2025
Thomas Enders (DGAP-Präsident)
Folge 250In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Theo Koll mit Thomas Enders, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, über die Frage, was von einer zweiten Amtszeit Donald Trumps zu erwarten ist, wie gut Deutschland darauf vorbereitet ist und welche Herausforderungen auf Europa zukommen.
„Wir brauchen eine sehr viel raschere und dramatischere Steigerung der Verteidigungsfähigkeit unserer Streitkräfte“, sagt Thomas Enders, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Er nennt eine Größenordnung von drei, dreieinhalb Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das müsse über die Aufnahme neuer Schulden finanziert werden, so Enders weiter. „Unsere Dienste, amerikanische Dienste, Analysten sagen uns, spätestens Ende dieses Jahrzehnts wird Russland personell und materiell in der Lage sein, NATO anzugreifen, NATO-Staaten anzugreifen. Also, insbesondere die Ostflanke. Wir haben also nicht zehn oder zwanzig Jahre Zeit, unsere Streitkräfte wiederaufzubauen. Das geht nur über Schulden. Aber mittel- und längerfristig muss über eine Repriorisierung natürlich in diesem Land auch geredet werden. Und Priorität muss Sicherheit sein und das wird wahrscheinlich dann auch zu Lasten des Sozialen gehen müssen.“
Was ihm besonders Sorge mache, sei, dass Europa und Deutschland auf eine zweite Amtszeit Donald Trumps eigentlich nicht vorbereitet seien, so der DGAP-Präsident und frühere Airbus-CEO Enders. „Wir sind abhängig vom amerikanischen Sicherheitsversprechen bis hin zu der berühmten Nuklearfrage, der erweiterten nuklearen Abschreckung. Auch da hat übrigens Deutschland diverse Initiativen von Macron abtropfen lassen. Was ich für einen großen Fehler halte. Auch das Thema nukleare Abschreckung für Europa und in Europa wird ein Thema sein müssen, wo die Deutschen sich nicht ewig unter den Tisch wegducken können.“
Die französische Force de frappe sollte Enders zufolge „der Kern einer europäischen Nuklearstreitmacht“ sein, an der sich Deutschland dann beteiligen müsse. „Aber ein Europa mit einer gemeinsamen Außensicherheitspolitik mit stärkerem konventionellen Militär ohne Nuklearkomponente wäre fahrlässig.“
Mit Blick auf Russland erklärt Enders: „Wir sind im Grunde genommen schon in einem low-intensity conflict. Wenn Sie sich anschauen, was die Russen machen in der Ostsee, wenn Sie sich die Cyber-Angriffe anschauen, all diese Dinge – das ist ein low-intensity conflict. Und das will bei uns aber kaum jemand wahrhaben. Wir werden als Kriegspartei gesehen von Russland.“ Deutschland müsse also sofort mehr für seine Verteidigungsfähigkeit tun. „Ohne diese Steigerung in Deutschland kann es natürlich auch keine effiziente Verteidigungskomponente in der EU geben. Wir sind immer noch das größte Land, das stärkste Industrieland, ein Land mit sehr viel Technologie, insbesondere auch im Militärbereich.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 17.01.2025 Phoenix Barbara Slowik Meisel (Berliner Polizeipräsidentin)
Folge 251In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Jörg Thadeusz mit der Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik Meisel über das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger, ein Verkaufsverbot von Pyrotechnik und darüber, wie Polizistinnen und Polizisten mit mangelndem Respekt umgehen.
Große Städte wie Berlin würden bestimmte Milieus anziehen, sagt die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik Meisel: „Die ziehen Obdachlosenmilieus stärker an als ein Zweihundert-Seelen-Dorf im Flächenstaat. Die ziehen Trinkermilieus an, Drogenmilieus – all das, was wir in dieser Stadt sehen. Und wir gehen natürlich deutlich dagegen vor, wenn Straftaten begangen werden. Dafür sind wir verantwortlich als Polizei.“
Das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger hänge auch vom persönlichen Umfeld ab, erklärt Slowik Meisel: „Lebe ich in einer sozialen Community, in einer guten Nachbarschaft, die aufgeräumt ist, sauber ist oder lebe ich eigentlich sehr vereinzelt einsam in einer eher verwahrlosten Nachbarschaft. All das, wirtschaftliche Krisen, staatliche Krisen, Kriege, all das beeinflusst das subjektive Sicherheitsgefühl.“ Die subjektive Sicherheit und die objektive Sicherheit, die sich in der Kriminalstatistik ausdrücke, seien „nicht immer, aber häufig, zwei verschiedene Paar Schuhe.“
Mit Blick auf die Sicherheit von Jüdinnen und Juden und propalästinensische Demonstrationen in Berlin, sagt Slowik Meisel: „Ich bin sehr überzeugt davon und weiß, dass wir als Polizei Berlin jüdisches Leben hier in Berlin so schützen, mit allem Engagement, was wir haben und das ist auch das, was wir dauernd an Feedback wieder bekommen.“ Seit dem 7. Oktober 2023 habe es „um die 1000 propalästinensische Versammlungen“ auf Berlins Straßen gegeben. „Wir sind als Polizei Berlin, und das ist für uns immens wichtig, wir sind neutral. Wir gewährleisten die Versammlungsfreiheit.“ Man dürfe laut skandieren und sich echauffieren, so Slowik Meisel, doch Straftaten würden verfolgt: „Wir haben jetzt über 7000 Strafverfahren eingeleitet, also, wir sind mit voller Kraft da, wo es Straftaten gibt.“
Auf die Frage, ob Menschen mit Kippa in bestimmte nicht Stadtteile gehen sollten, erklärt Slowik Meisel: „Nein, ich würde nicht sagen, dass man gar nicht damit hingehen sollte.“ Sie ergänzt: „In einer offenen Gesellschaft, in einer demokratischen, toleranten Gesellschaft kann es eben keine 100%ige Sicherheit geben. Und ich halte das für nur vernünftig, dass man ab und an in jeder Großstadt, aber auch mittlerweile in kleineren Städten natürlich, ab und an um sich schaut, seine Umwelt mal kurz screent, was sich gerade um einen herum zuträgt. Und was ich sagen wollte, ist eben, es gilt in bestimmten Bereichen dann eben für jemanden, der eine Kippa trägt oder der sich offen homosexuell zeigt, vielleicht noch mehr als eben für mich, wenn ich dort durchgehe.“
Mit Blick auf die Ausschreitungen an Silvester und die Petition der Gewerkschaft der Polizei und der Deutschen Umwelthilfe zu einem bundesweiten Böllerverbot erklärt Slowik Meisel: „Verbote allein werden nicht dazu führen, dass wir keine Pyro mehr sehen, dass wir keine Kugelbomben mehr sehen in der Stadt.“ Es brauche ein Verkaufsverbot, so Slowik Meisel. „Das ist aus meiner Sicht und das ist, glaub ich, auch Sicht der GdP, deren Ansicht ich vollumfänglich auch mitvertrete, das ist das ganz Wichtige: Wir brauchen dann auch ein Verkaufsverbot.“ Allerdings gebe es selbst dann noch den Online-Handel und den ganzjährigen Verkauf in Polen und Tschechien gibt Slowik Meisel zu bedenken. (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 31.01.2025 Phoenix Sönke Neitzel (Militärhistoriker)
Folge 252In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Eva Lindenau mit Sönke Neitzel, Professor für Militärgeschichte an der Uni Potsdam, über den Bruch Donald Trumps mit der bisherigen Ukraine-Politik, die Rolle der Europäer, Defizite in der Sicherheitspolitik und über die Reform der Bundeswehr.
Der Militärhistoriker Sönke Neitzel ist nicht wirklich überrascht von Donald Trumps Bruch mit der bisherigen amerikanischen Ukraine-Politik, aber es sei in einer „schonungslosen Wahrhaftigkeit“ ausgesprochen worden: Eigentlich sei allen klar gewesen, dass es ein Mehr an militärischem Engagement der Amerikaner nicht geben würde und dass bei einem geringeren Engagement die Europäer mehr machen müssten, so Neitzel. Neitzel erinnert daran, „dass seit 2014, seit über 10 Jahren, reden wir darüber, Europa muss mehr machen, der strategische Fokus der USA wird auf dem Pazifik liegen und es wurde geredet, geredet und geredet. Und die Europäer dachten immer, naja, so schlimm wird es schon nicht kommen.“ Trump wisse, dass ohne die militärische Unterstützung der USA, auch konventionell in Europa relativ wenig passiere. „Die Europäer sind abhängig von den USA“. Und an dieser Abhängigkeit hätten sie in den vergangenen Jahren praktisch nichts verändert.
Die Bedrohungslage sei heute akuter als zu Zeiten des Kalten Krieges, erklärt Neitzel, denn „wir sind in einem hybriden Krieg mit Russland“. Zu Zeiten des Kalten Krieges habe weder die Sowjetunion noch die NATO den Status quo in Europa verändern wollen. „Das ist jetzt anders. Wir müssen davon ausgehen, dass Putin den Status quo verändern wird.“ Er werde uns testen, in dem er weiter versuche, die Gesellschaften „hybrid zu schwächen“, das sehe man gerade in Frankreich, in Deutschland, in anderen Ländern. Und dass er auch „mit militärischen Mitteln“ versuche, einen Schritt zu machen, in ein baltisches Land einmarschiere oder Spitzbergen besetze. „Also, einen Schritt zu machen, auf den man eigentlich militärisch reagieren müsste.“ Wenn die NATO dann nicht entschlossen reagiere, „ist es eigentlich das Ende der NATO“.
Neitzel geht davon aus, dass Trump als „Dealmaker“ versuchen werde, einen Deal mit Putin auszuhandeln. Die Wahrscheinlichkeit sei groß, dass weder die Ukraine noch die Europäer wesentlich daran beteiligt würden. „Nur mit militärischem Gewicht habe ich einen Einfluss in Diplomatie. Und das sehen wir jetzt. Das Gewicht der Europäer ist militärisch eigentlich zu schwach, als dass Trump gezwungen wäre, die Europäer mit an den Tisch zu lassen.“
Mit Blick auf die Bundeswehr mahnt Neitzel mehr Investitionen und weitreichende Reformen an. Er schätze Boris Pistorius sehr, betont Neitzel. Pistorius habe ja auch „die Strukturen so ein bisschen reformiert“, das gehe ihm jedoch nicht weit genug. „Ich würde mir da jemand wünschen, der mehr umsetzt, und ich würde mir vor allen Dingen, wenn es einen neuen Verteidigungsminister oder Ministerin gibt, jemanden wünschen, der sich nicht einarbeiten muss. Denn, wir haben keine Zeit.“ Wichtig sei ebenso, dass die Bundeswehr ihren Personalbedarf decken könne, „dass wir irgendwie eine Form der Wehrpflicht bekommen. Und da fand ich es einfach skandalös, dass der Bundeskanzler gesagt hat, die Bundeswehr hat kein Personalproblem.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 14.02.2025 Phoenix Sandro Gaycken (Experte für Cyberwar und Cyberspionage)
Folge 253In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Jörg Thadeusz mit Sandro Gaycken, Experte für Cyberwar und Cyberspionage über die Frage, wie bedroht Deutschlands kritische Infrastruktur ist, wie effektiv Schutz vor Hackern sein kann und warum die besten Hacker nicht unbedingt bei Behörden arbeiten.
