Hot in Cleveland – Review

von Ralf Döbele

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 20.06.2010

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Hausmeisterin Elka entkommt jedem Nazi.

Der Abend verläuft munter und während Joy und Victoria nur die Fritten und das Nicht-Light-Bier in der Bar ausgiebig genießen (und am nächsten Tag den Preis dafür zahlen), genießt Melanie zusätzlich Hank, den Klempner (John Schneider, „Ein Duke kommt selten allein“). Nach einer heißen Nacht fühlt sie sich wieder jung und aufregend – und in der Stimmung für eine Immobilie? Häuser sind in Cleveland um ein vielfaches billiger als in Los Angeles. Melanies neu gewonnene Spontaneität kennt keine Grenzen und so mietet sie sich in einem viktorianischen Haus ein.

Noch weiß sie nicht, dass ihr nicht nur bei Hank eine Überraschung bevorsteht. Auch das Haus hat einen Haken. Der ist 80 Jahre jung, heißt Elka Ostrovsky (Betty White), ist die Hausmeisterin und fragt den Makler erst einmal, warum der eine Truppe Prostituierter anschleppt. Doch Elka weiß, dass sie sich besser mit ihrer neuen Chefin gut stellt: „Ich kümmere mich seit 50 Jahren um das Haus. Aber Sie können mich ruhig feuern. Keine Sorge, wenn man den Nazis entkommen ist, dann wird man mit allem fertig“. Ob unsere drei Damen auch mit Elka und Cleveland fertig werden? Die Paris-Reise ist erst einmal verschoben. Und Oprah hat sich für das Augenbrauen-Zupfen bereits eine neue Russin geangelt: „Lasst uns sie umbringen!“ schimpft Joy. „Das ist Deine Lösung für alles!“ meint Melanie. „Aber können wir es nicht wenigstens ein einziges Mal auch wirklich probieren?!“ Na ja, immerhin hat Cleveland doch so einiges zu bieten: Opern, Museen, Kunst … niemand interessiert sich dafür, aber es existiert! Victoria erklärt Cleveland daraufhin zum „Paris von Ohio!? Elka: „Nein, das ist Toledo“.

Melanie (Valerie Bertinelli) weiß noch nicht, dass auch Klempner Geheimnisse haben

Die Macher hätten „Hot in Cleveland“ schon komplett in den Sand setzen müssen um mit einer derart genialen Besetzung einen enttäuschenden Start hinzulegen. So lebt die Sitcom auch von ihren Stars, die allesamt jahrelang in inzwischen legendären Comedy-Formaten zu sehen waren. Betty White alleine darf mit Fug und Recht als Pionierin der ersten Stunde bezeichnet werden. Die 88-jährige war bereits in den ersten Testprogrammen des amerikanischen Fernsehens in den 40er Jahren zu sehen, Jahrzehnte vor der „Mary Tyler Moore Show“ oder den „Golden Girls“. Wendie Malick hinterließ nicht nur als Judith Tupper Stone in „Dream On“ einen bleibenen Eindruck, sondern vor allem auch als die exzentrische Nina Van Horn in „Just Shoot Me!“ – und was wäre „Frasiers“ Bruder Niles elf Jahre lang ohne seine angebetete Daphne alias Jane Leeves gewesen? Gar nichts! Selbst Valerie Bertinelli, die deutsche Zuschauer lediglich als Gloria in „Ein Hauch von Himmel“ kennen dürften, begann ihre Fernseh-Karriere mit der Hauptrolle in einer Hit-Sitcom. „One Day at a Time“ handelte von dem Leben einer geschiedenen Mutter mit zwei Töchtern und lief stolze neun Jahre lang auf CBS. In Deutschland war das Format in all den Jahren seitdem nie zu sehen.

(v.l.n.r) Wendie Malick, Valerie Bertinelli, Jane Leeves und Betty White im ‚Paris von Ohio‘

Jede der vier Damen gibt ihrer Rolle augenblicklich Profil. Dass die dabei nicht besonders neu oder originell ist, stört dabei überraschend wenig. Die Mischung macht ?s! Und gemeinsam harmonieren Bertinelli, Leeves, Malick und White wunderbar, sind regelrecht unschlagbar. Dabei fangen die Schauspielerinnen auch so manche Unebenheiten im Drehbuch mühelos auf. Bei weitem nicht jeder Spruch sitzt, doch nach einem etwas langsamen Start legt die Folge, vor allem in Sachen Witz, ordentlich an Tempo zu.

Interessanterweise bedarf dabei vor allem Betty Whites Figur noch an zusätzlicher Tiefenschärfe. Bislang ist nicht ganz klar, wer Elka Ostrovsky denn nun sein will: eine modernere Sophia Petrillo, komplett mit eigenem Gras-Vorrat, unendlicher Energie und Führerschein? Oder eher eine zugeknöpfte Alt-Protestantin, die seit dem Tod ihres Mannes 1949 keinen Mann mehr angerührt hat und ihre neuen Untermieter selbst für sündige Gedanken tadelt? Im Moment ist sie beides. Doch es wird nicht ausreichen Elka einfach nur wahllos exzentrische Eigenschaften zuzuschreiben. Betty White ist umwerfend komisch, trotzdem braucht und verdient auch sie eine klar umrissene Figur, in die sie so richtig eintauchen kann. Dann wäre das neue Comedy-Kleeblatt perfekt.

Dennoch darf man nach der Premiere äußerst optimistisch sein. Bei TV Land wird man inzwischen in der Chefetage ebenfalls mit reichlich Sekt angestoßen haben. Immerhin verhalf „Hot in Cleveland“ dem Kabelsender am Abend des 16. Juni zu den höchsten Quoten seiner Geschichte. 4,75 Millionen Zuschauer wollten den Piloten sehen und gute Werte wurde außerdem in der Zielgruppe der 25- bis 54-jährigen erzielt. Hoffen wir, dass diese Zahlen ab der zweiten Episode nicht all zu sehr absacken und wir noch eine ganze Weile die Abenteuer der vier Ladys im „Paris von Ohio“ miterleben dürfen. Wer braucht schon getrimmte Körperbehaarung?

Meine Wertung: 4/​5

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Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

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