Total normal? „Normaloland“ dokumentiert den Alltag einer deutschen Kleinstadt – Review

„Das kleine Fernsehspiel“ bringt neue Comedy ins ZDF

Rezension von Fabian Kurtz – 26.02.2022, 18:30 Uhr

„Normaloland“ ist in der ZDFmediathek verfügbar. – Bild: ZDF/Daniela Pfeil
„Normaloland“ ist in der ZDFmediathek verfügbar.

„Das kleine Fernsehspiel“ vom ZDF bringt Comedy auf hohem Niveau. „Normaloland“ von Autor/​Regisseur Matthias Thönnissen ist eine schalkhafte Beobachtung sozialpolitischer Zustände in einem Deutschland der 2020er Jahre. Brandaktuell auch seine Themen: Es geht um Corona, Verschwörungsideologien, Populismus, Bigotterie und Sprachdebatten. Das alles und noch viel mehr!

In fünf kurzweiligen Episoden umreißt „Normaloland“ gesellschaftliche, soziopolitische Debatten, die sich innerhalb des Mikrokosmos „Neustadt“ zutragen. Hierbei macht die Serie oftmals eine Gratwanderung zwischen rebellischer Satire und bürgerlichem Zynismus.

Die fünf Folgen sind in sich geschlossene Viertelstunden, die sich jeweils mit einem konkreten Thema auseinandersetzen. Diese werden im Format einer Mockumentary, also einer fiktiven Dokumentation, vorgestellt. Erinnern tut das an bekannte Formate wie „The Office“, „Stromberg“ und „Come Fly with Me“.

Unsere Protagonisten sind hierbei meist Karikaturen einer bürgerlichen Ideologie und Marotte. So haben wir beispielsweise einen fränkischen „Indianerhäuptling“, der für sein Reservat im Forstgebiet Mitglieder anwirbt und eine aufgeweckte Kunstkuratorin, die auf der Suche nach einem Verkaufsschlager versucht, die Künstler zu manipulieren.

Finnjas (Massiamy Diaby) Debüt als Kuratorin eines prestigeträchtigen Kunstpreises droht, in einem Desaster zu enden. ZDF/​Daniela Pfeil

Den Einstieg macht „Normaloland“ jedoch mit dem reißerischsten Thema und steckt sofort seine Zielgruppe ab. So folgen wir in der ersten Episode dem Tierarzt Dr. Grobel, der ein Geschäft damit macht, den verängstigten Bürgern Neustadts per Pseudoapparat die angeblichen Mikrochips aus der Corona-Impfung zu entfernen. Grobel rühmt sich dabei als Retter, der den Leuten die Angst nimmt. Dass diese ihm seine „Behandlung“ teuer entlohnen, ist ein schöner Nebeneffekt. Anderer Leute Naivität zahlt sich aus.

Die Serie positioniert sich damit klar gegen Verschwörungsideen und zieht deren Parolen und Feindbilder wie Bill Gates ins Lächerliche. Lachen kann darüber vermutlich nur der, der diese Position teilt. Das sind, der Vernunft sei Dank, sehr viele in Deutschland. Impfschwurbler hingegen dürften von dieser Serie wenig Wind bekommen, da Mainstream-Medien wie das ZDF nicht durch ihren Aluhut senden. Ist vermutlich auch besser so.

Corona ist nicht das einzige polarisierende Thema. Die Serie versucht, die ganze Debattenlandschaft Deutschlands abzuarbeiten. Ob kleinkariert rechte Bürgerinitiativen oder Psychologen mit Burn-Out. In „Normaloland“ kommt jeder einmal dran – und das nicht zu knapp.

Tierarzt Dr. Grobel (Ben Rodrian, l.) befreit Frau Schuster (Ulrike Arnold, M.) und ihren Mann Alfons (Fred Berger, r.) von den Impf-Chips. ZDF/​Daniela Pfeil

In der zweiten Folge muss sich somit auch der „Indianerhäuptling“ Colt anhören, er betreibe kulturelle Aneignung und maße sich an, Vertreter amerikanischer Ureinwohner sein zu wollen. Sein Verhalten sei kolonialistisch und völlig ignorant. Allein das Wort „Indianer“ sei rassistischer Natur.

Nun sieht man vermutlich die Augen derer rollen, die sich in Folge 1 noch über die Leichtsinnigkeit anderer lustig gemacht haben. Doch jetzt sind es die Vorwürfe, die sich so manch vernunftbegabter Liberaler anhören musste, wenn er jüngst über seine Liebe zu Winnetou sprach. Das mag weh tun, aber anders funktionieren Debatten nicht.

Es muss weh tun, so sind Vielfalt und Demokratie nun mal. Nicht alles und niemand ist perfekt und das ist auch gut so. Das Schöne an „Normaloland“ ist gerade das Zwingen des Zuschauers zur Selbstreflexion, denn absolut jeder Typ ist hier in Gänze oder in Ansätzen vertreten. Alles andere wäre ungerecht und würde auch keinen Spaß machen.

Colt (Michael Halberstadt) wird unverhofft Häuptling der Neustädter Apachen. ZDF/​Daniela Pfeil

Spaß hat man durch die fünf Episoden hinweg. Regisseur Thönnissen und sein Ensemble bestehend aus Ben Rodrian, Massiamy Diaby, Anton Schneider, Ulrike Arnold, Sylke Verheyen und Michael Halberstadt bieten ihrem Publikum Projektionsfläche, die es in diesen Zeiten braucht. Über sie können wir lachen und weil wir über sie lachen, lachen wir über uns.

Humor hat es immer schwer gehabt und wer sich schwer tut mit anderer Leuten Witz und Witzigkeit, der braucht nun Toleranz für die eigene Humorlosigkeit. Wir Deutschen sind witzig, aller Klischees entgegengestellt; das beweist uns „Normaloland“. Eine kleine Serie, die weiß, was sie will, was sie kann und vor allem: wer sie ist. Eine wunderbare Auszeit für kurzweiligen Humor und ein kleiner Klaps auf die Finger.

Dieser Text basiert auf der Sichtung aller fünf Episoden von „Normaloland“.

Meine Wertung: 4/​5

Die Serie „Normaloland“ mit ihren fünf je etwa 15-minütigen Folgen ist seit dem 25. Februar in der ZDFmediathek abrufbar. Eine TV-Ausstrahlung als Zusammenschnitt erfolgt in der Nacht auf den 1. März um 0:00 Uhr im ZDF.

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