„RTL Samstag Nacht“: Das „gefickt eingeschädelte“ Wiedersehen – Review

Kurzweilige und dringend nötige Reunion der Kultshow

Rezension von Mario Müller – 29.10.2022, 15:45 Uhr

„RTL Samstag Nacht – Das Wiedersehen“ mit Hugo Egon Balder, Tommy Krappweis, Stefan Jürgens, Tanja Schumann, Wigald Boning, Esther Schweins, Olli Dittrich und Mark Weigel (v. l.) – Bild: RTL/Willi Weber
„RTL Samstag Nacht – Das Wiedersehen“ mit Hugo Egon Balder, Tommy Krappweis, Stefan Jürgens, Tanja Schumann, Wigald Boning, Esther Schweins, Olli Dittrich und Mark Weigel (v. l.)

Karl Ranseier ist immer noch tot. Auch gut 24 Jahre nach der letzten Ausgabe von „RTL Samstag Nacht“ ist dies noch immer spaßige Gewissheit. Dass die Humor-Talente, die Hugo Egon Balder und sein Freund und Mit-Produzent Jacky Dreksler Anfang der 1990er Jahre auf Kleinkunstbühnen für die deutsche Version der langjährigen US-Kultshow „Saturday Night Live“ zusammensuchten, es auch heute noch drauf haben, zeigt sich beim großen „Wiedersehen“, das RTL am 29. Oktober um 20:15 Uhr in einer mehr als dreistündigen Primetime-Show ausstrahlt.

Wie Balder gerührt auf Facebook mitteilte, erkannte er im Publikum viele bekannte Gesichter wieder, die auch damals schon den Anarcho-Gags im Studio applaudierten, sodass die Stimmung in Köln von Anfang an mit Sicherheit keiner künstlichen Einheizung bedurfte. Der ehemalige Produzent selbst ist es dann auch, der durch den Abend führt und zwischen Best-Of-Einspielern von damals und im Studio neu aufgelegten Sketchen aus den Comedians zahlreiche Anekdoten herauslockt.

Das „RTL Samstag Nacht“-Team schwelgt in Erinnerungen. RTL/​Willi Weber

So wird auch der am 3. Dezember letzten Jahres verstorbene Mirco Nontschew ausgiebig gewürdigt. Am Tag der Ausstrahlung wäre er 53 Jahre alt geworden. Die Nachricht von seinem Tod hatte die Beteiligten erst wenige Tage nach der Anfrage zur Produktion der Wiedersehens-Gala erreicht. Die Entscheidung, die Sendung dennoch ohne ihn auf die Beine zu stellen, sei laut Balder in Nontschews Sinn gewesen. Er hätte es auch gemacht, wenn es jemand anderen aus dem Team erwischt hätte. Einigen seiner Kollegen stehen die Tränen in den Augen. Besonders emotional und gelungen ist dann schließlich auch der von Tommy Krappweis produzierte Clip, für den er einen alten Ausschnitt mit Nontschew, in dem beide den Comedian-Harmonists-Klassiker „Ein Freund, ein guter Freund“ sangen, in einen neuen Rahmen bettet.

Auch Stefan Jürgens und Esther Schweins würdigen Mirco Nontschew. RTL/​Willi Weber

Nontschew und Krappweis verschoben in ihrer damaligen Rubrik „Far Out“ die Grenzen des Anarcho-Humors und huldigten dem Begriff „extrem“ mit absurdesten Brutalitäten. In einer Neuauflage davon ersetzt Krappweis seinen Partner Nontschew durch KiKA-Legende Bernd das Brot, für dessen Geschichten Krappweis’ Produktionsfirma seit vielen Jahren verantwortlich zeichnet.

Am Klavier begleitet von Showmusik-Veteran Martin Ernst, dessen „Samstag Nacht All-Stars“ in Originalbesetzung auf der Bühne standen, singt Esther Schweins ein wunderschön entwaffnendes Lied über das Altern. Wigald Boning und Olli Dittrich präsentieren den neuesten Hit der Doofen und auch Stefan Jürgens, der neben der Schauspielerei seit vielen Jahren als Musiker durchs Land tourt und bereits sechs Soloalben veröffentlichte, singt nach einem Stand-up-Solo am Klavier.

Natürlich führt Boning, gekleidet in seinen altbekannten, aber offenbar frisch gedüngten, Rasen-Anzug, auch durch eine neue Ausgabe der Talk-Rubrik „Zwei Stühle – eine Meinung“, in der Olli Dittrich einst seine Verkleidungs- und Parodie-Künste perfektionierte und jetzt erneut in seiner Paraderolle als inzwischen in die Jahre gekommener Hamburger Zuhälter Mike Hansen Bonings Fragen kontert. Seinen persönlichen Lach-Zenit erreicht Dittrich dann aber im Anschluss an die aktuellen von Schweins und Jürgens präsentierten „News“, als er bei „Neues vom Spocht“ mit einer unglaublichen Wortwitz-Kanonade demonstriert, wozu gute Gag-Autoren auch heute noch fähig sind.

