Staffel 1, Folge 1–4

Staffel 1 von „Die große Literatour“ startete am 01.06.2016 bei arte.
  • Staffel 1, Folge 1
    Im Jahr 1931 brechen Erika und Klaus Mann zu einer Reise auf, aus der sie ein Buch machen werden. Öffentliches Interesse ist ihnen gewiss, denn sie sind die Kinder von Literaturnobelpreisträger Thomas Mann. Aus ihrer Fahrt an die Côte d’Azur, an die französische Riviera, entsteht „Das Buch von der Riviera“, das in der Reihe „Was nicht im Baedeker steht“ erscheint. Die Reise geht entlang der Küste von West nach Ost. Getreu dem Motto: Immer „gegen“ den traditionellen, ernsthaften Baedeker, denn der Klassiker unter den deutschen Reiseführern führt genau umgekehrt.
    Mit sichtlichem Vergnügen berichten die Geschwister aus dem abenteuerlichen Marseille, den gemütlichen Hafenstädtchen entlang der Küste, dem mondänen Cannes, der Großstadt Nizza und natürlich aus Monte Carlo. Das Ziel der beiden: mit möglichst wenig Geld möglichst aufwendig leben, ein Vorhaben, das im Frankreich des Jahres 1931 scheinbar mühelos umsetzbar ist. Den Zauber und den Luxus der südfranzösischen Küste sollen Erika und Klaus im Auftrag des Piper Verlags entdecken. Ihr Reiseführer liest sich stellenweise wie eine Gebrauchsanweisung – Bohemiens und Weltbürger, die aus der Fülle ihrer Erfahrungen schöpfen.
    Ihr Blick hat eine fast fotografische Genauigkeit selbst dann noch, wenn aus dem Auto heraus notiert wird. Unterhaltsam, charmant, hemmungslos subjektiv schreiben die beiden ihre Erlebnisse auf. Flink reihen sich Übernachtungs- und Ausgehtipps aneinander, Erika und Klaus geben gerne den weltgewandten Ortskundigen, den Fremdenführer. Ihr Text ist so rasant wie ihre Reise: Unterwegs sein als Zeichen der Zeit, Geschwindigkeit als Lebensmodus. Der leichte, ironische, bisweilen freche Ton ist Programm.
    Gegen Ende des Buchs schwindet die heitere Gelassenheit. Klaus Mann schreibt: „Hinter Monte kommt nicht mehr viel. Wir nähern uns in bedrohlicher Eile der Grenze.“ Hinter der Grenze ist Mussolini-Land, Erika und Klaus wenden sich ab und beenden ihre Reise. Die lichten Tage sind vorbei. Nach ihrer Reise an die Côte d’Azur werden sich die Mann-Geschwister in Deutschland zunehmend unwohl fühlen, sie müssen ins Exil gehen. Im Jahr 1935 entzieht das NS-Regime Erika die Staatsbürgerschaft, zwei Jahre später ereilt Klaus das gleiche Schicksal. Das ständige Unterwegssein, das Exil wird zur Lebenswirklichkeit. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereMi 01.06.2016arte
  • Staffel 1, Folge 2
    Im Frühling 1966 zieht der deutsche Schriftsteller Uwe Johnson mit Frau und Kind nach New York. Er folgt der Einladung der Verlegerin Helen Wolff, um ein Jahr als Schulbuchlektor im Verlag Harcourt, Brace & World zu arbeiten. Während dieser Zeit kommt ihm die Idee zu einem monumentalem Romanwerk: „Jahrestage. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl“. Uwe Johnsons Opus Magnum ist ein Reisebericht anderer Art. Johnson taucht zwar durchaus auf in seinen „Jahrestagen“, erlebt und erfahren aber wird die Stadt hauptsächlich von seinem Alter Ego, der Romanfigur Gesine Cresspahl, die als junge, alleinerziehende Frau nach New York kommt und die Stadt mit den Augen Uwe Johnsons sieht.
    Die „Jahrestage“ haben als äußeren Rahmen ein Jahr in New York: 366 Tageseinträge, der erste datiert vom 21. August 1967, der letzte vom 20. August 1968 – der Nacht, in der Armeen der Warschauer-Pakt-Staaten die CSSR besetzen und dem Prager Frühling ein Ende machen. Erinnerungen werden überlagert von Beschreibungen der Stadt New York, vom Zitieren aktueller Zeitungsmeldungen aus der „New York Times“. Die Zeitung ist für Johnson wie für Gesine ein Fenster zur Welt. Alltägliche Beschreibungen eines Großstadtlebens und Schicksalsskizzen von den dramatischen Ereignissen zwischen August 1967 und August 1968, Vietnamkrieg, politische Morde an Robert Kennedy und Martin Luther King, die Rassenunruhen, der Prager Frühling – das sind für Johnson Jahrestage, an denen die Vergangenheit der Kriegs- und Nachkriegszeit mit der Gegenwart der 60er Jahre zusammenprallt.
