45 Jahre „Der Alte“ im ZDF

Am 11. April 1977 lief der erste Fall des Krimi-Dauerbrenners

Ralf Döbele
Ralf Döbele – 11.04.2022, 11:00 Uhr

222 (+1) Folgen lang im Einsatz: Rolf Schimpf als Leo Kress ZDF/​NMFP München

Trotz des Ausstiegs von Siegfried Lowitz stand Ende 1985 fest: „Der Alte“ geht mit einem neuen Ermittler weiter. Helmut Ringelmann fand mit Rolf Schimpf als Kommissar Leo Kress nicht nur eine neue Identifikationsfigur. Er nahm den Wechsel auch zum Anlass, die Serie kreativ auf neue Füße zu stellen. Teamwork und kriminalistische Arbeit standen fortan stärker im Vordergrund. Man sah immer wieder das große Vergnügen und die Faszination, mit der Kress und seine Kollegen bei der Arbeit waren.

Die Zeit der Alleingänge bei „Der Alte“ war also weitgehend vorbei. Mitunter hagelte es zwar ein gehöriges Donnerwetter, wenn das Team Leo Kress gedanklich noch nicht folgen konnte. Diese leicht cholerische Seite bekam auch Kress’ Tochter Sabine (Bettina Redlich) immer wieder zu spüren, und das nicht nur, wenn Kress sie mit einem fremden Mann in seiner Badewanne ertappte (Folge 106, „Gigolo ist tot“). Doch alles in allem zeigte Kress die große Zuneigung, die er seinem Team entgegenbrachte, auch. Die Kollegen gingen in der gemeinsamen Arbeit auf, die Chemie stimmte.

Dieses Team wurde von Ringelmann neu entwickelt. Aus der Köster-Ära blieb lediglich Michael Ande übrig, der seit der ersten Episode den Assistenten Gerd Heymann verkörpert hatte. Heymann war nach wie vor der ruhende Pol im Büro der Mordkommission, der es aber durchaus verstand, seine Gegner im Verhör mit pointierten Anmerkungen in die Enge zu treiben. Aufgrund seiner generellen Ausgeglichenheit musste schon etwas Einschneidendes geschehen, bis er aus der Haut fuhr oder einen Fall emotional an sich heran ließ.

Jahrelang ein eingespieltes Team: (v. l. n. r.) Heymann (Michael Ande), Kress (Rolf Schimpf), Riedmann (Markus Böttcher) und Richter (Pierre Sanoussi-Bliss) ZDF/​Rainer Friedl

Aus Augsburg brachte der neue „Alte“ seinen eigenen Assistenten mit: Henry Johnson, verkörpert von Charles M. Huber. Die erstmalige Besetzung eines schwarzen Schauspielers mit der Assistentenrolle war bahnbrechend, hatte aber auch einen durchaus realen Hintergrund. Bei der echten Kripo in München klärte bereits seit Jahren Raimund Eichner die Fälle – der einzige schwarze Mordermittler Bayerns. Johnson kannte die Launen und Eigenarten seines Chefs bereits, bewunderte ihn aber geradezu unbändig. Als Huber die Serie 1996 verließ, besetzte Helmut Ringelmann den Part des neuen Assistenten Axel Richter einmal mehr mit einem Schwarzen. Pierre Sanoussi-Bliss blieb 18 Jahre im Team, zeichnete sich durch bissige Ironie und ein recht abgeklärtes Weltbild aus.

Ab Folge 106 stieß Markus Böttcher als Werner Riedmann, Chef der Spurensicherung, zum Team. Das stoische und durchaus strenge Multitalent war sehr umtriebig. Obwohl er zunächst der Jüngste im Team war, stand ihm der Ernst geradezu ins Gesicht geschrieben. Fast ähnlich einem Kommissar Köster folgte er oft seinen eigenen Instinkten, bevor er Bericht erstattete. Standard-Frage im Büro deshalb: Wo ist eigentlich der Riedmann schon wieder? Im Lauf der Jahre wurde Riedmann seinen Kollegen gegenüber zwar milder, aber im Job kaum weniger unerbittlich. Emotionen zeigte er nur widerwillig, beispielsweise, als er in der Folge „Jakob“ an der Leiche eines ermordeten Jungen stand.

Unerbittlich und genau: Spurensicherungs-Chef Werner Riedmann (Markus Böttcher, r.) mit dem „Alten“ ZDF/​Michael Marhoffer

Noch zu Zeiten von Köster feierte eine weitere feste Instanz von „Der Alte“ seine Premiere. Ulf J. Söhmisch tauchte ab 1983 in den meisten Episoden als namenloser, aber verlässlicher Gerichtsmediziner auf, stets nur „Doc“ oder „der Doktor“ genannt. Erst 2007 stellte Riedmann dem langjährigen Begleiter am Tatort die Frage: Wie heißt du eigentlich im richtigen Leben? Antwort des Docs: Vergiss es! Söhmisch blieb dem „Alten“ bis 2013 erhalten und war in mehr als 270 Folgen zu sehen.

Leo Kress und die veränderte Erzählweise des „Alten“ erwiesen sich nach seinem Dienstantritt als genauso beliebt wie sein Vorgänger. Doch bei 100 Episoden machte Rolf Schimpf nicht halt, auch nicht bei 200. Satte 222 Folgen lang ermittelte Kress als Hauptfigur, bevor er mit dem äußerst emotionalen Fall „Jakob“ im Dezember 2007 in Rente ging. Nur einmal tauchte er danach noch auf: In Folge 340 „Taximord“ besuchte Gerd Heymann im Mai 2009 seinen früheren Chef und fand ihn in seinem Garten im Gewächshaus für die Orchideen. Heymann hatte bei einer Verfolgungsjagd einen Verdächtigen erschossen und suchte Rat und Trost bei seinem früheren Vorgesetzten. Der gab zu, dass ihm die Kollegen fehlen. Die Arbeit? Nicht so sehr.

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