Olli Dittrich präsentiert „Neues vom Spocht“. RTL/​Willi Weber

Neben einem neuen Wortverdreh-Sketch bei „Kentucky schreit Ficken“ mit Stefan Jürgens und Olli Dittrich turnen sich Tanja Schumann und Tommy Krappweis durch die Neuauflage eines Stunt-Sketches, bei dem sie sich als betrunkenes Ehepaar gegenseitig schwer ramponieren.

Ausschnitte alter Live-Sketche, die besonders aus dem Ruder liefen, weil die Komiker selber lachen mussten, lassen erahnen, welcher Spaß damals im Studio gerade auch bei der Aufzeichnung geherrscht haben muss.

Wie früher in den regulären Sendungen sind auch zur Gala Gast-Comedians eingeladen. Damals schon dabei, geben sich auch mehr als zwei Jahrzehnte später Ingo Appelt, Atze Schröder und Markus Maria Profitlich die Ehre. Letzterer nimmt seine Parkinson-Erkrankung selbstironisch auf den zittrigen Arm. Aber auch Komikerin Tahnee, die beim Sendestart von „RTL Samstag Nacht“ 1993 gerade mal ein Jahr alt war, präsentiert ein auf die Sendung zugeschnittenes Stand-up-Bit. Falls jemand mal auf die Idee kommen sollte, eine ähnlich konzipierte Ensemble-Comedyshow auf den Sender zu bringen, dann wäre es der Produktion nicht zu verzeihen, wenn sie Tahnee dafür nicht anfragen würde.

Tahnee RTL/​Willi Weber

Für Fans sicher der Vollständigkeit halber keine Frage, aber im heutigen Medienbetrieb keineswegs selbstverständlich, dürfte die gute Entscheidung gewesen sein, gegen Ende auch Schauspieler Mark Weigel ins Studio zu holen, der lediglich in der fünften und letzten Staffel der Show Teil des Ensembles war.

Mit einem Auftritt der Prinzen, die gemeinsam mit den Doofen Boning und Dittrich eine 2021 neu produzierte Version ihres Hits „Du musst ein Schwein sein“ auf die Bühne bringen, schließt die gut dreistündige, aber absolut kurzweilige Sondersendung. Nicht jedoch, ohne dass Hugo Egon Balder noch auf das nächste Wiedersehen in 30 Jahren hinweist.

Die Doofen treffen auf die Prinzen. RTL/​Willi Weber

„RTL Samstag Nacht“ war Rock’n’Roll. Schnell, albern, unperfekt, ausufernd, narrenfrei. Ohne Politik, dafür mit hoher Gagdichte und überdurchschnittlich vielen Treffern. Die Sendung machte in ihrem kreativ-spielerischen Umfeld aus komisch-talentierten Late-Night-Stars dauerhafte Fernseh- und Schauspiel-Größen. Das Wiedersehen war angemessen und nötig.

Über den Autor

Mario Müller, Jahrgang 1980, hat in seinem ersten Lebensjahrzehnt alles aufgesogen, was der Eiserne Vorhang per UKW nach Thüringen durchgelassen hat. „Wetten dass..?“, „Dalli Dalli“ und „Löwenzahn“ im ZDF genoss er ebenso wie „Verstehen Sie Spaß?“, „Donnerlippchen“, „Das A-Team“, „Remington Steele“ und die „Munsters“ (1988 noch mit Untertiteln) im Ersten oder „Monty Python’s Flying Circus“ im vergrieselten Empfangsbild des über den Sender Hof ausgestrahlten Bayerischen Fernsehens. Nach dem Mauerfall durfte er noch die glorreiche Zeit von RTLplus mit „Alles nichts, oder?“ und „Der Preis ist heiß“ erleben, dem Ende des DDR-Fernsehens mit großartigen Sendungen wie „He Du!“, „Wennschon, dennschon“ und „ELF99“ nachtrauern und sich darüber freuen, dass das langlebigste Unterhaltungsformat Deutschlands, „Außenseiter – Spitzenreiter“, auch heute noch läuft. Auf ewig geprägt und geschädigt von Herbert Feuerstein, Harald Schmidt und David Letterman kann er das heutige Programmangebot oft nur noch mit Humor ertragen – und ist für jeden Qualitäts-Lichtblick dankbar. Der Kommunikations- und Geschichtswissenschaftler hat als Autor und Redakteur alle Medien durch und schreibt seit 2007 für fernsehserien.de.

