2024, Folge 196–200
Alexander Van der Bellen – Vom Flüchtlingskind zum Präsidenten
Folge 196Als Sohn einer estnisch-russischen Flüchtlingsfamilie wird Van der Bellen 1944 in Wien geboren. Der Vormarsch der Roten Armee auf die Stadt zwingt die Familie im Frühjahr 1945 dazu, weiter in den Westen des Landes zu gehen. Sie landen schließlich im Tiroler Kaunertal, wo „Sascha“ Van der Bellen seine ersten Kindheitsjahre verbringt. Bei Dreharbeiten im Kaunertal erzählt der Altbürgermeister Josef Raich von der überlieferten, positiv gestimmten Aufregung im Tal, als sich Van der Bellens Vater, ein „Weltkaufmann“ aus Estland, dort mit seiner Familie niedergelassen hatte. Die Schul- und Studienzeit verbringt Alexander Van der Bellen in Innsbruck.
Im Gymnasium wird er Schulsprecher, erinnert sich der damalige Schulkollege Tilmann Märk. „Das könnte man gewissermaßen als erste politische Tätigkeit sehen“, ergänzt er. Als promovierter Volkswirt schlägt der spätere Politiker jedoch zunächst eine Karriere in der Wissenschaft ein und tritt in „Club 2“-Sendungen als Wirtschaftsexperte erstmals medial in Erscheinung. Sein vormaliger Doktorand Peter Pilz holt ihn 1993 in die Politik: „Ich habe das Gefühl gehabt, dass ihm auf der Uni schon ein bisschen fad war, aber es war trotzdem nicht einfach, ihn zu überzeugen.“ Van der Bellen wird Nationalratsabgeordneter der Grünen, 1997 übernimmt er für elf Jahre den Parteivorsitz.
2016 kandidiert Alexander Van der Bellen für das Amt des Bundespräsidenten. Die dramatische Stichwahl mit Wahlwiederholung gegen den freiheitlichen Kandidaten Norbert Hofer führt zu einer noch nie dagewesenen Polarisierung im Land, die auch international für Aufsehen sorgt. Als Bundespräsident bemüht sich Van der Bellen zunächst um Versöhnung. Sein Verhältnis mit der FPÖ bleibt jedoch angespannt.
„Ich finde, dass er mit der Art und Weise, wie er Politik gemacht hat, nicht ganz überparteilich war“, so Norbert Hofer im Interview. In Van der Bellens Amtszeit fallen der Ibiza-Skandal, die Abwahl von Sebastian Kurz als Bundeskanzler, die Ernennung einer Beamtenregierung mit Brigitte Bierlein als erste Frau im Kanzleramt sowie die Corona-Pandemie und Chats-Affären. Landkarte des politischen Handelns ist in diesen Zeiten die österreichische Bundesverfassung, der Van der Bellen Eleganz attestiert. Äußerungen wie „So sind wir nicht“ oder „Was ist denn jetzt schon wieder passiert?“ gehören zum ironischen Unterton des Präsidenten.
In der „Menschen & Mächte“-Dokumentation kommen neben dem Staatsoberhaupt selbst viele Wegbegleiterinnen und -begleiter zu Wort, darunter der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer, Bundeskanzler a.D. Wolfgang Schüssel, Bundeskanzlerin a.D. Brigitte Bierlein, Salzburgs langjährige Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler oder die Klimaaktivistin Lena Schilling. Auch ausländische Staatsoberhäupter wie die slowenische Präsidentin Nataša Pirc Musar und der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprechen über ihren österreichischen Amtskollegen und das, was sie in Europa vereint. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Do. 18.01.2024 ORF 2 Der Patronenkönig – Das unheimliche Leben des Fritz Mandl
Folge 197Wien 1935: Fritz Mandl ist damals ein Mann, der „in jeder Hauptstadt der Welt bekannt und gefürchtet“ war. So steht es in der Autobiografie der berühmten Hollywood-Schauspielerin Hedy Lamarr. Sie war Mandls zweite Ehefrau und hat die dunkle Aura ihres Ex-Gatten nach der Scheidung kräftig aufgebauscht. Im Kern lag die Filmdiva aber richtig. Der europäische „Patronenkönig“ der 1930er Jahre kannte bei den Geschäften des Munitionskonzerns Hirtenberger keine Skrupel. Fritz Mandl bewundert den italienischen Diktator Mussolini und unterstützt den österreichischen Heimwehr-Faschismus, der 1933 in die Dollfuß-Diktatur führt.
