Dokumentation in 5 Folgen, Folge 1–5

  • Folge 1
    Als Familie sind sie längst eine Zirkusnummer – immer gut für Klatschspalten und Paparazzi. Ob Eva-Maria, Sängerin und Lebensgefährtin Wolf Biermanns, Nina, die schrille Punk- und Esoterik-Queen aus dem Osten, oder die junge Cosma Shiva: schräge Auftritte und publikumswirksame Eskapaden haben die Hagens bekannt gemacht, jede für sich und alle zusammen. Männer spielen in diesem Clan nur Nebenrollen. Vier Generationen starker Frauen – das sind die Hagens. Urgroßmutter Agnes war eine Landarbeiterin aus Hinterpommern. Für Bühnenträume war in ihrem Leben kein Platz.
    Ihre Tochter Eva-Maria floh mit 17 aus der mecklenburgischen Provinz nach Ostberlin, debütierte bei Brecht am Berliner Ensemble und wurde so etwas wie die „Brigitte Bardot“ im Arbeiterund Bauernstaat. Eine steile DDR-Filmkarriere, die jedoch mit der Liebe zu Wolf Biermann jäh endete. Sippenhaft, Arbeitsverbot. Seine Ausbürgerung im Jahre 1976 trieb auch Eva-Maria in den Westen. Und ihre Tochter Nina: den Rauswurf von Onkelchen Biermann nahm sie Honecker übel. Nina Hagen kündigte dem SED-Staat die Treue und erzwang ebenfalls ihre Ausbürgerung.
    Mit frechen Songs wie „Du hast den Farbfilm vergessen“ war die Berliner Göre in den 70er Jahren zum Idol der Jugend geworden – eine sozialistische Kultfigur. Im Westen gibt Nina Hagen den Bürgerschreck, Provokation wird ihr Markenzeichen; ihre erste Platte wird 1978 von der Presse als „weiblicher Urschrei“ bejubelt. Heute pendelt sie zwischen L. A. ihrem Haus auf Ibiza und ihrem Guru in Indien. Ein gefeiertes Nachwuchstalent in Film und Fernsehen: Ninas Tochter Cosma Shiva schreibt die Familiengeschichte fort.
    Die 20-Jährige tritt eher in die Fußstapfen der Großmutter. Sie hält sich für „nicht so extrovertiert und aufgedreht“ wie ihre Mutter. Abgrenzungsversuche: „Ich bin ich“. Besonders stolz ist sie auf ihr Engagement in dem ARD-Mehrteiler „Der Laden“. Der Regisseur engagierte sie ohne zu wissen, dass sie die Tochter von Nina Hagen ist. „Als Jugendliche waren mir Ausflüge mit Nina immer ganz peinlich.“ Sehnsucht nach Normalität? Die einfühlsame Dokumentation von Birgit Kienzle porträtiert drei eigenwillige Künstlerinnen und ihre unkonventionelle Lebensgemeinschaft.
    Die Hagens hautnah: Ein Familienausflug im Scheinwerferlicht, der immer wieder für Überraschungen sorgt. Die Großmutter Eva-Maria Hagen hat inzwischen als Autorin eine zweite Karriere begonnen. Mit „Eva und der Wolf“ landete sie einen Erfolg bei Kritik und Publikum. Gegen ihr zweites Buch „Evas schöne neue Welt“ ging Tochter Nina mit einer Einstweiligen Verfügung vor. Die Präsentation bei der Leipziger Buchmesse in diesem Frühjahr platzte, der Rechtsstreit in der Familie geht weiter. (Text: Das Erste)
    Deutsche TV-PremiereDo 06.07.2000Das Erste
  • Folge 2
    Karl Marx empfahl diese „Familienmischpoke mit ihren patriarchalischen Grundsätzen“ als Stoff für eine Offenbach-Operette. Hitler betrachtete Richard Wagner als seinen einzigen Lehrmeister; George Bernard Shaw sah in Wagner den steckbrieflich gesuchten Sympathisanten der „sozialistischen Seite der Revolution“ von 1848, den mit dem „berüchtigten“ Anarchisten Bakunin Verbündeten; Charles Baudelaire entrichtete an ihn einen „Schrei der Dankbarkeit“, für den „höchsten musikalischen Genuss, den er empfunden habe“; Woody Allen dagegen meint, immer, wenn er Wagner hört, in Polen einmarschieren zu müssen.
    Seit den ersten Uraufführungen entzünden sich an Richard Wagner (1813 – 1883) die Gemüter. Wagner polarisiert – auch heute noch. Emphatische Zustimmung oder vehemente Ablehnung. Gleichgültig jedenfalls lässt sein Werk niemanden. Neben Goethes „Faust“ gilt sein „Ring des Nibelungen“ als Inbegriff des Deutschen. Ein Gesamtkunstwerk mit eigenem Aufführungsort: dem „grünen Hügel“ in Bayreuth. „Das Wort Familienbande hat einen Beigeschmack von Wahrheit“, lautet ein Aphorismus von Karl Kraus.