„Das Schwierige an dieser Situation mit Russland und diesen kritischen Infrastrukturen ist, dass die bis jetzt in Schach gehalten wurden durch die Amerikaner“, sagt Sandro Gaycken, Experte für Cyberwar und Cyberspionage mit Blick auf mögliche Angriffe auf die kritische Infrastruktur in Deutschland. „Was die Russen abgehalten hat, kritische Infrastrukturen großflächig anzugreifen, war die Angst, dass sie selber zurückangegriffen werden.“ Die Russen oder auch die Chinesen würden auf genauso „verwundbarer IT sitzen wie wir“, so Gaycken weiter. Doch der Sicherheitsgarant seien immer die Amerikaner gewesen. Entsprechend sei Deutschland bei der Frage Cybersicherheit nicht gut aufgestellt: „Wir sind in allen Bereichen furchtbar unsicher. Auch die Bundeswehr ist so wahnsinnig schlecht ausgestattet, die Russen lachen sich da einen Keks.“
Unternehmen, die Cybersicherheit ernsthaft betreiben würden, müssten sich nur auf „ein Niveau hin investieren“, dass der Durchschnitt der Kriminellen sich ein einfacheres Ziel suche, sagt Gaycken, der auch schon die Bundesregierung und die NATO in Fragen der IT-Sicherheit beraten hat und heute u.a. Rüstungsfirmen berät. „Die wissen aber ganz genau, sobald die russischen oder chinesischen Topspione kommen, und da irgendwie reinwollen oder die Amerikaner, dann sind die Türen auf.“
Dass die besten Hacker nicht unbedingt beim Bundesnachrichtendienst zu finden seien, erklärt Gaycken mit der mangelnden „Flexibilität“ und vielen „rechtlichen Regularien“, aber auch mit den Gehältern. „Richtig gute Hacker“ würde von Silicon Valley-Firmen geworben, die selbst denen, die gerade von der Uni kämen, beispielsweise ein Jahresgehalt von 300000 Euro bieten würden. „Da können Behörden natürlich nicht konkurrieren.“
Das Bild, das in der Regel von Hackern im Fernsehen vermittelt werde, sei nicht realistisch, so Gaycken: „Man muss tatsächlich monatelang Code lesen. Also so ein Code für irgendeine Software sind ein paar Millionen Zeilen. Man muss sich da so gut auskennen, dass man dann Ambivalenzen in der Bedeutung von Codezeilen erkennen kann, dass man kleine Tippfehler erkennen kann. Man muss diesen Code erstmal kriegen, ist auch nicht so trivial. Und die richtig guten Hacker, die wir inzwischen haben, die sitzen halt echt den ganzen Tag zuhause und haben irgendeine Doku nebenbei laufen und lesen diesen Code Zeile für Zeile manuell durch.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 21.02.2025 Phoenix Norbert Röttgen (CDU-Außenpolitiker)
Folge 254In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Theo Koll mit Norbert Röttgen, CDU, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, über die Wende in Amerikas Außenpolitik, das Zerbrechen des deutschen Erfolgs- und Sicherheitsmodells, eine europäischere NATO und über rasche Hilfen für die Ukraine.
Der Außenpolitiker Norbert Röttgen, CDU, möchte das „eingefrorene russische Staatsvermögen“ für die Ukraine nutzen: „Es ist unverzichtbar, diese 300 Milliarden russischen Staatsvermögens wirtschaftlich zu nutzen und sie zur Basis eines Kapitalmarktinstrumentes zu machen.“ Damit hätte man „die militärische Unterstützung der Ukraine“ für einige Jahre finanziert.
Mit Blick auf Donald Trump und die absehbare Wende in der amerikanischen Außenpolitik attestiert Röttgen den vergangenen deutschen Regierungen „mangelnde politische Führungscourage“. „Dass Donald Trump gewählt werden würde, damit musste man rechnen. Dass er eine völlig andere Politik, Außenpolitik, Russlandpolitik, Ukrainepolitik, Europapolitik machen würde, das stand als wahrscheinlich fest. Und trotzdem hat es keine Veränderung gegeben.“ Und Röttgen weiter: „Wenn man das zugibt, dass das kommt, hätte es von der jeweiligen Bundesregierung, nicht nur von der letzten, grundlegende Änderung unserer Sicherheitspolitik, unserer Verteidigungspolitik, unserer Energiepolitik, unserer Finanzpolitik geben müssen. Es hätte Courage, Führungscourage bedurft und die vergangenen Regierungen haben das nicht aufgebracht. Sie haben gesagt: Wir warten mal, bis der Schaden da ist. Dann ist es ganz einfach, der Bevölkerung zu erklären, dass wir etwas ändern müssen.“
Von einer neuen Bundesregierung erwartet Röttgen die „Tugend des Mutes“. „Es klingt dramatisch, aber ich meine es ganz realistisch und nüchtern, dass wir untergehen werden, ohne die Tugend des Mutes.“ Es werde auch Verzicht geben müssen, so Röttgen, die Zeiten, in denen wir uns alles leisten können, seien vorbei. „Das ist wahrscheinlich der Kern sogar, warum es des Mutes bedarf zu sagen, den eigenen Wählern: Leute, im Sinne unserer Sicherheit, im Sinne des Bewahrens unseres Europas, der historischen Errungenschaft, können wir nicht mehr alles machen, sondern wir müssen jetzt dieses Wichtigste tun: Europa bewahren, die eigene Freiheit, die eigene Sicherheit in die Hand nehmen.“
Die Ukraine müsse ein „souveränes, entwicklungsfähiges, sicheres Land“ sein, so Röttgen weiter. Nur dann werde auch unsere Sicherheit gewährleistet. Dazu brauche die Ukraine „die militärische Fähigkeit, sich zu verteidigen, mit der materiellen Hilfe, der Unterstützungshilfe der europäischen Verbündeten.“ Vereinbarungen, die nun geschlossen würden, müssten „tragfähig“ sein. „Es wird nicht tragfähig sein, wenn ein Deal geschlossen wird, der auf Kosten der Sicherheit der Ukraine geht“. Das sei dann keine „Beendigung des Krieges, sondern aus Sicht von Putin eine taktische Feuerpause, die er dazu nutzen wird, sich vorzubereiten für die Fortsetzung des Krieges.“ Trump verfolge in seiner Ukraine-Politik keinen Plan, keine Strategie, so Röttgens Einschätzung. „Es ist keine Grand Strategy, die da verfolgt wird, sondern sehr viel situatives, kommunikatives Handeln.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 28.02.2025 Phoenix Wolfgang Schmidt (SPD, Chef des Bundeskanzleramts)
Folge 255In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Eva Lindenau mit Wolfgang Schmidt, SPD, Chef des Bundeskanzleramtes über das Thema Schuldenpolitik, Konflikte in der Ampel, das Wahlergebnis der SPD, die transatlantischen Beziehungen und über seine persönliche politische Zukunft.
„Man muss nach vorne gucken, und es lohnt ja nicht, darüber jetzt bitter zu werden“, sagt Wolfgang Schmidt, SPD, Chef des Bundeskanzleramtes mit Blick auf die Wende von Friedrich Merz in der Schuldenpolitik: „Das ist auch etwas, was Herr Merz, was die CDU mit sich und mit ihren Wählerinnen und Wählern ausmachen müssen. Ich finde schon, dass das jetzt nicht ganz ehrlich war im Vorfeld der Wahl.“ Er hätte sich gewünscht, so Schmidt weiter, dass auch die Ampel-Regierung sich diese Spielräume eröffnet hätte. „Da gab es einen Koalitionspartner, der das partout nicht wollte.“
Das, was die Union nun mache, sei kein „Zugeständnis“ an die SPD, sondern eine „objektive Notwendigkeit“, so Schmidt. „Die objektiven Fakten sind vor der Wahl so gewesen wie sie nach der Wahl waren. Und jetzt kann man eben nicht mehr mit einfachen Sprüchen oder wir lösen das alles durch magisches Wachstum auflösen, sondern muss sich mit der Haushaltsrealität beschäftigen.“
Zur Äußerung von Partei- und Fraktionschef Lars Klingbeil, die SPD werde keine faktischen Grenzschließungen mitmachen, was vielfach als rote Linie bei der Migration verstanden wurde, erklärt Kanzleramtschef Schmidt. „Er hat die Rechtslage dargestellt. Das ist ja auch so ein Thema, das mich ein bisschen bedrückt hat im Wahlkampf, dass da etwas suggeriert wurde, ich nenn das immer ‚Zauberstab-Politik‘, man müsste nur einmal wedeln, hex, hex und dann ist die irreguläre Migration bei Null. Nein, die Wahrheit ist: Wir müssen sehr viele Schrauben bis an den Anschlag drehen, damit das funktioniert, auf europäischer Ebene, auf Bundesebene, dann wieder im Vollzug der Länder, aber auch der Kommunen. Und deswegen, glaube ich, war es absolut richtig, dass der Partei- und Fraktionsvorsitzende gesagt hat, das europäische Recht kann man auch nicht einfach ändern.“
Es sei ein hohes deutsches und europäisches Interesse, die transatlantischen Beziehungen gut zu erhalten und mit jeder neuen Administration intensiv zusammenzuarbeiten, das habe Bundeskanzler Scholz wiederholt betont, sagt Schmidt, der auch Beauftragter für die Nachrichtendienste des Bundes ist. „Man muss sagen, dass zwischen den Diensten der Informationsaustausch auch funktioniert, und das ist nicht eine Einbahnstraße. Deswegen hoffe ich, weil der neue amerikanische Präsident ja auch eher transaktionell unterwegs ist, einen guten Deal richtig findet, dass wir ihm auch zeigen können, dass auch unsere Dienste zeigen können, dass wir für die Sicherheit der Vereinigten Staaten, ihrer Truppen weltweit was beitragen können.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 07.03.2025 Phoenix Thomas Wiegold (Journalist und Militärexperte)
Folge 256In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Inga Kühn mit dem Journalisten und Sicherheitsexperten Thomas Wiegold über die Chance auf einen Frieden in der Ukraine, nukleare Abschreckung, die Bundeswehr und die Sicherheit Deutschlands und Europas.