Mitunter verblüfft Mandl jedoch Freund und Feind. Indem er 1936 im Spanischen Bürgerkrieg die republikanischen Gegner der Franco-Faschisten beliefert. Mandl war – wie Historiker belegen – ein gerissener Opportunist und Grenzgänger, der im Dunstkreis von Polit-Abenteurern und der High Society viele in seinen Bann ziehen konnte. Hedy Kiesler-Mandl wird ihrem Mann aber die größte Schmach seines Lebens zufügen.
Fritz Mandl hatte ihr nach ihrer Rolle im Erotikfilm „Ekstase“, der damals wegen seiner Nacktszenen für einen Skandal sorgte, die Schauspielerei verboten. Deswegen brennt Kiesler nach Hollywood durch, wo sie unter dem Künstlernamen Hedy Lamarr zur „Marilyn Monroe der Weltkriegsjahre“ wird. 1938 muss Mandl wegen seiner jüdischen Wurzeln und seiner Rolle als Heimwehr-Geldgeber vor den Nationalsozialisten fliehen. Mandl ist abgebrüht genug, um den Nazis bei der „Arisierung“ seines Konzerns eine bescheidene Entschädigung abzutrotzen.
Was außer ihm bei Enteignungen durch das NS-Regime praktisch niemand geschafft hat. In Südamerika baut Mandl ein neues Firmenimperium auf. Doch er landet nach einer Geheimdienstverschwörung zu Unrecht als NS-Spion im Gefängnis. Trotzdem muss der Austro-Argentinier hart kämpfen, bis er sein von den Nazis geraubtes Vermögen 1957 zurückerhält. Von neuen schönen Frauen umgeben kommt der Jetset-Manager mit dem Hirtenberger-Konzern wieder ins Geschäft – bis dubiose Munitionsexporte mit der österreichischen Neutralität kollidieren.
„Der Patronenkönig – Das unheimliche Leben des Fritz Mandl“ ist ein Film über einen Grenzgänger, der ein einzigartig schillerndes Leben geführt hat. Mit exklusiven Interviews und Familienfotos, einer bislang unveröffentlichten Tonband-Aufnahme von Fritz Mandl sowie historischen Spielszenen wird die Laufbahn des Munitionsfabrikanten nachgezeichnet. Gedreht wurde die mit Mitteln der Verwertungsgesellschaft Rundfunk (VGR) geförderte ORF-Dokumentation in Österreich und Argentinien.
Bis heute ist Buenos Aires der Wohnort von Fritz Mandls ältester Tochter Maria „Puppe“ Mandl. Sie und andere schildern eindrucksvoll und ungeschminkt, dass Mandl zwei Gesichter hatte. Der Familienpatriarch mit insgesamt fünf Ehefrauen konnte liebenswürdig sein und Menschen in seinen Bann ziehen. Er konnte aber auch herrisch agieren und seine Absichten eiskalt umsetzen. Die Lebenswege von Fritz Mandl und Hedy Lamarr blieben jahrzehntelang auf seltsame Weise verkettet.
Mandl sah in Lamarr wohl ewig die Traumfrau, die ihm aber seine Grenzen aufgezeigt hatte. Sie stellte ihn als faschistischen Finsterling hin, von dem sie sich emanzipieren musste, um ein Weltstar werden zu können. Dennoch: Mandl war, wie die Historikerin Ursula Prutsch schreibt, weit mehr als die unheimliche Nebenfigur im Vorleben der Filmdiva. Die erste TV-Doku über Fritz Mandl erzählt von einem Überlebenskünstler, der sich wie kein anderer durch stürmische Zeiten geturnt hat.
