The Event – Review

von Ralf Döbele

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 22.10.2010

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Sean (Jason Ritter) im Flug nach Miami. Ist er dabei das Richtige zu tun?

Die wichtigste Frage, die sich durch die neue NBC-Serie zieht ist die nach jenem „Event“. Welches Ereignis ist damit gemeint? Sicher nicht der Attentatsversuch, denn der ist nach dem Piloten ja gelaufen. Diese erste Folge ist aber gewissermaßen ein „Event“ für sich, bietet sie doch 43 Minuten Hochspannung, die trotz aller Informationen, die auf den Zuschauer einhämmern, nie monoton oder aufgesetzt wirken. Dies ist vor allem dem hervorragenden Ensemble zu verdanken, das den Figuren eine Tiefe verleiht, die sie so auf dem Papier vielleicht gar nicht besitzen.

Vor allem Jason Ritter als Sean und Blair Underwood als Präsident Martinez merkt man an, dass sie einfach nur das Richtige tun wollen, das Überlebensnotwendige. Dies trifft selbst auf die geheimnisvolle Sophia zu, perfekt besetzt mit der hervorragenden Laura Innes. Alle drei sind augenblicklich sympathisch und faszinierend. Im Angesicht der furchtbaren Begleitumstände stellt sich aber Frage, ob sie tatsächlich auch korrekt agieren. Möglicherweise sind sie sich der Ambivalenz des eigenen Handelns gar nicht bewusst. Die Situationen, in denen sie sich wiederfinden sind jedoch äußerst beklemmend, überlebensgroß und wirken im Detail dennoch realistisch: die Evakuierung der Präsidentenfamilie, die Panik im Flugzeug, das Verschwinden von Leila auf einem Kreuzfahrtschiff, dessen unglaubliche Umstände Sean fast an den Rande des Nervenzusammenbruchs bringen … „The Event“ setzt weitgehend auf ‚Normalos‘, die plötzlich in einen Strudel außergewöhnlicher Ereignisse hineingezogen werden. Selbst Figuren mit einem privilegierten Blick auf die Dinge, wie der Präsident und seine Familie, wirken im Angesicht der plötzlichen Bedrohung ebenso hilflos, wie der junge Kerl, der eigentlich nur seiner Freundin am Strand einen Heiratsantrag machen wollte.

NSA-Direktor Sterling (Zeljko Ivanek) offenbart dem Präsidenten Geheimnisse, die jahrzehntelang gehütet wurden.

Jeffrey Reiners Regie verhilft hier nicht nur zu einem gelungenen Fluss der überaus dramatischen und teilweise fantastischen Ereignisse. Vor allem auch zurückhaltendes Schauspiel ist hier der Schlüssel zum Erfolg und zur Glaubwürdigkeit, was vor allem im direkten Vergleich zum Vorjahreskandidaten „FlashForward“ extrem ins Auge fällt. Der Produktionsaufwand beider Serien ist zwar ähnlich hoch, der Erzählstrang von „The Event“ ist dagegen um einiges komplexer. Von Szene zu Szene wechselt der Blick auf die Geschichte, und das nicht nur von Figur zu Figur. Man springt zwischen vom Augenblick des Attentatsversuchs zum Beginn von Sean und Leilas Kreuzfahrt eine Woche zuvor, zum ersten Kontakt des Präsidenten zur geheimnisvollen Sophia 13 Monate früher und schließlich sogar zu Sean und Leilas Kennenlernen vor fünf Jahren. Es zeichnet „The Event“ aus, dass diese Zeitsprünge nicht nur genutzt werden um weitere kleine Dosen von Geheimnissen zu streuen, sondern vor allem auch um die Hauptfiguren besser vorzustellen und ihr Handeln nachvollziehbarer zu machen. Vor allem im Fall von Seans und Leilas Beziehung zahlt sich dies aus.

Obwohl die ersten Episoden von „The Event“ überzeugen, die Spannung und auch die Entwicklung der Figuren effektiv vorangetrieben werden kann, bleibt natürlich abzuwarten, ob die Macher den so gewonnenen Vertrauensvorschuss auch effektiv nutzen können. Noch hält man die Balance von Mystery und einer gehörigen Portion zufriedenstellender Antworten, die in jeder Folge geliefert werden. Dadurch fällt „The Event“ bislang um einiges weniger frustrierend aus als andere Formate dieser Art. Es wird nun darauf ankommen dies weiter auszubauen, die eigene Integrität zu wahren und gleichzeitig ein ausreichend großes Stammpublikum an sich zu binden.

„The Event“

Immerhin kann „The Event“ bereits jetzt bescheinigt werden, dass es von einer inhaltlichen, optischen und schauspielerischen Qualität ist, wie man sie derzeit bei NBC kaum vermutet, ja dem Network eigentlich gar nicht mehr zugetraut hätte. Dabei ist der größte Reichtum des Formats nicht in dem Geheimnis um ein bevorstehendes Ereignis zu finden oder in dem beeindruckenden Tempo, das vorgelegt wird und stets in einem großen Cliffhanger endet. Er liegt in dem Ensemble und den Hauptfiguren, denen man gerne Woche für Woche wieder einen Besuch abstattet und in den angenehm-unheimliche Fragen, die uns gestellt werden: Wie würden wir selbst in jenen dramatischen Situationen agieren? Würden wir kämpfen oder wären wir erpressbar? Stünden wir bedingungslos für die Wahrheit oder würden wir auf unsere Umwelt hören, die uns dazu rät lieber die Klappe zu halten? Die Konfrontation mit diesen existenziellen Zwickmühlen ist hier das eigentliche „Event“.

Meine Wertung: 4/​5

Autor: Ralf Döbele

Alle Bilder: © 2010 NBC Universal, Inc.

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Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

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