    Und all diese Jahrestage sind verbunden mit Orten in New York, auf deren Suche sich der Film begibt. Zeitzeugen wie der Filmemacher Michael Blackwood, für dessen Film „Summer in the City“ Uwe Johnson den Kommentar schrieb, kommen ebenso zu Wort wie die Bewohner des Riverside Drive, wo sowohl Johnson als auch seine Romanfiguren lebten. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereMi 08.06.2016arte
  • Staffel 1, Folge 3 (52 Min.)
    Auf der Suche nach Ruhe und Erholung reist der Bestsellerautor Heinrich Böll 1954 für einige Monate nach Irland. Seit diesem ersten Besuch ist Böll wahlverwandtschaftlich verbunden mit diesem Land, seiner unberührten Natur und den tüchtigen Menschen. Böll beschreibt es als ein urtümliches Land, das den Elementen ausgeliefert ist. Die zähen und unerschütterlichen Iren faszinieren ihn. Er beobachtet ihre Lebensweise genau und lauscht ihren Geschichten in den Pubs. Insbesondere Achill Island – die größte Insel Irlands im äußersten Westen – hat es ihm angetan. Als zunehmend erfolgreicher Schriftsteller kann er es sich leisten, mit seiner Familie im Urlaub zurückzukommen.
    Später kauft er sich dort ein Cottage. Es ist mehr als ein Ferienhaus, es ist eine zweite Heimat: Im Laufe seines Lebens wird Böll 14 Mal nach Irland fahren. Seine dort verfassten Reiseberichte erscheinen zunächst in Zeitungen. Einige der Reportagen, die er im Laufe seiner ersten drei Irlandreisen geschrieben hat, veröffentlicht der spätere Literaturnobelpreisträger 1957 unter dem Namen „Irisches Tagebuch“. In Deutschland ist Achill Island damals so gut wie unbekannt. Es ist Heinrich Böll, der der Insel einen Platz in der Weltliteratur zusichert und sie und Irland schließlich zu einem Sehnsuchtsort der Deutschen macht.
    Sein „Irisches Tagebuch“ löst einen wahren Touristenboom aus. „Es gibt dieses Irland: wer aber hinfährt und es nicht findet, hat keine Ersatzansprüche an den Autor“, schreibt Böll in seinem Buch. Die Filmemacher nehmen den Autor beim Wort: Sie fahren hin, mit dem „Irischen Tagebuch“ im Gepäck, suchen Bölls Irland und finden auch das Irland von heute – in dem sich Vergangenheit und Gegenwart überschneiden: das kehlige Keltisch, der goldene Tee, die katholischen Priester, die Pubs, die Schafe, die an der dünnen Grasnarbe nagen, die rauen Klippen und das Meer und viele Iren, die sich noch heute sehr gerne an Böll erinnern. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereMi 15.06.2016arte
  • Staffel 1, Folge 4 (49 Min.)
    Hans Christian Andersen war einer der großen Reisenden seiner Zeit. Der dänische Schriftsteller soll in seinem Leben über 30 Reisen durch ganz Europa getätigt und 29 Länder in Europa und Nordafrika besucht haben. Im Jahr 1841 machte der 36-jährige Andersen die längste und abenteuerlichste Fahrt seines Lebens, sein Ziel war der Orient. Für den jungen Dramatiker ist Griechenland – die Wiege der Poesie und der Dramen – ein Sehnsuchtsort. Halb Reporter, halb Dichter bereiste Andersen die Region in einer Zeit der politischen und gesellschaftlichen Umbrüche.
    Griechenland war damals ein junger Staat, der gerade erst von der osmanischen Besatzung befreit wurde. Es herrschten ärmliche und chaotische Zustände, aber Andersens Interesse galt vor allem der Akropolis und den Idealen der Antike. Das eigentliche Ziel seiner Reise war jedoch Konstantinopel, das Zentrum des Osmanischen Reiches. Andersen beschreibt die Stadt als so multiethnisch, bunt und aufregend wie man sie auch heute noch erlebt: die Minarette der Moscheen, die Basare, Derwische, Kaffeehäuser, überfüllten Gassen und die Schönheit des Bosporus.
    Erst auf seiner Rückfahrt fasste er den Entschluss, das Erlebte niederzuschreiben. In seinem Tagebuch notierte er: „Noch hat kein Buch ein wahres Bild von Griechenland und dem, was ich im Orient gesehen habe, gegeben.“ Sein Buch „Eines Dichters Basar“ ist ein einzigartiges Zeitdokument, in dem Andersen messerscharfe Beobachtungen und idealisierende Beschreibungen miteinander verbindet. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereMi 22.06.2016arte

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