Und heute – 100 Jahre nachdem Fritz Mandl im Alter von 24 Jahren der Generaldirektor der Hirtenberger Patronenfabrik wurde? Der einstige Paradekonzern ist schon lange Geschichte. 1981 hat Mandls Witwe das Unternehmen an die damalige Voestalpine verkauft, die mit der neuen Tochterfirma in den Noricum-Skandal schlitterte. Erhalten geblieben ist hingegen Mandls Jagdvilla „Fegenberg“ in Schwarzau im Gebirge in Niederösterreich. Sie befindet sich jedoch nicht mehr im Besitz der Familie Mandl und war Schauplatz für diverse Spielszenen der „Menschen & Mächte“-Produktion. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Mi. 24.04.2024 ORF 2 Windeln, Wünsche, Wirklichkeit: 100 Jahre Muttertag
Folge 198Vier Kinder hatte eine Frau Anfang des 20. Jahrhunderts durchschnittlich in Österreich. Heute sind es weniger als eineinhalb Kinder. An Stelle der Großfamilie also die Kleinfamilie: oft mit Einzelkind, oft alleinerziehend. Immer wieder wurde versucht, mehr Frauen und Männer dazu zu bringen, Eltern zu werden. Aber ob Mutterkreuz oder Kindergeld – es blieb erfolglos. Menschen & Mächte analysiert Ursachen und Folgen des demographischen Wandels und erzählt von einem Jahrhundert des Muttertags zwischen Mutterglück und Mutterleid, Kinderlachen und Kinderweinen, Emanzipation und Tradition. Eine emotionale Zeitreise rund ums Kinder-Kriegen und Kinder-Aufziehen. Rührselige Muttertags-Schlager wie Heintjes „Mama“ fehlen darin genauso wenig wie die Bitternis in „Mother’s Little Helper“ von den Rolling Stones. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Do. 09.05.2024 ORF 2 Radio – Macht – Geschichte
Folge 199Am 1. Oktober 1924 ging die erste österreichische Radio-Sendung „on air“ – der Beginn einer andauernden Erfolgsgeschichte auf analogen Ätherwellen und digitalen Datenströmen. Heute, 100 Jahre später, sind die ORF-Radios selbstverständliche akustische Begleiter durch den Tag – vom Radiowecker über das Autoradio bis zum Podcast am Smartphone. Robert Gokls „Menschen & Mächte“-Dokumentation „Radio – Macht – Geschichte“ macht im Rahmen des multimedialen ORF-Schwerpunkts „100 Jahre Radio“ am Mittwoch, dem 16. Oktober 2024, um 22:30 Uhr in ORF 2 und auf ORF ON Hörfunk-Geschichte sichtbar und analysiert die Bedeutung des Radios für die österreichische Zeitgeschichte.
Am Freitag, dem 18. Oktober, begibt sich „100 Jahre Radio – Die Show“ um 20:15 Uhr in ORF 2 und auf ORF ON auf eine mitreißende Zeitreise durch zehn Jahrzehnte Radiogeschichte. Paul Lendvai: „Ohne die Bedeutung des Radios zu kennen, kann man die Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts nicht verstehen!“ Als das Radio zu senden beginnt, ist der Erste Weltkrieg erst sechs Jahre her. Wie die Massenmedien danach löst auch das Radio große Hoffnungen und utopische Erwartungen aus.
Albert Einstein 1930: „Was speziell den Rundfunk anlangt, so hat er eine einzigartige Funktion zu erfüllen im Sinne der Völkerversöhnung.“ Historiker Rainer Hubert: „Das Radio hat den Wahrnehmungsbereich der Menschen drastisch erweitert.“ Karin Moser, Rundfunkhistorikerin: „Man hoffte, dass es nie wieder möglich sein würde, die Menschen in einen Krieg zu hetzen wie 1914. Über das Radio könnten alle miteinander in Verbindung und über die Grenzen hinweg befreundet sein.“ Karl Kraus spottete: „Der Welt ist großes Heil erflossen, der Hausmeister an den Kosmos angeschlossen.“ Für Karl Kraus wie viele andere waren diese Radio-Utopien überzogen.
