Grimme-Preis: Zoff um „Doctor’s Diary“

Dr. Molly „facettenreich“, Gretchen Haase „ärgerlich“?

Michael Brandes – 27.03.2009

Die gestrige Bekanntgabe der Grimme-Preisträger bleibt nicht ohne Nachspiel. Vor allem geht es um die Frage, wer denn nun die bessere Fernsehdoktorin ist: Dr. Molly oder Gretchen Haase? Die Jury des „Unterhaltung“-Sektors hatte fast alle Vorschläge der Nominierungskommission ignoriert (darunter „Dr. Molly & Karl“) und dafür einen Preis an die RTL-Serie „Doctor’s Diary“ verliehen, die von der Kommission aber gar nicht nominiert wurde, weil sie als Ärgernis empfunden worden ist.

Der Hintergrund: Die Grimme-Preise werden in drei Kategorien vergeben. Unter „Fiktion“ werden vornehmlich anspruchsvolle Fernsehfilme prämiert, bei „Information & Kultur“ Dokufilme und-reihen. Die dritte Kategorie „Unterhaltung“ ist eine Sammelrubrik für Serien, Shows und Formate aller Art. Für jede Kategorie gibt es eine unterschiedlich besetzte Nominierungskommission, die aus Journalisten und Fernsehschaffenden besteht und Vorschläge für die Jury erarbeitet. Die drei Jurys sind ebenso unterschiedlich besetzt und wählen aus den Vorschlägen der Kommission die Preisträger aus.

Für die Nominierungen der „Unterhaltung“-Kommission hagelte es in den Medien Kritik: Der Fernsehpreis werde verwässert. Während einstige Grimme-Lieblinge wie Harald Schmidt gar nicht mehr berücksichtigt werden, fanden sich stattdessen unter anderem „Dr. Molly und Karl“, die RTL-Coaching-Doku „Die Ausreißer“ und die Familie Ludolf auf der Nomi-Liste jener Kandidaten wieder, die für preiswürdig erachtet wurden. Die Jury „Unterhaltung“ vergab nun lediglich zwei statt fünf Preise und ignorierte somit fast alle Vorschläge der Kommission. Nur „Johannes Schlüter“ aus „extra 3“ wurde aus der Auswahlliste übernommen, was schon als Affront zu werten ist. Um wenigstens einen zweiten Preis vergeben zu können, „entlieh“ sich die Jury „Doctor’s Diary“ aus dem „Fiktion“-Wettbewerb. Die RTL-Serie wurde von der „Unterhaltung“-Kommission bewusst ignoriert – im Gegensatz zur Ansicht der Kollegen aus der „Fiktion“.

Das kam nun in der Kommission nicht gut an: Harald Keller, Journalist und Kommissionsmitglied, rechnet nun in der „Frankfurter Rundschau“ mit „Doctor’s Diary“ ab: Autor Bora Dagtekin würde – wie angeblich auch in „Türkisch für Anfänger“ – nur britische und amerikanische Vorbilder kopieren und kreuze „das ‚Bridget Jones‘-Prinzip mit seichten Krankenhausgeschichten“. Das Handlungsmuster gefiel ihm ganz und gar nicht: „Die Heldin hadert mit ihrem vermeintlichen Übergewicht und lechzt nach der Zuwendung eines Ekels von Oberarzt. Diese Abläufe wiederholen sich von Folge zu Folge, ohne dass die Geschichte einen Fortgang erkennen lässt. Ärgerlich auch die Herabsetzung diverser Nebenfiguren zum karikaturesken Stereotyp.“

Im gleichen Atemzug lobt er im Vergleich die Sat.1-Serie „Dr. Molly & Karl“ und kritisiert deren Kritiker: „Abwegig sind die vor allem im Internet kursierenden vulgärkritischen Exegesen, diese hochqualifizierte und selbstverliebte Neurologin sei ein weiblicher, deutschsprachiger Dr. House – sie ist umgekehrt genau das Gegenteil des von Selbsthass zernagten und körperlich gleichwie sozial verkrüppelten US-Diagnostikers“.

In der Tat waren sich TV-Kritiker und Publikum bei der Bewertung beider Serie so einig wie selten zuvor: „Dr. Molly & Karl“ wurde weitgehend als belangloser Versuch bewertet, sich an den „Dr. House“-Hype anzulehnen, während „Doctor’s Diary“ trotz Nähe zu „Grey’s Anatomy“ als durchaus charmant, witzig und mit eigenständiger Note empfunden wurde – ähnlich wie „Stromberg“ im Vergleich zum Vorbild „The Office“. Während „Doctor’s Diary“ zum Publikumserfolg wurde, wurde Dr. Molly vorzeitig abgesetzt.

Doch Keller schwärmt weiter für Dr. Molly und entdeckt, inklusive Seitenhieb auf die Jury, bislang verborgene Qualitäten: Die Serie sei eine „Entdeckungsreise“ und überrasche „mit immer neuen Facetten. Ein essentielles Qualitätsmerkmal bei der Bewertung einer seriellen Erzählung, dem die diesjährige Grimme-Jury jedoch offenbar kein Gewicht beimessen mochte.“

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am via tvforen.de

    I'm with The Grimme-Jury. Dr. Molly & Karl war doch in wirklich jeder Hinsicht schlecht, während Doctor's Diary wenigstens annehmbares Frauenfernsehen darstellt.
    • am via tvforen.de

      Finde das die Jury vollkommen richtig entschieden hat. Dr. Molly und Karl war ja echt grottenschlecht. Hatte nach der ersten Folge schon genug. Doctors Diary ist um Längen besser,nicht umsonst ist dies schon der dritte Preis den sie bekommen haben. Wäre auch völlig überflüssig einer Serie, die bereits abgesetzt wurde (weil sie einfach schlecht war ) einen Preis zu verleihen.
      Freue mich auf die nächste Staffel von Doctors diary,die beste Serie ( nach Alarm für Cöbra 11 ,die sich schon seit Jahren hält ) ,die das deutsche Fernseh zu bieten hat.

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