„Dass die Deutschen anfangen, über ihre Sicherheit mal zu reden und nachzudenken, das ist schon eine ganze Menge wert“, sagt der Journalist und Sicherheitsexperte Thomas Wiegold. „Wir haben dieses Thema über Jahrzehnte einfach an den Rand gedrückt. Ich akzeptiere jeden, der sagt, ich will keine Aufrüstung, ich will keine stärkere Bewaffnung, ich will schon gar keine Atomwaffen. Das ist alles nachvollziehbar. Aber wir haben uns der Debatte verweigert. Und das halte ich für ein Problem.“
Die Aussichten auf eine mögliche Waffenruhe im Krieg Russlands gegen die Ukraine betrachtet Wiegold eher mit Skepsis: „Einfach deswegen, weil wir eine russische Führung haben, einen russischen Präsidenten, die eigentlich bislang nicht von ihren Maximalforderungen abgerückt ist. Putin hat klar gemacht, er möchte eigentlich das Ende der unabhängigen Ukraine, nicht nur einzelne Geländegewinne, sondern im Grunde genommen eine andere Regierung in Kiew, einen anderen Präsidenten und eine andere Kontrolle Russlands über dieses Land.“ Auf der anderen Seite gebe einen US-Präsidenten, der „sehr erratisch“ handele. „Und das Beides zusammengenommen, lässt einen wirklich ein bisschen zweifeln, ob ein Waffenstillstand und erst recht, ob ein Frieden in Reichweite ist.“
Um die Bundeswehr gut aufzustellen, würde es wenig helfen, nur die Wehrpflicht wieder in Kraft zu setzen, sagt Wiegold, der auch den sicherheitspolitischen Blog „Augen geradeaus!“ betreibt. „Der Bundeswehr fehlt es an Gerät, an Ausbildern, schon an Kasernen für Wehrpflichtige. Und da sieht man einfach, dass dieses wieder in Kraft setzen eben nicht von heute auf morgen geht, sondern ein Prozess ist, der sich über Jahre hinzieht.“ Zudem verweist Wiegold darauf, dass ein Viertel der Freiwilligen ihren Dienst wieder abbreche. „Unter anderem, weil sie sagen, es ist so langweilig, weil es passiert ja nichts. Ich habe mich in ein Panzerbataillon gemeldet, aber es gibt keine Panzer, also gibt es auch keine Ausbildung. Ich dreh Däumchen, das muss ich nicht haben. Also, wenn schon ein Viertel der Freiwilligen nicht gehalten werden kann, ist es natürlich ein bisschen unsinnig zu sagen, mit einem Zwangsdienst löst man dieses Problem.“
Dass sich Deutschland und Frankreich darüber verständigen, die Force de Frappe auch auf Deutschland oder noch weiter östlich auszudehnen, hält Wiegold, Podcaster bei #sicherheitshalber, momentan für nicht „so wahrscheinlich“. Und selbst wenn, würde es eine ganze Weile brauchen, bis das „effizient“ und „glaubhaft“ wäre. „Und da sind wir bei dem Punkt, der für nukleare Abschreckung ganz entscheidend ist: Ist es glaubhaft, dass ein Land sagt, ich beantworte einen Angriff mit Atomwaffen? Da ist auch im Moment einfach das Grundproblem, dass die Politik von Donald Trump die Befürchtung weckt, dass die russische Seite sagt, naja, ihr meint es ja grundsätzlich gar nicht ernst mit der Abschreckung und das testen wir vielleicht mal.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 14.03.2025 Phoenix Monika Schnitzer (Ökonomin)
Folge 257In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Theo Koll mit Prof. Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, über das Finanzpaket der möglichen schwarz-roten Koalition, notwendige Reformen und Verzicht, darüber, wie die Wirtschaft zukunftsfähig wird und mögliche Zölle auf US-Dienstleistungen.
„Das ist etwas, was man auf jeden Fall in Erwägung ziehen muss“, sagt Monika Schnitzer, die Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, mit Blick auf mögliche Zölle auf US-Dienstleistungen, beispielsweise für social media-Anbieter. „Das ist aus verschiedenen Gründen auch wichtig, weil wir sehen mit Musk jemanden, der sein social media- Monopol sehr stark nutzt, auch um politisch Druck im eigenen Land auszuüben.“ Und Schnitzer weiter mit Bezug auf Donald Trump: „Man muss sozusagen die Waffen zeigen. Denn wir haben es hier mit einem Bully zu tun, wie auf dem Schulhof, der will erst das Pausenbrot und dann will er das Handy und am Ende das Fahrrad. Wenn man sich also hier nicht irgendwo wehrt und sagt, wir halten dagegen, dann werden wir den Kürzeren ziehen.“
Um die Wirtschaft hierzulande wieder zum Wachstum zu bringen, brauche es „Zukunftsinvestitionen“ beispielsweise in die Infrastruktur, die Bildung, die Verteidigung, aber auch in die Digitalisierung oder auch künstliche Intelligenz, sagt Schnitzer. „Denn damit wird in Zukunft das große Geld verdient. Und gleichzeitig machen wir uns dadurch unabhängiger. Denn inzwischen wollen wir ja nicht nur unabhängig von China sein, die möglicherweise, ja, bei uns ausspioniert. Wir müssen uns aktuell auch unabhängiger machen von den Vereinigten Staaten. Wenn Musk sagt, von uns keine Unterstützung mehr, die Satelliten dürft ihr nicht mehr nutzen, dann stehen wir ganz schön dumm da.“
Die Reform der Schuldenbremse, wie sie im Sondierungspapier stehe, bezeichnet Schnitzer als ein „wirklich wichtiges Signal“ und einen „Schritt in die richtige Richtung“. Allerdings würden sich im zweiten Teil des Sondierungspapiers Wahlversprechen befinden, „wo wir eigentlich schon vorher gesagt haben, da fehlt es jetzt an Reformbereitschaft. Da steht nichts über Reformen an der Rente, da stehen Wahlversprechen, die viel Geld kosten werden. Aber es steht nicht wirklich, wie man die Wirtschaft zukunftsfähig machen kann.
Und diese Art von Reformen, die vermisse ich bisher.“ Alle müssten jetzt „Zugeständnisse“ machen: Rentenanstiege, die wie bisher an die Entwicklung der Löhne gekoppelt seien, würden wir uns nicht mehr leisten können, erklärt Schnitzer. Bei einer möglichen Steuerreform dürften nicht „die Bestverdienenden am allermeisten“ davon profitieren und auch über Subventionsabbau, wie etwa Dieselsubventionen, müsse nachgedacht werden. „Wir können also hier verschiedene Themen ansprechen und dafür sorgen, dass alle am Ende irgendetwas beitragen.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 21.03.2025 Phoenix Ali Fathollah-Nejad (Iran-Experte)
Folge 258In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Jörg Thadeusz mit dem Politikwissenschaftler und Iran-Experten Ali Fathollah-Nejad darüber, wie gefestigt die Macht des Mullah-Regimes tatsächlich ist, wie sinnvoll Sanktionen sind, wie stark die Opposition ist und darüber, wie die Außenpolitik des Westens gegenüber dem Iran aussehen sollte.
„Es gibt eine Beschwichtigungspolitik gegenüber der Islamischen Republik“, sagt der Politikwissenschaftler Ali Fathollah-Nejad mit Blick auf die deutsche Iran-Politik. „Aber sie ist natürlich vollends gescheitert. Denn die Iraner reagieren eher nicht auf Schwäche oder leise Diplomatie, was sie als Schwäche auslegen, sondern auf Stärke.“ Das grundlegende Problem der Iran-Politik der letzten Jahre von der Biden-Administration bis nach Europa sei gewesen, so Fathollah-Nejad weiter, dass in Teheran der Eindruck entstanden sei, dass, egal was man mache, es keine harten Konsequenzen gebe, „weder auf Sanktionslevel, auch nicht militärisch“.
Fathollah-Nejad, der auch Gründer und Direktor des Center for Middle East and Global Order ist, spricht mit Blick auf die Stabilität der Islamischen Republik von einer „Scheinstabilität“ aufgrund struktureller Krisen und mangelndem Rückhalt in der Region. Hinzu käme eine „absolute historische Zäsur“ im vergangenen Jahr: „Das ist eine absolute geopolitische Revolution, was wir im letzten Jahr im Nahen, Mittleren Osten gesehen haben: Die sogenannte Achse des Widerstands, die von Iran angeführt wurde, mehr oder weniger zerstört wurde durch Israel, so dass die Islamische Republik nunmehr dasteht, wie ein Kaiser ohne Kleider.“
Aktuell gebe es eine große Nervosität seitens der iranischen Machthaber gegenüber Trump, erklärt Fathollah-Nejad. Trump habe dem Obersten Führer Chamenei einen Brief geschickt, und die iranische Seite gehe davon aus, dass eine Entwaffnung Irans gefordert werde. „Also, es geht nicht mehr nur um das Atomprogramm, dass es zurückgefahren wird, sondern es geht auch um die Beschränkung des Raketenprogramms und auch um die Beschränkung der Finanzierung der Achse des Widerstands durch Iran. Mit anderen Worten: Es geht um das Ende des Business- Modells der Islamischen Republik. Die Iraner fürchten -nicht zu Unrecht-eine Kapitulation unter einem Trumpschen Diktat.“
Mit Verweis auf das Assad-Regime macht Fathollah-Nejad deutlich, dass Diktaturen „eigentlich auch schwach“ seien und schnell kollabieren könnten, zumal, wenn die Unterstützung innerhalb der Bevölkerung fehle: „Wir haben ähnliche Risse und Szenarien auch in der Islamischen Republik Iran. Also, die Bevölkerung steht nicht hinter dem Regime, sondern ist gegen das Regime. Auch gibt es Risse innerhalb des Sicherheitsapparates. Also ist die Frage, wie sich dann die Streitkräfte tatsächlich positionieren, falls es zum nächsten großen Aufstand kommt. Und dieser Aufstand wird wahrscheinlich früher oder später kommen.“ Für Politikwissenschaftler Fathollah-Nejad ist klar, „dieses System liegt im Sterben“. Die große Mehrheit der iranischen Bevölkerung wolle „eine Demokratisierung, eine Säkularisierung, ein Ende der Diktatur.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 28.03.2025 Phoenix Andreas Reckwitz (Soziologe)
Folge 259In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Theo Koll mit dem Soziologen Andreas Reckwitz über die Verlusterfahrungen unserer Gesellschaft, das Ende der Gewissheiten, den Aufstieg des Populismus und die Gefahren für die Demokratie.
„Wir erleben ja im Moment, in der Gegenwart eine ganze Reihe von Verlusterfahrungen“, sagt der Soziologe und Kulturwissenschaftler Andreas Reckwitz und nennt u.a. das „Ende des Westens, wie wir ihn kannten“, etwas, das von der Trump-Regierung nochmal forciert werde. „Die Erosion einer Weltordnung, die vom Westen dominiert ist, das ist ein zentraler Prozess der letzten Jahre. Also auch mit dem Aufstieg Chinas, auch mit der aggressiven Politik Russlands und nun aber auch quasi eine Erosion des Westens selber. Das ist, denke ich, das, wofür auch Trump steht, dass die europäisch-amerikanische Sicherheitsarchitektur erodiert.“ Und Reckwitz erwähnt ebenso das Ende der Handelsfreiheit, „der Globalisierung wie wir sie seit den 90er Jahren kennen“, deren Ende nun durch die USA forciert werde.