    So eng, wüst und verworren wie die Verstrickungen seiner mythologischen Figuren sind auch die der Familie Richard Wagners. Über vier Generationen hinweg rankt sich der Name Wagner um die fast schon religiös überhöhte Institution der Bayreuther Festspiele. Allen Familienmitgliedern ist ein leidenschaftliches Engagement für das Werk Richard Wagners eigen, dem alles andere untergeordnet wird. Die Festspiele bestimmen den Rhythmus ihres Lebens.
    Doch hinter den Mauern Wahnfrieds, dem Haus, in dem Richard Wagners Sehnsüchte, sein „Wähnen“, Frieden finden sollte, regieren Intrigen und Eifersüchteleien. Nach der langen Ära der Gralshüterin Cosima, der Witwe von Richard Wagner, und der Hitler-Freundin Winifred, kamen die Wagner-Enkel Wolfgang und Wieland zum Zuge. Seit dem Tod seines Bruders im Jahre 1966 führt Wolfgang Wagner die Bayreuther Festspiele im Alleingang von Erfolg zu Erfolg. Die Nachfrage nach Karten ist zehnmal so groß wie das Angebot. Kann da das Konzept der heutigen Leitung so falsch sein? Nach Meinung der jungen Wagners erstarren die Festspiele in Routine.
    Sie verlangen ein neues Nachdenken über Wagner und einen „einheitlichen Kunstwillen für Bayreuth“ (Nike Wagner). Heute buhlen wieder die Frauen des Wagner-Clans um die Vorherrschaft auf dem grünen Hügel. Gudrun, die Frau des Noch-Festspielchefs Wolfgang Wagner, seine Tochter aus erster Ehe, Eva Wagner-Pasquier, sowie seine Nichte Nike, die Tochter seines Bruders Wieland. Alle drei kommen für die Nachfolge in Bayreuth infrage.
    Richard Wagners Urenkelin Nike nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um ihre Familie geht. Die eigene Familienbande empfindet sie als Fesseln eines „vielköpfigen-tausendfüßigen Ungeheuers“, eine „eigensüchtige, erbedünkelige, zinkennasige, kinnlastige Masse“. Otto Jägersberg versucht in seiner Dokumentation über Wagner-Mythos und Wagner-Clan, auch den „Nicht-Wagnerianer“ in die komplizierten Familienzusammenhänge und das Geheimnis des „grünen Hügels“ einzuweihen. Eine Familiengeschichte, in der sich bis auf den heutigen Tag Höhen und Tiefen der deutschen Geschichte spiegeln. (Text: Das Erste)
    Deutsche TV-PremiereMi 12.07.2000Das Erste
  • Folge 3
    Hans Stosch (1873 – 1934) hat in seinem Familienstammbaum höhere preußische Beamte, königliche Generäle und einen Großonkel, der die deutsche Kriegsmarine mitbegründet hat. Er entscheidet sich anders. Mit 15 Jahren entflieht er seiner Familie, schlägt sich als Stalljunge bei einem Wanderzirkus durch und bringt es bis zum Clown – Künstlername Sarrasani. Mit der Tochter eines höheren Stuttgarter Polizeibeamten gründet er eine Familie und 1902 den eigenen Zirkus.
    Das Geschäft florierte. 1912 errichtete Stosch-Sarrasani in Dresden den ersten festen Zirkusbau Europas. Er stand bis zur Einäscherung der Stadt 1945. Dazwischen Höhen, Amerika-Auftritte und viele Tiefen: Erster Weltkrieg, Wirtschaftskrise, Weimarer Republik, 2. Weltkrieg, der Tod des Sohnes (1941), der die Leitung nach dem Tod des Gründers übernommen hatte. Die Geschichte nach 1945 ist eine Mischung aus griechischer Tragödie und Soap-Opera. Drei Generationen streiten heute um das Erbe und den Namen. Im vergangenen Jahr hat ein Sarrasani-Ableger Konkurs angemeldet. Das Schlusswort haben die Gerichte. Neben Zirkus- und Familiengeschichte ist Andrea Mortenthalers Dokumentation auch eine Hommage auf ein Volksvergnügen, das seine Wurzeln im 19. Jahrhundert hat. (Text: Das Erste)
    Deutsche TV-PremiereDo 13.07.2000Das Erste
  • Folge 4
    „Er warf goldenen Klang durch das Fenster und dieses Gold war nichts anderes als er selbst.“ Jean Cocteau. Er war schön, elegant und spielte Gitarre wie ein Gott. Django Reinhardt (1910 – 1953) war der Vater des Zigeuner-Jazz. Er prägte seine Sippe und den europäischen Jazz. „Er war der Auserwählte unter den Zigeunern.“ In den 30er Jahren pilgerte alles, was Rang und Namen hatte in der Jazz-Szene nach Paris, um mit Django Reinhardt zu spielen. Seine Band „Quintette du Hot Club de France“ wurde weltberühmt; Django Reinhardt wurde ein Meister und Maßstab für Zigeuner. Er holte die Sintiund Roma-Musik aus der folkloristischen Ecke und führte sie in die Moderne: vom Valse Musette direkt zum Jazz.
