie sie selbst von sich behauptet. Mit acht Jahren wanderte sie mit ihren Eltern und ihrer Schwester als sogenannte „Kontingentflüchtlinge“ aus der Ukraine nach Deutschland ein. In der Schule wurde sie wegen ihrer Herkunft gemobbt. „Aber ich habe gekämpft, aus dem Leid ist mein Humor entstanden“, sagt sie heute.
    Jetzt stolpert Lena Liebkind als Komikerin über ihre eigenen Wurzeln, über Alltägliches, über das Frausein und den ersten Rentenbescheid. „Witze sind nicht mein Ding, ich erzähle lieber Geschichten.“ Dass ihre Stand-up-Comedy ankommt, beweist ihr Erfolg: 2014 gewann die 31-jährige Ex-Frankfurterin und mittlerweile Offenbacherin den für Newcomer renommierten „NightWash Talent Award“ im Rahmen des Internationalen Köln Comedy Festivals. Seitdem steht sie häufig vor TV-Kameras.
    Viel wichtiger als Fernsehshows sind ihr aber die Auftritte auf den kleineren Bühnen der Welt, und sie will die Stand-up-Comedy nach amerikanischem Vorbild in Rhein-Main bekannter machen: Einmal im Monat organisiert und moderiert sie im Frankfurter Club „Orange Peel“ die „Comedy Night“ mit Gastkünstlern, das nächste Mal am 14.10. „hauptsache kultur“ ist mit Lena Liebkind in Offenbach und Frankfurt unterwegs, zeigt, wo sie sich am liebsten aufhält und ihre Ideen und Geschichten entdeckt; denn wie die Komikerin von sich selbst behauptet: „Zu Hause kann ich nicht kreativ sein“.
    Bericht: Juliane Hipp.
    Die Skulptur „Leben“ in Wiesbaden – Kann das weg? Christian Saehrendt ermittelt!
    Sie ist Teil der Wiesbadener Skulpturensammlung, die auf die 1960er Jahre zurückgeht: Die 1981 entstandene Bronzeskulptur „Leben“, die in unmittelbarer Nähe zum Hessischen Staatstheater steht. Sie sieht aus wie eine zerbrochene Schale, in deren Mitte eine Kugel thront. Gehalten wird das Objekt durch vier Steinquader, die als Sockel fungieren. Der 2001 verstorbene slowenische Bildhauer France Rotar war ihr Schöpfer, heute ist „Leben“ eines von 26 Kunstwerken, die bis 2011 durch Kauf oder Schenkung in den Besitz der Stadt gelangten und in Parks oder auf öffentlichen Plätzen ihre Heimat fanden – oder ihr Dasein fristen, das liegt wohl ganz im Auge des Betrachters. Genau wie die Frage: Ist diese Skulptur tatsächlich ein Symbol des Lebens – oder eher der Langeweile? Ein Fall für „hauptsache kultur“ und Christian Saehrendt!
    Bericht: Tanja Küchle.
    Frankfurt und sein Mainufer – Wie die Stadt den Fluss entdeckte.
    Das Mainufer, es ist einer der Lieblingsorte der Frankfurter. An schönen Tagen kann man hier bis spät abends den Blick auf die glitzernde Skyline genießen; da wird gechillt, gefeiert und geschwitzt, denn auch die Jogger, Radfahrer und Skater lieben die Wege am Fluss. Und die Kulturbegeisterten finden auf der Sachsenhäuser Seite ein einzigartiges Angebot an Museen, weshalb die Promenade auch „Museumsufer“ genannt wird. Es ist zu einer großartigen Kulturlandschaft, einem Ort der Lebensqualität geworden inmitten der trubeligen Großstadt. Doch das war nicht immer so: Lange Jahre interessierte sich die Stadt nur wenig für ihren Fluss.
    Der Main war vor allem Verkehrsweg und Industriestandort, zeitweilig wurde er gar zum „Angstraum“: In den Achtzigern und zu Beginn der Neunziger Jahre spazierte man hier nicht einfach herum. Es gab Übergriffe, das Frauenreferat der Stadt hatte damals eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Als ungemütlich, dreckig und verkommen galt das von Industrie und Parkplätzen geprägte Areal seinerzeit. Ein Bewusstseinswandel war da schon im Gange: Die Stadt hatte sich in den Achtziger Jahren für die Olympischen Spiele beworben, der Main und seine Ufer sollten zum Austragungsort der Wettkämpfe werden. Der Olympia-Traum platzte, doch die großen Entwicklungspläne fanden Ideengeber und Fürsprecher.
    Wie in den Neunzigern dann der Grundstein gelegt wurde für ein beispielloses Stadtraumprojekt, das Kultur, Wohnen und Freizeit einzigartig miteinander verbunden hat und warum es über Frankfurt hinaus Modellcharakter genießt, zeichnet jetzt das Büchlein „Zeitzeugen – Vom Museumsufer zum Stadtraum Main“ vom Deutschen Architekturmuseum nach. „hauptsache kultur“ trifft zwei dieser Zeitzeugen: Den Architekten Albert Speer und den früheren Planungsdezernten Martin Wentz, die gemeinsam mit dem legendären Frankfurter Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann das Projekt „Stadtraum Main“ entscheidend geprägt haben.
    Bericht: Uli Zimpelmann.
    („Zeitzeugen – Vom Museumsufer zum Stadtraum Main“, Deutsches Architekturmuseum Frankfurt).
    Club mit Kultstatus – Warum ein Wetterauer „Beat Schuppen“ seit 50 Jahren die Menschen der Region begeistert
    In Ranstadt im Wetteraukreis gibt es einen der ältesten Musikclubs der Republik. Das „Black Inn“. Anfangs, in den 60er Jahren, als der Begriff „Disco“ noch gar nicht erfunden war, spielte hier jeden Abend eine Live-Band. Was nicht jedem in dem Städtchen gefiel. Aber das jugendliche Publikum war begeistert, es wurde getanzt und gefeiert. Und in den Band-Pausen wurde die Musikbox angeworfen. Der „Beat-Schuppen“, wie das „Inn“ in Ranstadt genannt wurde, entwickelte sich schnell zu einem legendären Laden, der Kultstatus genoss und der bis heute weit über die Grenzen der Wetteraugemeinde bekannt ist.
    Auch wenn jetzt nur noch selten Bands spielen und der Club nur noch zwei Abende die Woche offen ist: Für die Bürgermeisterin von Ranstadt ist und bleibt das „Black Inn“ die kulturelle Attraktion des Ortes – gewissermaßen ein schützenswertes Kulturgut, in dem mittlerweile die dritte Generation das Tanzbein schwingt, an manchen Abenden auch alle drei Generationen zusammen. Das klappt erstaunlich gut, aber das „Black Inn“ ist eben in vielerlei Hinsicht ein ganz besonderer Ort.
    Auch, weil dort die Zeit stehen geblieben ist, so scheint es. Hier gibt es feinste Rock-Musik von vorgestern und auch die Einrichtung ist nicht gerade das, was man „modern“ oder neudeutsch „stylisch“ nennt. Aber gerade das macht den Reiz für viele Besucher aus. „hauptsache kultur“ war vor Ort und erzählt die Geschichte dieses ungewöhnlichen Musikclubs, der bis heute das alternative „Wohnzimmer“ und die musikalische Heimat-Stube einer ganzen Region ist.
    Bericht: Philipp Engel. (Text: hr-fernsehen)
    Deutsche TV-PremiereDo 06.10.2016hr-Fernsehen
  • Folge 4
    Wenn in staubigen Heimatbüchern berührende Geschichten warten – Was Großauheimer Schüler Überraschendes zum Ersten Weltkrieg aufgespürt haben.
    Sie schnitt sich eine Strähne ihres blonden Haars ab, um sie als Uhrenkette ihrem Mann mit an die Front zu geben. Sie sollte ihm Glück bringen. Glück, zu überleben. Es sind solche erstaunlichen und berührenden Geschichten, wie die von der Soldatenfrau Emma Laber und ihrem Mann Gustav, die Großauheimer Schüler aufgespürt haben. Ihre Forschungsarbeit dauerte drei Jahre und ist nun zu einer eigenen Ausstellung im Großauheimer Museum geworden. Erstmals zusammenfassend wird hier erzählt, was die Vorfahren in ihrem Städtchen bei Hanau vor gut 100 Jahren während des Ersten Weltkriegs durchmachen mussten. Erlebnisse, die, wie der Ausstellungsname schon sagt, überwiegend „Von Hoffnung, Angst und Hunger“ handeln.
    „hauptsache kultur“ hat die Ausstellung besucht und mit den jungen Menschen gesprochen, für die solche Geschichten mehr sind als nur körnige Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Außerdem begeben wir uns mit dem Kurator Wolfgang Hombach selbst auf Spurensuche und erkunden in Großauheim Orte, die heute noch vom Ersten Weltkrieg zeugen. Hombach berichtet uns davon, wie wichtig es ist, Geschichte nicht zu vergessen, und wie lohnenswert es sein kann, den Großeltern die richtigen Fragen zu stellen. „Von Hoffnung, Angst und Hunger – Großauheim im Ersten Weltkrieg“ noch bis 30.10. im Museum Großauheim.
    Bericht: Christiane Klopsch.
    Wer bin ich? Ulay – der „bekannteste, unbekannteste Künstler“ in der Schirn.
    Ulay: ein Künstler auf der Flucht, so nannte ihn vor kurzem eine englische Zeitung. Seit bald 50 Jahren führt Ulay – mit bürgerlichem Namen Frank Uwe Laysiepen – das eigene Leben und Kunst radikal zusammen – auf der ständigen Suche, wer er ist: Sich selbst bezeichnet er als den „bekanntesten unbekannten Künstler“. Vom Kunstbetrieb hält er sich fern, Inspiration findet er auf der Straße. Sein Körper ist sein Forschungsgegenstand – mal mehr männlich, mal stärker weiblich. Jetzt steht Ulay mit 72 Jahren vor seiner ersten großen Ausstellung, die Frankfurter Schirn zeigt einen Überblick über das Werk des Foto- und Performancekünstlers aus den Jahren 1970 bis heute. Es ist die erste Ausstellung in der Schirn, die der neue Direktor Philipp Demandt eröffnet.
    In Ulays Kunst geht es um Identität durch Transformation. Zusammen mit seiner damaligen Lebensgefährtin, der Künstlerin Marina Abramović, untersuchte Ulay in den 70ern und 80ern zwischenmenschliche Beziehungen, radikal, schonungslos waren ihre Performances. Ende der 80er Jahre gehen sie getrennte Wege. Wo steht Ulay heute mit seiner Suche und ewigen Frage, wer er ist? „hauptsache kultur“ hat Ulay in seiner Heimatstadt Berlin und in der Frankfurter Schirn getroffen und auch mit dem neuen Direktor der Schirn Philipp Demandt gesprochen. Was ist aus dem wilden anarchischen Künstler, der nie eine Signatur haben wollte, geworden? Ulay: Life-Sized, Schirn Frankfurt, 13. Oktober – 8. Januar 2017.
    Bericht: Marco Giacopuzzi.
    Stephan Balkenhols „Skulptur auf goldener Kugel“ in Kassel – Kann das weg? Christian Saehrendt ermittelt.
    Seit 2012 bereichert sie den Turm der St. Elisabeth-Kirche: die „Skulptur auf goldener Kugel“ des Bildhauers Stephan Balkenhol. Die auch als „Mann im Turm“ bekannt gewordene Aluminiumfigur wurde von der Katholischen Kirche im Rahmen einer Begleitausstellung zur documenta 13 aufgestellt, gehörte aber offiziell nicht zu deren Programm. Documenta-Chefin Carolyn Christov-Bakargiev war gar nicht begeistert von dem Werk, sprach sogar im Vorfeld von einer „Bedrohung“ für die documenta. Inzwischen ist die Holzskulptur nicht mehr aus Kassel wegzudenken und verleitet aufgrund ihrer Lebensechtheit immer wieder Passanten zu besorgten Anrufen bei der Polizei, da sich doch ein Mann vom Kirchturm zu stürzen drohe. Ist das nun Kunst oder kann das weg? Ein neuer Fall für Kunstermittler Christian Saehrendt.
    Bericht: Tanja Küchle.
    Ungläubiges Staunen – Nicolai Friedrich, der Meister der Magie.