In den vergangenen zehn Jahren habe es „verschiedene Einschläge“ gegeben, so Reckwitz, die eigentlich nicht in das „westlich-liberale Fortschrittsnarrativ“ hineingepasst hätten. Reckwitz nennt beispielsweise den Brexit, die erste Wahl von Donald Trump, Russlands Angriff auf die Ukraine und den Aufstieg des Populismus, viele Dinge, die auch bei ihm persönlich zu einer „Ernüchterung“ und „Desillusionierung“ geführt hätten: „Wir sehen, dass es zu einfach wäre, davon auszugehen, dass es also eine eindeutige Fortschrittsentwicklung gibt.“ Zwar hätten die modernen Gesellschaften immer auch Verlusterfahrungen erlebt, Verluste seien sozusagen ein Grundbestandteil überhaupt des Menschseins, erklärt Reckwitz. Gleichzeitig lebe die Moderne von einem Fortschrittsversprechen: „Man glaubt, dass die Zukunft eine Verbesserung gegenüber der Gegenwart darstellt.“ Und man erwarte von der Politik, dass sie die Lebensbedingungen verbessere.
Nun verliere die westliche Moderne ihre Dominanz weltweit und implodiere sogar in ihrer inneren Struktur, konstatiert Reckwitz: „Das ist neu. Und das verunsichert natürlich massiv.“
Der Aufstieg des Populismus -ob in den USA, Frankreich oder Deutschland – sei ein Symptom dafür, dass es eine massive Unzufriedenheit in Teilen der Bevölkerung gebe, so Reckwitz, eine Unzufriedenheit auch darüber, dass das Fortschrittsversprechen nicht mehr funktioniere. Die sogenannten Modernisierungsverlierer hätten bereits durch die Deindustrialisierung Verluste erlebt. Und es gebe Ängste, dass man in der Zukunft Verluste erleiden könne. Profitieren würde der Populismus. „Der Populismus ist ja deswegen auch so erfolgreich, weil er ja sehr effektiv, gerade mit den Verlustängsten spielt. Also, man könnte sagen, Populismus ist Verlustunternehmertum.“
Verlusterfahrungen könnten auch dazu führen, dass Menschen verbittern, dass sie sehr wütend werden, sagt Reckwitz: „Das erleben wir ja alles.“ Wichtig sei, dass die liberale Demokratie für viele Menschen kein Wert an sich sei, sie sei vielmehr „ein Mittel zum Zweck“. Sie solle Verbesserungen liefern: „Das hat sie ja eigentlich auch versprochen bei der Französischen Revolution, Verbesserungen der Lebensbedingungen für die Bevölkerung. Und wenn das nicht mehr der Fall ist, dann kann die Demokratie, denke ich, ein Legitimationsproblem bekommen.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 11.04.2025 Phoenix Prof. Andreas Rödder (Historiker)
Folge 260In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Inga Kühn mit dem Historiker Andreas Rödder über seine Erwartungen an eine Regierung von Friedrich Merz, über Asyl- und Einwanderungspolitik, den Umgang mit der AfD und seinen Blick auf Donald Trump.
„Mir ist sogleich aufgefallen, dass Friedrich Merz sich auch nicht um Quoten gekümmert hat, sondern dieses Kabinett offensichtlich nach Köpfen zusammengestellt hat und nicht nach Proporz und Quoten. Und das finde ich eigentlich eine gute Nachricht“, sagt der Historiker Andreas Rödder, der an der Universität Mainz den Lehrstuhl für Neueste Geschichte hält und von 2022 bis 2023 Vorsitzender der CDU-Grundwertekommission war. Mit Karsten Wildberger, Wolfram Weimer und Katherina Reiche seien drei Personen in der Ministerliste, die „nicht aus dem innersten Politikbetrieb der Fraktion oder der Partei kommen“, so Rödder weiter. „Das ist ein Kabinett, dem man jetzt erst mal Kredit geben muss und das jetzt mal loslegen muss.“ Er habe die Hoffnung, „dass diese Regierung jetzt mit den Köpfen in die Richtung geht, die die Wähler der CDU von der CDU oder von der Union auch erwartet haben.“
In der Migrationspolitik müsse ein „substanzieller Wechsel“ stattfinden, sagt Rödder, der auch Leiter der liberal-konservativen Denkfabrik R21 ist. Dies würde bedeuten, „dass wir endlich dazu kommen, Flucht und Asyl, Migration auf der einen Seite und Einwanderung auf der anderen Seite voneinander zu unterscheiden, weil beides ganz unterschiedlichen Logiken folgt. Die Flucht, Migration folgt der Logik des Flüchtenden und seinen Rechten auf Schutz. Die Einwanderung folgt den Interessen der aufnehmenden Nationen an Fachkräften. Und wenn man auf die Idee käme, das mal wirklich konsequent zu trennen und nicht nur immer durcheinander zu werfen, dann könnten wir ein konzentriertes humanitäres Asylrecht auf der einen Seite betreiben und zugleich eine konstruktive Einwanderungspolitik, die unser Land ja auch dringend braucht, auf der anderen.“
Mit Blick auf den Umgang mit der AfD, erklärt Rödder, dass der künftige Unions-Fraktionschef Jens Spahn eine „überfällige Diskussion“ angestoßen habe und er die Rede von der Brandmauer für „unterkomplex“ halte, weil sie Menschen „pauschal und generell“ ausschließe.
„Deswegen habe ich schon vor einiger Zeit vorgeschlagen, keine Brandmauern zu bauen, sondern rote Linien zu ziehen. Rote Linien, die Themen markieren, die auch radikale Personen markieren und die einen Habitus der Verächtlichkeit markiert und sagt: Hier ist die rote Linie, jenseits derer wir als Demokraten nicht sprechen. Aber diesseits dieser roten Linie sollten wir miteinander im Gespräch sein und genau die demokratische Auseinandersetzung führen, die die Demokratie verdient und von der die Demokratie auch lebt.“
Bei der Betrachtung der Politik Donald Trumps mahnt Historiker Rödder zu Differenzierung: „Wenn wir in Deutschland über die USA und über Trump reden, dann sind wir da mit einem Maß an Herablassung und an Überlegenheitsgefühl im Gange, wo ich mir denke, Freunde, machen wir uns doch mal klar, wer hier eigentlich wo steht. Und Trump ist total disruptiv, auch sehr erratisch im Auftreten, der hat einen ganz eigenen Politikstil.“ Diese Art der Außenpolitik, Selenskyj im Oval Office zu demütigen und dann die große Versöhnungsgeste im Petersdom zu inszenieren, falle aus jedem Lehrbuch der Diplomatie. „Aber ich glaube, wir tun gut daran, jetzt uns nicht einfach darüber zu erheben, sondern das Ganze differenziert zu betrachten.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 02.05.2025 Phoenix Johannes Vogel (Generaldirektor des Berliner Naturkundemuseums und Botaniker)
Folge 261In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Jörg Thadeusz mit Johannes Vogel, dem Generaldirektor des Naturkundemuseums Berlin, über das Verhältnis Mensch-Natur, seine Passion für die Pflanzen, über Wissenschaftsfeindlichkeit und die Aufgabe von Naturkundemuseen.
„Lasst uns schützen, was wir haben. Lasst uns smart die Natur verwalten, dass möglichst viele Menschen auf diesem Planeten ein gutes und gesundes Leben haben“, fordert Johannes Vogel, Generaldirektor des Museums für Naturkunde in Berlin. Vogel erklärt, dass das „läppische“ 250 Milliarden Euro kosten würde. „Wir hangeln uns von einem drei Jahresprojekt zum nächsten. Wir brauchen aber für große gesellschaftliche Aufgaben sichere Finanzierung und Perspektive. Die Intelligenz ist in Deutschland da, das Geld ist in Deutschland da, die Sammlungen sind in Deutschland da und der Wille der Wissenschaffenden. Und wir könnten die Gesellschaft mitnehmen.“ Als „Blütenträume“ bezeichnet Vogel die Idee, ausgestorbene Arten wie beispielsweise die Wandertaube oder das Mammut mittels moderner Technik „wiederauferstehen“ zu lassen. „Man kann die Wandertaube vielleicht wieder auferstehen lassen, aber nicht die ganzen Parasiten, die mit der Wandertaube ausgestorben sind.“
Für Vogel fällt den Naturkundemuseen eine zentrale Aufgabe beim Natur- und Artenschutz zu. „Ich glaube, dass es essenziell wichtig ist, dass wir den Einfluss, den wir auf die Natur ausüben, vorhersagen können. Und dafür braucht man Naturwetterstationen, die kann man heute mit modernster deutscher Technik bauen. Aber man muss auch einen Blick in die Vergangenheit der Natur haben, um diese Messreihen, die es für Wetterbeobachtung jetzt schon seit 150 Jahren gibt, auch herzustellen, damit man die Vorhersagen genauer machen kann. Und dafür braucht man die Sammlungen von Naturkundemuseen. Die können diese technologischen Innovationen vervollständigen und uns erklären, wie wir den Blindflug, den wir in Bezug auf die Natur ausüben, abstellen können.“
Die Wissenschaft sieht Vogel in der Verantwortung, die Faszination für ihre Zunft, besser „zu verkaufen“: „Die Wissenschaftsfeindlichkeit, die wir jetzt wahrnehmen in verschiedenen Ländern, die hat meiner Ansicht nach auch damit zu tun, dass die Wissenschaft sich nicht genügend um das Verkaufen der eigenen Zunft und der eigenen Interessen kümmert.“
Zu seiner eigenen Passion für die Pflanzenwelt, erklärt der Botaniker Johannes Vogel: „Also, wenn man es von hinten her betrachtet, glaube ich, war da die Natur, sozusagen der rote Faden, der da durchläuft. Ich habe Inselwissen um Pflanzen, das hilft. Ich bin sehr passioniert für Pflanzen, aber eben auch für Natur und auch insbesondere für die Mensch-Natur-Beziehung. Und das hat mich mein Leben lang motiviert und getragen.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 09.05.2025 Phoenix Felix Lee (China-Kenner und Journalist)
Folge 262In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Inga Kühn mit dem Wirtschaftsjournalisten und China-Kenner Felix Lee über das China-Bild in Deutschland, wirtschaftliche Abhängigkeiten, das Verhältnis Russlands zu China und seine eigenen Erfahrungen in dem Land.
