Serienpreview: „Nurse Jackie“ – Review

Edie Falco behandelt Sie richtig …

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 06.09.2009

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„Nurse Jackie“ CBS Broadcasting Inc.

Ein anderer ist die Besetzung: Edie Falco glänzt als die pragmatisch-einfühlsame Jackie. Die Rolle wurde ihr ganz offensichtlich auf den Leib geschrieben. Sie schafft es erstaunlich mühelos, den Zuschauer auf ihrer Seite zu halten, auch während kontroverser Szenen. Immerhin sprechen wir hier über eine Krankenschwester, die ihren Mann betrügt, sich möglicherweise nur deshalb mit einem Kollegen einlässt um an Medikamente zu kommen und ein Ohr die Toilette runterspült. Trotzdem bleibt die Sympathie der Zuschauer auf ihrer Seite. Eine Glanzleistung Falcos, die einfach ideal ist für den Humor der Serie, der sich nicht durch überdrehten Slapstick, sondern subtile Beobachtungen auszeichnet.

Fans von „Fastlane“ und „Damages“ dürften einen Luftsprung gemacht haben, als sie hörten, dass Peter Facinelli wieder eine regelmäßige Serienrolle angenommen hat. Dabei ist er als junger, unfreiwilliger Busengrabscher Dr. Cooper so geleckt und gebügelt, dass man ihn kaum wiedererkennt. Über Cooper als Person erfährt man zu Beginn recht wenig. Hier überschattet das Charisma des Schauspielers eindeutig noch die eigentliche Figur. Dennoch fügt sich Facinelli perfekt in das Ensemble ein. Das Gleiche trifft auch auf Eve Best als Dr. Eleanor O?Hara zu. Eine Mittvierzigerin mit einem Faible für Designerklamotten, teure Handtaschen und noch teureres Mittagessen im Nobellokal – passt so eine Figur in eine New Yorker Notaufnahme? Ja, und zwar überraschend gut. Der Ankerpunkt ist hier O?Haras Freundschaft mit Jackie. Beide kennen sich offensichtlich schon lange und verstehen sich jenseits der Gehaltsklassen absolut und ohne überflüssige Erklärungen. Egal, was die eine ausgefressen hat, bei der anderen findet sie ein offenes Ohr und eine Schulter zum anlehnen. Die Chemie zwischen den beiden stimmt.

Merritt Wever CBS Broadcasting Inc.

Merritt Wever ist als Schwesternschülerin Zoey Barkow einfach putzig. Sie ist von allem eingeschüchtert, hauptsächlich von Jackies und Eleanors Erfahrung, und setzt zu Beginn vor allem auf Beobachtung. Sie sieht alles und es macht richtig Spaß in ihrem Gesicht die Reaktionen auf die Ereignisse zu lesen. Doch im Laufe der ersten Staffel gewinnt sie an Selbstbewusstsein und sie wächst einem richtig ans Herz. Haaz Sleiman ist als Mohammed „Mo-Mo“ de la Cruz unglaublich charmant und versucht den Alltag mit Humor zu bewältigen. Doch spürt man hinter dem fast konstanten Lächeln die Einsamkeit und vor allem auch die Unzufriedenheit mit der Beziehung zu seinem Lebensgefährten. Vielleicht läge sein Glück ja wirklich eher bei dem raubeinigen und eher unbeholfenen Pfleger Thor (Stephen Wallem), der ein Auge auf ihn geworfen hat. Doch Mo-Mo hat Thor noch nicht mal richtig bemerkt und so bleibt dem nichts anderes übrig als weiterhin mit bösen Blicken aufdringliche Patienten in Schach zu halten.

Einer der interessantesten Faktoren in den ersten Folgen von „Nurse Jackie“ ist ihre Beziehung zum Apotheker Eddie. Der ist ganz offensichtlich total in Jackie verknallt. Doch nutzt sie ihn tatsächlich nur aus um an Beruhigungsmittel zu kommen? Oder holt sie sich durch die Treffen tatsächlich etwas, was ihr bei ihrem eigentlich perfekt anmutenden Ehemann fehlt und sie die Krankenhausarbeit einfacher ertragen lässt? Die Frage nach Jackies Gefühlen zieht sich als roter Faden durch die erste Staffel, denn die versteckt Jackie oft sehr erfolgreich unter der Oberfläche.

Haaz Sleiman CBS Broadcasting Inc.

Es mag abgedroschen klingen, aber „Nurse Jackie“ hat das Herz auf dem rechten Fleck. Die Serie zeichnet sich durch große Menschlichkeit in der Darstellung aus und das ohne übertrieben auf Holzhammer-Comedy oder Tränendrüsen-Dramatik zu setzen. So wirkt das Geschehen im All Saints Hospital trotz aller extremen Vorgänge meist subtil und oft erschreckend realistisch. Ja, ich weiß auch, dass in Krankenhäusern sicher nicht jeden Tag abgetrennte Ohren in die Toilette wandern. Der Realismus von „Nurse Jackie“ liegt im Gefühlsleben, den persönlichen Problemen und der täglichen Frustration der Krankenhausmitarbeiter. Die Serie urteilt nicht, sie beschreibt und beobachtet nur und das auf erstklassige Art und Weise. Außerdem lebt „Nurse Jackie“ von seinen Figuren. Die sind so klar gezeichnet und werden von der Besetzung so umwerfend gut mit Leben gefüllt, dass man fast schon schockiert ist. Kann eine neue Comedy-Serie tatsächlich so gut sein? Ja, sie kann. Welch eine wunderbare Überraschung.

Meine Wertung: 4,5/​5

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Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

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