Intelligence – Review

TV-Kritik zum CBS-Cyberthriller – von Gian-Philip Andreas

Gian-Philip Andreas
Rezension von Gian-Philip Andreas – 27.01.2014, 17:01 Uhr

Taffes Dreiergespann: Lilian Strand (Marg Helgenberger, l.), Riley Neal (Meghan Ory, m.) und Gabriel Vaughn (Josh Holloway, r.).

Josh Holloway – das ist vor allem Sawyer aus „Lost“. Dieser blonde Biker-Typ im Don’t-Mess-With-Me–Modus, meist relaxt an irgendeiner Palme lehnend, Bücher lesend und trotzdem rüde. Im Gegensatz zu Holloways Post-„Lost“-Filmrollen in Flops wie „Paranoia“ oder „Battle of the Year“ blieb das im Gedächtnis. Nebenher war Holloway auch lange als Model tätig – halbnackt tollte er im Meer herum für Herrenduftreklamen. „Intelligence“ nun, neu auf CBS, versucht beide Holloway-Images abzurufen: Schon in der Pilotepisode darf er seinen aus „Lost“ patentierten Running Gag neu auflegen und mit zusammengebissenen Zähnen fluchen: „Son of a bitch!“ Das war damals bei ABC der Gipfel aller Gossensprache und wurde entsprechend häufig ins Dialogbuch geschrieben. Außerdem gibt’s in „Intelligence“ pro Folge mindestens einen Oben-ohne-Shot von Holloway, mal leicht betucht aus der Dusche schreitend, mal frustig gegen den Boxsack dreschend: Auch mit Mitte Vierzig ist der Mann gut in Schuss. Leider endet da schon alles, was man an Interessantem über dieses Action-Abenteuer-Spionage-Sci-Fi-Cyberpunkdrama vermelden könnte. „Intelligence“ ist deutlich um Holloways Persona herumgestrickt worden, lässt es dabei jedoch in jeder Hinsicht an Originalität vermissen.

Verantwortlich für die Serie ist Michael Seitzman, der vor acht Jahren das ‚Oscar‘-nominierte Charlize-Theron-Drama „Kaltes Land“ schrieb und danach nichts Relevantes mehr. Jetzt kehrt er zurück mit einer Serie, die lose auf dem eben erst veröffentlichten Roman „Phoenix Island“ von John Dixon basiert und nichts weniger ist als der feuchte Traum von NSA und GCHQ: Holloway spielt Gabriel Vaughn, der mal für die Delta Force in Afghanistan und im Irak unterwegs war und jetzt die neue superheiße Waffe des US-Geheimdienstes ist. Gabriel trägt ein Chip-Implantat im Kopf, das es ihm ermöglicht, sekundenschnell auf sämtliche ihn umschwirrende digitale Netzwerke, Funkübertragungen und virtuelle Datenbanken zuzugreifen. Damit kann er Gebäudepläne visualisieren, Infrarot erkennen, Bluetooth empfangen, durch Maschinengewehrsucher anderer Leute blicken und quasi als personifizierte Schufa die geheimsten Akten von Privatpersonen durchblättern. Außerdem kann er so etwas wie Flashbacks „rendern“, also Tatorte virtuell durchwandern. Gabriel ist, anders gesagt, die digitale Variante des Sechs-Millionen-Dollar-Manns, ein Psycho-Superman, ein 007 mit NSA-Anschluss.

Gut, „Intelligence“ ist sicher konzipiert worden, bevor Edward Snowden im letzten Juni das groteske Ausmaß unser aller Überwachung enhüllte. Dennoch hätte man sich zumindest einen kurzen Verweis oder Kommentar oder ironischen Seitenhieb zum Thema wünschen können, doch nichts da: Die Serie feiert Gabriels Fähigkeiten und den Spitzel-Anspruch der US-Geheimdienste (wohlgemerkt: nur der US-Geheimdienste!) ohne jeden Bruch, ein Vorgehen, das selbst dann irritiert, wenn man anerkennt, dass hier halt affirmatives Spionagepersonal im Mittelpunkt steht.

Außer Krawatte nicht viel zu bieten: Michael Rady als Chris Jameson.
Der Geheimdienst, um den es hier geht, ist das US Cyber Command. Deren Direktorin ist Lilian Strand, eine taffe No-Bullshit-Person, eisig verkörpert von der „CSI“-gestählten Marg Helgenberger. Strand holt in der ersten Folge das bezopfte Karrieremädchen Riley Neal an Bord, gespielt von der außergewöhnlich attraktiven Meghan Ory, die neulich noch das Rotkäppchen in „Once Upon a Time“ war. Rileys Auftrag: Gabriel beschützen. Als Stichwortgeber und Datenbeschaffer tritt in der zweiten Episode noch Chris Jameson hinzu, gespielt vom ebenso attraktiven Michael Rady (Dr. Barnes aus „Emily Owens“) – eine Null-Figur, die außer Schlips und Kragen keine einzige charakterliche Eigenschaft aufweist. Direkt von der Klischeestange kommen auch Vater (Shenandoah) und Sohn (Nelson) Cassidy, zwei nerdig bebrillte Wissenschaftler und Katzenliebhaber im pantoffeligen Tweed-Look, die im ultrageheimen „Clockwork Project“ den Chip entwickelten und Gabriels Aufträge begleiten. Als kuriose Figuren müssen sie für das herhalten, was Seitzman und Co. für Comic Relief halten. John Billingsley (Dr. Phlox aus „Star Trek – Enterprise“) und P.J. Byrne machen das zwar ganz gut, gegen die hölzernen Dialoge haben sie trotzdem keine reelle Chance. „Fringe“-Star Lance Reddick spielt als CIA-Boss eher eine Nebenrolle.