„Das Kräftemessen geht definitiv weiter“, sagt der Wirtschaftsjournalist und China-Kenner Felix Lee mit Blick auf die Zollpolitik der USA und Chinas. Auch wenn die Zölle auf chinesische Waren in die USA jetzt von 145 Prozent auf 30 Prozent gesenkt würden, sei das immer noch eine Menge. „Grundsätzlich muss man aber auch sagen -und das ist ja nicht nur Trump-, der Konflikt zwischen China und den USA, der ist ja das zentrale Thema für die Amerikaner – sowohl für die Republikaner als auch für die Demokraten. Die wirtschaftlichen Abhängigkeiten von China – das wollen sämtliche Politiker in den USA angehen. Also, insofern richte ich mich zumindest darauf ein, dass uns das Thema noch eine ganze Weile verfolgen wird.“
Zwar würde auch China unter den Handelszöllen leiden, so Felix Lee, doch seien die Chinesen -anders als die Europäer – besser darauf vorbereitet und hätten Abhängigkeiten vom Westen, vor allem im technologischen Bereich, abgebaut. Umgekehrt habe China neue Abhängigkeiten geschaffen, beispielsweise mit den Seltenen Erden, die notwendig für moderne Technologien seien. „Und das bringt natürlich auch Trump in die Bredouille, das merkt er jetzt erst. Aber es bringt natürlich auch die Europäer in die Bredouille, weil diese Abhängigkeit groß ist und man deswegen den Chinesen nicht einfach sagen kann, okay, wir wollen euch jetzt so oder so bestrafen, weil China hat jetzt immer eine Gegenwaffe.“
China sei heute unter Xi Jinping „ein machtpolitisch viel aggressiverer Player als es noch in den Nuller- oder auch zu Beginn der Zehner-Jahre war“, erklärt Felix Lee, Redakteur im SZ Dossier Geoökonomie. „Und diese Abhängigkeiten bis hin zur Erpressbarkeit, die sind natürlich auch für Deutschland ein handfestes Problem, die gilt es schon auch abzubauen, weil politisch erpressbar sein will man von keinem Land, vor allem nicht von China.“ Wenn er dem neuen Bundeskanzler Friedrich Merz einen Rat geben solle, würde er sagen, „hinter verschlossenen Türen lässt sich alles auf den Tisch bringen.“ Man solle den Verhandlungspartner allerdings nicht in der Öffentlichkeit „düpieren.“ „Und hart verhandeln, das geht auch, das tun die Chinesen auch.“ Insofern solle sich Friedrich Merz nicht zu sehr zurücknehmen, „weil Deutschland ist eben nicht nur ein kleiner Player von vielen, sondern doch auch aus chinesischer Sicht ein ganz wichtiger Player.“
Mit Blick auf das chinesisch-russische Verhältnis und Russlands Krieg gegen die Ukraine, sagt Lee, dass China der große Nutznießer aus diesem Krieg sei. „Russisches Gas, das vorher billig nach Europa floss, das fließt jetzt nach China. Die Sanktionen, die westlichen Sanktionen, in diese Lücken sind die Chinesen vorgedrungen.“ Und nun sei plötzlich Russland, das lange Zeit ein Rivale Pekings und so etwas wie der große Bruder war, „der Juniorpartner der Chinesen. Russland ist jetzt abhängig von China.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 16.05.2025 Phoenix Philipp Amthor (CDU-Politiker)
Folge 263In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Eva Lindenau mit Philipp Amthor, CDU, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung über seine neue Aufgabe, den Bürokratieabbau in Deutschland, persönliche Fehler und den Umgang mit der AfD.
„Natürlich ist es eine Erwartung, die riesig ist an die neue Bundesregierung, und sie muss auch zeigen, dass sie das, was sie vor der Wahl versprochen hat, auch umsetzen kann“, erklärt Philipp Amthor, parlamentarischer Staatssekretär im neu geschaffenen Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung. Das betreffe eine „funktionierende, bessere, schnellere Staatsverwaltung“, aber auch die Wirtschaftspolitik, die innere Sicherheit, die Migrationskrise. „Es gibt eine Riesenerwartung an diese Regierung, die müssen wir auch erfüllen. Aber ich sage auch aus voller Überzeugung, das machen wir nicht aus Angst vor der AfD, sondern für die Bürger in diesem Land. Denn das ist das, was uns treiben sollte. Und ich bin fest davon überzeugt, dass wir eine harte und klare Auseinandersetzung brauchen mit der AfD.“
Das Thema AfD-Verbot sieht Amthor „auch bei der aktuellen juristischen Lage eher skeptisch“: „Wir müssen politisch bekämpfen, dass es Parteien gibt, die glauben, es gibt Deutsche erster und zweiter Klasse. Wir müssen es bekämpfen, dass es Parteien gibt, die glauben, Deutschland könne sich aus seiner historischen internationalen Verantwortung herauslösen, die irgendwie näher an Peking und an Moskau sind als an unseren europäischen Werteüberzeugungen. Das muss man politisch adressieren, das wird sich nicht allein durch ein Parteiverbotsverfahren lösen lassen. Ich sehe im Moment jedenfalls da ein hohes Risiko auch eines Scheiterns.“
Mit Blick auf eines der zentralen Anliegen der neuen Regierung und auch des neuen Ministeriums für Digitales und Staatsmodernisierung, nämlich das Thema Bürokratieabbau verstärkt angehen zu wollen, erklärt Amthor, dass die Politik bei diesem Themenfeld „in den letzten Jahren die Glaubwürdigkeit nahezu vollständig verspielt“ habe. „Deswegen ist es wichtig gewesen im ersten Schritt, dass wir bei uns selbst anfangen mit den Reformen, auch bei uns selbst sparen. Wir haben deswegen ja auch gesagt, wir müssen auch die Ministerialverwaltung verschlanken, müssen mit weniger Personal bessere Arbeit machen. Wir werden also 8 Prozent der Stellen in den Ministerialverwaltungen abbauen.“
Bei der Staatsmodernisierung gehe es auch um die „alltäglichen Dinge“, sagt Amthor. Ein Beispiel dafür sei die Digital Wallet, eine digitale Brieftasche sozusagen, die es ermögliche, „wichtige Dokumente, etwa den Personalausweis, perspektivisch auch den Führerschein, die Identifikationsmöglichkeiten gegenüber dem Staat, dass man die auch auf dem Handy mit dabei hat.“
Mit Blick auf die damalige Lobby Affäre um Augustus Intelligence und möglichen Lehren daraus, erklärt Amthor: „Nicht alles, was rechtlich möglich ist, ist politisch vertretbar, ist politisch richtig. Und ich glaube, es ist ganz wesentlich, dass man eine klare Distanz und Trennung auch hat zwischen wirtschaftlichen Beziehungen, die Politiker, wenn sie nicht Amtsträger sind, dann ja eben auch haben können. Das ist die Idee gewesen auch des Abgeordnetengesetzes. Das aber klar zu trennen ist für mich eine Erwartung oder auch ein Rückschluss, den ich daraus gezogen habe.“ Integrität sei „oberstes Gut der Politik“, Vertrauen sei wesentlich: „Das darf man nicht gefährden.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 23.05.2025 Phoenix Sarna Röser (Familienunternehmerin)
Folge 264In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Jörg Thadeusz mit der Unternehmerin Sarna Röser über ihre Erwartungen an die neue Bundesregierung, über Zuwanderung und Fachkräftemangel, ihr politisches Engagement und ihr Aufwachsen in einer Unternehmerfamilie.
„Ich bin zumindest jetzt mal mit der neuen Bundesregierung optimistisch und ich glaube, sie hat auch einen Vorschuss verdient“, sagt die Unternehmerin Sarna Röser. Es brauche einen Aufbruch in unserem Land, so Röser weiter. Sie begrüßt, dass Friedrich Merz eine Regierung zusammengestellt habe, „wo einige Köpfe aus der Praxis kommen, weil genau das brauchen wir.“ Wirtschaft sei nicht alles, aber ohne Wirtschaft sei alles nichts, ergänzt Röser. „Das heißt, wir haben jetzt jemand an der Spitze, der verstanden hat zumindest, dass wir hier am Standort Deutschland schauen müssen, dass wir wettbewerbsfähig sind gegenüber anderen Ländern, dass wir die Arbeitsplätze hier erhalten müssen, dass wir Rahmenbedingungen brauchen, damit ich als junge Familienunternehmerin hier überhaupt eine Chance habe.“
Sarna Röser, ehemalige Bundesvorsitzende des Wirtschaftsverbandes „Die jungen Unternehmer“, ist designierte Nachfolgerin des Familienunternehmens Zementrohr- und Betonwerke Karl Röser & Sohn. Ihr sei klargeworden, dass sie sich auch „politisch einmischen“ müsse, wenn sie ein Familienunternehmen führen wolle, erklärt Röser: „Ich bin in keiner Partei, ich bin auch überparteilich unterwegs, aber mir ist aufgefallen, dass, wenn wir als Unternehmer, als Start up-Gründer keine Stimme haben und wenn wir uns auch nicht äußern, was wir am Standort Deutschland brauchen, dann bestimmen andere unsere Agenda.“
Sorgen bereite ihr, dass es eine Art „Rollback“ gebe, so Röser, in Richtung „der Staat ist derjenige, der alles für uns regelt“. Doch dieser „Vollkasko-Staat“, der in den letzten Jahren aufgebaut worden sei, „der ist nicht gesund und der ist nicht gut.“
Röser verweist dabei u.a. auf das Bürgergeld: „Wir sprechen immer über den Arbeits- und Fachkräftemangel in unserem Land, gleichzeitig sehen wir aber auch, dass wir Anreize schaffen wie das Bürgergeld, wo sich Mitarbeiter oder potentielle Mitarbeiter auch fragen, okay, warum soll ich überhaupt arbeiten gehen?“ Auch beim Thema Migration habe man falsche Anreize geschaffen, so Röser: „Klar gibt es auch viele, die wir schützen müssen, aber natürlich auch einige, die in unser Sozialsystem einwandern und darüber müssen wir offen und ehrlich sprechen, dass es so nicht funktioniert.“
Es sei durchaus ein Privileg in einem Familienunternehmerhaushalt aufzuwachsen, sagt Röser. Doch habe man auch eine große Verantwortung. „Wir haben die letzten Jahre viele Krisen erlebt und gesehen. Und Unternehmer, die wirklich auch Nachhaltigkeit und nachhaltiges Denken in der DNA haben, Verantwortung tragen für Mitarbeiter, die wissen natürlich auch, okay, wenn’s meinem Unternehmen nicht gut geht, wenn ich keinen guten Job mache, wenn sich die Rahmenbedingungen am Standort Deutschland verschlechtern, dann habe ich auch die Verantwortung. Und da kann natürlich alles sehr schnell auch weg sein.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 30.05.2025 Phoenix Caroline Weimann (JoinPolitics-Gründerin)
Folge 265In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Theo Koll mit Caroline Weimann, der Gründerin der gemeinnützigen Organisation JoinPolitics über ihre Suche nach neuen politischen Talenten, authentischen Politikerinnen und Politikern sowie Resilienz im politischen Alltag.
