Folge 771

  • Die Macht der Erinnerung

    Folge 771 (90 Min.)
    Welche Rolle spielen Erinnerungen im Leben, wie sehr prägen sie das menschliche Verhalten? Und was, wenn einen die Vergangenheit nicht mehr loslässt? Über die „Macht der Erinnerung“ spricht Michael Steinbrecher mit seinen Gästen im „Nachtcafé“. Die Freiheit der Kindheitstage, kleine Abenteuer auf Urlaubsreisen oder schmerzhafte Erfahrungen mit einer gebrochenen Liebe – Erlebnisse und Erfahrungen, die sich ein Leben lang einprägen. Ab dem Alter von drei Jahren ist der Mensch in der Lage, autobiographische Erinnerungen im so genannten Episodischen Gedächtnis abzulegen und diese jederzeit wieder abzurufen.
    Doch es gibt Erlebnisse, an die man sich nicht mehr erinnern kann oder vielleicht gar nicht mehr erinnern will. Erinnerungen, die zwar nur in Bruchstücken vorhanden sind, die einen aber nicht mehr loslassen. Erinnerungen die Macht über das menschliche Verhalten haben und Handlungen unbewusst steuern – mit Folgen für die Gesundheit und den Alltag. Im schlimmsten Fall sind die Erinnerungen so belastend, dass ein normales Leben unmöglich wird. Die Gäste: 24 Jahre alt war Bodo Janssen, als er von Kidnappern entführt und acht Tage lang gefangen gehalten wurde.
    Die Entführer quälten ihn mit Scheinhinrichtungen und seelischer Folter. „Heute habe ich die Macht über meine Erinnerung zurück gewonnen“, sagt Janssen, der dieses Erlebnis mithilfe eines Traumatologen verarbeitete. Bei Ille Ochs setzten sich die Bruchstücke der Kindheitserinnerungen erst im späten Erwachsenenalter zu einem Ganzen zusammen. Die schockierende Erkenntnis: Sie wurde als Kind missbraucht – vom eigenen Vater. Heute weiß sie: „Es war wohl eine Schutzfunktion, dass die Erinnerungen an mein traumatisches Leben verschüttet waren.“ Wibke Bruhns Erinnerungen setzen erst mit der Nachkriegszeit ein.
    Im April 1945 war sie bereits ein siebenjähriges Kind und ihr Vater tot. Die Nazis hatten ihn als Mitwisser des Stauffenberg-Attentats
    gehängt. „Das Totschweigen der Vergangenheit war bei uns wie in vielen Familien“, erinnert sich Bruhns. Erst nach dem Tod der Mutter befasste die Journalistin sich mit dem Leben des Vaters und hat versucht, ein Bild der linientreuen Nazifamilie zu zeichnen. Auch bei Jens Orback waren es Kriegserinnerungen, die sein Leben prägten – allerdings nicht seine eigenen.
    Das verdrängte Kriegstrauma seiner Mutter hatte sich Jahrzehnte später wortlos auf ihn übertragen: Panikattacken und Todesängste waren die Folge. „Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass sie im Krieg vergewaltigt wurde“, sagt Orback, dem es schließlich gelang, sich gemeinsam mit seiner Mutter auf Spurensuche zu machen. Für Carl Eduard Scheidt ist die gemeinsame Aufarbeitung das zentrale Instrument in der Bewältigung von Traumata: „Erinnerungen sind nicht einfach nur Bilder in einem Speicher, die abgerufen werden, sondern stehen immer in Abhängigkeit von persönlichen Beziehungen“, sagt der Psychosomatiker.
    In gemeinsamen Erzählungen zwischen Menschen kann so aus Bruchstücken von Erinnerungen wieder ein ganzes Bild entstehen. Für Stefan Arzberger steht das in weiter Ferne. Mehr als 16 Monate lang kämpfte der renommierte Kammermusiker um seine Unschuld. „Versuchter Mord“ lautete der Tatvorwurf, doch eine Erinnerung an die verhängnisvolle Nacht in New York hat Arzberger bis heute nicht.
    K.O.-Tropfen hatten ihm jegliches Erinnerungsvermögen geraubt. „Das ist, wie wenn man versucht, im Dunkeln einen Lichtschein zu erhaschen – und man sieht doch nichts“, sagt Arzberger. Dass man sich auf seine Erinnerungen nicht verlassen kann, hat die Rechtspsychologin Julia Shaw nachgewiesen. „Wir müssen uns von der Idee verabschieden, unser Gedächtnis funktioniere wie eine innere Kamera“, sagt Shaw, der es in einer aufsehenerregenden Studie gelungen ist, ihren Studienteilnehmern falsche Erinnerungen einzupflanzen. Am Ende waren sie davon überzeugt, sich an ein Erlebnis zu erinnern, das so nie stattgefunden hat. (Text: SWR)
    Deutsche TV-PremiereFr 07.10.2016SWR Fernsehen

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