Dokumentation in 4 Teilen, Folge 1–4

  • Folge 1 (45 Min.)
    Stress bei Nashörnern? Psychische Krankheiten bei Hunden? Eifersucht bei Dohlen? Langeweile bei Mäusen? Oder gar Trauer bei Gänsen? Die Frage nach den Gefühlen der Tiere hat für viele Wissenschaftler etwas Anrüchiges. Zumindest gilt sie als unseriös. Denn Gefühle sind nicht messbar. Und Tiere können, im Gegensatz zu uns Menschen, nicht beschreiben, was sie empfinden. Wenn sie reden könnten, wüssten wir mehr. In den letzten Jahren aber hat sich das Fenster zur Gefühlswelt der Tiere einen Spalt geöffnet. Vor allem verfeinerte Messverfahren von Stresshormonen erlauben neue Einblicke ins Innenleben von Haus- und Wildtieren.
    Ein Ganter hat seine Gans verloren – was geht in ihm vor? Im Konrad-Lorenz-Institut im österreichischen Grünau ermittelt man die psychische Belastung von Graugänsen – aus ihrem Kot. Nashörner im Allwetterzoo von Münster werden nach ihrer bevorzugten Art der Fütterung „befragt“. Eine Speichelprobe und die darin enthaltenen Hormone geben Auskunft.
    Gefühle kamen nicht erst mit dem Homo Sapiens in die Welt. Bei allen Säugetieren ist das „Gefühlszentrum“ im Gehirn, das so genannte Limbische System, dem unseren verblüffend ähnlich – ein Umstand, der es zum Beispiel erlaubt, Tiere mit menschlichen Psychopharmaka zu behandeln.
    Der Dalmatiner „Cody“ wurde auf diese Weise von einer erbärmlichen Zwangsneurose geheilt. Schweine sprechen auf menschliche Beruhigungsmittel an, und ihre Stimmung lässt sich durch Alkohol beeinflussen wie bei uns. Die Anzeichen mehren sich, dass wir auf der Ebene der Gefühle den Tieren ähnlicher sind, als viele wahr haben wollen. Eifersucht, Neid, Freude, Niedergeschlagenheit oder Zuneigung sind kein menschliches Monopol. Die Konsequenz daraus: Artgerechte Behandlung sollte auch die psychischen Bedürfnisse der Tiere mit einschließen.
    Tiere können nicht darüber reden, was sie erleben und erleiden, aber sie können uns zeigen, was sie wollen: In einer Station auf den Bahamas haben wilde Delfine die Wahl zwischen dem freien Atlantik und dem Leben in menschlicher Gesellschaft. Ihre Entscheidung fällt zugunsten der Menschen aus. Bis ein Schwarm attraktiver weiblicher Delfine auftaucht … (Text: arte)
  • Folge 2 (45 Min.)
    Können Hunde rechnen? Es sieht so aus: Willi nimmt auf dem Podium Platz und löst jede Rechenaufgabe aus dem Publikum. 5 + 5 = ?? Ohne zu zögern bellt Willi zehnmal. Der Beifall ist verdient – aber nicht, weil Willi der Einstein unter den Hunden wäre, sondern weil er einen Trick beherrscht, der selbst uns schwer fallen würde. Wer dennoch den IQ seines Hundes wissen möchte, kann ihm eine der Testaufgaben vorsetzen, die der Verhaltensbiologe Immanuel Birmelin entwickelt hat. Vier Rassen streiten sich um den Lorbeer. Natürlich ist es unfair, die Intelligenz der Tiere an unserer abstrakten Denkfähigkeit zu messen.
    Eine Katze beim Schachspiel macht keine gute Figur, aber wenn wir im Dunkeln eine Maus fangen sollten? In ihrem eigenen Lebensraum zeigen Tiere durchaus Verstand: Eichhörnchen erstellen eine „Karte im Kopf“, mit deren Hilfe sie die Nüsse wieder finden, die sie vergraben haben. Dies ergab ein origineller Test auf dem Campus der berühmten Universität von Berkeley. Das Landschwein Edeltraud prägt sich die Geometrie seiner Futterverstecke ein. Und selbst Bienen tricksen ihren Imker aus, wenn er versucht, an ihre Pollen zu kommen.
