Crossbones – Review

TV-Kritik zum Piratendrama mit John Malkovich – von Marcus Kirzynowski

Marcus Kirzynowski
Rezension von Marcus Kirzynowski – 23.06.2014, 11:31 Uhr

Piratenkapitän Edward ‚Blackbeard‘ Teach (John Malkovich, m.) – Staatsfeind Nr. 1 des britischen Empire.

1712 beherrscht das britische Empire große Teile der Welt. Nur eine kleine Insel irgendwo in der Karibik hört nicht auf, erbittert Widerstand zu leisten: Auf New Providence leben Rebellen, Piraten, Huren und Halsabschneider, die allesamt keine Lust haben, sich der britischen Krone zu beugen, sondern es bevorzugen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Obwohl hier mit demokratischen Prozessen experimentiert wird, gibt es gleichwohl einen primus inter pares, einen Anführer mehr oder weniger freier Bürger: den Piratenkapitän Edward Teach, besser bekannt als ‚Blackbeard‘. Aber natürlich denken die Briten gar nicht daran, dem wilden Treiben ihrer ehemaligen Untertanen tatenlos zuzusehen und so schickt der Gouverneur der Bahamas, William Jagger (Julian Sands), den Spion Tom Lowe (Richard Coyle), den berüchtigten Piraten zu töten. Lowe tarnt sich auf seiner Mission als Arzt, als Lockmittel dient ein neuartiges Navigationsinstrument. Als Lowe (gemäß seines Plans) in die Hände der Aufständischen fällt, behauptet er, die Pläne des begehrten Chronometers zu kennen, um an ‚Blackbeard‘ heranzukommen.

Wer jetzt glaubt, diese ganze Geschichte so ähnlich schon einmal gehört zu haben, hat Recht. Nur wenige Monate vor dem Start von NBCs „Crossbones“ siedelte nämlich die erste Staffel von „Black Sails“ auf dem Bezahlsender Starz ihre Handlung vor dem gleichen historischen Hintergrund an, zur gleichen Zeit und auf der gleichen Insel. Und auch dort gab es einen Mann, der sich das Vertrauen der Inselpiraten erschlich, indem er behauptete, einen Plan im Kopf zu haben, nur dass es sich dabei nicht um den eines Instruments handelte, sondern um den Weg zu einem Schatz. Wer hier von wem geklaut hat oder ob sich bei den ganzen Parallelen lediglich um eine merkwürdige Koinzidenz handelt, werden wir vermutlich nie erfahren, da beide Serien parallel entwickelt wurden. Während sich „Black Sails“ bei den Figuren aus dem Romanklassiker „Die Schatzinsel“ bediente, basiert „Crossbones“ auf dem Sachbuch „The Republic of Pirates“ des Journalisten Colin Woodard. Trotzdem erinnert diese Serie viel mehr an eine klischeebeladene, eskapistische Fantasie als das deutlich politischere, mit gesellschaftsphilosophischen Grundsatzdiskussionen durchsetzte Format der Konkurrenz.

John Malkovich müht sich ab, einen glaubwürdigen Oberpiraten zu spielen.
Bei NBC geht es hingegen erwartungsgemäß recht oberflächlich zu: Da gibt es den heldenhaften Spion, der auf das personifizierte Böse in Gestalt von John Malkovich trifft. Der ist zwar nicht schwarzhaarig und zu einem imposanten Vollbart hat es irgendwie auch nicht gereicht, trotzdem müht er sich ab, den berühmten Oberpiraten zu geben. Dabei scheint er einfach alle Manierismen noch mal ausgegraben zu haben, mit denen er 1993 den wahnsinnig gewordenen Elfenbeinhändler Kurtz in Nicolas Roegs Fernsehfilm nach Joseph Conrads „Herz der Finsternis“ ausstattete. Tatsächlich merkt man keinen Unterschied, ob er nun einen Ausbeuter im kongolesischen Dschungel darstellt oder einen Piraten im karibischen Inselparadies, denn wie er hier zwischen allerlei exotischen Instrumenten, Kunstgegenständen und Blumen auf seinem Thron sitzt, sind die beiden Rollen absolut austauschbar. Da seine Figur ja laut Drehbuch irgendwie irre sein soll, schraubt Malkovich einfach sein im Laufe der Jahre ohnehin immer aufdringlicher gewordenes mimisches Repertoire auf Overacting-Stufe 10 hoch, zieht die Oberlippe nach oben, streicht sich über die Glatze und raunt seine Dialogsätze mehr als sie zu sprechen. Gut, dass der Mann so wenig Screentime hat! Kein Scherz: Malkovich liefert wirklich das mit Abstand schlechteste Schauspiel der Serie.

Wesentlich weniger Schmerzen bereitet es, Richard Coyle oder seinem love interest Kate Balfour (Claire Foy) zuzusehen, die ihr Handwerk durchaus verstehen. Mit Julian Sands als Gouverneur hat man dann noch einen anderen ehemaligen Hoffnungsträger engagiert, der seine besseren Zeiten ebenfalls schon seit Jahren hinter sich hat. In „Black Sails“ gibt es auch einen Gouverneur auf Jamaica, aber während der höchst ambivalent angelehnt ist, in Wahrheit mit den Rebellen verbündet ist und dann doch wieder Skrupel bekommt, ist Sands’ William Jagger ein eindimensionaler aristokratischer Antagonist, der natürlich erst einmal eine Tasse Tee trinkt, bevor er seine Gefangene nicht nur quält, sondern auch gleich vergewaltigt. Nicht, dass das zu sehen wäre, denn die Autoren um den Briten Neil Cross haben sich zwar offensichtlich vorgenommen, eine mutig-düstere Piratenserie zu machen, die das wilde Leben der Gesetzlosen zwischen Brandschatzen und Bordellbesuchen in Szene setzt – aber wirklich zeigen darf man das im US-Networkfernsehen ja nicht. Deshalb werden Sexszenen immer verschämt abgeblendet oder die Paare behalten gleich sämtliche Kleider an, und auch wenn Kate nach dem Schwimmen nackt aus dem Meer steigt, endet die Kameraeinstellung brav unterhalb ihres Halses. Mit solchen Regeln ist der ganze Ansatz schon ad absurdum geführt – dann hätte man es gleich lassen, den Pay-TV-Kollegen überlassen und lieber eine familientaugliche Abenteuergeschichte erzählen sollen. So, wie das Ergebnis jetzt ausgefallen ist, bleibt unklar, was daran überhaupt interessant sein soll: die unlogische Handlung, die oberflächlichen Figuren, die mittelmäßigen Effekte, die Actionszenen, die viel zu selten eingestreut werden?

Cross hat schon mit „Luther“ gezeigt, dass er zwar durchaus packende Szenarien entwerfen kann, Glaubwürdigkeit und innere Logik aber nicht seine Stärke sind. Das US-Mainstream-TV hat ihm nun auch noch die Kanten abgeschliffen. Ach ja, ab der zweiten Folge wird dann auch mal vom Vorbild Athen gesprochen, von einem Staat ohne König. Das alles bekommt man in „Black Sails“ aber tiefgründiger und dazu mit einem glaubwürdiger inszenierten Gesellschaftsporträt und differenzierteren Figuren geliefert. Als Piratenfan sollte man lieber das gucken und hoffen, dass Malkovich bald sein Gnadenbrot bekommt.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden von „Crossbones“.

Meine Wertung: 2/​5

Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: NBC

Über den Autor

Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing

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