Laura Karasek: „Als junger Mensch ist einem gar nicht bewusst, wie kostbar die Zeit mit seinen Eltern ist“

Interview über „Zart am Limit“, Feminismus, Vorurteile und ihr Verhältnis zu ihrem Vater

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 18.03.2020, 16:45 Uhr

Laura Karasek ist „Zart am Limit“ – Bild: ZDF/Steffen Matthes
Laura Karasek ist „Zart am Limit“

Im vergangenen Sommer war bei ZDFneo die erste Staffel von „Laura Karasek – Zart am Limit“ zu sehen. Am Donnerstag, 19. März startet nun die zweite Staffel der Talkshow von Schriftstellerin und Moderatorin Laura Karasek, in der sie über unterschiedliche Themen der Lebenswelt von 30- bis 40-Jährigen diskutiert. Die aktuelle Folge wird immer donnerstags um 22:15 Uhr erstausgestrahlt und liegt bereits ab 10 Uhr in der ZDFmediathek auf Abruf bereit. Im Vorfeld sprach fernsehserien.de-Redakteur Glenn Riedmeier mit der gelernten Rechtsanwältin darüber, weshalb sie ihren Job in der Kanzlei an den Nagel gehängt hat, um stattdessen ins Fernsehen zu gehen.

Darüber hinaus spricht die Tochter des berühmten Literaturkritikers Hellmuth Karasek darüber, welches Verhältnis sie zu ihrem verstorbenen Vater hatte und erinnert sich daran, wie es war, in einem Akademikerhaushalt aufzuwachsen. Darüber hinaus erläutert Laura Karasek ihr Verständnis von Feminismus, mit welchen Vorurteilen sie zu kämpfen hat und weshalb sich Hoch- und Popkultur nicht ausschließen müssen.

fernsehserien.de: Liebe Frau Karasek, wie würden Sie Ihren momentanen Gemütszustand beschreiben: zart oder eher am Limit?

Laura Karasek: Es ist jeden Tag wirklich beides! Ich bin sehr sensibel und manchmal auch melancholisch. Aber gleichzeitig bin ich auch extrem impulsiv und aufgeregt. Jetzt gerade stecken wir mitten in der Produktion der zweiten Staffel meiner Talkshow – und da bin ich quasi immer am Limit! Die zarte Seite von mir kennen hingegen nur wenige. Die kann ich besser in meinen Texten zum Ausdruck bringen als im Fernsehen.

Ich stelle mir vor allem eine Frage: Wo waren Sie eigentlich all die Jahre?

Laura Karasek: In der Kanzlei (lacht)!

Ganz offensichtlich, denn Sie haben ursprünglich einen völlig anderen Weg eingeschlagen. Sie haben Rechtswissenschaften studiert und anschließend von 2011 bis 2018 als Anwältin gearbeitet. Wann und warum haben Sie den Entschluss gefasst, Ihren Job in der Kanzlei aufzugeben, um zum Fernsehen zu gehen? Und weshalb erst jetzt?

ZDF/​Klaus Weddig

Laura Karasek: Ich hätte es mir früher noch nicht zugetraut, glaube ich. Mit dem Jurastudium und dem Anwaltsdasein wollte ich mir vielleicht selbst etwas beweisen. Außerdem wollte ich mich dem Vorwurf entziehen, einfach das Gleiche wie meine Eltern zu machen. Wobei es ein Trugschluss ist, zu glauben, das sei der einfachere Weg. Der schwerste Schritt ist gar nicht die Entscheidung selbst, sondern überhaupt etwas wirklich zu wollen. Schopenhauer sagte mal: „Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.“ Man kann sich seine Wünsche nicht aussuchen. Und mit Mitte 30 habe ich realisiert, dass ich meine Träume, die ich schon als 18-Jährige hatte, nicht länger aufschieben sollte. Das war ein Moment der Klarheit. Entscheidend waren zwei Einschnitte in meinem Leben, die parallel passiert sind: der Tod meines Vaters und die Geburt meiner Kinder.

Das klingt einleuchtend, dennoch finde ich es äußerst mutig, aus einem sicheren Job rauszugehen und noch einmal etwas völlig Anderes zu beginnen. Denn Sie waren in Ihrem Job äußerst erfolgreich und finanziell ziemlich abgesichert.

