Den Ruhestand hätte Carla Del Ponte verdient. Die heute 68-Jährige hat in ihrem Leben viel gearbeitet, Millionen Seiten Akten studiert, zuerst als Tessiner Staatsanwältin und Mafiajägerin, dann als Bundesanwältin und später als Chefanklägerin des Jugoslawien-Tribunals. Doch der Krieg in Syrien, den Del Ponte als den grausamsten seit dem Zweiten Weltkrieg bezeichnet, fordert ihr Engagement. Seit drei Jahren ist Del Ponte Mitglied der UN-Kommission zur Untersuchung der Kriegsverbrechen in Syrien. Sie hat Flüchtlinge in Jordanien und im Libanon besucht und mit Dissidenten
des Assad-Regimes gesprochen. «Ich sehe es als Verpflichtung gegenüber der Schweiz und ihrer humanitären Tradition, in Syrien weiter zu ermitteln», sagt sie. Die Juristin reist in den Nahen Osten, um zu gewährleisten, dass ein internationales Gericht künftig genügend Beweise hat, um die Kriegsverbrecher in Syrien zu verurteilen. Wie schätzt sie die momentane Situation in Syrien ein? Wie begegnete sie Mafiajägern und Kriegsverbrechern? Wie ging sie mit der heftigen Kritik um, die man ihr zeitweise entgegenbrachte? Roger Schawinski fragt nach. (Text: SRF)