    Er zersägt keine Frauen und setzt auch nicht auf große Knalleffekte: Nicolai Friedrich ist ein Meister der Mentalmagie, einer Mischung aus Psychologie, Suggestion und Zauberkunst. Er entzündet beispielsweise ein Streichholz, indem er es nur anschaut. Oder er rät die Zahl, die sich gerade jemand ausdenkt, ohne dass sie je ausgesprochen wurde. Seit mehr als 25 Jahren schon steht der 40jährige Friedrichsdorfer als Zauberer auf der Bühne. Bereits mit fünf Jahren stapelten sich Zauberkästen in seinem Kinderzimmer. Sein ganzes Taschengeld investierte er in Zauberzubehör, erzählt er, und ein Versandkatalog für Zauberer wurde zu seiner „Kinderbibel“.
    Inzwischen hat Nicolai Friedrich weltweit Erfolg. David Copperfield kaufte 1999 die Exklusivrechte für einen seiner Tricks. In Peking gewann er den Titel „Bester Mentalmagier der Welt“, und in Indien wird er gefeiert wie ein Superstar. Sein magisches Talent habe aber nichts mit übersinnlichen Kräften zu tun, betont Nicolai Friedrich. „hauptsache kultur“ hat den Magier in Friedrichsdorf getroffen. Dort stand er zum ersten Mal auf der Bühne.
    (Nicolai Friedrich – Shows: 23. und 29. Oktober, Culture Club Hanau).
    Bericht: Dorothea Windolf.
    WOMEN: New Portraits – Die Starfotografin Annie Leibovitz in Frankfurt.
    Annie Leibovitz gehört zu den bekanntesten Fotografinnen der Popkultur, angefangen hat sie als Fotojournalistin beim „Rolling Stone Magazine“. Gerade reist sie in zehn Städte quer durch die Welt, und stellt dort ihre neuesten Werke aus. Nach London, Singapur, Mailand kommt sie jetzt auch nach Frankfurt, es ist ihr einziger Stopp in Deutschland. Seit 1999 arbeitet sie an der Serie „WOMEN“. Auf den Bildern: selbstbewusste Frauen, starke Frauen, „andere“ Frauen. Die aktuellen Fotografien der Serie reflektieren das veränderte Rollenverständnis der Frauen in den vergangenen Jahren. „WOMEN: New Portraits“ zeigt, wie sich das Selbstverständnis der Frau von heute gewandelt hat.
    Auf den Fotos: Prominente Frauen, berühmte Frauen, Frauen, die sich durch ihre Leistung auszeichnen. Für ihre Ausstellung hat sich die Starfotografin nicht etwa eines der großen Museen in Frankfurt ausgesucht. Annie Leibovitz stellt im Brückenkopf der Frankfurter Honsellbrücke aus, hier hat der alternative Kunstverein „Familie Montez“ sein Zuhause. „hauptsache kultur“ trifft Annie Leibovitz an diesem ungewöhnlichen Ort und schaut nach, was die Faszination ihrer Fotografien ausmacht. Annie Leibovitz, WOMEN: New Portraits – Kunstverein Familie Montez, 14. Oktober – 6.November 2016.
    Bericht: Uli Zimpelmann. (Text: hr-fernsehen)
    Deutsche TV-PremiereDo 13.10.2016hr-Fernsehen
  • Folge 5
    Wir sind doch alle liberal – Homosexuelle und die katholische Kirche Weihnachtsmärkte in deutschen Städten sind in den vergangenen Jahren um eine Attraktion reicher geworden: Ein Teil der Stände sind jetzt offizielle Treffpunkte für Schwule und Lesben. Auch auf dem Frankfurter Weihnachtsmarkt gibt es in diesem Jahr zum ersten Mal eine: „Pink Zone“. Homosexuelle auf dem christlichen Fest? Passt das? Offiziell geben sich die Christen in Hessen liberal. Das steht ihnen gut. Doch die konservative Basis ist weit davon entfernt.
    Ein katholischer Pfarrer aus Hessen musste jetzt zugeben, auf der kürzlich abgeschalteten Internetseite kreuz.net Artikel geschrieben zu haben. Dort verbreiteten die anonymen Schreiber unter dem Deckmantel des Katholizismus antisemitische und schwulenfeindliche Parolen. Als der Schauspieler und Entertainer Dirk Bach in diesem Jahr überraschend starb, wurde auch er posthum beleidigt und beschimpft. Seitdem wurden die Proteste gegen die unbekannten Betreiber dieser Seite lauter. Jetzt ist die Seite erstmals aus dem Internet verschwunden.
    Doch wie ist die Einstellung der katholischen Kirche gegenüber Homosexuellen? „hauptsache kultur“ hat sich in der „Pink Zone“ auf dem Frankfurter Weihnachtsmarkt umgesehen und die Gemeindemitglieder befragt. Bericht: Tilman Jens Das Frankfurter Bahnhofsviertel – Ein Stadtteil im Umbruch Das Frankfurter Bahnhofsviertel ist legendär. Direkt neben den Bankentürmen liegt hier eine der längsten Bordellmeilen Deutschlands. Banker, Prostituierte und Junkies treffen aufeinander.
    Neben dem Rotlichtgewerbe sind im Stadtteil auch Einzelhändler aus allen Teilen der Welt zu finden. Künstler haben sich hier angesiedelt. Der Frankfurter Fotograf Ulrich Mattner lebt schon lange im Bahnhofsviertel, hält das Leben des Stadtteils in seinen Bildern fest. Und er gibt Führungen durch die Bordelle und Nachtclubs der Straßen. Doch sein Viertel wandelt sich. Luxuswohnungen entstehen direkt gegenüber der Drogenhilfe und dem Straßenstrich. Einzelhändler und Bewohner des Bahnhofsviertels werden verscheucht.
    Damit ist das Frankfurter Bahnhofsviertel ein Beispiel für viele Stadtviertel in unserem Land. Wird es in Zukunft keinen Platz mehr für „legendäre“ Stadtviertel geben? Müssen alteingesessene Anwohner um ihre Heimat fürchten? „hauptsache kultur“ hat sich mit Ulrich Mattner im Viertel umgesehen. Bericht: Philipp Engel („Frankfurter Bahnhofsviertel – Milieu der Kontraste“, Bildband, Ulrich Mattner, Verlag: Henrich Editionen 2011 „Banker, Bettler & Bordelle im Kultnachtclub Pik Dame“, Milieuführung und AV-Beamervortrag von Ulrich Mattner (Frankfurter Stadtevents /​ Journal Frankfurt) Zweihundert Jahre und noch immer gefragt – die Märchen der Brüder Grimm Jeder, egal ob jung oder alt, kennt sie.
    Sie gehören zu den bekanntesten Büchern der Welt und wurden inzwischen in mehr als 170 Sprachen übersetzt: Die „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm. Am 20. Dezember 1812 sind sie zum ersten Mal erschienen: Die Kasseler Handexemplare der berühmten Brüder. Bis heute haben sie nicht an Bedeutung verloren.
    Noch immer werden diese Märchen Kindern vorgelesen und Erwachsene erinnern sich mit ihnen an ihre eigene Kindheit. Aschenputtel, Rotkäppchen oder Hänsel und Gretel sind Figuren, die ganze Generationen bildlich vor Augen haben. Dabei kam die erste Auflage der Grimmschen Märchensammlung ganz ohne Bilder aus. Wie kommen wir also zu unseren Vorstellungen der Grimmschen Gestalten? „hauptsache kultur“ hat den Kasseler Illustrator Markus Lefrançois getroffen, der drei Märchenerzählungen der Grimms neu bebildert hat: phantasievoll, frisch und frech, dabei niemals kitschig oder schrill.
    In seinen Bilderbüchern entwickelt er den alten Stoff neu – immer ein bisschen weiter. Und wie das bei 200 Jahre alten Geschichten gelingen kann, sehen Sie bei „hauptsache kultur“. Bericht: Wero Lisakowski (www.grimm.de) Kurz vor dem internationalen Durchbruch – „Der Musiker Get Well Soon“ am Frankfurter Schauspiel In England gilt er als „German Wunderkind“. Konstantin Gropper alias „Get Well Soon“, 30 Jahre alt, geboren in Oberschwaben, Multi-Instrumentalist.
    Gropper besingt in seinen Liedern schon mal die nahende Apokalypse und huldigt antiken Philosophen genauso wie dem Italo-Western der Sechziger und Siebziger Jahre. Anspielungsreich, überbordend und pathosgeladen ist das mitunter, aber auch durchzogen von einer leisen Ironie. Ein opulenter Sound, wie er hierzulande einzigartig ist. Deswegen wollten zuletzt sogar die Film-Regisseure Wim Wenders und Detlef Buck unbedingt ihn als Komponisten für den Soundtrack ihrer Filme.
    Jetzt wird „Get Well Soon“ zum ersten Mal Musik für die große Bühne arrangieren. Der Intendant des Schauspiel Frankfurt ist Fan des Künstlers und konnte ihn für eine Zusammenarbeit gewinnen. Für das Theaterstück „Der Meister und Margarita. „hauptsache kultur“ hat den Musiker getroffen und ihn gefragt, wie sich das anfühlt: Ein Leben vor dem großen Durchbruch. Bericht: Nora Binder („Der Meister und Margarita“ mit der Musik von „Get Well Soon“, Schauspiel Frankfurt, Premiere am 07.12.2012, weitere Termine im Dezember und Januar /​ „Get Well Soon“: The Scarlet Beast O’ Seven Heads, City Slang 2012.) (Text: hr-fernsehen)
    Deutsche TV-PremiereDo 20.10.2016hr-Fernsehen
  • Folge 6
    Ab in den Westen – warum Gießen für viele Ostdeutsche zum „Tor zur Freiheit“ wurde:
    Gießen ist die siebtgrößte Stadt Hessens, und wer schon mal dort war oder dort wohnt, der weiß, dass die Universitätsstadt an der Lahn seit Ende des Zweiten Weltkriegs für viele Menschen zum Sehnsuchtsort geworden ist. Denn hier wurden nach 1946 über 900.000 Ostdeutsche als Übersiedler, illegale Grenzgänger oder freigekaufte politische Häftlinge bis zum Fall der Mauer aufgenommen und versorgt, bis sie weiter in die anderen Bundesländer verteilt wurden. 1963, nach dem Bau der Mauer, wurde das Gießener Lager zum Zentralen „Bundesnotaufnahmelager“ für alle Flüchtlinge aus der DDR ernannt. Jetzt hat sich erstmals eine Historikerin intensiv mit der Geschichte dieses besonderen Flüchtlingslagers befasst.
    Jeannette van Laak, selbst gebürtig aus der DDR, analysierte dabei die Lebensgeschichten und Aufnahmeerfahrungen von DDR-Zuwanderern im Gießener Lager: Wie haben sie das Lager erlebt, wie viel Kraft hat es gekostet, alles hinter sich zu lassen, und wie war der Neubeginn? War Gießen für sie wirklich ein „Sehnsuchtsort“? Und welche Parallelen gibt es zu heute? Denn seit Anfang der Neunziger Jahre dient das Gießener Lager als Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge aus aller Welt. „hauptsache kultur“ hat sich mit Jeannette van Laak getroffen und auch mit einer ehemaligen DDR-Übersiedlerin. Nach über 40 Jahren besucht sie das Notaufnahmelager zum ersten Mal wieder.
    Bericht: Juliane Hipp
    Von Überheblichkeit und Größenwahn – Der Spielfilm „Dead Man Working“ wirft einen Blick in die Frankfurter Finanzwelt:
    Sie arbeiten mitten in der Stadt und doch in einer Parallelwelt: Banker, die unter extremem Druck stehen, mit Milliarden jonglieren und für Meetings rund um die Welt fliegen. Der vom Hessischen Rundfunk produzierte Spielfilm „Dead Man Working“ schaut hinter die Fassaden der verspiegelten Bankentürme. Investmentbanker Jochen Walther (Wolfram Koch) ist ein Star der Branche und auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Doch plötzlich stürzt er sich für alle überraschend vom Dach eines Hochhauses. War es Selbstmord oder doch Mord? Sein Assistent Tom Slezak (gespielt von Newcomer Benjamin Lillie) will das aufklären – und gerät immer tiefer in die korrupten Machenschaften der „Bank der Deutschen“.
    Mit seiner erfolgreichen Dokumentation „Master of the Universe“ hat Regisseur Marc Bauder bereits Einblicke in die Mechanismen der Finanzbranche gegeben. Mit „Dead Man Working“ vertieft er das heikle Thema nun fiktional. Doch auch dieser Film basiert auf realen Ereignissen. Im Rahmen der ARD- Themenwoche „Zukunft der Arbeit“ wird der Film am 2. November um 20.15 im Ersten gesendet.
    Bericht: Lisa Landau
    Helmut Brinckmanns „Hommage à Darmstadt“ – Kann das weg?
