NDR Kultur – Das Journal Folge 9: Folge 9 (2016/2017)
Folge 9
Folge 9 (2016/2017)
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Zu 1.) Vor 20 Jahren hopste er das erste Mal durch das deutsche Fernsehen, gab eine bayerische Mischung aus Flummi und Springmaus. Inzwischen ist Michael Mittermeier 50, ruhiger geworden, aber nicht weniger lustig. Und das sowohl auf der Bühne, als auch in seinem neusten Buch: „Die Welt für Anfänger“ (Kiepenheuer & Witsch). Er ist der beste Beweis, dass man Klamauk und Kabarett auch miteinander verbinden kann. Lustig sein, aber mit Haltung. Klamaukig, aber mit Meinung. Er bezieht auf der Bühne, wie auch im Internet Stellung – gegen AfD, gegen Pegida, aber auch gegen die Kirche. Dafür erntet er viel Begeisterung, aber auch Hass, sogar Morddrohungen. Julia Westlake hat ihn getroffen und mit ihm über Hass und Humor gesprochen. Zu 2.) Vera Scheefeld fährt Taxi. Fünf Tage die Woche, Vollzeit. Dabei ist die Hamburgerin bereits 75 Jahre alt und bezieht Rente. Doch die 600 Euro vom Staat reichen nicht. Und das obwohl sie ihr Leben lang gearbeitet und vier Kinder alleine großgezogen hat. Und Vera Scheefeld ist kein Einzelfall: Sieben Millionen Frauen aus den geburtenstarken Jahrgängen gehen in den nächsten Jahren in Rente. Zwei Drittel werden Unterstützung vom Sozialamt brauchen – obwohl sie gut ausgebildet sind und immer berufstätig waren. Für Kristina Vaillant ist das ein sozialpolitischer Skandal. In ihrem Buch „Die verratenen Mütter“ (Knaur) fordert die Rentenexpertin Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern und verweist auf erfolgreiche Alternativen zum deutschen System, das europaweit das einzige ist, in dem die Renten zwischen Männern und Frauen derart auseinanderklaffen. Zu 3.) Güstrow 1971. Für 40 Kinder beginnt mit der Einschulung der Ernst des Lebens. Das Besondere: Ihre Klassenlehrerin ist die ausgebildete Fotografin Barbara Seemann. Sie begleitet „ihre“ Kinder mit der Kamera – im Unterricht, auf Klassenfahrten, auf Pioniernachmittagen. Auch nach dem Schulabschluss bleibt sie mit ihren Schülern in Kontakt und hält deren Leben immer wieder in Bildern fest: Hochzeiten, erste Schritte im Berufsleben, selbst im Kreißsaal ist sie dabei, als eine ihrer Schülerinnen ihr erstes Kind auf die Welt bringt. Und dann kommt die Wende. Was macht die Wiedervereinigung, der Übergang vom Sozialismus zur Marktwirtschaft mit ihren
ehemaligen Schülern? Wie meistern sie diesen Wechsel? Barbara Seemann fotografiert weiter. Herausgekommen ist ein einzigartiges Langzeitprojekt über 45 Jahre. Zu 4.) Was reizt den Fotografen an der Malerei – und den Maler an der Fotografie? Was passiert, wenn zwei Künstler sich gegenseitig kuratieren? Wer sucht was aus? Das Ergebnis dieses Experiments ist in der Kunsthalle Rostock zu sehen (14.9. – 4.12.2016). Der selbsternannte Malerfürst Markus Lüpertz und der Fotograf Andreas Mühe zeigen jetzt in einer gemeinsamen Ausstellung wie unterschiedlich sie an die Inszenierung des menschlichen Körpers herangehen. Und zwar nicht nur, weil der eine malt und der andere fotografiert. Beide setzen sich mit unterschiedlichen Bildtraditionen auseinander – und so ist die Gemeinschaftsausstellung auch als Kommentar zu verschiedenen Epochen der Kunstgeschichte zu sehen. Zu 5.) „About what?“ fragte der neue Chefdirigent Geir Lysne, als er von der Idee hörte, ein Musikstück über das Watt zu produzieren. Der Norweger, der in diesen Tagen die Leitung der NDR Bigband übernimmt, kannte weder das Wort noch die Landschaft – aber die Anregung des Hamburger Filmemachers Theo Janßen faszinierte ihn sofort. Klänge erfinden, die zu dieser einmaligen norddeutschen Szenerie passen. „Watt about“ heißt nun das Ergebnis. Eine Verbindung von Film und Livemusik: eine Hommage an Weite, Wasser und Wolken – und die Menschen und Tiere in dieser Landschaft. Lysne ist ein international erfahrener Saxophonist, Komponist und Bandleader, der in seine Musik nicht nur Jazz, sondern auch norwegische Folklore einfließen lässt. Uraufführung des Filmkonzerts: 23.9. in Hamburg. Zu 6.) „Schwandt in Sicht!“ – Kapitän Jürgen Schwandt bespricht im Kulturjournal jede Woche ein Thema, das ihn besonders bewegt. Viele Jahre ist Jürgen Schwandt zur See gefahren, hat hart gearbeitet und so manchen Sturm überlebt. Und hatte wohl in jedem Hafen mindestens eine Braut. „Überall habe ich gute Menschen kennengelernt und auch ein paar Arschgeigen. Aber ob gut oder Arschgeige – mit Hautfarbe, Pass oder Religion hat das gar nichts zu tun.“ Der Mann hat Haltung. Kapitän Schwandt hält mit seiner Meinung nicht hinterm Bug, sondern legt sich immer wieder mit rechten Populisten à la Pegida und AfD an – trotz Morddrohungen. (Text: NDR)