Hundert Meisterwerke und ihre Geheimnisse Staffel 1, Folge 1: „Der Geldwechsler und seine Frau“, 1514 – Quentin Massys
Staffel 1, Folge 1
1. „Der Geldwechsler und seine Frau“, 1514 – Quentin Massys
Staffel 1, Folge 1
Antwerpen im 16. Jahrhundert ähnelt dem New York der 1950er Jahre: Das ehemalige Handwerker- und Fischerdorf an der Nordsee ist zum erstrangigen Finanzplatz geworden. Antwerpen ist eine kosmopolitische Stadt und eine Drehscheibe für Devisen, Rohstoffe und exotische Erzeugnisse. Flandern strahlt, Antwerpen wird zum neuen kreativen Zentrum Europas; ein internationaler Kunstmarkt entwickelt sich. Das Mittelalter geht seinem Ende zu und lässt bereits den Glanz der Renaissance durchscheinen. Das Atelier des Malers Quentin Massys liegt im Herzen der Stadt. Im Jahr 1514 arbeitet er an einem Gemälde, das heute als eines der Meisterwerke der flämischen Renaissance gilt: „Der Geldwechsler und seine Frau“. Auf den ersten Blick sieht der Betrachter eine einfache Genreszene: einen Geldwechsler bei der Arbeit in einer minuziös dargestellten Wechselstube, ihm zur Seite seine Frau. Das Motiv des Juweliers oder des Geldwechslers wird damals in
der Kunst immer wieder aufgegriffen und neu interpretiert. Es dient den Malern dazu, die Geldgier und den Geiz anzuprangern, die in diesem neu entstehenden Gewerbe herrschen. Nichts davon bei Massys, so scheint es. Aber zahlreiche Details, die der Betrachter im Bild entdecken kann, deuten auf einen versteckten Sinn hin. Welche Geschichte will Massys erzählen? Und was berichtet die realistisch gemalte Alltagsszene über das Land und die Zeit, in der das Werk entstand? Bei genauerer Betrachtung des Bildes kommen die großen Künstler- und Gelehrtenpersönlichkeiten der Zeit zum Vorschein, beispielsweise der Maler Jan van Eyck und der Schriftsteller Erasmus von Rotterdam. Vieles scheint auch auf eine religiöse Allegorie und auf eine metaphorische Bedeutung des Bildes hinzuweisen. Dadurch wird Quentin Massys zum aufmerksamen Kritiker und feinfühligen Beobachter der Veränderungen in jener Welt, in der er lebte. (Text: arte)