Laura Karasek: Das stimmt. Hinzu kommt, dass ich in einem wirklich tollen Team eingebunden war. Ich habe mich sicher gefühlt, weil ich mein Handwerk gelernt habe und mich in meinem Job als Anwältin auf mein Studium berufen konnte. Erfolge waren durch gewonnene Prozesse auch eindeutig messbar. Die Fernsehbranche ist viel unsicherer – aber ich war auch nie ein sicherheitsliebender Mensch. Ein gewisses Maß an Adrenalin brauche ich. Solange es nicht lebensbedrohlich ist, setze ich mich gerne dem Risiko aus. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Ich betrachte meinen Job wirklich als Geschenk, deshalb stecke ich so viel Kraft, Liebe und Energie hinein.

Ihr früherer Job in der Anwaltskanzlei gilt immer noch als Männerdomäne. Wie sehr mussten Sie sich als Frau in diesem Berufszweig durchsetzen und um Akzeptanz kämpfen?

Laura Karasek: Am Anfang fiel es mir komischerweise relativ leicht. Ich hatte zwei gute Examen in der Tasche, aber es war mein erster Job, so dass ich naturgemäß die „Neue“ war. Als Nesthäkchen kommt das Team gut mit einem klar, aber mit steigender Erfahrung und auch Erwartung empfinden einen einige zunehmend als Bedrohung. Zu dieser Zeit habe ich plötzlich gemerkt, dass an mich als Frau gesellschaftlich und karrieretechnisch leider von Männern und auch manchen Frauen andere Maßstäbe angesetzt werden. Ich hatte das Gefühl, dass ich nie nur mittelmäßig sein durfte, weil auf mich als Frau ein besonderes Augenmerk gelegt wurde. Ein Stück weit habe ich diesen Exotenstatus genossen. Ich fühle mich unter Männern auch wohl. Allerdings habe ich gemerkt, wie sehr einige immer noch in Schubladen denken und Vorurteile haben, wenn etwa kommentiert wurde, wie ich aussehe oder mich kleide. Das fand ich am Anfang noch witzig, aber weil ich mir immer wieder solche Sprüche anhören musste, hat mich das schon verletzt.

ZDF/​Steffen Matthes

Völlig nachvollziehbar. Welche Erfahrungen haben Sie diesbezüglich in der Medienwelt bisher gemacht?

Laura Karasek: Vorurteile und Klischeedenken existieren leider überall. Oft habe ich Sprüche gehört wie: „Du bist doch eine kluge, intellektuelle Frau. Warum lackierst du dir die Nägel?“ Ich gebe doch nicht meinen IQ ab, sobald ich High Heels anziehe – und es wäre mir auch neu, dass Lipgloss Gehirnzellen abtötet (lacht)! Ich plädiere immer dafür, dass Frauen untereinander mehr zusammenhalten sollten – und erfreulicherweise erfahre ich in der Fernsehbranche eine große Unterstützung. Es langweilt uns alle, wenn uns Stutenbissigkeit nachgesagt wird. Generell habe ich mich in den letzten Jahren aber auch von dem Gedanken befreit, dass einen alle lieben müssen. Ich habe begriffen, dass es in vielen Fällen nicht gegen mich persönlich geht, sondern eher um mich als Frau oder meinen Lebensentwurf.

Ich begrüße jedenfalls die Entscheidung, dass Sie den Weg ins Fernsehen gewählt haben. Im letzten Sommer lief die erste Staffel Ihrer ZDFneo-Talkshow „Laura Karasek – Zart am Limit“. Wie zufrieden waren Sie selbst mit dem Ergebnis?

Laura Karasek: Ich glaube, man ist selbst nie zu 100Prozent zufrieden und denkt ständig, dass man etwas noch besser hätte machen können. So geht es mir auch bei meinen Büchern, an denen ich sicher noch fünf Jahre hätte feilen können. Aber irgendwann muss man einfach loslassen. Ich war jedenfalls sehr glücklich mit der ersten Staffel, gerade hinsichtlich der Tatsache, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben überhaupt eine Sendung moderiert habe. Es war eine tolle Erfahrung für mich und ich habe unglaublich spannende Menschen kennengelernt. Die Themen waren sehr vielseitig – es ging von Monogamie über Schubladendenken bis hin zu Schönheitswahn. Ich bin mit vielen Gästen noch in Kontakt und befreundet. Ich kann mir die Folgen dennoch nicht ansehen, weil ich selbst mein schlimmster Richter bin und mich in Grund und Boden kritisieren würde! Auch jetzt wird mir vor jeder Aufzeichnung immer noch mulmig, aber durch die Erfahrung bin ich jetzt hoffentlich schon souveräner geworden.