„Es ist die Zeit, wo jeder drüber nachdenken sollte, wie er oder sie sich einbringen kann, sei es politisch zu kandidieren oder eben sich auch anders politisch einzubringen“, erklärt die Gründerin und Co-Geschäftsführerin der gemeinnützigen Organisation JoinPolitics Caroline Weimann. „Wir kommen aus einer sehr individualistischen Zeit, wo alle gesagt haben, die Politik kann das schon irgendwie lösen, das läuft irgendwie so. Und ich kann mich auf mein Privates konzentrieren, und die Zeit ist meines Erachtens mehr als vorbei.“
Alle Talente, die sie mit JoinPolitics fördern würden, strebten perspektivisch ein politisches Amt oder Mandat an oder würden ein Thema von außen in die Politik tragen, z.B. über Gesetzesinitiativen, so Caroline Weimann, die für ihr Projekt 2024 vom „Handelsblatt“ zur Sozialunternehmerin des Jahres gekürt wurde. Zu den geförderten Persönlichkeiten zählen beispielsweise die aktuelle Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) oder Luca Piwodda, der jüngste Bürgermeister in Brandenburg (Gartz an der Oder), der gleich eine eigene Partei gegründet hat.
„Bei der Persönlichkeit schauen wir darauf, dass das Menschen sind, die besonders umsetzungsstark sind, die besonders mutig sind, und eben in der Lage sind, auch sich selbst und Strukturen zu hinterfragen“, erklärt Weimann. Sie würden vor allem Personen fördern, die Politik neu und moderner gestalten möchten. „Da suchen wir eben nach diesen besonders kreativen, innovativen Persönlichkeiten, die aber eben auch die politischen Prozesse verstehen, sich darauf einlassen und dementsprechend auch eine große Resilienz mitbringen.“
Der weitverbreiteten Meinung, der Einzelne könne nicht viel ausrichten, widerspricht Caroline Weimann: „Das eigene Engagement holt einen auch aus dieser Ohnmacht raus und holt uns auch als Gesellschaft aus dieser Ohnmacht raus“, sagt Caroline Weimann. Sie verweist mit dem Beispiel der Autorin Natascha Sagorski darauf, dass auch eine einzelne Person etwas erreichen könne, was das Leben sehr vieler Menschen berühre. Sagorski -gefördert von JoinPolitics- habe sich jahrelang für einen gestaffelten Mutterschutz nach Fehlgeburten eingesetzt, was schließlich im Januar 2025 als Bundesgesetz verabschiedet wurde und seit Juni gelte. (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 06.06.2025 Phoenix Prof. Carlo Masala (Sicherheitsexperte)
Folge 266In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Eva Lindenau mit Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München über das „Manifest“ führender SPD-Politiker, darüber, welche Strategie Donald Trump mit dem Einsatz des Militärs in Los Angeles verfolgt und über die Frage, ob und wann Russland die NATO testen könnte.
Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München geht mit den Unterzeichnern des „Manifests“ hart ins Gericht. In dem Grundsatzpapier haben SPD-Politikerinnen und -Politiker um den ehemaligen SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und Ralf Stegner u.a. für einen Kurswechsel in der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und für Gespräche mit Russland geworben.
„Wenn ich mir angucke, wer dieses Manifest unterzeichnet hat, ich sag mal, das sind fünf Mitglieder des Deutschen Bundestages, alle ohne herausgehobene Funktionen. Zwei davon sind bekannt, das ist Rolf Mützenich und das ist Ralf Stegner. Der Rest ist sehr oft aus der Arbeitsgruppe über 60 der SPD. Da kämpfen Menschen mit ihrem alten Weltbild, das sie sozusagen jetzt verloren sehen und können nicht akzeptieren, dass sich die Welt geändert hat und kommen mit Lösungen, die in den 90er Jahren sicherlich adäquat waren, die aber heute nicht mehr der Realität entsprechen. Also, von daher bedauere ich eher die Unterzeichner dieses Manifestes als dass ich mich darüber ärgere, dass so ein Manifest überhaupt in der Welt existiert.“
Masala kritisiert die „Kriegslogik“, die vom „Manifest“ vorgeworfen würde: „Dieser ganze Prozess, den europäische Regierungen jetzt sozusagen beginnen zu unternehmen mit Blick auf militärische Fähigkeiten, der kommt ja nicht aus dem Nichts. Der kommt ja nicht, weil man einen Krieg gegen Russland will. Der kommt ja, weil wir es mit einem imperialen Russland zu tun haben, von denen viele befürchten, unter anderem die Geheimdienste, dass Putin sich mit der Ukraine oder Russland sich mit der Ukraine nicht zufriedengeben wird.“ Es gehe den europäischen Regierungen also um Verteidigung, betont Masala, es gehe nicht um Kriegsvorbereitungen in dem Sinne, dass man einen Angriffskrieg durchführen wolle.
„Das suggeriert aber dieses Manifest. Und von daher finde ich das in diesem Punkt zum Beispiel sehr unverschämt, weil es denjenigen, die eine Sorge dafür haben, dass der gesamte europäische Kontinent destabilisiert werden könnte und zwar durch ein neoimperiales Russland, letzten Endes eine Umkehr stattfindet, indem man diesen Menschen vorwirft, sie wollen letzten Endes einen Krieg gegen Russland vom Zaun brechen.“
Mit Blick auf den Einsatz des Militärs in Los Angeles, erklärt Masala, dass das Militär jetzt politisiert werde. „Das ist der Versuch, den wir bei der Trump-Administration ja sehen, autoritäre Tendenzen in dieses politische System der USA einzufügen.“ Missliebige Aktionen wie beispielsweise Demonstrationen in Los Angeles würden „autoritativ“ unterdrückt und gleichzeitig würde der demokratische Entscheidungsprozess damit völlig übergangen. Dies sei ein Schritt zur weitergehenden Tendenz, „dieses politische System wirklich umzukrempeln, auf den Präsidenten noch stärker zuzuschneiden als es ohnehin schon ist und ihm immer mehr autoritäre Züge zu verleihen.“
Er blicke mit viel Sorge auf die Entwicklung in Amerika, so Masala: „Wie nachhaltig werden diese Veränderungen sein, die die Trump-Administration anstrebt? Wie sehr werden sie die Natur des amerikanischen Systems verändern? Wie sehr werden sie die Rolle der USA in der internationalen Politik verändern, so dass ein möglicher Nachfolger, eine Nachfolgerin nicht in der Lage sein wird, sofort wieder sozusagen an den Anfang zurückzugehen. (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 13.06.2025 Phoenix Prof. Christiane Woopen (Ethikerin)
Folge 267In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Jörg Thadeusz mit Prof. Christiane Woopen, Direktorin des „Center for Life Ethics“ an der Universität Bonn über Moral und Politik, klassische ethische Fragen, über Verteidigungsfähigkeit und darüber, was einen guten Streit ausmacht.
„Alle politischen Handlungen haben auch immer etwas mit Moral zu tun“, sagt Prof. Christiane Woopen, Direktorin des „Center for Life Ethics“ an der Universität Bonn. „Die Politik setzt Ziele, sie wählt die Mittel dafür und das hat alles eine moralische Relevanz. Warum? Weil die Politik die Rahmenbedingungen für unser individuelles und gesellschaftliches Leben gestaltet. Und dieses Leben, das wir führen müssen, kann ein gutes oder ein schlechtes Leben sein, kann ein gelingendes oder ein nicht gelingendes Leben sein. Und damit sind Sie automatisch in der Sphäre der Ethik und der Moral.“ Diese Rahmenbedingungen, die die Politik schaffe, würden prägen, welches Leben man führe, so Woopen weiter. „Sonst würden wir uns ja auch nicht so darüber streiten, in der Rentenpolitik oder jetzt in den Fragen von Verteidigungsfähigkeit.“
Beim Thema Verteidigung des Landes sei es in der Ethik wichtig, zwischen Mittel und Ziel zu unterscheiden, erklärt Woopen, die u.a. Vorsitzende des Deutschen Ethikrats und des Europäischen Ethikrats war. „Das wirklich nur bitter in Kauf genommene Mittel ist dann dafür, jemand anderen möglicherweise töten zu müssen. Aber das ist nicht das Ziel. Das Ziel ist die Verteidigung des Landes. Und diese Unterschiede, die sind in der Ethik so unglaublich wichtig. Wenn man das Mittel zum Ziel macht, dann wird es ganz schlecht. So ist es auch in der Politik mit Macht. Wenn man die Macht nur haben möchte, um ihrer selbst willen oder für egoistische Zwecke, dann ist das nicht die politische Macht, die wir als Volk eigentlich jemandem geben sollten in einer Demokratie. Sondern die Macht soll ja dafür da sein, sie zum Gemeinwohl einzusetzen und zu Zwecken, die der ganzen Gesellschaft dienen.“
Das Problem bei öffentlichen Debatten sei, dass sie zu oft durch ein „Entweder-Oder“ geprägt seien, so Woopen. Wenn man beispielsweise die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, begrenzen oder vor allem, illegal einreisende Flüchtlinge verhindern wolle, „dann muss man gleichzeitig sagen, dass wir uns als Gesellschaft auch anstrengen müssen, die Flüchtlinge, die hier mit guten Gründen sind, auch angemessen in die Gesellschaft zu integrieren, und ihnen wiederum die Lebensentfaltungsmöglichkeiten zu geben.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 20.06.2025 Phoenix Michael Thumann (Auslandskorrespondent)
Folge 268In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Theo Koll mit Michael Thumann, Leiter des Moskauer Büros der ZEIT über mögliche weitere Expansionspläne Wladimir Putins, Russlands Blick auf Europa, seine persönlichen Erfahrungen als Auslandskorrespondent, über Gemeinsamkeiten zwischen Donald Trump und Wladimir Putin und über die Frage, ob ein Frieden mit Putin möglich ist.