Ein nicht geringer Teil der ersten Folgen wird darauf verwendet, immer und immer wieder zu wiederholen, was für eine geniale Waffe Gabriel Vaughn ist, und das wirkt so, als trauten die Macher ihrer Konstruktion selbst nicht: „Andere Nationen würden einen Krieg anzetteln, um ihn zu besitzen!“ heißt es, er sei das „wertvollste Stück Technologie“, „wichtiger als der Präsident“ (sagt der Präsident persönlich!), und bewundernd wird erläutert, dass endlich mal nicht versucht worden sei, Künstliche Intelligenz menschlicher zu machen, sondern einen Menschen zur Maschine: Gabriel ist RoboCop fürs digitale Zeitalter. Allen Ernstes hört man dann Lilian Strand in jedem Vorspann die Vorzüge Gabriels aufs Neue rekapitulieren: Man wohne hier der „next evolution of intelligence“ bei. Wobei „intelligence“ natürlich „Geheimdienst“ heißt. Brrrr.

Will man das? Man muss es wohl. Und „Intelligence“ geht plotmäßig von Anfang an so sehr in die Vollen, dass das nur nach hinten losgehen kann. Jede der drei ersten Folgen gibt sich als Endspiel. Auch wenn die erwartbare Dramaturgie (Gabriel muss pro Episode mit seinen Cyber-Rendering- und Virtual-Snapshot-Fähigkeiten einen Auftrag übernehmen) sofort klar wird, geht es ausschließlich ums grundlegend Existenzialistische: Im Piloten wird Vater Cassidy entführt und gezwungen, der Chinesin Mei Chen einen zweiten, noch perfekteren Chip zu implantieren. In Episode zwei wird erst mühsam Gabriels großes Trauma aufgefächert (dass nämlich seine Frau vor einiger Zeit als Undercover-Agentin die kaschmirische Terroristengruppe Laschkar-e-Taiba infiltrierte und dabei wohl die Seiten wechselte), und während man noch denkt, dass das ja eine akzeptable Grundlage für einen staffel- oder gar serienübergreifenden Handlungsbogen werden könnte, implodiert das Ganze schon im überstürzten Finale eines Plots, der um unentdeckbare Selbstmordattentäter kreiste. Wer nun denkt, dass Gabriel etwas Ruhe bräuchte, geht fehl, denn obwohl er seinen Status als „government property“ kritisch sieht und zum Tequilasaufen nach Mexiko fährt, wartet schon der nächste Endkampf: Chip-Kollegin Mei Chen ist wieder da. In kürzester Zeit ist sie zur Killermaschine der bösen Seite (sprich: der Chinesen) mutiert, und mit Gabriel möchte sie zu „Adam und Eva“ einer neuen Spezies werden. Klappt natürlich nicht.

Wer will, kann jetzt abwarten, ob das alles in diesem überhitzten Letzte-Dinge-Modus weitergeht oder ob sich der Plot bald in übliche Procedural-Routine abkühlt. Darin befindet sich der Rest der Serie ja schon von Anfang an: Kompetenzstreitigkeiten im Geheimdienst, eine mögliche Liebschaft zwischen Gabriel und Riley, konspirative Treffen auf Parkbänken am See, mal explodiert eine Bombe, mal gibt’s eine Prügelei im Fahrstuhl, dann eine Schießerei im Hinterhof. Doch trotz all der pflichtschuldig eingestreuten Action-Nummern und Last-Minute-Rescues kommt „Intelligence“ nicht aus den Startlöchern. Vor allem mangelt es an Spannung: Zu egal sind einem die Figuren, zu öde sind die Bösewichter. Es fehlt an Witz, es mangelt an Charme.

Hinzu kommt die visuelle Darstellung Gabriels „seherischer“ Fähigkeiten. Da schwirren dann irgendwelche Screens, Statistiken und Karteikarten vor Josh Holloways starrenden Augen umher, mal erinnert das an die Optik aus „TRON“, mal an „Matrix“, meist jedoch eher an ausgelutschte Hacker-Krimis, auf jeden Fall sieht nichts daran so revolutionär aus, dass es die permanente Hyberbolik der das alles beschreibenden Dialoge rechtfertigen würde. Ganz abgesehen also davon, dass es günstigere Zeitpünkte gegeben hätte, eine Serie am Bildschirm zu etablieren, die sich in der hemmungslosen Feier amerikanischer Spitzeldienste ergeht, könnte „Intelligence“, falls nicht noch sehr Entscheidendes geschieht, vor allem an der Langeweile scheitern, die Look, Figuren und Plot verbreiten.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden von „Intelligence“.

Meine Wertung: 2/​5
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: CBS

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für fernsehserien.de rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 („Lonely Souls“) ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 („Pine Barrens“), The Simpsons S08E23 („Homer’s Enemy“), Mad Men S04E07 („The Suitcase“), My So-Called Life S01E11 („Life of Brian“) und selbstredend Lindenstraße 507 („Laufpass“).

Lieblingsserien: Twin Peaks, Six Feet Under, Parks and Recreation

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