Laura Karasek mit den Gästen der ersten neuen Folge: Ronja von Rönne, Thilo Mischke und Massiv. ZDF/​Steffen Matthes

Derzeit drehen Sie die zweite Staffel, die ab Donnerstag, 19. März wöchentlich um 22:15 Uhr bei ZDFneo ausgestrahlt wird. Gibt es konzeptionelle Veränderungen oder Dinge, die aus der ersten Staffel gelernt wurden?

Laura Karasek: Ja, wir haben einerseits die Location gewechselt und sind jetzt im Kunstverein Montez. Andererseits wollen wir erreichen, dass die Gäste mehr miteinander sprechen und diskutieren – es soll nicht einer nach dem anderen an die Reihe kommen, wie das in klassischen Talkshows der Fall ist. Es ist auch nicht unser Ziel, zynisch oder satirisch zu sein. Wir sind keine Show, die ihre Gäste auf die Schippe nimmt. Ich lade nur Leute ein, die ich selber cool oder interessant finde, weil sie abgründig sind oder provozieren. Ich als Moderatorin frage nicht einfach nur ab, sondern diskutiere mit und gebe Dinge von mir preis. Ich bin der Überzeugung, dass sich Menschen nur dann wirklich öffnen, wenn sich ihr Gegenüber auch öffnet und Nähe entsteht.

Welche Themen sind für die zweite Staffel geplant und welche Gäste werden Sie begrüßen?

Laura Karasek: In der ersten Sendung geht es um die dunkle Seite. Was ist gut, was ist böse? Gibt es Dinge, die wir verbergen – vor anderen und vielleicht auch vor uns selbst? Es geht um Kriminalität, Drogen, Sexualität und Gewalt. Zu Gast sind der Rapper Massiv, der Journalist Thilo Mischke und die Autorin Ronja von Rönne, die ich sehr schätze. Jeder hat eine sehr persönliche Geschichte erzählt. In einer weiteren Folge sprechen wir über Luxus, Konsum und Neidgesellschaft mit dem Designer Michael Michalsky, dem Moderator Michel Abdollahi und der Sängerin Alli Neumann, die ein absoluter Wunschgast von mir war.

Laura Karasek unterhält sich mit ihren Gästen über die dunkle Seite. ZDF/​Steffen Matthes

Die Produktion ist noch nicht abgeschlossen. Werden trotz des Coronavirus die weiteren Folgen noch aufgezeichnet?

Laura Karasek: Ja, aber durch den Coronavirus sind auch wir leider gezwungen, die restlichen Folgen ohne Publikum aufzuzeichnen und mussten auch die Gästeplanung etwas umstellen. Gerade, weil wir eine stimmungsvolle Unterhaltungssendung machen und zwischendurch auch spielen, wird es sicher ungewohnt sein, keine direkten Reaktionen der Zuschauer mehr zu erhalten.

Zusätzlich gibt es „Zart am Limit“ jetzt auch als Podcast. Welche Vorteile bietet das Podcast-Format im Gegensatz zur Fernsehsendung – und was ist das Konzept?

Laura Karasek: Die Besonderheit des Podcasts besteht darin, dass ich die Fragen vor der Sendung selbst nicht kenne. Die werden von der Redaktion vorbereitet. Ich stelle sie dann spontan meinen Gästen und antworte auch selbst darauf. Es soll auch hier kein Frage-Antwort-Spiel sein. Das Podcast-Format begünstigt das. Ein Podcast ist viel intimer als eine Fernsehsendung, weil es keine Kameras gibt. In einer TV-Show denke ich immer daran, dass man auch eine Performance abliefern muss. Im Podcast dagegen sitzen wir uns einfach gegenüber und sprechen sehr ungezwungen und natürlich miteinander, so wie am Tresen oder in der Küche.

Auf der nächsten Seite erläutert Laura Karasek, weshalb sich Hoch- und Popkultur nicht ausschließen müssen, welche Rolle die Samstagabendshow-Legende Ulla Kock am Brink bei ihren ersten Schritten im Fernsehen gespielt hat und weshalb die VOX-Sendung „7 Töchter“ geradezu therapeutische Wirkung für sie hatte.

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