    Die Reinhardts kommen mit Musik im Blut auf die Welt. „Ich stimmte mit vier Jahren meine erste Geige, mit fünf spielte ich ganz passabel.“ Schnuckenack Reinhardt ist ein Großneffe von Django. Er ist der Kopf der Reinhardt-Sippe und der „Primas“, der Stammesälteste, der deutschen Zigeuner. Der heute 80-Jährige lebt in Sankt Leon bei Heidelberg, hat drei Ehefrauen und Kinder „mehr als genug“. Darüber redet Schnuckenack nicht. Die Reinhardts leben nach eigenen Gesetzen. Die Familienstrukturen einer Sintisippe sind andere.
    Schnuckenack war es, der Djangos Musik Ende der 60er Jahre virtuos wiederbelebte. Festivals, Studioaufnahmen, Fernsehen: Die Sinti-Musiker wurden herumgereicht. Fast eine Million Schallplatten verkaufte das „Schnuckenack Reinhardt Quintett“ in den 70er Jahren. Ein Höhenflug. Die Familiengeschichte der Reinhardts hat aber auch düstere Kapitel. Verhaftung, Deportation, KZ. Die Nazi-Schergen töteten allein 80 Angehörige eines deutschen Nebenzweiges der Reinhardts aus Koblenz. Schnuckenacks Familie entkam Hitlers Konzentrationslagern in letzter Sekunde. Am letzten Bahnhof vor dem KZ konnten sie durch wundersame Hilfe fliehen.
    Die Sintifamilie tauchte fünf Jahre lang als Ungarndeutsche getarnt in Polen unter. „Die Musik rettete uns immer wieder das Leben“. Den traditionellen Swing-Jazz ihrer großen Vorfahren pflegen auch die Jungen. Im „Schnuckenack-Reinhardt-Sextett“ von heute spielen zwei Söhne des Wundergeigers mit, Sanino und Torino. Doch ein junger Django fehlt. Schnuckenack: „Ich habe derzeit keinen Nachfolger.“ Im Stammbaum der Reinhardts zählen nur Noten und Genies. Die Geschichte der Sinti-Sippe ist Musikgeschichte. Rudolf Werners Dokumentation ist eine kurzweilige musikalische Reise durch die europäische Zigeunermusik im 20. Jahrhundert. (Text: Das Erste)
    Deutsche TV-PremiereMi 19.07.2000Das Erste
  • Folge 5
    Eine Familie, eine Ideologie (der Kommunismus), drei sozialistische Karrieren, beschreibt Doris Metz das Porträt einer außergewöhnlichen Familie und ihren wechselvoller Weg durchs 20. Jahrhundert. Wenig bekannt, heißt es in der Vorankündigung, sind die Wurzeln der Wolfs im Westen. Friedrich Wolf (1888 – 1953) stammt aus einer jüdischen Tuchhändlerfamilie in Neuwied am Rhein. Er ist Arzt, Schriftsteller, Visionär und Freidenker und ein bekennender Kommunist. Als Jude und Kämpfer gegen Unterdrückung und Ausbeutung ist sein Weg im Nazi-Deutschland zwangsläufig von Verfolgung und Flucht gekennzeichnet. Nach zwölf Jahren Exil in Stalins Moskau kehren die Wolfs auf deutschen Boden zurück.
    Friedrich Wolf und seine im schwäbischen Hechingen geborenen Söhne Markus und Konrad werden zu Galionsfiguren des neuen sozialistischen Deutschland. Markus Wolf wird der erfolgreiche Spionagechef der DDR. Von vielen gehasst, von manchen insgeheim bewundert für das Geschick, mit dem er die Bundesrepublik bis in die Ära Kohl hinein mit einer Armada von Agenten ausspionieren ließ. Bruder Konrad wird der erfolgreichste Filmregisseur der DDR, der auch international angesehen ist. Als Präsident der Akademie der Künste rückt er kurz vor seinem frühen Tod im März 1982 ins Zentralkommittee der Partei auf. Der Filmemacher und Funktionär war eine Integrationsfigur in der Ostberliner Künstlerszene. (Text: Das Erste)
    Deutsche TV-PremiereDo 20.07.2000Das Erste

Erinnerungs-Service per E-Mail

TV Wunschliste informiert dich kostenlos, wenn Familiengeschichten online als Stream verfügbar ist oder im Fernsehen läuft.

Auch interessant…