Prosit, „Dr. Snuggles“

Auch 30 Jahre nach ihrer deutschen TV-Premiere wird die fantasievolle Zeichentrickserie noch regelmäßig im Kinderprogramm des öffentlich-rechtlichen Fernsehen gezeigt, begeistert immer wieder neue Zuschauergenerationen und genießt mittlerweile Kultstatus. Die Geschichten aus der Feder von „Catweazle“-Erfinder Richard Carpenter und seinen Gastautoren (u.a. auch der „Per Anhalter durch die Galaxis“-Schöpfer Douglas Adams) strotzen vor abstrusen Ideen und sind doch immer kindgerecht. So klauen außerirdische Wesen beispielsweise die irdischen Wasserreserven, indem sie Blöcke aus dem Meer schneiden, was neben einer verheerenden Dürre unter anderem zur Folge hat, dass sich ein ängstlicher Fluss in einer Höhle verkriecht, anstatt die unsichere Reise zum Meer anzutreten. Der gelangweilte Marmeladenbaum, der sich nichts sehnlicher wünscht, als fliegen zu können, entschwebt in den Weltraum, als ihm eine Federspende der Vögel und Snuggles’ Erfindungsreichtum es ermöglichen, seinen Traum zu verwirklichen.

Neben diesen skurrilen Einfällen, zu denen auch das Tee trinkende und in den Wolken lebende Kamel Woogie gehört, ist auch ein Prise des typisch englischen Humors unverkennbar: Nachdem Doctor Snuggles’ Erzrivale Professor Smaragd beispielsweise Fräulein Reinlich gekidnapped hat, damit sie ihm als Haushälterin dient, kommt die beherzte Rückholaktion zu einem überraschenden Ende. Der hinterhältige Entführer heißt die tapferen Beinahe-Retter willkommen und fleht sie an, die rigorose Ordnungs- und Sauberkeitsfanatikerin wieder mit nach Hause zu nehmen. Sie zwinge ihn Möhren zu essen und er hasse Möhren, außerdem müsse er seine Schuhe abtreten, wenn er von seinen Raubzügen zurückkommt. Für einen waschechten Bösewicht ist es natürlich nicht hinnehmbar, unter solchen Umständen seine Schurkenpläne weiter zu verfolgen.

Snuggles’ Abenteuer führen ihn und seine tierischen Freunde ins Gebirge, in den Weltraum oder ans andere Ende der Welt. Der gutmütige Dachs Dennis ist die rechte Hand des Doctors. Er trägt eine blaue Latzhose, bedient die Skizzenmaschine, mit der die Entwürfe für die fantastischen Apparaturen Gestalt annehmen, trifft die Reisevorbereitungen und steuert die wechselnden Beförderungsmittel. Ein Paar Hasen, die Mützen tragen, zwei in einem Rollschuh fahrende Mäuse, ein uniformierter, gefiederter Postbote und ein Frosch mit Taucherbrille gehören zu Snuggles’ Vertrauten. Einzig die freche Maus Knabber gefährdet wiederholt das Gelingen der Rettungsmissionen, die auch ohne allzu aufregende, dramatische Zuspitzungen durchweg spannend ausfallen.

Zu Snuggles’ menschlichen Freunden zählen neben Fräulein Reinlich und seinem Onkel Bill, der mehrere ungeplant verlaufende Expeditionen unternimmt, die mürrische Hexe Wilhelma Weinessig sowie Oma Kuschel, die ein Katzenkrankenhaus/​-Pensionat unterhält, für dessen Ausbau der Erlös des Fesselballonwettrennens genutzt werden soll. Die medial begabte Cosmokatze und das Wolkenkamel Woogie sind wiederkehrende Figuren, die Snuggles besucht, wenn ihm seine Wer-Was -Wo-Maschine nicht mit den gewünschten sachdienlichen Informationen dienen kann. Ihre Ratschläge bringen den Doctor dann meist auf die richtige Fährte. Als Gegenspieler treten Professor Smaragd, Willy, der Fuchs sowie dessen fieser Kumpan Karlchen Rattenkopf auf. Sie stören wiederholt den Frieden im Snugglesland, doch dem Doctor und seinen Freunden gelingt es selbstverständlich die alte Ordnung wieder herzustellen. Außerdem ist es wichtig, außerirdische Smog-Maschinen daran zu hindern, die Umwelt zu verschmutzen oder dem Regenbogen mithilfe eines riesigen Diamanten seine Farben zurückzugeben.

Wie beim stärker auf Klamauk und Action setzenden „Inspektor Gadget“ haben auch Doctor Snuggles unglaubliche Maschinen ihren Anteil an der anhaltenden Popularität, die der von Jeffrey O’Kelly gezeichnete Erfinder genießt. Snuggles Rakete Ploffploff, die wenn es nötig ist mit ein paar Handgriffen zur Bohrmaschine umgebaut werden kann, um sich quer durch die Erde nach Brasilien zu graben, ist nur eine von vielen tollen Maschinen. Sein Schuppen Krick Krack baut sich zum selbsttätig paddelnden Schiff um, während der Snuggleswagen auch fliegen kann. Zudem leisten ihm der Skizzograf und die Wer-Was-Wo-Maschine, mit der man durch Raum und Zeit sehen kann, unschätzbare Dienste. Weitere beliebte Gegenstände, die Doctor Snuggles regelmäßig nutzt und mit sich herumträgt, sind seine ängstliche Taschenuhr und sein „Schirmchen“ mit Entenkopf, der nicht nur gute Ratschläge erteilt, sondern ihm auch zur Fortbewegung (zum Hüpfen) dient.

Für die deutsche Synchronfassung der niederländisch-britischen Trickserie, zeichnet einmal mehr der großartige Eberhard Storeck verantwortlich, mit Walter Jokisch fand er auch ein würdiges Pendant zu Peter Ustinov, der im englischsprachigen Original dem Titelhelden seine markante Stimme lieh. Das eingängige, von einem Kinderchor gesungenen Titellied ebenso wie weitere Lieder des Soundtracks hat man auch nach mehreren Jahrzehnten noch im Ohr, die ungewöhnliche Animation stimmt beim Wiedersehen wunderbar nostalgisch. Obwohl schon vor ein paar Jahren ein Trailer für eine Neuauflage der Serie mit neuen Abenteuer, die ihn unter anderem nach Hollywood führen würden, auftauchte und die altbekannten Figuren relativ originalgetreu animiert zeigte, musste sich die treue Fangemeinde bislang mit der verheißungsvollen Ankündigung begnügen. Bis es Neuigkeiten zu vermelden gibt, kann man sich mit den alten, schon vertrauten, Episoden ein Stück Kindheit und angenehme Erinnerungen an erste TV-Erfahrungen zurückbringen.

Boris Klemkow/​wunschliste.de (20.08.2011)
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