„Future Man“: Charmante Zeitreise-Comedy von Seth Rogen & Co. bleibt zu oberflächlich – Review

Hulu-Serie witzeln sich quer durch die SF-Filmgeschichte

Marcus Kirzynowski
Rezension von Marcus Kirzynowski – 30.12.2017, 09:00 Uhr

„Future Man“ – Bild: Hulu
„Future Man“

Josh Futterman (Josh Hutcherson) ist nicht gerade das, was man sich unter einem Helden vorstellt, eher die Personifizierung des Begriffs Verlierer: Der junge Mann wohnt immer noch bei seinen Eltern, hat einen Job als Hausmeister in einem medizinischen Forschungslabor, den er weder gut noch gerne macht, und verbringt seine Freizeit meist alleine in seinem Zimmer mit Videospielen. Das ist dann auch das Einzige, in dem er wirklich gut ist, was aber (scheinbar) niemand mitbekommt. Seine aktuelle Herausforderung ist das Spiel „Biotic Wars“, das schier unmöglich zu meistern scheint. Doch schließlich knackt Josh auch das letzte Level, indem er einen für ein Ballerspiel ungewöhnlichen Ansatz wählt. Nach der Siegesfreude verwöhnt er sich erst einmal selbst, wobei Tiger (Eliza Coupe), die sexy Heldin des Games, ihm als Masturbationsvorlage dient. Der Schock ist groß, als die amazonenhafte Kriegerin im denkbar ungünstigsten Moment (Stichwort: point of no return) plötzlich in persona vor ihm steht – zusammen mit ihrem männlichen Kampfgefährten Wolf (Derek Wilson).

Die ausführlichen Gags zum Thema Sperma, die nun folgen, sind typisch für den Humor, den Seth Rogen und sein Jugendfreund Evan Goldberg, die hier als ausführende Produzenten und Regisseure der ersten drei Folgen fungieren, in ihren Filmen pflegen: hemmungslos und ohne Angst vor Tabus, aber eben auch immer stark pubertär. Eben so, wie es Rogen bei Judd Apatow gelernt haben könnte, in dessen Serien („Voll daneben, voll im Leben“, „American Campus“) und Kinokomödien („Knocked Up – Beim ersten Mal“) er seine Karriere begann – nur ohne die Tiefe, die es bei Apatow doch auch meistens gibt. Erfunden hat „Future Man“, die neue Science-Fiction-Comedy des US-Streamingdienstes Hulu, unter anderem Howard Overman (gemeinsam mit Kyle Hunter und Ariel Shaffir), der mit der überdrehten britischen Superheldenparodie „Misfits“ bekannt wurde, die auch bereits oft Gags über Körperflüssigkeiten zelebrierte. Wenn er also seinem Humor bei der Arbeit in den USA treu bleiben darf, sind seine Drehbücher diesmal doch mit deutlich höherem Budget umgesetzt worden. Was einer Zeitreisegeschichte sichtbar zu Gute kommt.

Denn die martialisch gekleideten Gefährten Tiger und Wolf offenbaren dem entsetzten Josh, dass alles, was er in dem Videospiel gesehen hat, der zukünftigen Realität entspricht und „Biotic Wars“ in Wahrheit ein Rekrutierungsinstrument ist, um den Retter der Menschheit zu ermitteln. In der Zukunft sei diese durch einen mutierten Antivirus beinahe ausgelöscht worden und derjenige, der auf dem Bildschirm alle Feinde besiegt habe, sei der Einzige, der das auch in der Wirklichkeit könne, eben der „Future Man“ (man beachte die Ähnlichkeit mit dem Nachnamen der Hauptfigur). Nachdem Josh seine Ungläubigkeit überwunden hat (und auch die Besucher darüber hinweggekommen sind, dass ihr Erlöser nicht besonders heldenhaft wirkt), macht sich das ungleiche Trio mittels Zeitmaschine auf, in der Vergangenheit zu verhindern, was in der Zukunft zur Apokalypse führen wird.