    Christian Saehrendt ermittelt: Eine Ehrung für eine ganze Stadt – das sollte ein Kunstwerk des Bildhauers Helmut Brinckmann sein. Die Wahl fiel auf Darmstadt, die hessische Stadt, in der er viele Jahre lebte. Seit 1980 steht nun Brinckmanns Skulptur mit dem Titel „Hommage à Darmstadt“ vor dem Hauptbahnhof. Doch wie sieht eine Hommage für eine Stadt in Skulpturform eigentlich aus? Alles in allem eine massive, eher klobige Form, die latent an einen Meteoriten erinnert. Und es scheint, als würde sich Darmstadt über die Ehrung nicht mehr so recht freuen. Die Skulptur sieht inzwischen etwas mitgenommen aus, ist verwittert und teilweise zerstört. Doch dahinter könnte auch etwas ganz anderes stecken. Kunstermittler Christian Saehrendt geht diesem neuen Fall auf den Grund. Ist das Kunst? Oder kann das weg?
    Bericht: Tanja Küchle
    Von Äppler und Süßgespritztem – die ungeschriebenen Gesetze der Frankfurter Apfelweinkultur:
    Apfelwein – als das hessische Nationalgetränk wird er gerne auch bezeichnet. Und zweifellos machen die Frankfurter ums Stöffche riesiges Aufheben: Es gibt zahlreiche ungeschriebene Gesetze, die Besucher einer Apfelweinwirtschaft unbedingt beachten sollten: Zum Beispiel kommt der Ebbelwoi zunächst in den Bembel, von da ins Gerippte und von dort dann direkt in den Kopp des Trinkers! Außerdem ist es strengstens verboten, Apfelwein „süßgespritzt“ zu trinken, also mit Orangenlimonade gemischt. Doch, mal Hand aufs Herz: Wen jenseits der Stadtgrenze interessiert das eigentlich? Wer trinkt denn überhaupt dieses Obstgetränk, das gerne mal so sauer ist, dass es einem schon beim ersten Schluck das Gesicht verzieht? Außerhalb seines überschaubaren Dunstkreises hat Apfelwein höchstwahrscheinlich nicht ansatzweise so viel Fans, wie der übertriebene Kult vermuten lässt.
    Oder etwa nicht? Was ist dran an der viel beschworenen Apfelweinkultur? Und wie lässt sich das den Außenstehenden vermitteln? Die Autoren Andrea Diener und Stefan Geyer haben einen Streifzug durch Frankfurts Apfelweinkultur unternommen und erzählen in ihrem Buch „Süss, sauer, pur – Unterwegs in der Frankfurter Apfelweinkultur“ viele überraschende Geschichten rund ums Kultgetränk.
    Bericht: Dorothea Windolf
    „Cool bleiben, aber nicht kalt sein“ – der Hanauer Pressefotograf Kai Pfaffenbach:
    Er war in Kriegs- und Krisengebieten wie dem Irak, in Afghanistan und in Syrien und fotografierte das Leid der Opfer und das Schicksal von Flüchtlingen. Der Hanauer Pressefotograf Kai Pfaffenbach. Doch sein eigentliches Metier ist die Sport-Fotografie. Während der diesjährigen Olympischen Spiele hat er das wohl weltweit bekannteste Foto dieser Spiele geschossen: Usain Bolt lässt im Finale des 100-Meter-Laufs der Männer seine Kontrahenten mit grinsendem Gesicht hinter sich , ganz lässig. „Da trafen Glück und technisches Können im richtigen Augenblick zusammen“, meint der Fotograf. Das passiert ihm nicht selten. Mittlerweile gehört Kai Pfaffenbach zu den besten Sportfotografen der Welt, ist mit nationalen und internationalen Fotopreisen ausgezeichnet worden.
    Solche Momente wie in Rio, die Freude über ein gelungenes Foto, das die ganze Welt sieht, gehören genauso zu seiner Arbeit wie Geduld, Ruhe, ein offener Blick für Situationen und schnelles Reaktionsvermögen. Er arbeitet für die Nachrichtenagentur Reuters, und sie schickt ihn weltweit zu Einsätzen, nicht nur zu Sportevents. Wie verarbeitet er seine Erlebnisse und Eindrücke? Ist Zuhause einfach alles wieder normal? „hauptsache kultur“ trifft Kai Pfaffenbach in Frankfurt und in seiner Geburtsstadt Hanau, wo er noch heute mit seiner Familie lebt.
    Bericht: Anke Schnackenberg (Text: hr-fernsehen)
    Deutsche TV-PremiereDo 27.10.2016hr-Fernsehen
  • Folge 7
    Der beste Schutz vor Burnout: „Nine to Five. Über die lieben Kollegen und andere Plagen“
    Der Arbeitnehmer – ein kleines Rädchen im großen Getriebe – täglich konfrontiert mit den Herausforderungen des modernen Arbeitsalltags: zeitraubende Meetings, anstrengende Kollegen, der ständige Kampf mit moderner Technik – und außerdem: nie Kaffee, wenn man einen braucht. Zum Leidwesen des Arbeitnehmers wird das ganze Arbeitsleben oft von Momenten der Abwehr und des Scheiterns bestimmt. Ein Autorenkollektiv der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bringt diese Momente ans Tageslicht. Jede Woche erzählen die Journalisten des Ressorts „Beruf & Chance“ eine kleine Geschichte am Rande des 8-Stunden-Wahnsinns, in ihrer Bürokolumne „Nine to Five“.
    Der Titel: ein Synonym für den geregelten Arbeitstag von 9–17 Uhr – die Arbeitszeit eines typischen Büroangestellten – und der Inbegriff des schnöden Joballtags. Jetzt erscheint das gleichnamige Buch. Es ist eine kleine Sammlung von schrägen Begegnungen, seltsamen Aufträgen und skurrilen Situationen aus dem Leben des gemeinen Arbeitnehmers. Warum muss er neuerdings raus aus seiner Komfortzone? Was sind eigentlich „Frollegen“? Darf man beim Chef petzen? Und gibt die Büroküche auch anderes Geschirr preis als Diddl-Maus-Tassen? „hauptsache kultur“ hat anlässlich der ARD Themenwoche „Zukunft der Arbeit“ die Autoren von „Nine to Five“ getroffen und mit ihnen über die Absurditäten des Arbeitslebens gesprochen.
    Der Kern ihres Buches ist der Tipp, sich dem Frust des Arbeitstages mit Humor zu stellen. Denn Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Und das sei schließlich der beste Schutz vor Burnout.
    Bericht: Wero Lisakowski
    Edle Stoffe made in Hessen – In Schwalmstadt-Trutzhain ist Deutschlands einzige Brokat-Weberei
    Kann das funktionieren: eine Weberei, die Brokate und Damaste auf historischen Webstühlen herstellt? Wie vor hundert Jahren? Mit Lochkarten? Analog statt digital? In Schwalmstadt-Trutzhain gibt es so eine Weberei. In einer Baracke auf dem Gelände eines ehemaligen Kriegsgefangenenlagers ist sie untergebracht. Wie in einem Museum sieht es in der letzten mechanischen Weberei Deutschlands aus. Seit fünf Jahren führt Udo van der Kolk den Betrieb, den er von Helmut Egelkraut übernahm. Dessen Familie gründete die Weberei in 1948. Über drei Generationen war sie in Familienbesitz. Bis Mitte der sechziger Jahre erweiterte die Familie Egelkraut die Weberei beständig. Neue Maschinen wurden gekauft, Gebäude errichtet und Stoffe in die ganze Welt exportiert.
    Bis zu 40 Mitarbeiter arbeiten damals in der Weberei. Heute sind es nur noch zwei. Eine Zeit lang kämpfte das Unternehmen ums Überleben, und das, obwohl unter anderen die Metropolitan Oper und die Dresdner Semper-Oper zu seinen Kunden zählen. Doch aufgeben kommt für Udo van der Kolk nicht in Frage. Er ist mit viel Herzblut und Liebe dabei. „Die Weberei Egelkraut ist eine Perle, die man nicht einfach sterben lassen darf“, sagt er. „hauptsache kultur“ hat mit Udo van Kolk und dem ehemalige Firmeninhaber Helmut Egelkraut über die wechselvolle Geschichte und die Zukunft der Weberei gesprochen.
    Bericht: Carola Wittrock
    Jonathan Borofskys „Hammering Man“ – Kann das weg?
    Christian Saehrendt ermittelt Seit 1979 steht sein „Hammering Man“ in aller Welt. Der amerikanische Künstler Jonathan Borofsky hat gleich mehrere der bis zu 22 Meter großen Skulpturen entworfen und aufstellen lassen. Der erste hämmernde Mann war in der „Paula Cooper Gallery“ in New York City zu sehen. 1991 gelangte eine Version des Arbeiters, der unermüdlich mit einem Hammer auf ein Werkstück einschlägt, nach Frankfurt. Passend zur Eröffnung der „Art Frankfurt“ fand die 21 Meter hohe und 32 Tonnen schwere Skulptur ihren Platz direkt vor dem Messeturm. Ist der Stahlkoloss an der Messe zeitlose Kunst? Oder sollte der „Hammering Man“ den Platz besser räumen? Christian Saehrendt ermittelt!
    Bericht: Tanja Küchle
    Geschichten und Bilder aus Wüstensand – Die Sandmalerin Anne Löper fasziniert mit ihrer vergänglichen Kunst
    In nur wenigen Minuten fließt aus ihren Händen ein Bild und gleich verwandelt sie es wieder in ein anderes. Anne Löper aus Witzenhausen bei Kassel malt stimmungsvolle Geschichten mit Sand. Ein einmaliges, vergängliches Schauspiel, denn am Ende sind die Bilder verwischt. Es ist eine Kunst des Augenblicks, die das Publikum immer wieder in Staunen versetzt. Für Hamburg und Dresden entwickelte Anne Löper 80-minütige Shows zur Stadtgeschichte, mit Musik und Soundcollagen, die sie selbst arrangiert hat. Zur Ballade „Die Geisterbraut“ von Antonín Dvořák malte sie ihre Sandbilder live zum Konzert des Orchesters.
    „Wie macht sie das?“, ist die oft gestellte Frage. „Ich greife nach dem Sand, fühle den Sand und folge mit meinen Augen jedem Strich, den ich mache. Ich darf an nichts anderes denken, sonst macht die Hand etwas anderes“, erklärt Anne Löper. „hauptsache kultur“ hat die Künstlerin in ihrem Atelier in Witzenhausen besucht. Wie funktioniert die sehr seltene Kunst des Sandmalens? Auf was kommt es an, damit die Bilder gelingen?
    Bericht: Juliane Hipp
    Lokalpoet, Satiriker, Freiheitskämpfer – Zum 200. Geburtstag von Friedrich Stoltze
    „Es will merr net in mein Kopp enei, wie kann nor e Mensch net von Frankfort sei“. Mit diesen Versen hat Friedrich Stoltze nicht nur seiner Heimatstadt ein Denkmal gesetzt, er selbst wurde dadurch unsterblich. Geboren wurde er am 21. November vor 200 Jahren. Doch so bekannt sein „Frankfurt“-Gedicht ist: Viele von Stoltzes anderen Verdiensten sind in Vergessenheit geraten. Heutzutage wird er gerne auf seine Mundart-Strophen reduziert – ein Kuriosum aus der Mainmetropole, so wie Ebbelwoi oder Handkäs mit Musik. Dabei war Stoltze mehr: Ein Demokrat, der im 19. Jahrhundert aneckte, weil er sich für ein vereintes Deutschland einsetzte. Ein Freiheitskämpfer, der sich für Menschenrechte einsetzte.
    Und ein politischer Satiriker. Sein Hauptwerk veröffentlichte er überwiegend in Hochdeutsch. In dem Satire-Wochenblatt „Frankfurter Latern“, das Stoltze herausgab, stellte er mit spitzer Feder die Entscheidungen der Regierenden in Frage. Für zahlreiche Karikaturen, die in dem Blatt erschienen, wurde er angezeigt, etwa wegen Majestätsbeleidigung. Vor allem der Reichskanzler des neu gegründeten Deutschen Reiches Otto von Bismarck bekam vom Frankfurter Patrioten ordentlich Konter – was Stoltze die eine oder andere Geldbuße einbrachte. „hauptsache kultur“ begibt sich auf die Spuren Friedrich Stoltzes und schaut, warum die Texte des Frankfurters auch 200 Jahre nach dessen Geburt immer noch aktuell sind. Bericht: Simon Broll (Text: hr-fernsehen)
    Deutsche TV-PremiereDo 03.11.2016hr-Fernsehen
  • Folge 8
    Auf der Suche nach Entschleunigung – Warum eine Frankfurterin mit dem Goggomobil quer durch Deutschland reiste
    Als Bianca Schäb bemerkt, dass ihre Zeit zu rasen beginnt, beschließt sie, was dagegen zu unternehmen: Sie setzt sich in ihr Goggomobil und macht sich auf die Suche nach Leuten, die ihr erklären, wie man richtig statt schnell lebt. Ihre 40-tägige Tour führt sie unter anderem in ein Schweigekloster nach Koblenz, zur Google-Zentrale in Hamburg und in eine Burnout-Klinik vor den Toren Berlins. Entschleunigung – so lautet das Losungswort, das vielen gestressten Menschen die Freude am Leben wiedergeben soll. Aber wie funktioniert das genau, dieses „Leben im Hier und Jetzt“? Auf ihrer Reise lernt Bianca Schäb die seltsamsten Konzepte kennen.
