American Horror Story – Review

Dylan McDermott im Geisterhaus – von Michael Brandes

Rezension von Michael Brandes – 31.10.2011, 17:04 Uhr

Ben und Vivien durchleben eine Ehekrise nach der anderenFX
Auch darüber hinaus gibt sich „American Horror Story – Die dunkle Seite in dir“ in der Inszenierung betont minimalistisch und schnörkellos auf den Punkt gebracht. Die wenigen Schocker-Momente sind sehr kurz geschnitten und verschwinden so schnell wie sie gekommen sind. Der Schrecken kommt hier eher leise und schleichend daher. Klassische Suspense-Momente gibt es kaum, denn die Autoren streben kein Bündnis mit dem Zuschauer an: Der Wissensvorsprung gegenüber den Harmons bleibt zunächst eher gering. In der Bildsprache bedienen sich Murphy und Falchuk einer recht strengen, geschlossenen Form. Es gibt kaum Außenaufnahmen und kaum Szenen, die in der Totalen gedreht sind. Es dominieren Nahaufnahmen, in denen der Bewegungsspielraum der Figuren eingeschränkt wird und die räumliche Enge des Hauses spürbar wird. Szenen, in denen die Figuren das Haus verlassen, sind – wie beispielsweise Violets Schulbesuche – auf das Notwendigste beschränkt. Vergleichsweise dialoglastig, wenn man das überhaupt so nennen kann, fallen Bens Gespräche mit seinen Patienten aus. Hier wird schon mal auf eine schräge Kameraperspektive gesetzt, die das Bild um einige Grad zur Seite kippen lässt.

Strukturell geht „American Horror Story“ bewusst auf Distanz zu den vielen inhaltsleeren Horrorfilmen der Gegenwart, die mangels innerer Spannung und annnehmbarer Ideen oft auf penetrante Oberflächenreize setzen. Darin genügt ein harmloser schwarzer Schatten im Bild, schon bebt auf der Tonspur ein infernalisches Klanggewitter. Murphy und Falchuk orientierten sich stattdessen deutlich an Vorbildern wie Alfred Hitchcock und vor allem an der Blützezeit des Horrorkinos in den 70er und frühen 80er Jahren. Vieles haben sie sich aus Horror-Meisterwerken wie „Rosemarie’s Baby“, „Poltergeist“ und nicht zuletzt Stanley Kubricks „Shining“ abgeschaut. Hinter dem vermeintlich simplen dramaturgischen Handlungsgerüst verbirgt sich dementsprechend auch eine reflexive Betrachtungsebene. Der Ursprung des Schreckens liegt hier in der Psyche des Einzelnen. Die Charaktere werden mit ihrer eigenen dunklen Seite konfrontiert, Zeit und Raum verschwimmen, ein fester Halt geht verloren. Beim Versuch, dem Bild der heilen Kleinfamilie zu entsprechen, können die Harmons eigentlich nur verlieren.

„American Horror Story“ könnte in diesem Zusammenhang angelastet werden, sich zu sehr auf die seelenverwandten Vorbilder zu verlassen und dem Genre somit kaum Neues hinzuzufügen. Im gleichen Atemzug müsste dann allerdings auch das virtuos in Szene gesetzte Zitatkino eines Quentin Tarantino kritisiert werden. Guter Geschmack, exzellente Genre-Kenntnisse und Stilsicherheit beim Arrangieren der einzelnen Bausteine lassen sich auch Murphy und Falchuk nicht absprechen. Beeindruckend ist aber vor allem, wie es den Autoren einmal mehr gelingt, die üblichen Sehgewohnheiten auf den Kopf zu stellen. Ihr Pilotfilm hat kaum noch etwas mit einer klasssichen Fernsehserie gemein. Vielmehr wirkt „American Horror Story“ wie ein stimmig inszeniertes und mit leiser Ironie versehenes B-Movie für die große Leinwand, das insbesondere Cineasten mit einem Faible für die Historie des Horrorfilms amüsieren dürfte.

Freunde werden Vormieter Larry und Ben wahrscheinlich nichtFX
Eine Garantie für eine auf lange Sicht großartige Serie ist der gelungene Auftakt allerdings noch nicht. Bei „Nip/​Tuck“ und „Glee“ neigten Murphy und Falchuk im späteren Verlauf zu einer gewissen Selbstgefälligkeit. Die Qualität der ersten Staffeln konnte später nicht mehr gehalten werden – vor allem, weil immer dicker aufgetragen wurde. Offen bleibt daher auch im Fall „American Horror Story“, wie lange die Autoren ihre versierte Zitatwut und das zügige Erzähltempo durchhalten können, ohne dass sich Ermüdungserscheinungen einstellen oder die Story zu sehr in Absurditäten abdriftet. Eine zweite Staffel kann man sich jedenfalls aktuell nur schwer vorstellen – zumal die Harmons bereits in der zweiten Folge über einen Verkauf ihres neuen Hauses nachdenken.


Meine Wertung: 4/​5
Michael Brandes

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