Josh Hutcherson bleibt als Protagonist Josh Futturman in „Future Man“ blass
Overman, Rogen und Co. zitieren sich bereits in der ersten Folge quer durch die Geschichte der Zeitreise- und Endzeitfilme. Allen voran natürlich der große Klassiker des Genres, James Camerons „Der Terminator“, von dem auch das Grundkonzept übernommen wurde. Nur, dass diesmal eben nicht der zukünftige Erlöser schon in der Vergangenheit eliminiert werden, sondern die wissenschaftliche Erfindung verhindert werden soll, die später zur Apokalypse führen wird. Wobei es sich in diesem Fall um so etwas Unspektakuläres wie ein Herpesmedikament handelt, das ausgerechnet Joshs Chef, der Leiter des Medizinlabors Dr. Kronish (Keith David), gegen seine eigene Infektion erfinden wird. Die Anspielungen an das berühmte Vorbild beschränken sich aber nicht nur auf die inhaltliche Ebene (geklaute Motorräder!) – auch visuell und beim Sounddesign erinnert einiges an die Schwarzenegger-Filme, bis hin zur Schriftart der Einblendungen.

Eliza Coupe als Tiger auf einem Motorrad
Die Mission führt die drei (Anti-)Helden zunächst ins Jahr 1969 und es ist schon ganz clever, wie die Autoren zeithistorische Anspielungen in ihre verrückte Handlung einstreuen. So wird Josh Zeuge der ersten Mondlandung, (weiße) Polizisten denken gleich an Rassenunruhen, als Wolf und Tiger vor dem Haus einer schwarzen Studentenverbindung Barrikaden errichten, und Josh inspiriert den jungen Michael Jackson indirekt zu dessen Moonwalk-Tanz. Solche liebenswerten Gags drohen aber meist in der Masse der eher billigen Witzchen unterzugehen, die oft unter der Gürtellinie angesiedelt sind. Wirklich zündend sind auch leider nur die wenigsten Pointen, so dass sich das Lachen in Grenzen halten dürfte, soweit die Zuschauer ihre Pubertät bereits hinter sich haben. Was „Future Man“ über das für Science-Fiction-Fans reizvolle Setting hinaus völlig fehlt, ist ein origineller Ansatz. Die SF-Elemente hat man alle schon dutzendfach gesehen und auch das Thema vom erfolglosen Normalo, der über sich selbst hinauswachsen muss, um eine wichtige Mission zu erfüllen, ist reichlich ausgelutscht. So etwas wie eine zweite Ebene, ein zusätzlicher Tonfall neben der überdrehten Comedy (den Overman in den frühen „Misfits“-Staffeln durchaus beherrschte) ist zudem nicht zu erkennen. So werden einem die nur rund halbstündigen Episoden an manchen Stellen doch bedeutend länger, als sie eigentlich sind.

Auch die Hauptdarsteller haben nicht das komödiantische Potential, das für eine solche Serie nötig wäre. Tiger und Wolf sind ohnehin nur Klischeefiguren, deren Darstellung mit jeweils ein bis zwei Gesichtsausdrücken zu bewerkstelligen ist, und auch Josh bleibt zu blass für eine Identifikationsfigur. Die talentierteren Schauspieler finden sich in den Nebenrollen, insbesondere Ed Begley jr. und Glenne Headly als Joshs ebenso liebende wie ahnungslose Eltern. Leider starb Headley während der Dreharbeiten zur ersten Staffel und ist deshalb nur in fünf der dreizehn Folgen zu sehen. Doppelt bedauerlich, hätten häufigere Auftritte der beiden diese doch sehr durchschnittliche Comedy vielleicht noch über das Mittelmaß hinausheben können.

Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten beiden Episoden der Serie „Future Man“.

Meine Wertung: 3,5/​5


Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: Hulu


Bei Hulu ist die 13-teilige erste Staffel von „Future Man“ am 14. November auf einen Schlag online gegangen. Eine deutsche Heimat der Serie von Sony Pictures Television ist bisher noch nicht bekannt geworden.

Über den Autor

Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing

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