Die Spur der Ahnen Folge 4: Das Mädchen und sein Henker
Folge 4
Das Mädchen und sein Henker
Folge 4
Es ist der 23. Juli 1908. Eine junge schöne Frau begibt sich punkt halb sieben auf ihren letzten Weg. Im Hof des Landgerichtsgebäudes im sächsischen Freiberg stehen dicht gedrängt Hunderte Schaulustige, sie versuchen im unbewegten Gesicht der 22-Jährigen abzulesen, was sie bewegt – nur noch wenige Schritte vom Tod entfernt. Drei Minuten später ist alles vorbei. Das Messer der Guillotine war hinab gerauscht, Landesscharfrichter Brand hatte seine Arbeit getan. Grete Beier war tot. Die junge Frau hatte für einen Mord büßen müssen. Freilich nicht für irgendeinen – für einen zutiefst leidenschaftlichen Mord: Der Mann, den sie liebte, war nicht der Mann, den sie heiraten sollte. Der Fall der Grete Beier löste sofort nach Vollstreckung des gnadenlosen Urteils einen ungeheuren öffentlichen Wirbel um Moral, Schuld und Sühne aus. Sämtliche Zeitungsartikel und Veröffentlichungen zu diesem spektakulären Fall hat die heute 79-jährige Renate Bartel aus Freiberg
von ihrer Großmutter geerbt. Diese erzählte der Enkeltochter immer wieder von der schönen, mutigen Grete Beier. Jetzt – fast 100 Jahre nach der, wie wir heute wissen, letzten öffentlichen Hinrichtung in Sachsen – möchten Renate Bartel und ihr Enkel Jörg Möcke mehr wissen. Sie vermuten, dass die Geschichte von Grete Beier nicht ohne Grund in ihrer Familie von Generation zu Generation weitergegeben wurde: Sie glauben, mit Grete Beier verwandt zu sein. Eine Namensgleichheit in der Familie, die Herkunft aus der gleichen Gegend rund um das sächsische Brand-Erbisdorf und gemeinsame Tanzbesuche der Ururgroßmutter – einer verheirateten Beier – mit Grete Beier sind ihnen genug Stoff für Vermutungen. Zeitgleich erreichte uns Post von Gerald Leuter. Er ist sich ganz sicher, ein Nachkomme des damaligen Scharfrichters Brand zu sein. Stimmen diese zwei Familienlegenden, die ihren Anfang in einem der größten sächsischen Justizfälle des letzten Jahrhunderts nahmen? (Text: mdr)