Rubicon – Review

von Ralf Döbele

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 24.08.2010

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Katherine Rhumor (Miranda Richardson) wird durch den Selbstmord ihres Mannes in die Verschwörung verwickelt.

Soviel vorweg: Alle potentiellen Zuschauer, die noch immer durch sechs Jahre „Lost“ gezeichnet sind oder die Lösungen für ihre Rätsel umgehend nach 45 Minuten erwarten, sollten um „Rubicon“ besser einen Bogen machen. Auf alle Unerschrockenen wartet jedoch ein atmosphärisch dichter Thriller, der alleine schon aufgrund handwerklicher, filmischer Perfektion, ungewöhnlicher Drehorte in und um New York City und aufgrund eines Aufgebots herausragender Darsteller in den wichtigsten Rollen beeindruckt. Hauptdarsteller James Badge Dale trägt das Drama mühelos und zieht die Zuschauer in seinen Bann – keine geringe Leistung, da Will Travers nicht unbedingt durch Redseligkeit oder Wortwitz auffällt. Er ist ein Einzelgänger, der sich gerne vergräbt, Essens-Einladungen ablehnt und nicht einmal weiß, wer John Wayne ist. Stattdessen ist er intelligent genug Zusammenhänge zu sehen, auf die der Normalsterbliche kaum kommen würde. Badge Dale, der zuletzt auch in der HBO-Mini-Serie „The Pacific“ beeindruckte, schafft es diese schwierigen Charaktereigenschaften in einen Vorteil umzumünzen und die Sympathien der Zuschauer zu gewinnen. Er ist unmittelbar der Held, der für Gerechtigkeit und die Wahrheit in einer äußerst prekären Situation kämpft, obwohl dies in seinem dichten Arbeitsalltag zunächst kaum auffällt.

Miranda Richardsons Witwe Katherine stolpert dagegen quasi per Zufall in die neue Situation und ahnt noch nicht, dass der Freund, dem sie sich anvertraut, auch einen festen Platz in der großen Verschwörung hat. Richardsons Charisma wird überdeutlich, da sie von der ersten Minute an fasziniert, obwohl ihre Figur zunächst nicht viel zu tun hat. Außerdem kennt sie Will Travers noch nicht einmal, Richardson und Badge Dale haben keine Szene gemeinsam. Die Art und Weise wie das erste Zusammentreffen von Will und Katherine aussehen könnte und welche Auswirkungen dies auf die Verschwörung haben könnte, ist eine der spannendsten Fragen, die „Rubicon“ unmittelbar aufwirft.

Will und sein Team am American Policy Institute: Grant (Christopher Evan Welch), Tanya (Lauren Hodges) und Miles (Dallas Roberts).

Auch Wills Mitarbeiter im American Pacific Institute sind allesamt hervorragend besetzt und ausgearbeitet. Der sarkastische Miles Fiedler (Dallas Roberts) versucht verzweifelt die Fassade einer glücklichen Ehe mit Kindern aufrecht zu halten, lebt dabei längst in Trennung und verlässt das Büro kaum noch. Grant Test (Christopher Even Welch) ist der Fachidiot im Team, der gerne Davids Position bekommen hätte und sich nun Will unterordnen muss. Für Grants Ego ist dies keine kleine Herausforderung. Tanya MacGaffin (Lauren Hodges) ist die Neue, die zunächst nur durch Unpünktlichkeit und einen gewaltigen Kater auffällt, den sie mit sich herumträgt. All diese kleinen Probleme wandern, ohne, dass es bemerkt wird, auf direktem Wege zu Kale Ingram, Wills neuem Boss. Versteinert, abgeklärt und undurchschaubar wird er von Arliss Howard zum Leben erweckt.