    Die Frankfurterin meditiert sogar auf einem Parkplatz zwischen rangierenden LKWs, und lernt so auch bei der achten Autopanne gelassen zu bleiben. Ihre Erfahrungen hat sie in ihrem Buch „Ich hab Zeit, was hast du?“ veröffentlicht. „hauptsache kultur“ hat die Grafikerin in ihrem Heimatort Kefenrod in der Wetterau getroffen. Wir wollten wissen, wie erfolgreich ihre Fahrt war und welche Entschleunigungs-Methoden sie in den Alltag integrieren konnte.
    Bericht: Simon Broll.
    (Bianca Schäb: „Ich hab Zeit, was hast du?“, Rowohlt Berlin).
    Radeln für die Emanzipation! – Warum das Fahrrad den Frauen mehr Freiheit brachte.
    Das Fahrrad wird demnächst 200 Jahre alt. Aus unserem Alltag ist es nicht mehr wegzudenken, es ist der Deutschen liebstes Fortbewegungsmittel: Knapp 80 Millionen Räder soll es hierzulande geben, so eine Studie des Bundesverkehrsministeriums – deutlich mehr als Autos. Und egal ob Mann, Frau oder Kind, arm oder reich – Fahrradfahren darf hierzulande jeder. Kaum vorstellbar, dass das einmal anders war: In den Anfangstagen galt das Rad als reine Männersache, eine Dame auf dem Drahtesel sorgte damals für helle Empörung: Entblößte Knöchel, Frauen in Hosen oder ohne Korsett – für die sittsame, bürgerliche Gesellschaft vor 200 Jahren ein handfester Skandal! Was sich seitdem getan hat, wie das Rad weiterentwickelt wurde und was das mit der Emanzipation der Frauen zu tun hat, zeigt jetzt eine Ausstellung im Frauen Museum Wiesbaden. „hauptsache kultur“ begibt sich auf eine spannende Zeitreise und zeigt, wie das Rad den Frauen mehr Freiheit schenkte.
    Bericht: Christiane Klopsch.
    („Cyclomania – Radelnde Frauen“, vom 13. November 2016 – 29. Oktober 2017 im Frauen Museum Wiesbaden)
    Kann das weg? – Die „Boxhaltestelle“ in Wiesbaden.
    Zum Kultursommer 2008 lud die Stadt Wiesbaden zwölf Künstler ein, den Ersten Stadtring der Landeshauptstadt vom drögen Verkehrsalltag zu befreien und in eine offene Ausstellungsfläche zu verwandeln. Fünf der Künstler kamen aus dem Rhein-Main-Gebiet, darunter auch die jüngste Teilnehmerin Miriam Wetzel. Die 1980 geborene Wiesbadenerin ließ eine Bushaltestelle aus Stahl und Kunststoff errichten, unter deren Dach sich sechs Boxsäcke befinden. Das Kunstwerk „Boxhaltestelle“ soll seither Besucher, Anwohner und Passanten gleichermaßen ermuntern, die Sandsäcke zum Stressabbau zu nutzen. Kunst zum Anfassen oder zum Abhängen? Ein Fall für unseren Kunstermittler Christian Saehrendt!
    Bericht: Tanja Küchle
    So ein Gebabbel! – Susanne Hasenstab ist die Königin der Alltags-Dramen.
    Absurde Dialoge über das richtige Futter, das aus dem Land-Labrador einen Stadt-Labrador machen soll, Pärchen, die nach Jahrzehnten des gemeinsam verbrachten Lebens munter aneinander vorbeiquatschen oder skurrile Monologe von Großmüttern, die darauf pochen, gleichzeitig reden und essen zu dürfen, weil sie ja schließlich nicht mehr so viel Zeit hätten … Sind wir wirklich so? Sieht ganz so aus. Susanne Hasenstabs Geschichten konfrontieren uns mit unserem alltäglichen Kommunikationswahnsinn. „Mini-Dramen“ nennt sie ihre pointierten Dialoge, die oft genau so oder so ähnlich stattgefunden haben. Hasenstab findet sie im Zug, beim Arzt, im Café oder auf der Familienfeier. Die 32-jährige ist eine Meisterin, wenn es darum geht, die Ohren zu spitzen und dem Leben die herrlichsten Geschichten abzulauschen.
    Gemeinsam mit ihrem Kampagnon Emil Emaille lässt sie diese immer wieder auch in kabarettistischen Lesungen auf der Bühne lebendig werden. Ihre Dialoge erinnern an Loriot und Karl Valentin, sie sind manchmal gemein, traurig, aber immer auch urkomisch. Viele sind in breitestem Hessisch verfasst – obwohl Susanne Hasenstab genau genommen nicht mal in Hessen wohnt: Ihre Heimat ist Aschaffenburg und das liegt bekanntermaßen in Bayern. Doch die Leute hier babbeln eben – und Susanne Hasenstab fühlt sich sowieso den Hessen sprachlich und kulturell viel näher, sagt sie. „hauptsache kultur“ taucht mit Susanne Hasenstab ein in ihren – und unseren – skurrilen Kosmos absurder Alltags-Situationen.
    Bericht: Tanja Küchle.
    (Susanne Hasenstab: „Charly wird Stadtlabrador“, CoCon Verlag; nächster Auftritt mit dem Programm „Morgen ist Gelber Sack!“ am Samstag, 19. November, im Bürgerhaus Rodgau-Dudenhofen)
    Weg damit oder erhalten? – Wie sollen wir mit Hinterlassenschaften aus der NS-Zeit umgehen?
    Der Magazinhof in Kassel wurde in den 1930er Jahren als Verpflegungslager für die Wehrmacht gebaut. Das marode Gebäude steht unter Denkmalschutz und soll erhalten werden. Viele Bürger aber betrachten den Bau als „Schandfleck“ und sehen keinen Grund, warum man so viel Geld in ein Gemäuer stecken soll, das an die NS-Zeit erinnert. Vor allem an einem Propagandawandbild scheiden sich die Geister. Das prangt, für jeden sichtbar, viele Meter groß auf dem Gebäude. Aber was tun: Weg damit oder erhalten? In Gießen hat man sich in einer ähnlichen Situation für den Erhalt eines Reliefs entschieden und es unter Denkmalschutz gestellt.
    Denkmäler sollen uns an unsere Vergangenheit erinnern. Wie aber muss mit Nazi-Hinterlassenschaften umgegangen werden? Laufen wir Gefahr, dass sich dort Neonazis versammeln? Kann das Geld für die Instandhaltung nicht sinnvoller eingesetzt werden? Oder müssen wir uns dieser Zeit auch im Denkmalschutz stellen? „hauptsache kultur“ hat sich mit Fachleuten für Denkmalpflege auf den Weg nach Kassel, Marburg und Gießen gemacht und die Frage gestellt: Ist das ein Denkmal oder ein Schandmal?
    Bericht: Simon Broll. (Text: hr-fernsehen)
    Deutsche TV-PremiereDo 10.11.2016hr-Fernsehen
  • Folge 9
    Liebeserklärung an die Heimat – Die Kelkheimer haben ein Buch über ihre Stadt geschrieben:
    Kelkheim im Vordertaunus – eine Kleinstadt, wie es sie so oder so ähnlich wohl tausende in Deutschland gibt. Um die 29.000 Einwohner, 3 Bahnhöfe, etwa 30 Sportvereine sowie eine verkehrsberuhigte Einkaufsstraße gibt es hier – so üblich, so normal. Für viele Kelkheimer aber ist ihre Stadt mehr als nur ein pendlerfreundlicher Vorort von Frankfurt. Kelkheim ist Heimat, ein Platz, mit dem persönliche Erinnerungen verbunden werden, an dem einzigartige Erlebnisse passiert sind. Auch Paul Pfeffer, Autor und ehemaliger Lehrer, geht es so. So kam er auf die Idee: Warum nicht einmal all diese persönlichen Erinnerungen sammeln, aus all den subjektiven Heimatmomenten der Menschen eine große Kelkheim-Geschichtensammlung machen? Er druckte Flyer und ermunterte die Kelkheimer, ihm Anekdoten und Texte zu schicken.
    Gerechnet hatte er mit ein paar Einsendungen, doch es kam anders: Die Kelkheimer waren begeistert von der Idee und schickten ihm über 100 Manuskripte, die sich jeweils sehr persönlich mit der „Stadt der Möbel“, wie Kelkheim wegen seiner vielen Schreinerbetriebe genannt wurde, und ihrer Geschichte auseinandersetzen. 50 Autorinnen und Autoren haben es jetzt mit Texten und Fotos in das Buch „Kelkheim schreibt ein Buch“ geschafft. Es ist ein lebendiges Stadtporträt geworden und eine Liebeserklärung an die Taunusstadt, die in den vergangenen Jahren auch viele Veränderungen zu bewältigen hatte.
    Trachten und Tradition – Eine Fotosammlung zeigt das hessische Dorfleben von früher:
    Trachten sind ein besonderer Ausdruck von Kultur und Tradition. In Hessen war die Vielfalt einst riesig. Heute werden sie meistens nur noch bei Veranstaltungen der vielen Trachten- und Brauchtumsgruppen getragen. Jürgen Homberger und Eckhard Hofmann beschäftigen sich in ihrer Freizeit intensiv mit Trachten, insbesondere mit denen aus dem Landkreis Marburg-Biedenkopf. Über 3000 alte Fotos aus der Gegend haben sie gesammelt, die das frühere Dorfleben zeigen. Frauen, Männer und Kinder trugen damals ganz selbstverständlich Trachten, nicht nur zu feierlichen Anlässen, sondern auch im täglichen Leben. Die Fotografien sind ausdruckstarke Zeitdokumente, auf denen Dorfstraßen, Hofreiten, Hochzeiten oder Beerdigungen zu sehen sind. Sie geben einen Einblick in das frühere hessische Landleben mit seinen Bräuchen und Traditionen.
    Kann das weg? – „Die Krähe“ in Darmstadt:
    Krähen und Raben, sie scheinen für Künstler besonders faszinierende Wesen zu sein. In Hitchcocks Film „Die Vögel“ verdunkeln sie in Massen den Himmel und werden zum aggressiven Feind der Menschen, Edgar Allan Poe widmete eines seiner schönsten Gedichte dem Raben: „The Raven“ erzählt von einer schicksalshaften Nacht, in der ein junger Mann – verzweifelt den Tod seiner Geliebten beweinend – Besuch von einem mysteriösen schwarzen Vogel bekommt, der nur ein Wort krächzt: „Nevermore“, „Nimmermehr“ kommt die Geliebte zurück.
    Sabine Wackernagel: Ein Leben als Schauspielerin in der Provinz:
    Seit fast 50 Jahren steht Sabine Wackernagel auf der Bühne – in großen Dramen ebenso wie in Musicals oder eigenen Programmen. Doch während ihre jüngeren Kollegen von den großen Theatern in Berlin, Hamburg oder München träumen, hat die Wahlkasselerin ihr Glück in der Provinz gefunden. Dabei kommt sie aus einer wahren Theaterdynastie: Schon als Kind verbrachte sie viele Stunden in Schauspiel-Katakomben; Sabine Wackernagels Vater Peter war Regisseur und Intendant der Städtischen Bühnen Ulm, ihre Mutter Erika zeitlebens passionierte Schauspielerin. Und diese große Liebe zum Schauspielern hat sie auch an ihre Kinder weitergegeben: Tochter Katharina Wackernagel ist eine der bekanntesten deutschen Schauspielerinnen, sie spielt in großen Filmproduktion wie „Das Wunder von Bern“.
    Sabine Wackernagel hat in den letzten fünfzig Jahren auf vielen kleinen Bühnen gespielt und Engagements in Ingolstadt, Tübingen, Freiburg und schließlich Kassel gehabt. Eine ganze Weile lang dachte sie, dass es schon noch irgendwann mit einem großen Theater klappen wird. Aber es kam anders und sie findet das heutzutage gar nicht schlecht. In ihren gerade erschienenen Memoiren „Links am Paradies vorbei“ erzählt sie unterhaltsam von ihrem Leben als Schauspielerin in der Provinz, das auch viele Vorteile habe: „Man kann sich ausprobieren, steht nicht immer so unter Druck“, sagt Wackernagel, aber man müsse die Chancen der kleinen Theater auch nutzen.
