„The Tourist“ mit Jamie Dornan: Neo-Western oder Farce? – Review

„Tod in Belfast“-Star im australischen Hinterland

Rezension von Fabian Kurtz – 22.08.2022, 16:46 Uhr (erstmals veröffentlicht am 30.01.2022)

Jamie Dornan als Mann ohne Gedächtnis in „The Tourist“ – Bild: ZDF/Ian Routledge
Jamie Dornan als Mann ohne Gedächtnis in „The Tourist“

Miniserien machen grundsätzlich Spaß. Hier ist man oft auf der sicheren Seite, den Machern scheint in erster Linie Qualität und nicht Quantität am Herzen zu liegen. So scheint das auch bei der australischen Serie „The Tourist“ der Fall zu sein, die in Großbritannien an Neujahr Premiere feierte. Hierzulande ist die vom ZDF koproduzierte Serie mit Hauptdarsteller Jamie Dornan ab dem 22. August montags um 22:15 Uhr in Doppelfolgen zu sehen

Das ist sehr schade, denn einen guten Start muss man erstmal hinbekommen und der gelingt „The Tourist“ in einer wunderbaren Anfangssequenz: In einer Tankstelle im australischen Outback diskutiert der namenlose Held (Dornan) mit dem Tankwart über den Sinn einer Liste von Toilettenbesuchern. Der abstruse, obgleich mysteriöse Dialog zweier bärtiger Western-Stereotypen lässt sogleich den Charme eines „No Country for Old Men“ der Coen-Brüder aufleben.

Wer Referenzen auf Filmklassiker mag, der ist mit diesem Piloten schnell ins Boot geholt, denn nach dem Dialog an der Tankstelle entbrennt eine fulminante Verfolgungsjagd gleich Spielbergs Erstlingswerk „Duell“. Der Held wird alsbald von einem großen Lkw verfolgt, mit dem er sich eine temporeiche Hetzjagd liefert.

Nach dem bildgewaltigen Wüstenrennen, das so manches Mal an „Mad Max“ erinnert, wird der Held dann doch brutal erwischt und auf schwarzem Hintergrund prallt der Titel dem Zuschauer regelrecht ins Gesicht. Das ist mal ein Starter, der auf ordentlich Nachhall hoffen lässt. Die Parameter dafür sind jedenfalls gesetzt und vor allem die Aufmerksamkeit ist ungeteilt vorhanden.

Die Handlung zum Beispiel bietet wunderbaren Stoff für Komödie und Tragödie, denn die Autoren-Brüder Jack und Harry Williams werfen Protagonist und Zuschauer in einen Prozess des Sich-Erinnerns. Der Held, ein britischer Tourist, leidet durch den Autounfall an Amnesie und versucht krampfhaft, seiner Geschichte auf den Grund zu gehen. Der einzige Hinweis ist ein ominöser Zettel in seiner Hosentasche, der ihn zurück ins australische Outback zwingt.

Die Serie beginnt mit einer fulminanten Verfolgungsjagd. BBC/​Ian Routledge

Die dadurch in Gang getretene Schnitzeljagd beinhaltet nebst dem Helden und seinem Verfolger, den Lkw-Fahrer und Stereotyp-Amerikaner Billy Nixon (gespielt von Ólafur Darri Ólafsson) in Cowboy-Kluft, sowie die naive Ortspolizistin Helen Chambers (Danielle Macdonald). Seiner Stereotype ist sich „The Tourist“ durchaus bewusst und weiß mit ihnen umzugehen; so begegnet uns gerade im Zusammenhang mit Nixon grobe ästhetisierte Waffengewalt, die sich zweifellos als Kritik der modernen US-amerikanischen Gesellschaft lesen lässt. Alleine das Genre des (Neo-)Westerns bietet dafür fruchtbaren Boden.

Helen Chambers ist eine Polizistin mit mäßigen Ambitionen, die sich eher freut, dass mit dem Fall des Touristen etwas Interessantes in ihrer Ortschaft passiert. Nach und nach bekommt ihre Euphorie jedoch eine Prise Besessenheit hinzu, die ihre Beziehung zu ihrem Mann Ethan (Greg Larsen) gefährdet.

Beide sind übergewichtig und versuchen, durch Tanzkurse und Besuche bei einer Selbsthilfegruppe ihr Problem zu bewältigen, wobei es Ethan dabei sehr um Vertrauen und Zusammenhalt geht. Dass sich Helen heimlich einen Burger vor dem Abendessen gönnt, bietet dadurch natürlich ordentliches Konfliktpotenzial. Schön ist hier das Spiel mit Schönheitsidealen und gesellschaftlichen Werten, die durch Helen hinterfragt werden.

Die Hauptrolle mit Jamie Dornan zu besetzen, war ein guter Griff, jedoch keine Notwendigkeit. Er spielt die Titelrolle ohne besondere Vorkommnisse, was gut ist, denn Dornan gibt dem Zuschauer reichlich Raum zur Identifikation und verschließt sich nicht durch eigenwilliges Schauspiel. Seine Figur ist zu Beginn recht leer – kein Name, keine Angehörigen, nichts. Identität muss er sich erkämpfen.

Auf der Suche nach seiner Identität: Jamie Dornan als namenloser (Western-)Held. BBC/​Ian Routledge

Leider schaffen es die Autoren Williams und Regisseur Chris Sweeney nicht, ihre gute Ausgangslage zu nutzen. „The Tourist“ spielt anfangs mit Intertextualität, was ein wichtiger Bestandteil der Ästhetik ist, sei es bei der Inszenierung oder in den Dialogen. Doch zunehmend scheint sich auch die Serie, wie unser Tourist, die eigene Identität neu zu erarbeiten.

Was bereits etabliert ist, wird verworfen, die Grenzen der Welt werden durch unlogische Eingriffe in Handlung und Charaktere gestört. Auch der Humor entwickelt sich zurück und verliert mehr und mehr den makabren Charme. Was zu Anfang noch ein souveräner Neo-Western ist, wird innerhalb kürzester Zeit zu einer Farce. Die Welt wird durch zunehmenden Ernst aus ihrer Abstraktion geholt, verlangt in wichtigen Situation jedoch eine breite ironische Akzeptanz des Zuschauers. Das passt nicht zusammen.

Die Serie „The Tourist“ ist selbst irritiert, ob sie sich ernst nehmen soll oder nicht. Dadurch gerät sie schnell in eine unangenehme Absurdität, die nicht mehr funktioniert. Die antizipierte Coen’sche Gratwanderung zwischen stumpfem Humor und gnadenloser Gewalt verliert sich durch niedrigschwellige Kausallogik und unglaubwürdige Charakterzeichnung langsam in einem referentiellen Machwerk, das die Messlatte zu hochgelegt hat und in der Mittelmäßigkeit versinkt.

Diese Rezension basiert auf der Sichtung der ersten drei Folgen von „The Tourist“.

Meine Wertung: 2,5/​5

„The Tourist“ erschien Anfang 2022 in Großbritannien und im Heimatland Australien. In Deutschland zeigt das ZDF die Serie ab dem 22. August montags um 22:15 Uhr in Doppelfolgen.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am

    Fängt ganz gut an, wird immer schwächer und endet mit einem enttäuschenden Finale.
    • am

      mork.vom.ork hat es kurz und bündig auf den Punkt gebracht. Für mich definitiv keine zweite Staffel nötig. War ab der Mitte bis zum Schluss nur noch angeödet. Der Quatsch mit dem LSD hat mir dann den Rest gegeben.

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