    Zu den „Intelligenzbestien“ im Reich der Tiere zählen vor allem Affen, Meeressäuger und Graupapageien. Sie warten mit geistigen Leistungen auf, die unsere Überlegenheitsgefühle ins Wanken bringen: Graupapagei Alex weiß zum Beispiel, wie viele grüne Holzwürfel sich unter einem Sammelsurium von bunten Gegenständen befinden. Und er weiß es nicht nur, er sagt es auch – laut und deutlich. Ein Denksport-Wettbewerb, der so genannte T-Rohr-Test, zwischen Kindern, Schimpansen und Kapuzineraffen erbringt ein überraschendes Resultat. Bei einem Intelligenztest mit abstrakten Symbolen dürfte der Seelöwe Tommy die meisten Zuschauer schlagen, wenn er blitzschnell Bild und Spiegelbild unterscheidet.
    Unsere gewöhnlichen Haus- und Heimtiere sind zwar nicht die großen Denker, aber immerhin entwickeln sie Vorstellungen und Bilder im Kopf – sogar nachts, wenn sie schlafen. Hunde und Katzen haben, wie alle Säugetiere, lebhafte Träume; typische Augenbewegungen im Schlaf (REM) und die zugehörigen Hirnstromkurven belegen es. Aber träumt ein Schwein wirklich von Eicheln? Und ein Huhn von Hirse, wie es Sigmund Freud in seiner „Traumdeutung“ schreibt? Tatsächlich gibt es viele Fälle, in denen Tiere uns Einblick in ihre Traumwelt gestatten: Auch im Traum lässt die Katze das Mausen nicht. (Text: arte)
  • Folge 3 (45 Min.)
    In den 30er Jahren entstand in England eine neue Frühstückskultur: das Rahm-Stibitzen. Blaumeisen in London hatten entdeckt, dass unter den Aludeckeln von angelieferten Milchflaschen Rahm zu holen ist. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die neue Sitte und wurde unter britischen Meisen zu einer festen Tradition. Bis heute ist zwar umstritten, wie weit die Vögel das Aufhacken der Alufolie von einander abgeschaut haben, auf jeden Fall aber haben sie eine Diskussion über Tradition und Kultur bei Tieren ausgelöst: Können Tiere neue Gewohnheiten und Fertigkeiten entwickeln und sie von Generation zu Generation weitergeben, wie es typisch ist für das Kulturwesen Mensch?
    Da gibt es zum Beispiel einen neuen Trend unter Kolkraben: ihre Vorliebe für Lammfleisch. Immer häufiger werden die Raben in Schafherden gesichtet. Hat sich die neue Futterquelle „herumgesprochen“? Fest steht, dass es auch im Reich der Tiere Entdecker und Erfinder gibt.
    Tubau gehört zu einer Gruppe von Javaner-Affen in einem Freigehege der Universität Zürich. Er ist eine Art Galilei der Affen: Er untersucht und erforscht, was ihm in die Quere kommt, experimentiert sogar mit Wasser. Eines Tages erfindet Tubau das „Apfelangeln“ – eine brillante Technik, Äpfel außerhalb des Geheges heran zu holen. Wird sich die lohnende Erfindung verbreiten? Wie schnell wird sie zum Allgemeinwissen unter den Javanern werden? Der renommierte Primatologe Hans Kummer hat den Fall von Beginn an untersucht – mit einem auch für ihn unerwarteten Resultat.
    Bei Tieren geschieht die Weitergabe von Wissen und Können nicht durch Unterricht und Lehrstunden – die Jungen müssen sich selbst darum kümmern. Aber viele sind Meister im Nachahmen. Kleine Seeotter etwa schauen sich von ihrer Mutter ab, was man fressen kann, wo man es findet, wie man es zubereitet. Abalone unter Wasser los zu schlagen erfordert geeignetes Handwerkszeug und technisches Geschick. Seeotterkinder, die es sich in den ersten zwölf Monaten nicht abgeschaut haben, lernen es nie mehr. Was Hänschen nicht lernt …
    Ein Pinienwald bei Jerusalem ist Schauplatz einer besonderen Kulturrevolution. Hier leben gewöhnliche Hausratten, aber sie haben ihre Lebensweise revolutioniert: Sie leben wie Eichhörnchen in den Bäumen und ernähren sich fast ausschließlich von Pinienzapfen. Der Biologe Ran Aisner stand zunächst vor einem Rätsel, denn Hausratten – so glaubte er herausgefunden zu haben – können gar keine Pinienzapfen öffnen; die Technik ist zu kompliziert. Aber dann entdeckte er den vierwöchigen Schnellkursus, den jede neugeborene Ratte durchlaufen muss – wenn sie im Pinienwald überleben will.
