NDR Kultur – Das Journal Folge 5: Folge 5 (2020/2021)
Folge 5
Folge 5 (2020/2021)
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Glückliche Kühe gegen Massentierhaltung: Streit um Kinderbücher Der Biohof in bunten Farben, die Massentierhaltung in Grau. Glückliche Schweine auf der Wiese, gesichtslose Schweine im Stall. Weil das Kinderbuch „Alles lecker!“ industrielle Tierhaltung kritisierte, protestierten Bauern im vergangenen Jahr gegen den Klett-Kinderbuch-Verlag. Nachdem der Verlag die Bücher überarbeitet hat, protestierten vor kurzem unter anderem Tierschützer*innen. Und nun hat der Verlag ein neues Buch zum Thema veröffentlicht: „Das wahre Leben der Bauernhoftiere“. Die fast fotorealistischen Bilder von Lena Zeise zeigen die Tiere nicht gutgelaunt auf der grünen Wiese, sondern laut Verlagsbeschreibung „so, wie sie heute wirklich leben“. Doch wieder gibt es Streit um das Buch. Warum polarisiert das Thema Tierhaltung so stark? Das Kulturjournal spricht unter anderem mit Vertreter*innen des Verlages und des Vereins Animal Rights Watch. Gefahr für die Meinungsfreiheit? Cancel Culture und die Folgen Cancel Culture, das heißt auf Deutsch so viel wie „Kultur absagen“ oder auch „Abbruchkultur“: Menschen oder auch Organisationen, denen beleidigende, diskriminierende Äußerungen bzw. Handlungen vorgeworfen werden, sollen dafür boykottiert werden. Die Forderung ihrer Kritiker: deren Bücher sollen nicht gedruckt, deren Auftritte abgesagt werden. Das Phänomen trat zuerst in Amerika auf, aber inzwischen gibt es auch Fälle in Deutschland. Es betraf die Kabarettistin Lisa Eckhart, Dieter Nuhr oder auch Regisseur Woody Allen, dessen deutsche Ausgabe seiner Autobiografie verhindert werden sollte. Ist das eine berechtigte öffentliche Sanktion? Oder wird dadurch die freie Diskussion eingeschränkt? Der Streit darüber ist Thema der aktuellen NDR Debatte mit dem Titel „Cancel Culture – lieber absagen als aushalten?“. Im „Kulturjournal“ diskutieren die Journalisten Sascha Lobo (u.a. Blogger) und Ulf Poschardt (Chefredakteur „Die Welt“). Die Suche nach dem Sinn im Unsinn. Helge Schneiders neues Album Gerade ist er 65 Jahre alt geworden und hat sich und seinen Fans zum Geburtstag ein neues Album geschenkt. Für „Mama“ hat er nicht nur die Songs geschrieben, sondern auch von der Rumbarassel bis zum Jagdwursthorn alle Instrumente selbst eingespielt. Von Rente kann also keine Rede sein. Helge Schneider, Allroundtalent aus Mülheim an der Ruhr, is back! Mit seinem schrägen Humor, legendär die
Songs „Katzeklo“ oder „Fitze Fatze“, begeistert er seit Jahren ein Millionenpublikum. Immer wieder verblüfft er damit, wie viel Sinn er im Unsinn entdeckt. Gerade hat er seine Tournee begonnen. Am 9. September ist er in Hamburg zu Gast. Das „Kulturjournal“ mit einem Beitrag über einen Entertainer, für den Witz und Welterkenntnis ganz nahe beieinander liegen. „Grandma Freud“: Film über das Leben der Sexualtherapeutin Ruth Westheimer Herzerfrischendes Lachen, den Schalk im Nacken und keine Angst vor Tabus: Wenn sie vor ihr Publikum tritt, wirkt Ruth Westheimer auch heute noch wie ein junges Mädchen. Mit 92 Jahren hält sie Vorträge über Sex, schreibt Bücher und unterrichtet. In den USA hat sie längst Kultstatus. Und auch hierzulande gilt sie als Grande Dame der Sexualtherapie. Ihr ganzes Leben lang hat sie klar Stellung bezogen, während der Aids-Hysterie gegen Homophobie gekämpft, sich in der Abtreibungsdebatte für die freie Entscheidung der Frauen engagiert und queere Rechte verteidigt. Auch heute noch ist sie da, wo es brennt. Kurz vor ihrem 92. Geburtstag am 4. Juni nahm sie in New York an den Protesten der „Black Lives Matter“-Bewegung gegen Rassismus und Polizeigewalt teil. In „Fragen Sie Dr. Ruth“ erzählt Regisseur und Produzent Ryan White mit Archivmaterial, aktuellen Interviews und animierten Passagen ihr bewegtes und bewegendes Leben. Ende August ist der Dokumentarfilm in den Kinos gestartet. Flucht aus Hannover: Roman über den Künstler Kurt Schwitters Er wollte eine neue, eine freie Kunst: Der Dichter, Grafiker und Maler Kurt Schwitters (1887 – 1948) schuf in Hannover mit seinem „Merz“ eine eigene Form, angelehnt an „Dada“. Abfall, Reklame, Zeitungsausschnitte, für ihn alles Material für Collagen und eine große Raumskulptur, den „Merzbau“. Doch die Nazis bannten seine Kunst als „entartet“ und Schwitters musste fliehen: zuerst nach Norwegen, dann nach England. Im Exil lebte der Künstler in Armut, zwischenzeitlich war er sogar in einem Internierungslager. Die Schriftstellerin Ulrike Draesner hat nun einen Roman über die Flucht und die letzten Lebensjahre von Kurt Schwitters veröffentlicht. Für die leidvolle Fluchtgeschichte und für sein einzigartiges Werk hat sie eine eigene, poetische Sprache gefunden: „Schwitters“ (Penguin Verlag) ist das „NDR Buch des Monats“. Das „Kulturjournal“ trifft Ulrike Draesner im Sprengel Museum Hannover, wo heute viele seiner Werke und auch eine Rekonstruktion des Merzbaus zu sehen sind. (Text: NDR)