„Dieser Spruch, wo der Fuß des russischen Soldaten steht, da wird auch Russland sein, das meint er sehr ernst und da investiert er sehr viel rein, mit der Investition in die russische Rüstung“, sagt Michael Thumann, außenpolitischer Korrespondent, DIE ZEIT mit Blick auf die aktuelle Äußerung Wladimir Putins. „Insoweit müssen wir das auch sehr ernst nehmen.“
Putin sei kein großer Stratege, so Thumann, er sei vielmehr ein „Meister dieser Gelegenheiten“, die er ausnutze und zu seinem Vorteil wende. „Deshalb glaube ich auch nicht, dass er schon einen genauen Jahreskalender hat, wann er wo einmarschiert, sondern er wird sich genau angucken, wie handelt Europa, wie gut ist Europa aufgestellt, kann sich Europa in irgendeiner Form verteidigen oder nicht. Sind die Amerikaner dabei oder nicht? Daraus zieht er seine Schlüsse und wird dann sehr schnell bei Gelegenheit vorstoßen. Und deshalb, aus europäischer Sicht, würde ich immer sagen, man muss sehen, dass man solche Gelegenheiten nicht zulässt.“
Die Wende nach Osten, Richtung China, die von Putin ständig erklärt werde, ziele laut Thumann auf eine alte russische Sehnsucht und Orientierung: „Und die ist Europa. Europa aus russischer Sicht war immer so ein bisschen wie ‚das ist der Ort bzw. das ist die Art und Weise, wie wir leben wollen. Das ist die Zukunft‘. Und ich glaube, was Putin hier macht, ist, dass er seinem eigenen Volk diese Zukunft gerade raubt. Dass er letztendlich diese ‚Perspektive Europa‘ den Russen nimmt.“ Als Ausgleich würde er ein China anbieten, zu dem aber der Großteil der Russen keine emotionale, keine herzenzmäßige Beziehung habe. „Und ich glaube, das wird am Ende scheitern.“
Trump sei das Beste, was Putin international passieren konnte, sagt Thumann. „Die Übernahme von russischer Rhetorik, die Anerkennung, vorauseilende Anerkennung russischer Positionen in der Ukraine, sondern eben auch ganz grundsätzlich seine Neigung, Verbündete besonders hart ranzunehmen und zu kuscheln mit China, wie er es jetzt sogar tut, nachdem China ihm einmal gezeigt hat, was auch die machen können handelspolitisch. Das ist natürlich eine Konstellation, die ist für Putin genial und die nutzt er nach Kräften die ganze Zeit.“
Beide, Trump und Putin, hätten ein sehr ähnliches geopolitisches Vorfeld-Verständnis, so Thumann, eine „Einflusssphären-Ideologie“. So sehe Putin „legitime Ansprüche“ beispielsweise bei der Ukraine, und Trump würde Grönland als „eigentlich amerikanisches Vorfeld“ betrachten oder auch den Panama-Kanal anführen. „Das heißt also Ansprüche, wo man das Fähnchen auf der Weltkarte steckt und sagt, das ist unabweisbares amerikanisches Interesse, das ist unser Vorfeld und da gehen wir rein. Und da sind sie sich sehr ähnlich. Und das ist ja auch aus europäischer Sicht die große Gefahr, dass es so zu so einer Art Jalta 2 irgendwann kommen könne, also, ein amerikanisch-russisches Engagement.“
An eine Perspektive der Befriedung mit Putin glaubt Michael Thumann nicht. Er sei der Mann, der „uns aus dieser Epoche der Hoffnung und des Friedens in Europa, des scheinbar unerschütterlichen Friedens, in diese Phase des Krieges geführt hat. Er führt seit dreieinhalb Jahren diesen furchtbaren Krieg in der Ukraine, er hat davor schon andere Länder überfallen wie Georgien, Syrien. Er ist jemand, der seit 20 Jahren von 25 Jahren Krieg führt. Das müssen wir uns einfach vergegenwärtigen. Ich glaube, mit diesem Mann wird Frieden in Europa nicht möglich sein.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 04.07.2025 Phoenix Robin Alexander (Stellvertretender Chefredakteur WELT)
Folge 269In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Inga Kühn mit Robin Alexander, stellvertretender Chefredakteur der WELT über die Frage, ob sich Friedrich Merz zu sehr als „Außenkanzler“ profiliert, wem der Kanzler vertraut, über die Machtbalance zwischen Lars Klingbeil und Friedrich Merz, die neue starke Frau in der SPD Bärbel Bas und darüber welche Chancen er für ein AfD-Verbotsverfahren sieht.
„Friedrich Merz hat im Wahlkampf tatsächlich etwas anderes versprochen, als das er jetzt als Kanzler tut. Das kann man überhaupt nicht leugnen. Das ist so. Und auch in wesentlichen Politikfeldern, nämlich der Haushaltspolitik“, sagt Robin Alexander, stellvertretender Chefredakteur der WELT. Merz begründe das mit einer anderen Weltlage, „dass wir uns nicht mehr darauf verlassen können, was die Amerikaner tun unter Präsident Trump, dass Europa mehr machen muss. Und die Frage ist jetzt: Stimmt das? Da wäre ich auf jeden Fall dabei, das stimmt. Aber die andere Frage ist, konnte man das nicht ein bisschen früher wissen.“ Diese Frage bejaht Robin Alexander.
Den Vorwurf, der Bundeskanzler sei zu viel im Ausland unterwegs, hält Robin Alexander, der als einer der profundesten Kenner der Politik gilt, für „Quatsch“. „Soll ein neuer Bundeskanzler nicht nach Frankreich zum Antrittsbesuch fahren? Das ist Unsinn. Und dann hat er sich bemüht, eine gemeinsame europäische Haltung zur Ukraine hinzubekommen. Und die Amerikaner ins Boot zu holen. Aber das muss doch getan werden.“ Wenn Merz einen Schwerpunkt auf die Außenpolitik lege, „wie vielleicht der späte Helmut Kohl“, müsse er allerdings jemanden haben, der innenpolitisch die Reformen mache, sagt Robin Alexander und verweist darauf, dass Kohl damals Wolfgang Schäuble gehabt habe. „Das sind große Schuhe für Thorsten Frei. Aber kann ja noch kommen.“
Mit Blick auf die Machtbalance zwischen Friedrich Merz und seinem Vizekanzler, erklärt Robin Alexander, dass es gerade eine Chance sei, dass beide aus „unterschiedlichen Generationen“ kämen mit „unterschiedlicher Prägung“: „In der Ampel war eins der Probleme, dass Robert Habeck dachte, er wäre der bessere Kanzler und viele Journalisten dachten das auch, haben ihn darin auch bestärkt. Und irgendwann ging es Olaf Scholz wirklich auf die Nerven. Und das gibt es bei Merz und Klingbeil nicht. Weil, wenn Klingbeil Kanzler wird -und wie alle Spitzenpolitiker träumt er davon-, dann wird er es nach Merz. Das heißt, diese beiden sehr unterschiedlichen Männer haben ein gemeinsames Interesse, nämlich dass diese Regierung jetzt funktioniert.“
Ein AfD-Verbotsverfahren, dessen Vorbereitung die SPD auf ihrem Parteitag beschlossen hat, sieht Robin Alexander sehr kritisch: „Das wird nichts werden. Und das ist die Gefahr. Wenn man ein Verbotsverfahren für die AfD startet, dauert das lange, und die AfD macht daraus einen Wahlkampfschlager.“ Er habe den Eindruck, das sei eine „Übersprunghandlung“ der SPD auf dem Parteitag gewesen, „dass sie noch irgendwas brauchten, was sie alle gut finden und dann haben sie das genommen.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 11.07.2025 Phoenix Reinhold Messner (Bergsteiger und Abenteurer)
Folge 270In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Inga Kühn mit Reinhold Messner über sein Leben, sein neuestes Projekt und die Risiken des Bergsteigens.
„Natürlich gehe ich los mit der Sicherheit, ich habe alles im Griff. Mir passiert nichts, sonst gehe ich nicht los“, erklärt Reinhold Messner mit Blick auf die Gefahren des Bergsteigens. „Trotzdem bleibt dieses Restrisiko, von dem ich gesprochen habe. Und nachdem wir unserer Leidenschaft ziemlich offen folgen, sind wir Egoisten, unseren Angehörigen gegenüber, der Gesellschaft, gegenüber. Und wenn wir das nicht einsehen, dann wissen wir nicht, was wir tun. Ich stehe dazu.“
Die Natur sei unendlich im Vergleich zu den Menschen, so Messner. „Und wir Menschen sind fehlerhaft. Wir Menschen sind Mängelwesen und deswegen können wir starke Erfahrungen machen, wenn wir uns in der wilden Natur exponieren. Wer das nicht will, wer sagt, ich will in keiner Weise am Berg zu Tode kommen, darf nicht bergsteigen.“ Die meisten Kletterer würden heute in die Kletterhalle gehen, sagt Messner. Dort könnten sie mit Sicherung klettern und einen großartigen Sport genießen. „Aber das ist nicht Bergsteigen. Bergsteigen heißt, es ist die unmittelbare Auseinandersetzung zwischen Mensch und Natur. Ich spreche gar nicht nur vom Berg. Und diese Auseinandersetzung hat das Potenzial, tödlich zu enden.“
Es gebe heute weniger traditionelle Bergsteiger als früher, so Messner. Was beispielsweise am Mount Everest passiere, sei „reiner Tourismus“. „Der Tourist braucht eine Infrastruktur. Der Alpinist geht dorthin, wo keine Infrastruktur ist.“ Ihm sei es bei seinen Touren auch um „Minimalismus“, um das „Abspecken“ gegangen, erklärt Messner: „Wenn ich wenig Material habe, bin ich viel mobiler, viel schneller, kann schneller ausweichen.“ Doch müsse man das auch ertragen können, dass einem im Notfall keiner helfe und dass man nicht die 100 Meter Seil habe, um sich abzuseilen. Das würden heute nur einige wenige so betreiben, sagt Messner, sei jedoch für ihn die „einzig akzeptable Zugangsweise, wenn es uns um die Erfahrung „Berg“ geht und nicht um einen Rekord oder um den Everest-Gipfel, der der Gipfel der Eitelkeiten geworden ist.“
Die Biathletin Laura Dahlmeier, die am Laila Peak tödlich verunglückte, kletterte wie Reinhold Messner im alpinen Stil. Auf die Frage, wie er zu ihrem letzten Wunsch stehe, antwortet Messner: „Die Entscheidung, ein Schriftstück zu hinterlassen, in dem sie sagt, im Falle einer Notlage möchte ich nicht gerettet werden, weil andere Leben damit in Gefahr kommen könnten, das finde ich nachvollziehbar.“ Aber die Vorstellung, dass die Leiche am Berg verbleibe, sei ein „schwer erträglicher Moment für die Angehörigen“, so Messner weiter. „Und deswegen bin ich der Meinung, man sollte das weiter diskutieren. Aber in erster Linie sollten die Eltern die Entscheidungsmöglichkeit haben, was mit der Leiche von Frau Dahlmeier passiert.“
Durch die globale Erwärmung seien die Berge heute brüchiger als früher, sagt Messner. „Dieses Wärmerwerden der Felsen bewirkt, dass der Permafrost schwindet, der ist in den Eiszeiten in die Berge hinein gefroren, und damit brechen ja auch große Stücke ab.“ Und Steinschlag sei nicht berechenbar.
Mit dem Thema Tod würde er umgehen wie die meisten Menschen auch, so Messner. „Ich bin ein älterer Herr, der das Altern erlebt und jetzt auch gerne teilt mit anderen alternden Menschen. Es ist schwierig, vor allem für einen extremen Bergsteiger von einst, zu merken, dass er ungeschickter wird, langsamer wird, dass er auch vergesslicher wird. Das gehört aber alles dazu.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere So. 17.08.2025 Phoenix Volker Wissing (Ehemaliger Verkehrsminister)
Folge 271In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Jörg Thadeusz mit dem ehemaligen Bundesverkehrsminister Volker Wissing u.a. über die Chance von lagerübergreifenden Koalitionen, das Scheitern der Ampel-Regierung und darüber, warum so viele Politikerinnen und Politiker aus der Pfalz stammen. „Ich bin mit mir, meinen Entscheidungen und auch mit anderen Menschen im Reinen“, erklärt der ehemalige Bundesverkehrsminister Volker Wissing mit Blick auf das Ende der Ampel-Regierung. „Es ist ja kein Geheimnis, dass ich das Ende dieser gemeinsamen Regierung für einen historischen Fehler erachtet habe.
