die nordstory Folge 620: Sylt: Mangelware Wohnraum
Folge 620
Sylt: Mangelware Wohnraum
Folge 620 (60 Min.)
Uwe Schöndube ist auf Sylt geboren. Seit 27 Jahren fährt er als Busfahrer Touristen über die Insel und zeigt seine Heimat. Er kennt die aktuellen Wohnraum Probleme genau.
Bild: NDR
Achim Bonnichsen hat bis Anfang 2025 den ältesten Fliesenleger-Meisterbetrieb der Insel in Morsum geführt und ist einer von 5000 Pendlern, die täglich zum Arbeiten auf die Insel kommen. „Ohne die Pendler steht das Leben auf der Insel komplett still“, sagt er. Die Sylter Politik packt das Problem seiner Meinung nach nicht richtig an. Für ihn ist klar: Wenn Wohnraum für Arbeitskräfte fehlt, gerät der Alltag auf der beliebten Nordseeinsel ins Wanken. Und damit ist er nicht allein. Pflegekräfte ohne Wohnung, Pendler unter Druck, Gemeinden im Dilemma Sylt ist für viele Menschen ein Sehnsuchtsort und Tourismusmagnet. Mehr als 750.000 Besucherinnen und Besucher kamen allein 2024, es gab über 4,9 Millionen Übernachtungen. 40 Kilometer Sandstrand, die Weite der Nordsee und das UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer machen die Insel so attraktiv. Doch hinter den Postkartenmotiven wird das Leben für viele Menschen, die auf Sylt arbeiten wollen, zur Zerreißprobe. Dominique Spicker arbeitet für einen mobilen Pflegedienst in Westerland. Mit ihrem Mann ist sie aus Hamburg nach Sylt gezogen – in der Hoffnung auf ein neues Leben auf ihrer Lieblingsinsel. Sie leben übergangsweise in einer kleinen möblierten Wohnung, die eigentlich an Feriengäste vermietet wird, und suchen dringend eine bezahlbare Dauerwohnung. Denn wenn die Saison losgeht, muss das Ehepaar raus. „Wenn wir keine Wohnung finden, gehen wir zurück aufs Festland“, sagt Dominique. Für den Pflegedienst und die Menschen, die auf Sylt Betreuung brauchen, wäre das ein herber Schlag. Denn Pflege ist auf der Insel nur möglich, wenn die Fachkräfte auch dort leben
können. Ferienwohnungen statt Dauerwohnraum Die Geschichte des Wohnraummangels reicht Jahrzehnte zurück. In den 1960er-Jahren begannen viele Sylter Familien damit, Kinderzimmer, Dachböden und Keller auszubauen und an Touristen zu vermieten. Sogar Garagen wurden umgebaut. So entstanden Tausende Ferienwohnungen – viele davon ohne Genehmigung. Rund 11.000 Ferienwohnungen gibt es heute auf Sylt, schätzungsweise 5000 davon waren jahrelang nicht genehmigt. Besonders betroffen: Wenningstedt-Braderup, eine 1600-Einwohner-Gemeinde. Laut Bürgermeister Kai Müller (Wählergemeinschaft Aktive Bürger) waren dort rund 85 Prozent der Ferienunterkünfte bisher illegal. Der Kreis hat 2023 damit begonnen, gegen nicht genehmigte Ferienwohnungen vorzugehen. Ziel: die Rückgewinnung von Wohnraum. Doch das Vorgehen sorgt für Ärger und Verunsicherung. „Sylt lebt vom Tourismus“, sagen Makler Stephan Rudloff, gebürtiger Sylter, und seine Frau Maike, die rund 200 Ferienwohnungen verwalten. Das eine gegen das andere auszuspielen, sei nicht der richtige Weg. Beide erkennen die Problematik – kritisieren aber die „Holzhammermethode“ des Kreises. „Wir brauchen eine neue Strategie, die nicht Schuldige sucht, sondern Lösungen schafft“, sagt auch Bürgermeister Müller. Er setzt auf eine Kooperation mit dem Kreis Nordfriesland, dem Land und den anderen Gemeinden. Die Unsicherheit ist groß: bei Arbeitgebern, Hausbesitzern, politischen Entscheidern und jenen, die verzweifelt nach einer Wohnung suchen. „die nordstory“ schaut aus all diesen Perspektiven auf die angespannte Lage auf Sylt und begleitet die Menschen bei der Suche nach Lösungen für ein Problem, das die Insel nicht ewig aushalten kann. (Text: NDR)