    Kultur geht bekanntlich über Essen und Trinken hinaus – auch bei Tieren. Finken in San Francisco schlagen in jedem Stadtteil eine andere Mundart an. Orang-Utan-Dame Nonja malt mit Pinsel und Farben – oder kleckert sie nur? Hüttengärtner-Vögel in Irian Jaya erstellen prächtige Gartenanlagen; jeder pflegt dabei seinen individuellen Stil und bevorzugt eigene Farben. Buckelwale komponieren Gesänge, die bis zu 20 Minuten lang sind, und jedes Jahr erfindet einer der Sänger eine neue Variation – mit komplizierten Rhythmen und Tonfolgen über fünf Oktaven, die von den anderen Buckelwalen übernommen werden. Ist Kultur also kein Privileg des Menschen? (Text: arte)
  • Folge 4 (45 Min.)
    Ein Schlafzimmerspiegel im Löwengehege. Die Raubkatzen reagieren unterschiedlich auf den Neuzugang: heftige Attacken oder freundliche Begrüßung – je nach Temperament. Früher oder später sucht jeder hinter dem Spiegel nach dem Unbekannten. Auf den Gedanken, dass er sich selbst sieht, kommt keiner.
    Die Selbst-Erkenntnis beim Blick in den Spiegel überfordert nicht nur Löwen und Pumas, auch Affen scheitern – ebenso wie Menschenkinder in den ersten eineinhalb Jahren ihres Lebens. Ein klassischer Test – ein heimlich aufgemalter Farbfleck – belegt es: Ein Tier, das sich im Spiegel erkennt, wischt den Fleck ab. Nur Menschenaffen wie Schimpansen oder Orang-Utans bestehen den Farbtest. Das eigene Ebenbild zu erkennen, setzt offenbar einen gewissen Entwicklungsstand des Großhirns voraus. Am Spiegel scheiden sich die Geister. Selbst die größten Menschenaffen, die Gorillas, schienen bislang beim Spiegeltest durchzufallen. Im Allwetterzoo von Münster konnte das Kamerateam jedoch den faszinierenden Augenblick festhalten, als bei dem Silberrücken Makakou zum ersten Mal die „Das-bin-ich“-Erkenntnis aufblitzte.
    Wer sich im Spiegel erkennt, kann sich gleichsam von außen, mit den Augen eines anderen betrachten. Dies ist eine Vorraussetzung, um sich in die Rolle eines anderen zu versetzen; um sich klarzumachen, was ein anderer sieht, weiß oder denkt.
    Und eben das ist überraschend schwierig – zum Beispiel für einen Schäferhund: Wenn Herrchen sich einen Eimer überstülpt, kann er nichts mehr sehen – aber das weiß der Hund nicht. Ganz anders das Orang-Utan-Mädchen Inda im Nationalpark von Washington. Inda weiß definitiv, dass ihr Lehrer Rob Shumaker blind ist, sobald sein Kopf unter einem Eimer steckt. Dann dirigiert sie ihn in die gewünschte Richtung – oder nimmt ihm kurz entschlossen den Eimer ab.
    Wer sich in die Sicht- und Denkweise eines anderen hineinversetzen kann, hat alle Voraussetzungen, ein guter Lehrer zu sein. Tatsächlich aber sind Lehrstunden im Tierreich extrem selten. Auch unter Schimpansen. Eine beinahe unglaubliche Ausnahme bildet der Zwergschimpanse Kanzi. Kanzi ist unter Menschen groß geworden. Er versteht die Sprache seiner Pfleger, kann sogar mit ihnen telefonieren. Und wenn er versucht, das englische Vokabular auch seiner Schwester verständlich zu machen, wird daraus eine zauberhafte Lehrstunde.
    Können Tiere täuschen und lügen? Auch hier sind Menschenaffen die ersten Kandidaten, denn gezielte Täuschungsmanöver können kaum gelingen, ohne sich in andere hineinzudenken. Der renommierte Primatenforscher Frans de Waal versucht, mit Hilfe eines verführerischen Apfels Natascha zur Täuschung anzustiften – mit Erfolg: Die Schimpansin führt ihren Boss gekonnt hinters Licht. Noch raffinierter: Die genervte Schimpansenmutter Marilyn verschafft sich durch falsche Warnrufe ihre Ruhe.
    Unter allen Lebewesen scheint es eine kleine, exklusive Gruppe zu geben: Menschen und Menschenaffen. Sie erkennen sich im Spiegel. Sie haben ein Ich-Bewusstsein. Sie können täuschen, lügen und lehren. Aber es könnte durchaus sein, dass wir zu sehr auf uns und unsere nächsten Verwandten fixiert sind. (Text: arte)

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