Serienpreview: „Beauty and the Beast“ – Review

TV-Kritik zur Fantasy-Krimiromanze – von Gian-Philip Andreas

Gian-Philip Andreas
Rezension von Gian-Philip Andreas – 16.01.2013, 12:16 Uhr

Ein Bodyguard für Catherine: Die schöne Polizistin (Kristin Kreuk) und ihr Biest (Jay Ryan, mit Narbe).
Eigentlich ging das französische Märchen so: Ein zartes Mädchen wird von ihrem Vater in einem dunklen Schloss abgeladen, wo es sich in ein haariges, finsteres Biest verliebt – den Schlossbesitzer. Disney hat daraus 1991 einen Trickfilm gemacht – mit tanzenden Teetassen und süßlichen Musical-Melodien. Einige Jahre zuvor war das Zottelvieh bereits in den USA in Serie gegangen: In „Die Schöne und das Biest“ spielte Linda „Terminator“ Hamilton ab 1987 drei Staffeln lang eine Anwältin mit Dauerwelle und Ron Perlman, der spätere „Hellboy“, ein Biest mit Bon-Jovi-Löwenmähne, das mit der Anwältin schicksalhaft verbunden war. Vom Märchen war das denkbar weit entfernt.

Das, was das Network The CW seit Oktober als „Beauty and the Beast“ über den Äther schickt, soll nun eine Art Remake der erwähnten Eighties-Serie sein. Dessen deutlichste Änderungen: Die Anwältin ist zur Polizistin geworden und das Biest zum Elite-Soldaten, der im heiligen Zorn über die zusammenstürzenden Türme des World Trade Centers in den Afghanistan-Krieg zog, wo man ihn monströs genmanipulierte. Kein Märchen, keine tanzenden Teetassen – eher handelt es sich hier um eine handelsübliche Krimiserie mit Spuren von Mystery und Verschwörung.

Der Showrunner der Originalserie, Ron Koslow, holte sich die beiden „Unforgettable“-Macherinnen Sherri Cooper und Jennifer Levin an seine Seite. Gemeinsam ergaben sie sich lustvoll der konsequenten Oberflächendoktrin von The CW, derzufolge zwischen „Arrow“, „America’s Next Top Model“ und „90210“ kein männlicher Bauchmuskel uneingeölt und kein weiblicher Co-Star in Ober- und Unterweite auch nur einen Millimeter neben dem Idealmaß bleiben darf. Sprich: Wer es am liebsten hat, wenn sich die Optik einer Serie vom Look der sie unterbrechenden Werbespots möglichst nicht unterscheidet, ist hier definitiv richtig.

Kristin Kreuk, bekannt geworden mit „Smallville“, spielt die kickboxbegabte Polizistin Catherine Chandler. Mit dunkelrosa Lippenstift und stets frisch nachgeschnittenen Haarspitzen, in Skinny Jeans und hipper Vintage-Lederjacke irrt sie durch ihr New Yorker Revier wie eine Prom-Queen auf Schnitzeljagd. Nichts an ihr beglaubigt eine Polizistin der Mordkommission, aber mit derlei Grundsätzlichem fängt man besser gar nicht erst an. Bald nämlich schon springt der mutierte Soldat Vincent Keller aus dem Schatten: Jay Ryan spielt ihn, ein Eigengewächs der australischen Langzeitsoap „Nachbarn“ mit „He-Man“-Figur und einem angeschmierten Macho-Charme, der an Sawyer aus „Lost“ erinnert. Allerdings fehlt hier jede Selbstironie. Meist raunt er sonor und starrt dabei entrückt ins Leere, wenn er nicht gerade mit dekorativ verwehtem Haar auf einem Hausdach steht, beim oberkörperfreien Workout in einem verlassenen Loft schwitzt oder, wie gesagt, aus dem Schatten springt.

Strahl der Erleuchtung: Vargas (Nina Lisandrello) und Catherine lösen schon wieder einen Fall.

Letzteres tut er sehr oft, denn er muss Catherine Chandler in ihren Krimi-Fällen zur Seite stehen, von denen pro Folge einer ans erwartbare Ende geführt wird. Sein schicksalhaftes Problem: Es darf ihn niemand sehen! Denn die Hintermänner der missglückten „Operation Muirfield“, die ihn einst zum Biest umprogrammierte, trachten ihm nach dem Leben, und auch sonst muss jeder, der von dieser Geheimoperation Wind bekommt, um sein Leben fürchten. Selbstverständlich hat auch Catherine Chandler damit zu tun: Vor Jahren wurde ihre Mutter erschossen, sie selbst überlebte nur, weil ein mysteriöses Biest sie rettete: Vincent.