    Von der Transformation der Dinge – Der Konzeptkünstler Eric van Hove im Frankfurter Kunstverein:
    Er baut einen alten Mercedes V12-Automotor aus Zedernholz, Silber, Kupfer, Kuhknochen und Porzellan nach – gemeinsam mit über 50 hochspezialisierten marokkanischen Handwerkern und Mechanikern, mit Hilfe von traditionellen Kulturtechniken, die es so nur in Marokko gibt. Er stellt einen alten Mercedes, der aus zig ausrangierten Autoteilen zusammengeflickt ist, ins Museum und fertigt nur in Handarbeit aus recyceltem Material Elektromotorräder, mit denen man tatsächlich durch die Gegend fahren kann. Was soll das? Und was hat das mit uns zu tun? Die Konzeptkunst von Eric van Hove erscheint auf den ersten Blick durchaus rätselhaft, aber genau um diese Fragen geht es dem in Algerien geborenen Künstler belgischer Abstammung, der sich heute als „Weltbürger“ bezeichnet.
    Er will uns zum Nachdenken bringen, darüber, wie globale westliche Wirtschaft und lokale Produktion in Afrika, wie Handwerk und industrielle Fertigung zusammenhängen und sich gegenseitig beeinflussen: Etwa wenn man sich bewusst macht, dass so ein alter Mercedes, nachdem er in Deutschland ausrangiert wurde, in Afrika als Taxi noch eine weitere Million Kilometer gefahren und dann komplett auseinandergenommen wird, um aus den alten Rohstoffen Küchenware und andere nützliche Alltagsgegenstände für die Menschen hier zu machen.
    Eric van Hove will einen neuen, kritischen Blick schaffen für globale Wertschöpfungsketten, indem er Maschinenbau, Handwerk und Design zusammenbringt, um zu zeigen, wie sich daraus neue Möglichkeiten weltweiter Zusammenarbeit entwickeln. „hauptsache kultur“ besucht den Künstler in seiner ersten Einzelausstellung im Frankfurter Kunstverein und bastelt mit ihm gemeinsam an Ideen für eine gerechtere Welt. (Text: hr-fernsehen)
    Deutsche TV-PremiereDo 17.11.2016hr-Fernsehen
  • Folge 10
    Kassels Rotlichtviertel steht vor einem Imagewechsel – Was Künstler aus dem verruchten Schiller-Kiez machen.
    Schmierereien an Hauswänden, leere Geschäfte, Prostitution und Drogenhandel – das Schillerviertel zählte bislang nicht zu den lebenswertesten Stadtteilen Kassels. Doch hinter den Mauern dieses zwielichtigen Viertels tut sich was. Künstler haben sich von den günstigen Mieten anziehen lassen und prägen den Schiller-Kiez immer mehr. Einer dieser Künstler ist Dustin Schenk, sein Herz hängt an eben diesem Viertel. Er will es „durch die Kunst wachküssen“, wie er sagt. Mehrere Häuserwände sind von internationalen und nationalen Künstlern mit riesigen Graffitis besprüht und es sollen noch mehr werden.
    Als Zeichen für den Wandel. Drogen, Kriminalität und Prostitution – diese Assoziationen mit dem Schillerviertel sollen bald der Vergangenheit angehören. Dustin Schenk öffnet „hauptsache kultur“ die Atelier-Türen, er zeigt uns, wie sich dieser Stadtteil zu einem neuen Kreativpunkt Kassels mausern kann. Aber er verschweigt auch nicht die Probleme des Stadtteils, das an den legalen Straßenstrich Kassels grenzt.
    Bericht: Christiane Klopsch
    Von den Büchern in die Politik – wer steckt hinter Frankfurts neuer Kulturdezernentin Ina Hartwig?
    Bis vor kurzem noch war sie eine erfolgreiche Literaturkritikerin. Doch die 53-jährige Ina Hartwig hat schon länger gespürt, dass sie nicht mehr nur beobachten, sondern gestalten und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen möchte. Und prompt hat sie „die Seiten gewechselt“, ist zur Überraschung vieler Kollegen in die Politik gegangen. Das war vor 4 Jahren und seit vier Monaten ist sie Frankfurts Kulturdezernentin. Eine große Herausforderung! Besonders wichtig ist ihr, Kultur für alle Bevölkerungsschichten erreichbar zu machen. Aber Ina Hartwig ist auch Wissenschaftsdezernentin und z.B. zuständig für den Frankfurter Zoo. Genau dorthin haben wir sie begleitet. Wir haben sie bei einer Ausstellungseröffnung im Museum der Weltkulturen getroffen, einer der vielen öffentlichen Termine, bei denen es gilt zu repräsentieren. „hauptsache kultur“ will wissen: Kann Ina Hartwig das? Wie wirkt sie in der Öffentlichkeit? Und was ist Ina Hartwig eigentlich für ein Mensch hinter dem Amt?
    Bericht: Cécile Schortmann
    Geschlechterkampf – Wie uns die Kunst den kleinen Unterschied erklärt.
    Eine nackte Lolita, die auf Bergen von Männerleichen sitzt. Zerstückelte Frauenkörper. Pralle Brüste und erigierte Riesenpenisse. Der Geschlechterkampf ist brutal! Und alles fing an mit einem simplen Apfel. Die Geschichte von Adam und Eva und dem Sündenfall war der Beginn eines Jahrtausende andauernden Kampfes zwischen den Geschlechtern. Wir können nicht mit und nicht ohne einander. So viel ist klar. Der Rest aber ist Auslegungssache – und höchst umstritten. Die Ausstellung „Geschlechterkampf“ im Städel Frankfurt nimmt uns mit in die Geschichte von 100 Jahren dieser Auseinandersetzung zwischen Männern und Frauen. Sie zeigt, wie sich die gesellschaftlichen Diskussionen und Veränderungen in der Kunst niedergeschlagen haben. Je mehr Rechte die Frauen sich erkämpften, desto stärker wurden sie von Männern zur verführerischen, bedrohlichen Femme Fatale stilisiert, die den Mann ins Verderben stürzt.
    Später haben die Surrealisten versucht, die Geschlechter und ihren Kampf zu überwinden: mit androgynen Körpern, Zwitterwesen, Transgender. Und heute? Haben wir immer noch Toiletten für Männlein und Weiblein. Frauen dürfen wählen – und Hosen tragen, ohne dass man um ihre Fruchtbarkeit fürchtet. Aber zum Lustobjekt werden sie immer noch stilisiert. „hauptsache kultur“ hat die Ausstellung im Städel Museum vor der Eröffnung besucht – und gefragt: Worum haben Männer und Frauen eigentlich 100 Jahre lang so unerbittlich gekämpft? Und was sagt uns das über uns heute? Ist der Kampf jetzt vorbei?
    Bericht: Tanja Küchle
    Info: „Geschlechterkampf – Franz von Stuck bis Frida Kahlo“ – 24. November bis 19. März 2017, Städel Museum Frankfurt.
    Peng! Rettet die Laubbläser – Warum der Klang dieser Maschine unverzichtbar ist.
    Sie kennen das vielleicht auch, morgens kurz vor sieben werden Sie wach, weil vor dem Fenster mit einem Laubbläser gearbeitet wird. Das sympathische Knattern dieses Gartengerätes bringt Sie beschwingt in den Tag, der Duft von Benzin liegt in der Luft und Sie haben die Gewissheit, dass alles schön sauber ist, bis zwei Stunden später wieder frisches Laub auf dem Boden liegt. Ausgerechnet ein Hesse hat jetzt einen Laubbläser erfunden, der wesentlich leiser ist als die uns liebgewonnenen Geräte. Ein Skandal! Hier wird Kulturgut zerstört, denn Laubbläser sind mehr als nur Gartengeräte. In der klassischen Musik haben sie einen festen Platz, dort weiß man den typischen Klang des kleinen Benzinmotors noch zu schätzen. „hauptsache kultur“ war bei Orchestermusikern, die beweisen, wie wichtig und unverzichtbar, richtig laute Laubbläser für unser kulturelles Leben sind.
    Bericht: Uli Zimpelmann
    Vom Lahn-Dill-Kreis in die Charts – Die Band Lupid steht kurz vorm großen Erfolg.
    Drei Platten hatte Tobias Hundt aus Hüttenberg bei Gießen schon unter eigenem Namen aufgenommen, dann verließen zwei Gründungsmitglieder seine Band. Aufgeben und sich wieder den normalen Jobs widmen, oder alles auf eine Karte setzen und weitermachen? Die drei Übriggeliebenen sind Freunde, die sich schon seit der gemeinsamen Schulzeit kennen und sie haben sich fürs Weitermachen entschieden. Und jetzt sieht es tatsächlich so aus, als ob es mit dem Erfolg klappen wird. Ein große Plattenfirma hat Lupid unter Vertrag genommen, im Herbst ist eine EP mit fünf Stücken erschienen. Ein Musikvideo ist produziert, eine Tournee ist für den Dezember geplant und zur Zeit arbeiten sie am Album, das 2017 erscheinen soll. „hauptsache kultur“ hat die drei Jungs von Lupid in ihrem Studio in Hüttenberg getroffen, wo sie gerade am wichtigsten Album ihrer Musikerkariere arbeiten.
    Bericht: Uli Zimpelmann (Text: hr-fernsehen)
    Deutsche TV-PremiereDo 24.11.2016hr-Fernsehen
  • Folge 11
    2 Sterne für Andreas Krolik. Frankfurter Spitzenkoch wird Deutschlands „Koch des Jahres“.
    Sich selbst bezeichnet er ganz bescheiden als filigranen und akribischen Handwerker. Der Gault&Millau hat Andreas Krolik dagegen zum „Koch des Jahres“ gekürt. Begründung: Krolik sei ein feiner „Aromenjongleur“. Seine Gerichte seien „intelligent, bodenständig und sinnlich“. Tagelang köchelt er Sude, kreiert Essenzen, zu denen er immer wieder eine neue Zutat hinzufügt, um dann alles aufs Neue über Nacht durchziehen zu lassen. Ergebnis: Was er kocht besitzt ein unglaublich intensives Aroma. Klitzekleine, unscheinbare Kleckse verbinden sich auf dem Teller mit einer Soße oder einem Schaum, zu einem außergewöhnlichen Genussfeuerwerk. Und das alles im grünen Herzen Frankfurts, denn Andreas Krolik ist Chef de Cuisine im 2-Sterne-Restaurant Lafleur, am Rande des Palmengartens. „hauptsache kultur“ hat den außergewöhnlichen Koch einen Tag lang begleitet und gefragt wie er das nun genau meine mit seinem „Aromenarchiv im Kopf“?
    Bericht: Dorothea Windolf.
    Kassels morbider Charme. Von scheintoten Prinzessinnen und Hessens ältester Pathologie.
    Kassel, die Stadt in Nordhessen, wird gerne belächelt. Schon Loriot machte seine Witze auf Kassels Kosten. „Kennen Sie Kassel? – Ach was.“ Das ist wohl auch das Problem. Kassel, die ewig Unterschätzte! Alle paar Jahre ist Kassel der Nabel der Welt, wenn die Documenta die Stadt belebt, den Rest der Zeit wirkt die Stadt, nun ja, ausgestorben. Gemeine Zungen hört man gerne sagen: hier liegt der Hund begraben, hier möchtest du nicht tot überm Zaun hängen … Ein solch morbider Ruf lässt sich wahrlich schwer abschütteln. Aber vielleicht liegt genau darin Kassels Stärke? Ist sie nicht irgendwie schaurig schön hier? Die Heimat der Gebrüder Grimm.
    Unter ihrer Feder starben Prinzen und Prinzessinnen! Hier hat der Tod gar sein eigenes Museum! Und im Sezieren von Leichen blickt Kassel auf eine lange Tradition! „hauptsache kultur“ besucht die älteste Pathologie Deutschlands am Klinikum Kassel und das Museum für Sepulkralkultur, das sich in einer Sonderausstellung mit der Angst beschäftig, lebendig begraben zu werden. Und findet heraus, was das mit den Brüdern Grimm zu tun hat.
    Bericht: Wero Lisakowski.