Lieblingsserien: Das A-Team, Die Munsters, Zurück in die Vergangenheit

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1971) am

    Schon die Überschrift beschreibt den Zustand des Unterschichtenfernsehsenders allumfassend.
    • (geb. 1971) am

      Ach übrigens, weil ich die Frage gerade auf Google gesehen habe: Tahnee ist natürlich nicht vegan, ihr Pseudo-Kannibalen, nein, sie isst vielleicht vegan, aber auch dieses wäre ihre ureigenste Sache.
      • (geb. 1971) am

        Natürlich, wie immer, konnte ich garnicht leiden etc., Wurfjahr 1990 und jünger etc., ich hab zwar sonst auch etwas gegen Zensur, aber in dem Moment..., und wenn dann noch ein entsprechend junges Nachwuchstalent mit in die Bresche haut, super. Also,die meisten Negativstimmen haben's nicht live miterlebt, solche Sprüche wie "die Rente ist sicher" und Co. reissen wohl heute keinen mehr vom Hocker. Ich bin nur mal gespannt, über welche Sprüche und Sendungen in 25 Jahren hergezogen wird. Am Besten wird wohl sein, ein jeder macht es für sich selbst im Hinterkopf ab und gut. Vielleicht geht das ja auch in 25 Jahren über Twitter (ha, ha, ha). Achso, ich, Bj.71, habe gerne mitgelacht.
        • am

          Man merkt, es ist Endzeit, überall Retro Shows, man holt das Alte nochmals raus und hofft, dass es nochmals erfolgreich ist, aber alles hat seine Zeit, was in den 1990ern top war, ist heute leider überholt, ist doch klar. Auch Mirco Nontchew - so super ich ihn fand und so lieb ich ihn hatte - wäre mit seinen damaligen Gags heute eher unter dem Radar, da diese Art von Comedy einfach vor allem in die 90er passte. Allerdings würde Mirco heute noch ein grossartiger, einzigartiger Comedian sein, angepasst auf die aktuelle Zeit. Er musste sich nur hinstellen und ich musste schon grinsen. Vermisse ihn schon sehr. Er ist viel zu früh gegangen. RiP Mirco....
          • am via tvforen.de

            Ich fand's auch eine tolle Sache, mit ein paar Abstrichen, in erster Linie, was die Gäste anging. Atze Schröder fand ich geschmacklos widerlich, Ingo Appelt auch nicht so besonders. Ratlos war ich bei Tahnee, die mal so gar nicht dazu passte und die ich auch überhaupt nicht komisch fand.

            Schade dann, dass so einige Sachen wie Wigalds Welt, der Regenschirm-Klassiker, nur gekürzt gezeigt wurde. Aber insgesamt war es schon ein schöner, wenn auch, wie mittlerweile üblich, enorm langer Abend, der einem viel von dem Gefühl von damals zurückgebracht hat.
            • am via tvforen.de

              Die Gäste waren auch nicht der Bringer, außer Herr Profitlich, das war doch recht berührend, wie er mit seiner Erkrankung umgeht...Humor hilft eben in allen Lebenslagen.

              Diese Show musste aber in diesem Fall so eine Länge haben, es waren halt 6 Protagonisten mit Ihren unterschiedlichsten kreativen Köpfen, denen so eine lange Plattform bieten zu können. finde ich in diesem Fall wertschätzend.
          • am via tvforen.de

            Eine für mich tolle einmalige Show zur besten Sendezeit...
            man kann schon sagen "die können es immer noch...".

            Die Quoten von 1,77 Mio. sind ja nicht so schlecht...aber es wird bei einer einmaligen Sache bleiben...
            • am

              Coole Sendung. Nur die widerlichen "Prinzen" sind unnötig.
              • am

                so eine Sendung ist immer Geschmackssache.
                Zwischendruch nachts auf "RTL UP" kommen mal kurze Clips als Lückbüsser-Clips-und was soll
                an der Sendung bitte lustig gewesen sein ?
                Als die mal in den 90ern auf Sendung gegangen sein soll habe ich nicht geschaut-und was ich gesehen habe reicht mir-irgendwie peinlich als "CRINGE" ZUM FREMDSCHÄMEN wie ich finde.
                Sicher- manche Leute fanden es lustig -aber naja nicht jeder mochte die Art von Humor.
                Habe sogar 1 Original-VHS mit dem "BEST OF RTL SAMSTAG NACHT" -mal sehen was da drauf ist.
                Einige Leute wie"Olli Dittrich","Wigals Boning" usw haben später sehr gute Comedy-Sendungen gemacht-manches geriet aber auch in Vergessenheit.
                Seit einigen Jahren ist ja der "RETRO-COMEBACK" alter Shows zu Gange wie z.B."Geh aufs Ganze",
                "Die 100.000.DM SHOW","DER PREIS IST HEISS","WETTEN DASS" usw. usw.

                NAJA man kann ja auch auf RTL+ auch mal die Sendung ansehen und selbst ein Urteil bilden.
                OK Viel Spass Leute.
              • (geb. 1992) am

                Die Show war ja auch für die alten Fans gedacht.


                Aus heutiger Sicht waren einige Gags von damals schon etwas grenzwärtig.
              • am

                Ich fand die Sendung auch eher unlustig. Zu der Zeit damals schaute ich lieber Harald Schmidt oder die Monty Pythons. Oder die guten Klassiker.
              • (geb. 1971) am

                Dann besinne dich doch bitte auf deine Vorlieben und lass hier nicht solche unpassenden Kommentare ab...

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