Serienpreview: „Veep“ – Review

HBO macht Julia Louis-Dreyfus zur Vizepräsidentin

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 30.04.2012, 08:59 Uhr

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Das Ensemble

Was will man schon gegen Julia Louis-Dreyfus sagen? Die ehemalige „Seinfeld“-Darstellerin kann ihre eigene Serie tragen, gar keine Frage. Doch wenn sich die Serie dann hauptsächlich auf Louis-Dreyfus als Zugpferd verlässt und sie mit erstaunlich vielen Leuten umgibt, die im Hintergrund verschwinden, hat man ein Problem. Vor allem da „Veep“ durchaus als Ensemble-Show angelegt ist. Doch hinterlassen weder Anna Chlumsky alias Stabschefin Amy noch Matt Walsh als Pressechef Mike einen bleibenden Eindruck. Den meisten Kollegen ergeht es nicht besser. Lediglich Tony Hale als Assistent Gary, der auch noch bei 100 Grad die glühende Kaffeetasse der Vizepräsidentin unter schwersten persönlichen Opfern fest in beiden Händen hält, sticht durch Charme und perfektes komödiantisches Timing hervor.

Unterschreibt gerne Kondolenzkarten: Stabschefin Amy (Anna Chlumsky) HBO

Buch und Regie

Die Situationen, durch die sich Selena Meyer im Piloten bewegt, sind zwar so absurd, dass sie für den Politalltag in Washington fast schon wieder relevant sein könnten. Trotzdem sind sie letztendlich einfach nicht witzig genug. Stattdessen fühlt man sich wie in einem schlechten „Saturday Night Live“-Sketch, dessen Ausgangslage zwar komisch ist, deren Absurdität aber bis zum letzten Atemzug zu Tode gedroschen wird, ohne dass dabei noch wirklich viel Witz übrig bleibt. Das Buch von Armando Iannuci und Simon Blackwell ist zudem weder besonders intelligent, noch spannend oder überraschend. Dafür ist es zynisch, es fehlt aber der dringend benötigte clevere Unterbau. Man darf dankbar sein, dass die Schauspielerführung immer wieder Improvisation bei den Dialogen zulässt. Denn obwohl Meyers Team im „The West Wing“-Stil von einem Amtszimmer zum nächsten jagt, macht sich erstaunlich schnell gähnende Langeweile breit. Unterm Strich hebt sich „Veep“ von besser gemachter Network-Konkurrenz wie „The Office“ nur durch konstanten Gebrauch von Schimpfwörtern ab. Das kann nicht genug sein.

Fazit

Erst im März hatte HBO noch eindrucksvoll mit dem Fernsehfilm „Game Change“ bewiesen, wie elegant und schneidend gut gemachte Politsatire sein kann. Beim Piloten von „Veep“ kommt entsprechend schnell Sehnsucht nach John McCain und Sarah Palin auf – ein unerwartetes und ganz neues Gefühl, das sich wirklich nur mit der Leistung von Ed Harris und Julianne Moore in deren Rollen erklären lässt. Das vielleicht größte Manko an „Veep“ ist, dass es mehr eine Büro-, als eine Politsatire ist. Und Bürosatiren hat das US-Fernsehen bereits genug. Auch die Washingtoner Dynamiken zwischen nach Außen getragenem Bild und politischer Realität, nutzt der Pilot nicht wirkungsvoll, behandelt sie einfach nur erschreckend flach.

Ein Comedy-Star wie Julia Louis-Dreyfus und ein renommierter Sender wie HBO – eigentlich hätte man bei dieser Kombination ein besseres Format auf Sendung schicken können, ja sogar müssen. Stattdessen bestätigt „Veep“ eine Erkenntnis, die in den letzten Jahren leider bereits mehrfach durch den Bezahlsender untermauert wurde. Es ist nicht alles Gold, was mit dem Label HBO glänzt.

Meine Wertung: 2/​5

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Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

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