    Zwischen Hollywood und Hessen. Warum der Schauspieler Sebastian Koch nach großen Rollen jetzt mit einem Weihnachtsprogramm auf Lesetour geht Er spielte an der Seite von Tom Hanks oder Bruce Willis und kann sich seit dem internationalen Erfolg mit dem Stasi-Drama „Das Leben der anderen“ seine Filmrollen aussuchen. Jetzt ist Sebastian Koch auf Deutschland-Tournee – mit einer Weihnachtslesung. Warum trägt einer der erfolgreichsten deutschen Schauspieler ein christlich inspiriertes Programm in Kirchen vor? Ist es die Suche nach Entspannung, die Sehnsucht nach einem Stück Heimat? Ist es einfach nur ein Programmfüller zwischen zwei Filmrollen oder treibt ihn eine innere Mission? „Ich selbst wurde sehr streng protestantisch erzogen“, sagt Sebastian Koch.
    „Man durfte in der Kirche nicht lachen und nicht klatschen. Das wollte ich mit meinem zwar besinnlichen, aber auch satirischen Programm ändern.“ „hauptsache kultur“ hat Sebastian Koch getroffen und ihn während der Vorbereitungen zum ersten Lesetermin in der Wiesbadener Marktkirche begleitet. Dabei hat sich der Schauspieler wieder daran erinnert, dass seine Karriere in Hessen, mit einem Engagement am Landestheater Darmstadt begonnen hat.
    Bericht: Simon Broll.
    Weitere Termine „Weihnachten mit Sebastian Koch: Und lauscht hinaus den weißen Wegen“: Marburg, 07.12 (Elisabethenkirche), Kassel, 14.12. (St. Martin), Darmstadt, 17.12. (Stadtkirche).
    Peng! Rettet das Telefonbuch – Warum wir auch weiterhin nach Nummern blättern müssen.
    Früher war es eine Selbstverständlichkeit und immens wichtig. Heute gibt es das gute alte Telefonbuch kaum noch in klassischer Papierform und wer eines haben möchte, muss sich auf die Suche begeben: Bald sind alle Telefonnummern wohl nur noch im Internet zu finden, herzlos, kühl und ohne jede menschliche Wärme. Dabei ist das Telefonbuch auf Papier unverzichtbar! Was wir verlieren, wenn es diesen Klassiker nicht mehr gibt, das zeigt „hauptsache kultur“.
    Bericht: Uli Zimpelmann.
    Natürliche Materialien – atmende Skulpturen. Der Bildhauer Tony Cragg zeigt seine Kunst im Landesmuseum Darmstadt
    Tony Cragg ist einer der bedeutendsten Bildhauer der Gegenwart. Für das Landesmuseum Darmstadt hat er jetzt eine Auswahl seiner Arbeiten zusammengestellt. Da wachsen Skulpturen in den hohen Raum, organische Wesen in verschlungenen Bewegungen. Tony Cragg lässt sie wabern, wuchern, wachsen. Es ist als hätte er sie in der entscheidenden Sekunde ihres Werdens festgehalten. Mitgebracht hat der britische Künstler auch seine Mineralien und Fossiliensammlung, die er bereits als Kind begann und immer mehr erweitert. „hauptsache kultur“ ist mit Tony Cragg durch die Ausstellung „Unnatural Election“ gegangen und wollte wissen, was genau die Sammlung aus Kindertagen mit seiner Kunst zu tun hat.
    Bericht: Uli Zimpelmann. (Text: hr-fernsehen)
    Deutsche TV-PremiereDo 01.12.2016hr-Fernsehen
  • Folge 12
    Dicke Luft auf dem Taunuskamm – Wenn Windräder Denkmäler bedrohen.
    In ganz Hessen werden sie aufgestellt und sie sind hochumstritten: Windräder. Auf dem Taunuskamm, dem Berg zwischen Wiesbaden und Taunusstein sollen zehn Windräder aufgestellt werden. Und deswegen wird heftig gestritten. Auch das Landesamt für Denkmalpflege hat sich gegen das Projekt ausgesprochen. Das Argument der Denkmalpfleger: Die Windräder seien auf dieser Höhe weit in die Landschaft sichtbar und würden dadurch mehrere denkmalgeschützte Bauten gefährden. Aussichtstürme und ehemalige Jagdschlösser seien betroffen, aber auch eine Klosteranlage in Taunusstein-Bleidenstadt.
    Und sogar die Silhouette der bei Touristen beliebten Stadt Eltville im Rheingau würde durch die Anlagen visuell in Mitleidenschaft gezogen werden. Sind Windräder also Kulturvandalismus oder ein nötiges Übel? Und kann man mit Rücksicht auf Denkmäler überhaupt noch irgendwo in Hessen Windparks installieren? „hauptsache kultur“ hat sich in den Taunus und ins Rheingau begeben und geschaut, welchen Einfluss die Windräder auf die Kulturlandschaften haben würden.
    Bericht: Simon Broll
    Ob Afrika oder Hessen – der Naturfotograf Ingo Arndt zeigt uns die Welt, wie wir sie noch nicht gesehen haben. Er fotografiert atemberaubend schöne Landschaften. Er hat die kleinsten und auch die größten Wildtiere vor der Linse. Die Hälfte des Jahres verbringt er mit Reisen. Immer draußen, in der Natur, umgeben von den Elementen. Aber auch im heimischen Wald hält er faszinierende Augenblicke fest. Ingo Arndt wohnt im hessischen Langen und gehört zu den besten Fotografen seines Genres in Europa, gestaltet Foto-Serien für die großen Naturmagazine und großformatige Bücher. Doch hinter seinen Bildern steckt knallharte Arbeit. Er unternimmt Foto-Sessions bei Minustemperaturen, muss sich mit betrunkenen Piloten rumschlagen, und er trägt das finanzielle Risiko der Reisen selbst. „hauptsache kultur“ hat einen Tag mit Ingo Arndt verbracht, er zeigt uns seine schönsten Fotos und wir gehen mit ihm zur Reisevorbereitung in eine Kältekammer.
    Bericht: Christiane Klopsch
    Peng! – Kunst im Kreis(el).
    Sie soll unseren Straßenverkehr schöner machen und wird doch so oft im schnöden Alltag der Raserei übersehen: die Kreiselkunst. Noch nie bemerkt? Da sehen Sie’s! Dabei steht doch mittlerweile in so gut wie jedem Verkehrskreisel eine Skulptur oder ein sonstiges kunstvolles Gebilde rum, einzig es fehlt an Wertschätzung. Was für ein erhebendes Erlebnis es sein kann, im Kreis zu fahren und dabei Kunst zu genießen – darum geht es diese Woche in unserer satirischen Rubrik „Peng!“.
    Bericht: Uli Zimpelmann
    Früher war wirklich alles besser. Warum es der nächsten Renten-Generation schlechter gehen wird.
    „Wir fahren nicht mehr alle gemeinsam auf der Rolltreppe nach oben – so wie bis in die 70er Jahre“, sagt der Frankfurter Soziologe Oliver Nachtwey. Seit die Politik den Märkten und den Banken das Sagen überlassen habe, fahren viele Mitglieder dieser Gesellschaft nach unten, meint er, einige laufen gegen die Fahrtrichtung an, nur um auf der Stelle zu bleiben und einige fahren ganz lässig weiter nach oben. Darüber zu sprechen, sei aber nahezu tabu. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg hatten wir ja etwa 40 Jahre einen kollektiven sozialen Aufstieg, gerade für Menschen aus der alten Arbeiterschicht, die konnten in die untere oder sogar mittlere Mittelschicht aufsteigen.
    Für die Kinder dieser Leute, die diesen sozialen Aufstieg geschafft haben, da geht es allerdings nicht mehr weiter nach oben, sondern mittlerweile tendenziell nach unten. „hauptsache kultur“ hat Oliver Nachtwey in der Bankenmetropole Frankfurt getroffen und mit ihm darüber gesprochen, warum früher doch einiges besser war und warum die soziale Frage nicht länger tabu sein darf.
    Bericht: Nora Binder
    40 Jahre Batschkapp – Ein Ort aus einer anderen Zeit. Für viele Hessen ist die Frankfurter Batschkapp ein nahezu mythischer Ort. Konzerte und Partys wurden in dem heruntergekommenen Gebäude in Frankfurt-Eschersheim gefeiert. Geschichten von legendären Auftritten weitergegeben und viele haben dort einen Großteil ihrer Jugend erlebt. Red Hot Chili Peppers, Lou Reed, Robbie Williams oder Nirvana: Allein die Liste der Musiker, die in der Batschkapp auf der Bühne gestanden haben, würde anderen Konzertveranstaltern die Tränen in die Augen treiben. Seit 40 Jahren treten hier internationale Bands auf. Doch nicht nur das: Die Batschkapp war jahrzehntelang die Keimzelle einer Subkultur: „Die CDU hat ihre Kinder an die Batschkapp verloren“, erzählt Tigerpalastchef Johnny Klinke, der zu den Gründungsmitgliedern des einst autonomen Kulturzentrums zählt.
    Die Idee 1976: Man wollte die jugendlichen Massen innerhalb eines großen kulturellen Zentrums für die Revolution gewinnen. Doch das ist lange Geschichte. Genauso wie das alte Batschkapp-Gebäude im Frankfurter Stadtteil-Eschersheim. Seit 2014 wird in Frankfurt-Seckbach gerockt und auch der 40. Geburtstag gefeiert. „hauptsache kultur“ taucht ab, in die Geschichte der „Kapp“ und will wissen, was ausgerechnet diesen Club zu einem Mythos hat werden lassen.
    Bericht: Dorothea Windolf (Text: hr-fernsehen)
    Deutsche TV-PremiereDo 08.12.2016hr-Fernsehen
  • Folge 13
    Schilderwahn im Rheingau – Die traditionsreiche Kulturlandschaft am Rhein und ihr fragwürdiges Marketing-Konzept.
    Mit der Beschilderung im Rheingau ist das so eine Sache. Klar, weiße Schrift auf braunem Grund, diese Wegweiser führen Touristen direkt zu Kulturdenkmälern und Sehenswürdigkeiten. Nachvollziehbar, dass die notwendig sind. Doch mittlerweile gibt es immer mehr Schilder: Zu Weingütern, zu Hotels, zu Apotheken oder Baumärkten und sogar zu Ärzten und Versicherungsmaklern. Für die Denkmalpflegerin Dagmar Söder ein Dorn im Auge, schließlich führe der zunehmende Schilderwahn zu einer Verschandelung der Landschaft, sagt sie. Für die Region typische Steinmauern oder die einzigartigen Flurdenkmäler würden mehr und mehr von Wegweisern und Hinweistafeln verdeckt. Droht die einzigartige Landschaft im Schilderwald zu versinken? „hauptsache kultur“ war vor Ort und hat sich selbst ein Bild gemacht. Autor: Simon Broll
    Ausblick auf das Jahr 2017: Was wird im Superwahljahr aus unserer Demokratie?
    Wir stehen vor einer Zeitenwende: Die sozialen Netzwerke verändern unsere Informationskultur grundlegend. Unbegrenztes Wissen, aber auch jede Menge sogenannter „Fake-News“, also falsche Nachrichten, Hass, Verschwörungstheorien. Zusätzlich gaukeln Meinungsroboter – „Social Bots“ genannt – vor, echte Menschen zu sein, verbreiten automatisierte Massen-Botschaften im Netz und verzerren so zielgerichtet das veröffentlichte Meinungsbild. Wahlkämpfe werden in Zukunft vor diesem Hintergrund völlig anders aussehen. Einen kleinen Vorgeschmack darauf gab es bereits bei der Präsidentenwahl in den USA.
    Was aber heißt das alles für unsere demokratische Gesellschaft und für 2017, ein Jahr, in dem in drei Bundesländern neue Landtage gewählt werden und im September die Bundestagswahl ansteht? Wie können demokratische Grundprinzipien künftig geschützt werden? „hauptsache kultur“ wagt einen Ausblick und hat mit Josef Haslinger, dem Präsidenten des PEN-Zentrums mit Sitz in Darmstadt, dem Ex-„Tagesthemen“-Moderator Ulrick Wickert und dem Politologen Simon Hegelich gesprochen. Autor: Lars Friedrich
    Peng!: Hommage an eine verkannte Kunstform: Der Blitzer wird 60.
    Als am 21. Januar 1957 die erste Radarfalle getestet wurde, ahnte wohl noch niemand, welch große Karriere dem damals noch etwas überdimensionierten und unhandlichen Fotografie-Automaten bevorstand. Seither wurde das Blitz-Gerät immer weiterentwickelt und ist mittlerweile aus dem Stadtbild vieler Ortschaften nicht mehr wegzudenken. Inzwischen besitzt sogar fast jeder Autofahrer mindestens eine dieser genau im richtigen Moment geschossenen Aufnahmen. Leider sind die Empfänger der Schwarz-Weiß-Bilder meist über das Motiv weniger erfreut – zu Unrecht findet „hauptsache kultur“ und zeigt, wieso die Blitzer-Fotografie eine ganz eigene, bisher zu wenig beachtete Kunstform ist. Autor: Uli Zimpelmann
    Selbst die Queen kennt ihn: Warum der Intendant des „English Theatre“ in Frankfurt ausgerechnet ein Deutscher ist.
