Dokumentation in 2 Teilen, Folge 1–2

  • Folge 1 (45 Min.)
    Straßencafé in Paris am Montmartre. – Bild: ZDF und Autentic GmbH
    Straßencafé in Paris am Montmartre.
    Weltweit sind Rechtspopulisten auf dem Vormarsch und gefährden liberale Demokratien. Die Themen, mit denen sie werben, sind immer die gleichen: gegen Migranten, gegen Eliten, für die Nation. Am Beispiel der Niederlande und Frankreich zeigt der Film, wie erfolgreich Rechtspopulisten vorgehen, um an die Macht zu kommen. In Holland hat Geert Wilders eine Regierungskoalition bilden können, in Frankreich gewann der Rassemblement National von Marine Le Pen. Die Partei von Marine Le Pen gewann die Europawahlen und legte auch bei den nationalen Parlamentswahlen zu.
    Le Pen will 2027 die Präsidentschaftswahlen gewinnen. Die Aneinanderreihung von Krisen lässt die Menschen immer unsicherer werden und nach einfachen Antworten suchen: Der islamistische Terror seit 9/​11, die Wirtschaftskrise 2008, der Flüchtlingsstrom 2015, die Covidkrise, der Ukraine-Krieg und nun auch noch die Krise im Nahen Osten macht die Menschen zunehmend nervös, da sie ihren Wohlstand und ihr ruhiges Leben bedroht sehen. Rechtspopulisten nutzen diese Situation aus, in dem sie Feindbilder kreieren, gegen die sie ihre jeweilige Nation verteidigen und schützen wollen.
    Sie behaupten, mit einer Wagenburgmentalität, mit Ausgrenzung vor allem von Muslimen und Widerstand gegen „Brüssel“, also der EU, die die nationale Selbstbestimmung untergräbt, ihr Volk schützen und retten zu können. Geert Wilders von der rechtspopulistischen PVV-Partei, der „Partei für die Freiheit“ machte von sich als radikaler Islam-Hasser reden.
    Über viele Jahre war er ein Außenseiter in der niederländischen Politik, bis die demokratischen Zentrumsparteien allmählich seine Slogans übernahmen und ihn damit salonfähig machten. Vor allem die langjährige Regierungspartei, die rechtsliberale VVD, wurde zum Steigbügelhalter Geert Wilders, als sie im letzten Wahlkampf nach Jahren der totalen Distanz erklärte, sie könne sich eine Koalition mit der PVV vorstellen. Damit war Wilders endgültig legitimiert, die Bevölkerung wählte lieber das Original als die Kopie, will heißen die VVD.
    In Frankreich ist Marine Le Pen noch nicht so weit. Aber sie arbeitet konsequent daran. Als sie die Partei ihres Vaters Jean-Marie Le Pen übernahm, hieß diese noch „Front National“ und war eine antisemitische, rechtsextremistische Partei alten Schlages. Von dieser Vergangenheit trennte sich Marine schnell. Sie warf ihren Vater aus der Partei, benannte sie in „Rassemblement National“ um und verbot strikt jegliche antisemitische Tendenz. Marine machte sich auf den Weg in die „Mitte“, ihre Slogans und Forderungen kommen sprachlich eleganter daher, wenngleich sie im Kern anti-muslimisch und damit durchaus rassistisch bleiben.
    Dabei kann sie jedoch punkten, da die finanzielle Überforderung Frankreichs, das Flüchtlingen großzügige Sozialhilfe gewährt, deren Status noch nicht einmal geklärt ist, wohingegen viele Franzosen nicht wissen, wie sie jeden Monat über die Runden kommen sollen, Probleme sind, die die etablierten Parteien kaum anrühren, da sie Angst haben, als Rassisten beschimpft zu werden.
    Le Pen will Frankreich wieder zur großen Nation machen und sich dabei auch von der EU nichts mehr sagen lassen. Der Slogan „den Franzosen ihr Geld zurückzugeben, den Franzosen ihr Land zurückzugeben“ verfängt immer mehr. Ihre Forderung, ein „Europa der Nationen“ zu schaffen, ist deckungsgleich mit den Forderungen anderer Rechtspopulisten in Europa, die die EU in ihrer jetzigen Form abschaffen wollen. Le Pen spricht sich sogar für Protektionismus aus.