Bereits zehn Jahre später platzen die Träume. 1934 stürmen Nationalisten die RAVAG-Studios in Wien, das erste Mal, dass ein Rundfunkgebäude bei einem Putsch gestürmt wird. In den nächsten Jahrzehnten instrumentalisieren totalitäre Diktaturen das Radio als ideales Mittel der Massenbeeinflussung. Paul Lendvai: „Die Lügenfabrikation von Diktaturen war damals die gleiche wie heute. Nur die Technik war anders.
Diktaturen haben immer Angst vor der Wahrheit.“ Nach 1945 brachte der Kalte Krieg neue Bedeutung für das Radio. Paul Lendvai: „Es war eine Phase in der Weltpolitik, wo von allen Seiten die Rundfunksendungen als Instrumente der Macht und als Zerstörer der Macht gewirkt haben.“ Gleichzeitig beginnt in Österreich das Fernsehen, „der Bildfunk“, viele Funktionen des Hörfunks zu übernehmen. Das Radio erfindet sich neu, seit der Rundfunkreform 1967 sendet der ORF die Struktur-Programme Ö1, Ö3, Ö Regional. Rainer Hubert: „Es war ein Modernisierungsschub fürs Radio.
Und ohne den wäre das heutige Radio nicht mehr denkbar.“ In den 1990er Jahren fällt das ORF-Monopol, die ersten Privat-Radios beginnen zu senden. Bald darauf folgt auf Liberalisierung Digitalisierung: Das analoge Antennen-Radio bekommt Konkurrenz, auch aus dem Internet: durch tausende Internet-Radios, Streaming- Plattformen, Podcasts. Karin Moser: „Das Radio ist im Heute angekommen. Man kann nachhören, das konnte man früher nicht. Man ist nicht mehr zeitlich gebunden.“ Paul Lendvai: „Man hat auch schon vor Jahren das Ende der Bücher vorausgesagt … und es ist nie gekommen. Ich glaube, wir werden noch lange Jahre Radio hören!“ (Text: ORF)Original-TV-Premiere Mi. 16.10.2024 ORF 2 Geheimsache Lucona – Die dunkle Macht des Udo Proksch
Folge 200Das Frachtschiff „Lucona“.Bild: ORF23. Jänner 1977: Das Frachtschiff „Lucona“ wird im Indischen Ozean von einer Explosion zerrissen. Sechs Personen sterben, die Fracht – eine angebliche Uranerz-Aufbereitungsanlage – sinkt auf den Meeresgrund. Doch das vermeintliche Unglück entpuppt sich als gigantischer Betrug. Udo Proksch, der Societylöwe und Gründer des „Club 45“, hat das mit Industrieschrott beladene Schiff versenken lassen, um die Versicherungssumme zu kassieren. Proksch landet als sechsfacher Mörder lebenslang in Haft. Seine Verbindungen in höchste Kreise erschüttern die SPÖ-geführten Regierungen der 1980er Jahre.
Warum haben ihn führende Minister und einflussreiche Beamte jahrelang vor dem Gefängnis bewahrt? Auch mysteriöse Todesfälle sorgen bis heute für Spekulationen. Hat Proksch als Technologieschmuggler und Waffenhändler mit Geheimdienst-Kontakten in die DDR und den Nahen Osten schmutzige Geschäfte der Verstaatlichten Industrie vorbereitet? Die neue „Menschen & Mächte“-Doku „Geheimsache Lucona – Die dunkle Macht des Udo Proksch“ lüftet die letzten Geheimnisse rund um den berühmt-berüchtigten „Lucona“-Strippenzieher. Ein Film von Georg Ransmayr und Gregor Stuhlpfarrer (Text: ORF)Original-TV-Premiere So. 29.12.2024 ORF 2
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