    Dass er einmal Theaterintendant werden würde, hätte er sich nie träumen lassen. Das Angebot kam einfach über Nacht. Und mittlerweile leitet der studierte Kommunikationsdesigner Daniel Nicolai das „English Theatre Frankfurt“ schon seit 15 Jahren. Mit einem klaren Ziel: er will die Welt ein bisschen besser machen. Ein Kontrapunkt gegen den neu aufkeimenden Hass, gegen Hetze. Mit englischem Theater, das von einer bunten, toleranten Gesellschaft erzählt. „Spamalot“, „Handbagged“, „Cinderella“ – so heißen die Stücke seines Spielplans, der sich an Trends der großen Theater in Großbritannien und den USA orientiert.
    Das außergewöhnliche Haus mitten in Frankfurt hat seine Spielstätte direkt neben den Bankentürmen gegenüber der Oper Frankfurt. Beste Lage! Und das mit Absicht, denn die große englische Community der Banker und Broker kann so direkt um die Ecke englische Komödien, Blockbuster und Musicals sehen. Inzwischen ist das „English Theatre“ unter Nicolais Leitung so berühmt, dass der Intendant beim Besuch der Queen 2015 in Frankfurt sogar am Tisch Seiner Königlichen Hoheit Platz nehmen durfte.
    Der Erfolg ist auch darum verblüffend, weil der 53-jährige das Theater mit einem sehr kleinen Stab führt, sehr persönlich und ohne Hierarchie. Die Welt ein bisschen besser machen – wir haben Daniel Nicolai in seinem Theater und privat in seinem Lieblingscafé getroffen. Dort erzählt er uns, was das heißt, denn Daniel Nicolai lebt offen homosexuell, er bezeichnet sich selbst als „stockschwul“ und hat mit seinem Ehemann eine kleine Familie gegründet, um die Ideen von Toleranz und Liebe im Privaten als auch im Beruflichen frei und ehrlich zu leben. Autorin: Natascha Pflaumbaum
    Ein Laden mit Kultstatus – Eckhard Baum betreibt in Kassel die älteste Videothek Deutschlands.
    Der Videofilmverleih ums Eck. Früher ging man dorthin, wenn man sich einen gemütlichen Abend auf dem Sofa machen wollte. Doch in Zeiten von Stream und Download gehören Videotheken zu einer aussterbenden Spezies. Immer mehr Videotheken machen dicht. Unweit vom Kasseler Hauptbahnhof – in einer Gegend mit vielen leer stehenden Geschäften – steht der Video-Film-Shop von Eckhard Baum. Baum ist 78 Jahre alt und eröffnete vor über 40 Jahren seine Videothek. Laut Guinness Buch der Rekorde ist sein Laden die älteste Videothek Deutschlands, nach Eckhard Baums Recherchen sogar der Welt. Doch ihre Tage scheinen gezählt, das Geschäft rechnet sich kaum noch. Aber aufgeben will Eckhard Baum trotzdem nicht. „hauptsache kultur“ hat ihn besucht und wollte wissen, wie lange wird es die Videothek, die in Kassel längst Kultstatus hat, noch geben? Autor: Marco Giacopuzzi (Text: hr-fernsehen)
    Deutsche TV-PremiereDo 12.01.2017hr-Fernsehen
  • Folge 14
    Hessens schönste Wälder – Wie sie Künstler inspirierten und warum wir sie dringend schützen sollten.
    Heimat, was ist Heimat? Für die meisten Deutschen ist das bei Umfragen der Wald! Die anderen Europäer belächeln uns gerne mal dafür, die Deutschen und „ihr Wald!“ Nicht mal die Polen, die ebenso viel Waldflächen haben, haben so eine enge Verbindung zu ihm. Ein Grund für „hauptsache kultur“, sich dem hessischen Wald zu widmen, den „schönsten Wäldern Hessens“, so der Titel des neuen Buches von Gerhard Zimmermann. Er hat sie durchwandert und fotografiert. Sein Buch ist aber kein Wanderführer. Zimmermann beschreibt und bebildert faszinierende Naturentdeckungen und wenn Sie dachten, Sie kennen Hessen und haben schon alles gehört von seinen berühmtesten Wäldern, dem Kellerwald und dem Reinhardswald, dann wird dieses Buch Sie überraschen.
    In den hessischen Wäldern lässt sich nämlich Geschichte erleben. Die urigen verkrümmten Eichen im Urwald Sababurg zum Beispiel sind gar kein Urwald, sondern Menschenwerk. Weil im späten Mittelalter der Wald als Weide für Schweine, Kühe und Pferde genutzt wurde und man besonders die Eicheln für Schweinefutter brauchte, fällte man sie nicht. Damals gab es wenig Waldfläche, dichten Wald fast gar nicht, die Kulturlandschaft sah komplett anders aus al sheute, was man auch in den Gemälden der Maler der vorletzten Jahrhundertwende sehen kann.
    Sie haben den Naturschutz quasi erfunden. Weil der Maler Theodor Rocholl gegen Ende des 19. Jahrhunderts die krummen urigen Eichen von der Holzfällerwut bedroht sah, erwirkte er deren Erhalt und Schutz und so nannten sie das erste geschützte Waldreservat „Malerreservat“. Es ging damals vor allem um Ästhetik, weniger um Naturschutz. „hauptsache kultur“ ist mit Gerhard Zimmermann in den Winterwäldern Hessens unterwegs und erfährt noch anderes Erstaunliches, über „Urwälder“, Bergwälder, Riedwälder und: den Frankfurter Stadtwald. Ja, denn der gehört auch zu den „schönsten Wäldern Hessens“. Bericht: Ulrike Bremer (Gerhard Zimmermann: „Die schönsten Wälder Hessens“, CoCon Verlag)
    Unsere neue Serie: Der „Museums-Check“ – Diesmal: Das Museum für Sepulkralkultur in Kassel.
    Ein Museum, das sich nur dem Tod, dem Sterben und dem Bestatten widmet – das ist einzigartig in Deutschland. Seit 1992 gibt es das Museum für Sepulkralkultur in Kassel, weltweit das erste, welches sich zum Ziel gesetzt hat, das noch immer tabuisierte Thema Tod und Trauer ins Bewusstsein zu rücken. Aber: Was heißt das genau? Was erwartet den Besucher hier? Und kann ein Besuch hier den Blick auf den Tod verändern, einem vielleicht sogar ein bisschen Angst nehmen? Wir machen den „hauptsache kultur Museums-Check“. Bericht: Marco Giacopuzzi
    PENG! – Die „Pink-Steuer“ oder: Sexistische Preise für Frauen.
    Ja, das mit der Gleichberechtigung ist auch nach Jahrzehnten des Kampfes eine schwierige Angelegenheit. Dass Frauen im Schnitt noch immer 21 % weniger verdienen als Männer ist bekannt und für sich genommen schon ein echtes Ärgernis. Dass sie aber zusätzlich für alltägliche Gebrauchsartikel auch noch deutlich tiefer in die Tasche greifen müssen, ist eine neue Dimension in Sachen Ungleichheit – und das ist kein Scherz, sondern bittere Realität! Oder wussten Sie, dass Frauen bis zu 200 Prozent mehr für Produkte zahlen als Männer? Wohlgemerkt für exakt die gleichen Produkte! Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Verbraucherzentrale Hamburg. Die hat zum Beispiel herausgefunden, dass Einwegrasierer, wie man sie handelsüblich in der Drogerie bekommt, in der pinkfarbenen Damen-Version bis zu 33 % mehr kosten, und dass, obwohl sie sich, was die Details angeht, nicht von der blauen Herren-Variante unterscheiden.
    Absurd, aber wahr! Der Grund für all den Wahnsinn liegt tatsächlich in der Farbe! Damenprodukte sind nämlich meist pink oder rosa, die unscheinbareren Herrenprodukte dagegen blau oder schwarz. „Pink Tax“, pinke Steuer, nennt die Beauty-Industrie deswegen folgerichtig diese raffinierten, oft versteckten Zusatzkosten. Eine ziemlich gemeine Augenwischerei und damit ein klarer Fall für unsere Satire-Rubrik „PENG!“. Bericht: Alexander C. Stenzel
    Lebenstraum: Weltenretterin – Wie die Darmstädterin Antje Herden phantastische Kinderwelten erschafft.
    Das Schöne am Schreiben sei, dass sie in ihren Geschichten die Welt retten kann, sagt Antje Herden. Nicht nur die reale, sondern auch die Paralleluniversen und magischen Orte, in die sie ihre jungen Leser entführt. Antje Herden schreibt Kinderbücher für Mädchen und Jungen ab zehn Jahren. Im Mittelpunkt stehen dabei immer unerwartete Helden: Außenseiter oder Kinder, die oft ein bisschen anders sind als die meisten, plötzlich aber in Abenteuer geraten, in denen sie zeigen können, was in ihnen steckt und aus denen sie gestärkt hervorgehen. Und vielleicht auch die kleinen Leser! Ja, es sind schon Mutmachgeschichten über Freundschaft und Zusammenhalt, die Antje Herden schreibt, und das kommt gut an.
    Mittlerweile hat sie acht Kinderbücher veröffentlicht, mit Titeln wie „Anton und Marlene und die wahrscheinlichen Unwahrscheinlichkeiten“, in denen es oft um Probleme geht, mit denen sich Kinder identifizieren können. Überforderung in der Schule etwa oder Eltern, die wegen ihres Berufs wenig Zeit haben. Ihre Geschichten sollen nah an der Lebenswirklichkeit der jungen Teenager sein – aber immer auch um ein paar phantastische Geschehnisse bereichert, wie sie sich jedes Kind gerne ausmalt, um die Welt ein bisschen schöner und gerechter zu machen.
    Antje Herden gehört zu den wenigen Kinderbuchautoren in Deutschland, die von ihrer Arbeit leben können. Das gelingt ihr auch deshalb, weil sie viele Lesungen an Schulen gibt. Die Buchverkäufe allein werfen zu wenig ab, weil das Gros der Erlöse beim Handel bleibt und Kinderbücher noch dazu im Schnitt deutlich günstiger sind als jene für Erwachsene. Man muss schon, wie Herden, die Kunst beherrschen, die Leser dauerhaft mit spannenden Geschichten zu begeistern und auf besondere Ideen kommen, um mit dem Schreiben seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
    Es ist kein Leichtes, sich im immer enger getakteten Alltag der Kids gegen die Konkurrenz von Videospielen und YouTube zu behaupten. Wie das der 45-jährigen gelingt und wo sie zuhause in Darmstadt auf Ideen für ihre phantastischen Geschichten kommt, erzählt Antje Herden „hauptsache kultur“. Und auch, warum sie einst als Model um die Welt jettete und was Modeln und Schreiben verbindet – da gebe es nämlich durchaus Parallelen. Bericht: Simon Broll (Antje Herden: „Anton und Marlene und die wahrhaftigen Wahrheiten“ Fischer Verlag))
    70 Jahre „Fritz Rémond Theater“ – Wie sich die Frankfurter Institution in die Herzen der Zuschauer gespielt hat.
    Als alles anfing im Januar 1947, da regnete es durch die Decke, und die Zuschauer saßen mit Regenschirmen auf zusammengezimmerten Bänken. Die Stadt Frankfurt lag in Schutt und Asche, aber die Menschen kamen ins Theater und bezahlten mit ein paar Kartoffeln oder Briketts. Sie sehnten sich nach Kultur, nach Stücken, die unter den Nazis verboten waren. Der Schauspieler und Regisseur Fritz Rémond war einer der ersten, der 1945 von den Amerikanern eine Erlaubnis bekam, Theaterstücke aufzuführen. Der Zoodirektor Bernhard Grzimek, ein alter Bekannter von Rémond, schlug ihm vor, das kleine Theater doch im Zoo zu eröffnen.
    Bis heute soll es das weltweit einzige in einer zoologischen Anlage sein. An diesem besonderen Ort startete Hans Joachim Kulenkampff seine Karriere und bekannte Stars sorgten bald für ausverkaufte Vorstellungen: Theo Lingen, Curd Jürgens, Inge Meysel, Heinz Rühmann, Karlheinz Böhm oder Grethe Weiser – die großen Schauspielnamen der Nachkriegszeit. Mit ihnen inszenierte Fritz Rémond moderne Klassiker, Gegenwartsdramen und Komödien, eine Mischung, die bis heute für den Erfolg des „Fritz Rémond-Theaters“ steht und an dem der gegenwärtige Intendant Claus Helmer wenig geändert hat.