Kale hat seine Mitarbeiter durch eine unerwartete Verbindung zu Maggie Young (Jessica Collins) im Griff. Die alleinerziehende Mutter arbeitet nicht nur als Wills Assistentin, sie spioniert ihn und sein Team für Kale regelrecht aus. Brav erstattet sie ihm regelmäßig Bericht über das Klima im Büro, wodurch ihm nicht das Geringste entgeht. Was sind Maggies Motive, was ist ihre, vielleicht sehr persönliche, Verbindung zu Kale? Spioniert sie ihrem Team freiwillig hinterher oder hat Kale etwas gegen sie in der Hand? Und wie gefährlich kann Maggie dabei Will werden, denn der fühlt sich zweifellos zu ihr hingezogen. Vielleicht sind Maggies Essenseinladungen ein ehrlicher Versuch Will näher zu kommen, vielleicht führt sie lediglich Kales Befehle aus. Will könnte gut beraten sein niemandem zu trauen, außer ihm selbst. Noch hat er diese Lektion aber nicht vollkommen gelernt.

Jede Verschwörung braucht einen „Deep Throat“, einen Mann mit tiefer Stimme, der dem Helden einige Puzzelteile liefert. Mulder hatte Mr. X, Will hat Ed Bancroft (Roger Robinson). Ed arbeitete früher mit David zusammen, hat die Geheimnistuerei aber nicht mehr ausgehalten und ist ausgestiegen. Der alte Mann hilft Will wiederholt dabei die Codes zu entschlüsseln, die David ihm an unerwarteten Orten hinterlassen hat.

Will ahnt nicht, dass auch seine Assistentin Maggie ihn ausspioniert.

In diesen Codes und dem Geheimnis, das „Rubicon“ antreibt, liegen dann auch die Gefahren des Formats. Bei jeder Serie mit einem großen, zentralen Geheimnis kommt früher oder später der Punkt, an dem sich die Zuschauer nach Antworten sehnen. Falls diese Antworten nicht den Erwartungen der Fans entsprechen oder grobe, logische Fehler enthalten, kann das Gerüst des Formats überraschend schnell zusammenbrechen. „Akte X“ ist hierfür sicher ein gutes Beispiel, genau wie die scheinbar endlosen Dschungel-Umwege in den ersten Jahren von „Lost“. Die wirkliche Herausforderung für „Rubicon“ ist nun also die ausgezeichneten, handwerklichen Voraussetzungen zu nutzen. Wills Suche nach der Wahrheit muss gespannten Zuschauern immer wieder in ausreichendem Maße Antworten geben und die Thriller-Schraube von Episode zu Episode stärker anziehen, die Spannung steigern. Das Potential hierfür machte bereits die Pilotfolge deutlich, während das Tempo in den anschließenden Episoden wieder abnimmt. Mit anderen Worten: Ähnlich wie bei „Damages – Im Netz der Macht“, so sollte auch hier am Ende der ersten Staffel die Lösung eines großen Rätsels stehen um die Investition der Zuschauer zu rechtfertigen. Auf diesen Antworten kann dann eine zweite Staffel sehr gut aufbauen.

Bis man aber Gewissheit über den Ausgang haben kann, macht es einfach nur Spaß James Badge Dale und Miranda Richardson beim Eintauchen in den düsteren Verschwörungs-Abgrund zuzusehen, der teilweise erschreckend alltäglich und realistisch erscheint. AMC darf durchaus stolz auf seine dritte Serie sein, die handwerklich bereits jetzt mehr bietet, als hochkarätige, amerikanische Kino-Thriller wie „State of Play – Stand der Dinge“ in den letzten Jahren. Und sollte sich die genannte Investition von Zeit und Geduld im Laufe der ersten Staffel tatsächlich mit jeder Episode mehr und mehr auszahlen, dann dürften zahlreiche, neue Fans bald den Weg über den Rubikon finden und den Punkt erreichen, an dem es kein Zurück mehr gibt – genau wie Will Travers selbst.

Meine Wertung: 4,5/​5

Autor: Ralf Döbele

Alle Bilder: © 2010 AMC

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Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

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