Wer jetzt immer „Biest“ liest, dürfte das schwerlich mit dem smarten Jay Ryan zusammenkriegen. Tatsächlich: Die Macher haben einen Weg gefunden, den Hauptdarsteller überwiegend unvermonstert ablichten zu können, denn zum Biest wird er nur, wenn er in Rage gerät. Doch auch dann reicht es nur zur Variante „Hulk light“: Ryan kriegt sekundenweise ein halbes Pfund Latex ins Gesicht gepappt, und das sonore Raunen degeneriert zum runtergetuneten Schnaufen.

Natürlich liegt zwischen Catherine und Vincent eine tragische Romanze in der Luft und bis zur ersten Verbalisierung der zentralen Moral dauert es nicht lange: „Wer weiß schon, wer die wahren Monster sind?“ Doch statt der fälligen Kuss-Szene macht sich erst einmal das klischierte Figurenarsenal breit: Catherines Cop-Kollegin Vargas (Nina Lisandrello als taffe Latina), ein schwarzer Chef mit Zuckerbrot und Peitsche (Brian White), ein Pathologe mit Model-Look und Brit-Akzent für wiederkehrende Flirtszenen (Max Brown, „Die Tudors“) sowie – damit auch wirklich kein Stereotyp fehlt – ein dicklicher Biochemie-Dozent mit Brille (Austin Basis). Der gewährt Vincent nicht nur in einem verlassenen Fabrikloft (wo sonst?) Unterschlupf, er ist auch für sarkastische Dialoge zuständig.

Insgesamt gibt sich „Beauty and the Beast“ jedoch bedauernswert humorlos. Während sich die Hintergründe um „Muirfield“, das Biest und Catherines Mutter erst allmählich aus dem Nebel metallicblau ausgeleuchteter Flashbacks schälen, werden die Krimifälle in mechanisch abgespulter Procedural-Routine abgehakt: In der ersten Folge geht es um eine vergiftete Modejournalistin, in Episode zwei stürzt eine Ballerina vom Dach, im dritten Durchgang wird ein Richter überfahren. Es werden jeweils drei Verdächtige eingeführt, und am Ende ist der mittlere dann der Täter – gefühlt jedenfalls. Mindestens einmal, meistens aber öfter gerät Catherine in tödliche Gefahr – woraufhin dann Vincent wie ein Deus ex Machina aus besagtem Schatten springt und sie rettet. Wiederkehrende Dialogzeile der entgeisterten Catherine: „Was machst Du denn hier?“ Lächerlicher ist nur das in einer kurzen Rückblende herbeierklärte 9/​11-Trauma Vincents.

Auch sonst gibt es wenig Ruhmreiches zu vermelden: Kollegin Vargas scheint ihre Berechtigung nur darin zu haben, beim Ermitteln zweifelnde Blicke mit Catherine auszutauschen. Manchmal kommt es zu Actionszenen, bei denen die Macher wenig auf Continuity, dafür umso mehr auf Style achten: Pilotfilm-Regisseur Gary Fleder, in den Neunzigern zeitweise als Tarantino-Nachfolger gehandelt, lässt einmal etwa ganz verwegen Blut aufs Objektiv spritzen. Gibt es überraschende Wendungen, wird in stupider Regelmäßigkeit per Flashback ein früheres Detail wiederholt, damit selbst der unkonzentrierteste Zuschauer merkt, wohin die Reise geht. Geschicktes Erzählen geht anders.

In Folge zwei quartiert sich Catherines jüngere Schwester in ihrer weitläufigen Wohnung ein, damit auch familiäre Defizite thematisiert werden können, während die dritte Episode in übel xenophoben Elendskitsch abgleitet, wenn die zeitweise suspendierte Polizistin zwei schwindsüchtige Kinder aus Bosnien vor der Abschiebung aus den USA rettet, woraufhin ihr die fiebernden Mädchen dankestrunken entgegenjauchzen. Osteuropa, die picklige Hölle der CW-Autoren! Es ist zu hoffen, dass sich die inzwischen bestellten 22 Folgen der ersten Staffel wenigstens gelegentlich aus diesen geistesschlichten Sphären emporschwingen. Trotzdem bleibt vor allem eins von dieser recht überflüssigen Neuauflage: Oberfläche.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Folgen von „Beauty and the Beast“.

Meine Wertung: 2/​5

© Alle Bilder: The CW

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für fernsehserien.de rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 („Lonely Souls“) ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 („Pine Barrens“), The Simpsons S08E23 („Homer’s Enemy“), Mad Men S04E07 („The Suitcase“), My So-Called Life S01E11 („Life of Brian“) und selbstredend Lindenstraße 507 („Laufpass“).

Lieblingsserien: Twin Peaks, Six Feet Under, Parks and Recreation

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