Gert Scobel spricht mit Gesundheitspsychologin Sonia Lippke, dem Soziologen Hartmut Rosa und dem Freundschaftsforscher Janosch Schobin über Einsamkeit in der modernen Gesellschaft. Einsamkeit ist keine Krankheit. Doch wer einsam ist oder sich einsam fühlt, erkrankt häufiger schwerer als andere Menschen. Haben wir es tatsächlich mit einer Epidemie zu tun? Warum kann Einsamkeit schaden – und welche positiven Seiten sind ihr auch abzugewinnen? Einsamkeit ist keine Fehlfunktion eines Organs, die mit einer Operation oder Medikamenten behoben werden kann. Doch Einsamkeit wird in der Gesellschaft immer mehr zum Problem, weil es immer mehr einsame Menschen gibt. Menschen, die im Alter vereinsamen, aber – noch erschreckender – auch immer mehr junge Menschen kämpfen mit dem Problem. Armut, Mobilität, die Digitalisierung, Individualisierung und zunehmende Urbanisierung können einsam machen. Und das macht krank. Im Gehirn wird Einsamkeit verarbeitet wie körperlicher Schmerz. Chronische Einsamkeit kann das Immunsystem schwächen, Schlafstörungen verursachen und sogar Herzinfarkte begünstigen. Depressionen, Angst und Scham können zu den psychischen Auswirkungen gehören. Und: Einsamkeit kann sogar ansteckend sein. Wie bemisst und definiert sich der Zustand der Einsamkeit eigentlich? Ist soziale Isolation Einsamkeit? Warum gilt
sie in westlichen Gesellschaften als Problem und Makel, derer man sich schämt, in Lateinamerika aber zum Beispiel als Aufforderung an die Mitmenschen, fürsorglich zu sein und sich dem Einsamen zuzuwenden? Und warum können soziale Medien, die eigentlich der Kommunikation und Kontaktpflege dienen, in die Vereinsamung führen? Wenn familiäre Strukturen in der hypermobilen und individualisierten Gesellschaft an Bedeutung verlieren und die digitale Technik das gesamte Lebensumfeld dominiert, nimmt die Bedeutung sozialer Beziehungen wie Freundschaften zu. Und auch Empathie, Bindungen und „Resonanz“ – so nennt der Soziologe Hartmut Rosa die Fähigkeit, in eine „Weltbeziehung“ zu treten – werden vor diesem Hintergrund viel wichtiger. Seit jeher haben Philosophen, Künstler und religiöse Traditionen die Einsamkeit aber auch als Mittel der Selbsterkenntnis, als Quelle der Kreativität und als Tor zu spirituellen Erfahrungen gesehen. Hat der moderne Mensch vielleicht den produktiven Umgang mit der Einsamkeit ein Stück weit verlernt? Die Gäste der Sendung sind: Sonia Lippke, Leiterin Gesundheitspsychologie und Verhaltensmedizin, Jacobs University Bremen; Hartmut Rosa, Professor für allgemeine und theoretische Soziologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena; Janosch Schobin, Lehrstuhl für Makrosoziologie, Universität Kassel. (Text: 3sat)