    Der Erfolg des Privattheaters sei trotz Fernsehen, Kino und Internet ungebrochen, auch junge Menschen kämen immer öfter, erzählt Claus Helmer, weil sie hier „echte Menschen in vergänglichen Augenblicken“ erlebten. Das sei oft „einfach überwältigend“. „hauptsache kultur“ begleitet Claus Helmer auf einem Rundgang durch das „Fritz Rémond Theater“ und seine bewegte 70-jährige Geschichte, die voller Anekdoten steckt wie zum Beispiel die, als Johannes Heesters auf der Bühne einen Blinddarmdurchbruch hatte, es aber niemand bemerkte, weil er weiterspielte als wäre nichts passiert. Bericht: Anke Schnackenberg (Text: hr-fernsehen)
    Deutsche TV-PremiereDo 19.01.2017hr-Fernsehen
  • Folge 15
    Unsere neue Serie: Der „Museums-Check“ – Diesmal: Das 50er-Jahre-Museum in Büdingen. Mitten in der schönen Büdinger Altstadt ist das 50er-Jahre-Museum. Hier kann der Besucher gesammelte Relikte des Wirtschaftswunder-Jahrzehnts bestaunen. Von Nierentischen, Kommoden, Plattenspielern bis hin zum 50er-Jahre Friseursalon und der Milchbar. Die Dauerausstellung steht unter dem Motto „Erleben-Staunen-Erinnern“. Aber: Kann man den Geist der 50er-Jahre wirklich in einem Museum spüren? Das Lebensgefühl, die Aufbruchsstimmung, das Aufeinandertreffen von spießiger Bürgerlichkeit auf das erste Aufbegehren einer aufmüpfigen Jugendkultur? Was erwartet den Besucher hier? Unser Autor Marco Giacopuzzi macht für „hauptsache kultur“ den Museums-Check. Bericht: Marco Giacopuzzi.
    PENG! „Postfaktisch“ war gestern – „Alternative Fakten“ sind im Trend.
    Ende letzten Jahres wurde das Wort „postfaktisch“ zum Wort des Jahres gekürt. Postfaktisch – das bedeutet, dass man Gefühlen und Spekulationen mehr Glauben schenkt als Tatsachen. Fakten spielen da keine Rolle mehr. Genau das prägt auch postfaktische Politik, die Populisten für sich nutzen. Sie verkaufen gefühlte Wahrheiten und Ängste als Realität. Doch dank US-Präsident Donald Trump ist dieses Wort schon wieder veraltet. Denn seine Unwahrheiten basieren durchaus auf Fakten, auf „alternative Fakten“. Für „hauptsache kultur“ Anlass genug, eigene alternativen Fakten zu präsentieren. Bericht: Uli Zimpelmann.
    Von Kassel zum IS – Ein Vater kämpft um seine Söhne.
    Sie sind 23 und 19 Jahre alt, als sie zum Islam konvertieren. Zwei ganz normale Kasseler Jungs aus guten Verhältnissen, die mit Freunden abhängen und auf Partys gehen, entsagen plötzlich dem Alkohol und beten mehrmals täglich. Innerhalb weniger Monate beginnen sie sich zu radikalisieren. Kurze Zeit später verschwinden sie: Sie sind nach Syrien in den „Heiligen Krieg“ gezogen und haben sich dem so genannten „Islamischen Staat“ angeschlossen, erfährt ihr Vater aus einem Abschiedsbrief. Für Joachim Gerhard, einen Unternehmer aus Kassel, beginnt der Kampf um das Leben seiner Söhne.
    Es gelingt ihm Kontakt zu ihnen aufzunehmen, er reist mehrmals auf eigene Faust in das syrische Grenzgebiet und unter Lebensgefahr auch in die umkämpfte Stadt Kobane. Bei einer dieser Reisen gelingt es sogar, einen Jugendlichen, der ebenfalls mit seinen Söhnen nach Syrien ausgereist ist, aus dem IS-Gebiet rauszuschmuggeln. Eine folgenschwere Entscheidung. Denn kurz darauf schicken die Söhne ein Handy-Video: Sie teilen ihrem Vater darin mit, dass sie sich von ihm lossagen.
    Wenig später bekommt Gerhard eine SMS, in der ihm ein Unbekannter schreibt, seine Söhne seien im Kampf für Allah gestorben. Doch Joachim Gerhard kann und will das nicht glauben. Bis heute sucht er seine Söhne in Syrien und hat darüber das Buch „Ich hole euch zurück“ geschrieben, mit dem er an die Öffentlichkeit geht. Wie sein Leben jetzt aussieht und wie es sich anfühlt, die Kinder an den IS zu verlieren, darüber spricht „hauptsache kultur“ mit Joachim Gerhard, den wir zu Hause in der Nähe von Kassel besuchen. Bericht: Wero Lisakowski.
    Poesie mit Beat – Wie der Lautpoet Dalibor Markovic die Lyrik neu erfindet.
    Für die breite Masse ist er noch kein Begriff, aber in Poetry-Slam-Kreisen hat er sich bereits einen Namen gemacht: Dalibor Markovic. Lautpoet, Beatboxer und Lyriker. Was das ist? Ein Wortakrobat, der seine Texte mit rhythmischen Geräuschen unterlegt. Poesie mit Beat. Wortwitzig und wortspielerisch. „Es war schon immer mein Traum, das zu können“, sagt der gebürtige Frankfurter mit kroatischen Wurzeln, „aber es hat lange gedauert, bis ich dahin kam.“ Markovic ist einer von nur drei Poetry-Slammern in Deutschland, die ihren Wörtern einen Beat einhauchen. Seine Kunst beherrscht der 41-Jährige inzwischen so gut, dass er einen Preis nach dem anderen abräumt.
    Seit fünfzehn Jahren ist auf deutschen und internationalen Bühnen unterwegs. Er ist ein Botschafter für Sprachkunst und erreicht mit seiner Lyrik auch junge Menschen. Zwei Gedichtbände hat er bereits veröffentlicht und vor kurzem sein Debüt: „Und Sie schreiben auf Deutsch?“, ein Buch mit CD. Der Titel ist eine Anspielung auf die Frage, die der in Frankfurt geborene Dalibor Markovic oft zu hören bekommt, wenn er sich vorstellt. Wie der Lautpoet mit kroatischer Herkunft die Lyrik revolutioniert hat und warum Goethes Ballade „Erlkönig“ für ihn topaktuell ist, erfahren Sie in „hauptsache kultur“. Bericht: Wero Lisakowski. (Text: hr-fernsehen)
    Deutsche TV-PremiereDo 26.01.2017hr-Fernsehen
  • Folge 16
    Liebesgrüße aus Kassel – eine klitzekleine Kulturgeschichte der Postkarte.
    Wissen sie noch, wann sie ihre letzte Postkarte geschrieben haben? Gibt es die überhaupt noch? Vor hundert Jahren gab es die gute alte Postkarte zumindest noch an jeder Ecke. Damals war sie eine Medienrevolution: günstig, demokratisch, zuverlässig – der Urgroßvater der SMS. Ursula Spielmann und Jürgen Fischer vom „Verein für hessische Geschichte und Landeskunde“ haben nun mit ihrem Kasseler „Postkartenprojekt“ den bedruckten Pappgesellen von anno dazumal auf Herz und Nieren geprüft und sich durch hunderte von historischen Ansichtskarten gearbeitet. Mit welchen Motiven präsentiert sich die Stadt Kassel im Goldenen Postkarten-Zeitalter zwischen 1885 bis 1918? Warum war jemand so frech und klebte seine Briefmarke verkehrt herum auf die Karte? Welche verblüffenden Botschaften kann man bis heute aus einem uralten Urlaubsgruß herausfiltern? Und wer hat die Postkarte überhaupt erfunden? Ursula Spielmann und Jürgen Fischer haben in detektivischer Kleinarbeit viele Geheimnisse gelüftet.
    „hauptsache kultur“ zieht mit ihnen durch die documenta-Stadt und hat für Sie einige Geheimnisse der Postkarte gelüftet. Frei nach dem Motto: Wichtig ist zwar nicht, was man schreibt, sondern, dass man schreibt. Aber selbst das kann ziemlich viel verraten. Beitrag: Sven Waskönig.
    Der „Museums-Check“, diesmal im Gießkannen-Museum in Gießen.
    Ist Ihnen Ihre Gießkanne auch ziemlich egal? Und können Sie sich so gar nicht vorstellen, dass es in Hessen sogar ein Museum gibt, das nur Gießkannen ausstellt? Über 1200 Stück an der Zahl? Wir auch nicht. Und deshalb sind wir nach Gießen – wohin denn sonst – gefahren und haben dieses Museum mal unter die Lupe genommen. Der Museums-Check von „hauptsache kultur“ Beitrag: Marco Giacopuzzi. Peng! „Make Hessen Great Again“. „America first“ so lautete Trumps Wahlspruch. Und der amerikanische Präsident macht Ernst damit: Strafzölle, Immigrationsstopp, eine Mauer gegen Mexiko …da können wir Hessen uns doch was abschauen! In unserer satirischen Rubrik PENG heißt es heute „Hessen First!“. Wir zeigen Ihnen, wie Hessen NOCH großartiger wird. Beitrag: Uli Zimpelmann.
    Und die Welt steht still – Der Künstler Stefan Weiller sammelt letzte Lieder und Geschichten von Sterbenden.
    „Welches Lied hat Sie in ihrem Leben begleitet?“ Mit dieser Frage besucht Stefan Weiller Menschen im Hospiz, die nur noch wenige Wochen zu leben haben. In Gesprächen mit Sterbenden erfährt er auch ihre Gedanken und Geschichten. Jetzt hat Stefan Weiller in seinem Buch „Letzte Lieder“ 75 der Gespräche veröffentlicht. Es sind ergreifende, teilweise aber auch lustige Geschichten, die ein anderes Bild vom Leben im Hospiz zeigen als das, welches viele Menschen von diesem Ort haben. Mit bekannten Schauspielern organisiert Stefan Weiller Lesungen, und lässt die „Letzten Lieder“ von Musikern auf der Bühne erklingen. Es ist ein beeindruckendes Projekt, das vom Umgang mit dem Tod erzählt – und doch das Leben feiert.
    Viele Menschen verdrängen schwierige Themen wie Tod und Sterben. Stefan Weiller hingegen richtet den Blick bewusst auf Menschen, die ausgegrenzt oder übersehen werden. Auch in seinen anderen Projekten „Winterreise“ und „Die schöne Müllerin“. Hier verbindet er Geschichten von Obdachlosen mit Liedern von Franz Schubert, und auch diese Texte lässt er von bekannten Schauspielern vortragen, etwa Eva Mattes oder Felix von Manteuffel. „hauptsache kultur“ hat Stefan Weiller in Frankfurt besucht und mit ihm über seine Projekte und die eigene Einstellung zum Tod gesprochen Bericht: Simon Broll.
    Fürsorgliche Eichhörnchen und mitfühlende Waldmäuse – Peter Wohllebens neues Buch „Das Seelenleben der Tiere“.
    Angsthasen und eitle Gockel – gibt es sie wirklich? Menschen und Tiere sprechen in Bezug auf Gefühle die gleiche Sprache, sagt Peter Wohlleben. Der Förster und Bestsellerautor erlebt das in seinem Alltag und hat jetzt ein Buch darüber geschrieben: „Das Seelenleben der Tiere“. Mit seinem Buch kämpft Peter Wohlleben vehement dagegen an, dass viele Tiere nur als „Rohstoffe“ wahrgenommen werden, und nicht als Lebewesen, die Freude und Angst empfinden. Er berichtet von einer Stute, die sich nach Fehlverhalten verschämt abwendet, oder von Krähen, die mit sichtlicher Freude Dächer als Rutschbahn benutzen.
    Auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse belegen: Tiere sind fähig zu intensiven, differenzierten Gefühlen – Liebe, Trauer. Und wenn wir das begreifen, sagt Peter Wohlleben, werden wir Tieren in Zukunft hoffentlich mit Respekt und Achtung begegnen. „hauptsache kultur“ hat Peter Wohlleben getroffen und mit ihm über die Gefühlswelt von Krähen, Eichhörnchen und anderen Tieren gesprochen. Und darüber, warum es wichtig ist, über das Seelenleben der Tiere Bescheid zu wissen. Bericht: Norbert Haberger. (Text: hr-fernsehen)
    Deutsche TV-PremiereDo 02.02.2017hr-Fernsehen

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