Ich hatte damals gesagt, das macht unsere Demokratie ärmer. Wir haben weniger Optionen. Das ist nie gut in einer Demokratie.“ Volker Wissing, der im November 2024 aus der FDP austrat und heute parteilos ist, sieht gerade in „lagerübergreifenden Koalitionen“ eine Chance: „Ich halte es auch nach wie vor für richtig, dass Parteien der demokratischen Mitte zusammenarbeiten. Diese Idee, dass man nur noch in politischen Lagern, also etwa schwarz-gelb oder rot-grün zusammenarbeiten kann, ist keine gute Idee.
Denn wir müssen als Gesellschaft ja insgesamt Wege finden, wie wir möglichst für alle Regeln schaffen, mit denen sie gut leben können. Eine Gesellschaft darf nicht gespalten werden. Und deswegen sind lagerübergreifende Koalitionen eine besondere Chance. Die wollten wir nutzen damals. Dass das nicht geglückt ist, lag nicht an mir.“ Die jüngsten Überlegungen des ehemaligen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck, wie es wäre, wenn eine Regierung unabhängiger von den jeweiligen Parteien und Fraktionen agieren könne, finden Wissings Zustimmung: „Was Robert Habeck da sagt, ist richtig, und ich teile das.
Die Art der Zusammenarbeit muss kooperativer sein. Eine Regierung darf nicht aus mehreren Teilen bestehen, sondern es ist immer ein einheitliches Organ. Und deswegen ist diese Vorstellung, es könnte innerhalb einer Ampel-Regierung einen SPD-Teil geben und einen FDP-Teil und einen Grünen-Teil geben, das ist eher eine abwegige Vorstellung. Man muss zu einer Zusammenarbeit fähig sein und man muss sich gemeinsam für eine Sache verantwortlich fühlen.“ Der Wunsch mancher Menschen nach Rückkehr zur D-Mark oder nach Renationalisierung, sei „die Suche nach der Zukunft in der Vergangenheit.“ Wissing weiter: „Aber die Zukunft liegt nicht in der Vergangenheit.
Und eine liberale Gesellschaft muss sich auch wandeln. Wir müssen uns anpassen, und wir müssen diesen Wandel unterstützen. Aber das passiert ja nicht, sondern was passiert ist, dass die einen gegen die anderen meinen, sich durchsetzen zu müssen. Da gibt es welche, die sagen, die 68-Revolution muss rückabgewickelt werden und andere sagen nein, die muss jetzt noch weiter fortgeführt werden.“ Dabei gehe es vielmehr darum, sich mehr zuzuhören, mehr miteinander zu sprechen und „gute Kompromisse“ zu finden.
„Das wäre sicherlich konstruktiver und würde den Menschen auch helfen, den Wandel, ich sage mal, nachzuvollziehen.“ Auf die Frage, warum so viele Bundespolitikerinnen und -politiker aus der Pfalz stammen, erklärt Wissing: „Diese Region ist schon immer sehr politisch gewesen. Sie hat im Übrigen auch viele prägende Erfahrungen gemacht, die für ganz Deutschland heute noch ein stückweit auch bestimmend sind.
Wir waren hier mal französisch, mal bayerisch. Wir hatten hier in der Region sehr viel Zerstörung erlebt im Grenzland. Das hat sich über Generationen hinweg auch eingeprägt. Und wir leben hier mit unseren französischen Nachbarn in enger Nähe und in Freundschaft zusammen. Und auch daraus entsteht, ich sage mal, eine gewisse Fähigkeit, auch konsensual miteinander zu leben. Diese friedliche Koexistenz unterschiedlicher Menschen, das wird hier gelebt und das prädestiniert einen vielleicht auch ein bisschen, sich politisch zu engagieren.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere So. 31.08.2025 Phoenix Bruno Kahl (BND-Präsident)
Folge 272In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Theo Koll mit Bruno Kahl, Präsident des Bundesnachrichtendienstes über nachrichtendienstliche Belege für russische Expansionsbestrebungen, sogenannte „Wegwerfagenten“ und seine neue Aufgabe im Vatikan.
„Die russische Einflussnahme findet auch in Deutschland statt“, sagt Bruno Kahl, Präsident des Bundesnachrichtendienstes. „Wir haben Agenten auf deutschem Boden, ob das jetzt „Wegwerfagenten“ sind oder ob es richtige sind, die Einfluss ausüben auf unsere Medien, auf die sozialen Netzwerke, aber auch ganz physisch auf unsere kritische Infrastruktur, die ausspioniert wird, die für den Fall der Fälle einer Auseinandersetzung ausgekundschaftet und vorbereitet wird bis hin zu Inkaufnahme auch vom Verlust von Menschenleben.“ Das sei „deutlich näher an den Zuständen des Kalten Krieges“ als sie es noch vor wenigen Jahren gedacht hätten, so Kahl.
„Putin und die Menschen um ihn herum, die ihn unterstützen, sind der Meinung, dass die europäische Nachkriegsordnung revidiert gehört“, erklärt Kahl. „Die Zugehörigkeit ehemaliger Länder des Warschauer Paktes jetzt zum Westen, zur NATO, als freie Demokratien und Rechtsstaate, das ist etwas, was ihn bedroht. Und deswegen will er das zurückdrehen. Er will den Schutz, den die NATO etlichen Ländern in Mittel- und Osteuropa bietet, den will er aufweichen und zurückdrehen. Er möchte die Amerikaner aus Europa werfen. Und er möchte, dass die NATO in ihrem Beistandsmechanismus nicht mehr funktioniert.“ Das ereigne sich in den Ländern seiner Peripherie, so Kahl weiter und führt die Beeinflussung der Wahlen in Minsk, Kiew und Georgien als Beispiele an. „Das ist eine Art Pufferzone, die er um das russische Reich herumlegen will, in denen Demokratie und Rechtsstaat möglichst nichts zu suchen haben.“
Zu den nachrichtendienstlichen Belegen dafür, dass die Ukraine nur ein Schritt auf dem Weg nach Westen sei, sagt Kahl: „Ich kann jetzt natürlich nicht auf die Quellen eingehen, die der BND Gott sei Dank hat, aber wenn ich von nachrichtendienstlichen Belegen spreche, dann sind wir doch ziemlich sicher.“
Dass würde nicht heißen, dass es „irgendwelche Kriegsereignisse“ geben müsse, erläutert Kahl. „Also, wir haben nicht prophezeit, dass es Panzerbewegungen Richtung Westen gibt, dass es Flugzeugeinsätze geben wird, sondern wir haben gesagt: Der Wille, den Artikel 5 des NATO-Vertrages zu testen, dieser Wille ist vorhanden. Und der wird sich nach einer wie auch immer gearteten Beendigung eines militärischen Konfliktes in der Ukraine auch seinen Weg suchen, dieser Wille.“
Bruno Kahl, der dem Bundesnachrichtendienst seit 2016 vorsteht, ist designierter deutscher Botschafter beim Heiligen Stuhl. Das, was er in über neun Jahren beim BND „lernen durfte“, sei bestimmt nicht schlecht zur Vorbereitung seines neuen Amtes, sagt Kahl. „Ich würde nicht sagen, das ist ein Geheimdienst. Aber die katholische Kirche hat ein weltweit verzweigtes Netz an hauptamtlichen und nebenamtlichen Mitarbeitern. Und da ist ein riesiges Reservoir an Informationen natürlich vorhanden. Wie es wirklich in China zum Beispiel in der Kirche aussieht, in der Untergrundkirche, das weiß die katholische Kirche bestimmt besser als der ein oder andere Nachrichtendienst. Deswegen habe ich auch durchaus in der Vergangenheit den Kontakt zum vatikanischen Außenamt gesucht.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 05.09.2025 Phoenix Prof. Marcel Fratzscher (DIW-Präsident)
Folge 273In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Eva Lindenau mit Prof. Marcel Fratzscher, Präsident des DIW Berlin, u.a. über Generationengerechtigkeit, seine Idee eines verpflichtenden sozialen Jahres für Rentner und darüber, ob er glaubt, dass es tatsächlich zu einem Herbst der Reformen kommen wird.
„Ich bin ja eigentlich durch und durch Optimist. Aber ich muss gestehen, ich habe so manchen Zweifel“, sagt der DIW-Präsident Marcel Fratzscher auf die Frage, ob es beim angekündigten Herbst der Reformen zu einem großen Wurf komme. Häufig sei es in der Demokratie so, dass sie als Land „erst mit dem Rücken zur Wand stehen müssen, bevor sie wirklich Reformen machen“, so Fratzscher weiter. „Aber das haben viele noch nicht verstanden, dass wir eigentlich jetzt große Reformen machen müssten.“ Natürlich könnte man die Rente so weiterlaufen lassen wie im Augenblick. „Die Bundesregierung hat ja gerade nochmal entschieden, mit der Rentengarantie nochmal die Umverteilung von jung zu alt nochmal deutlich zu erhöhen. Natürlich können sie das noch fünf Jahre so weiterlaufen lassen. Nur die Anpassung dann wird noch viel schwieriger sein. Und deshalb ist es klug, das jetzt zu machen.“
„Das muss man als Wissenschaftler aushalten“, erklärt Fratzscher mit Blick auf die zum Teil heftige Kritik an seinem Vorschlag, ein verpflichtendes soziales Jahr für Rentnerinnen und Rentner einzuführen. „Und ich verstehe die Kritik auch. Die allermeiste Kritik war: Ich habe mein Leben lang etwas geleistet, und jetzt ist die Zeit, dass ich in Rente gehe, dass ich die Freiheit habe, mit meiner Zeit zu tun und lassen, was ich möchte. Das verstehe ich ja voll und ganz, wenn Leute 45 Jahre oder manche sogar noch länger, gearbeitet haben, dass die dann sagen, so jetzt möchte ich nicht noch irgendeine Pflicht haben. Also, ich glaube, der verpflichtende Teil ist, was viele Menschen auf die Palme bringt.“
Es sei ihm wichtig zu betonen, dass es nicht darum gehe, die einen gegen die anderen auszuspielen, so Fratzscher. „Weder jung gegen alt, noch reich versus arm. Es geht darum, wie wir als Gesellschaft zusammenleben wollen. Wie wir die Lasten so verteilen, dass Menschen das als fair empfinden und dass es wirtschaftlich nicht schädlich ist. Denn nochmals: Wenn sie die junge Generation immer stärker belasten, dann werden Arbeitsplätze weiter verloren gehen, dann werden die Menschen weniger einzahlen können, dann kommt auch weniger bei den Rentnerinnen und Rentnern rum, und wir wissen ja, wie schwierig die Situation auch heute schon in der Gesundheit und der Pflege ist.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 12.09.2025 Phoenix
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