    Doch sie erklärt den Franzosen nicht, wie Europa wirtschaftlich überleben soll, wenn es den europäischen Binnenmarkt nicht mehr gäbe, weil jeder sein eigenes Süppchen kocht. Auch wenn sie im Juli, anders als erwartet, die nationalen Parlamentswahlen nicht gewonnen hat, weil sich andere Parteien zusammentaten, um Le Pens Rassemblement National zu verhindern, so konnte sie dennoch einen Stimmenzuwachs verbuchen. Und das politische Chaos im Land lässt ihre Chancen für 2027 weiter wachsen. Das rechtspopulistische Programm verfängt immer mehr. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 16.10.2024 3sat
  • Folge 2 (40 Min.)
    Gaetano Azzariti, Professor für Verfassungsrecht an der Sapienza Universität und Präsident der Vereinigung Salviamo la Constituzione zum Schutz der italienischen Verfassung.
    Dort, wo Rechtspopulisten bereits an der Macht sind, wird deutlich, wie sie Demokratien von innen erodieren lassen. Sie übernehmen demokratische Institutionen und machen sie bedeutungslos. Am Beispiel Ungarns und Italiens zeigt der Film, wie Rechtspopulisten an der Macht vorgehen. Ungarns Viktor Orbán gab ab 2010 das Drehbuch vor: Er änderte die Verfassung, entmachtete die Justiz, ruinierte die freie Presse. Giorgia Meloni versucht nun das gleiche. Der entscheidende Unterschied zwischen Faschisten und Rechtspopulisten ist, dass letztere nicht die Absicht haben, die demokratischen Institutionen beiseite zu fegen.
    Totalitäre Regime, wie etwa Hitlers Nationalsozialismus, zerstörten, einmal an der Macht, sofort alle demokratischen Institutionen und setzten ihr eigenes System ein, das auch einen „neuen Menschen“ schaffen sollte. Der Einfluss des Faschismus reicht stets bis in die intimste Privatsphäre hinein. Rechtspopulisten haben kein solches Anliegen. Sie wollen „lediglich“ die Macht behalten, die Politik ihres Landes bestimmen und lassen den Menschen alle Freiheiten, es sei denn, sie beginnen sich politisch zu betätigen.
    Als Viktor Orbán 2010 die Wahlen gewann, war dies ein Erdrutsch-Sieg besonderer Art. Denn seine Fidesz-Partei gewann die Zwei-Drittel-Mehrheit und damit die Verfassungsmehrheit. Orbán konnte sich also ohne Koalitionspartner oder sonstiger Hindernisse sofort daran machen, den Staat so umzubauen, wie er das für sich benötigte. Er änderte als erstes die Verfassung, danach entzog er dem Verfassungsgericht seine Kontrollmöglichkeiten über die Politik, besetzte Richterpositionen neu. Dasselbe tat er in den staatlichen Medien und entwickelte ein System für den Verkauf von Werbung und Anzeigen an Medien, die vom Staat kontrolliert wurden und nur noch an Medien gingen, die staatstreu waren, respektive von seinen Freunden aufgekauft und übernommen wurden.
    Das alles geschah – und dies ist entscheidend – im Rahmen des Gesetzes. Eines Gesetzes, das seine Fidesz geschaffen hatte, doch stets regulär. Die Änderung der Verfassung, und damit der Voraussetzung für alles, was dann kam, war verfassungsregulär geschehen – eben mit einer Zweidrittelmehrheit. Auch wenn andere Rechtspopulisten in Europa wohl kaum darauf hoffen dürfen, einen ebensolchen Wahlerfolg einheimsen zu können, so haben sie dennoch dieses Drehbuch vor Augen, wenn sie an die Macht kommen.
    So eben auch Giorgia Meloni, die das „Glück“ hat, mit anderen rechten und ultrarechten Parteien zu koalieren, die zumindest in einigen Grundprinzipien mit ihr konform gehen. Meloni, gerade mal zwei Jahre im Amt, hat auch schon begonnen, das „Prinzip Orbán“ umzusetzen: Sie will die Verfassung ändern, damit sie bei den nächsten Wahlen direkt gewählt werden kann und dann mehr Macht bekommt. Und sie beginnt ebenfalls bereits die Presse zu attackieren.
    Unliebsame Journalisten verfolgt sie mit Strafprozessen, Interviews gibt sie kaum noch. Sie produziert lieber Videos, die sie komplett unter Kontrolle hat und verteilt diese dann zum Beispiel auch an das staatliche Fernsehen. Die Fragen, die sich für alle demokratischen Parteien Europas stellen: Sind sie in der Lage zusammenzustehen gegen die populistische Gefahr? Können sie den Menschen in Europa ein politisches Angebot machen, das ihre Sorgen und Ängste berücksichtigt und so auch jene wieder für die Demokratie zurückgewinnt, die ideologisch noch nicht ganz nach rechtsaußen abgedriftet sind? (Text: 3sat)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 16.10.2024 3sat
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