2010, Folge 50–55

  • Folge 50
    Unvergessen sind sie, wie eingebrannt in das kollektive Gedächtnis der Völker. Schreckliche Naturkatastrophen forderten die in den vergangenen Jahren Hunderttausende Tote, verwüsteten ganze Landstriche und brachten unermessliches Leid über die Menschen, die mit dem Leben davongekommen waren. Jüngstes Beispiel: Das gewaltige Erdbeben, das Haiti heimsuchte oder etwa der große Tsunami vom zweiten Weihnachtstag 2004, der die Küsten rund um den Indischen Ozean traf. Diese Katastrophen haben aber auch gezeigt, wie das todbringende Wüten der Natur sofort eine Woge der Mitmenschlichkeit auslöste und in bis dahin unbekanntem Maß nicht nur Staaten und Staatengemeinschaften, sondern Bürger in fast allen Teilen der Welt massenhaft zu Hilfe eilten um den Betroffenen nicht nur Trost, sondern Geld zur Linderung der Not zu spenden.
    Viele hundert Millionen Euro und Dollar, vom Kleinstbetrag der Rentnerin bis zur Großspende betuchter Unternehmer und Künstler kamen in kurzer Zeit zusammen – eine fast unglaubliche Explosion der spontanen Anteilnahme. Wie ist dieser nie zuvor erlebte und geradezu revolutionäre Ausbruch von Anteilnahme möglich? Ist unsere Welt nun endgültig zum „globalen Dorf“ geworden? Führt die digitale Kommunikation gar zu einer neuen „Weltinnenpolitik“? Darüber diskutieren im „Philosophischen Quartett“ des ZDF mit Peter Sloterdijk und Rüdiger Safranski zwei Gäste, die global denken und weltweit vernetzt sind: Joschka Fischer, der ehemalige deutsche Außenminister und heutige Unternehmensberater, und der deutsch-amerikanische Literaturwissenschaftler und politische Beobachter aus der Stanford University, Prof. Hans Ulrich Gumbrecht. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 28.03.2010ZDF
    Mit Joschka Fischer (Bundesaußenminister a.D.) und Hans Ulrich Gumbrecht (Literaturwissenschaftler Stanford)
  • Folge 51
    Vielerorts wird heute vom Aufkommen einer „neuen Bürgerlichkeit“ gesprochen. Ist das Bürgertum dabei, wieder selbstbewußt aufzuerstehen? Man glaubte, dass bereits die Nationalsozialisten die bürgerliche Welt, deren Maßstäbe und Energien zerstört hatten. Man glaubte zudem, dass die kommunistischen Diktatoren der DDR das leistungswillige Bürgertum, die Mitte der Gesellschaft, ein für allemal abgeschafft hatten. Und man glaubte, dass in der Bundesrepublik 1968 von den marxistischen Studenten und Intellektuellen die Reste der bürgerlichen Epoche zu Grabe getragen worden seien.
    Leben wir nur noch in den Ruinen der Bürgerlichkeit, in denen es allenfalls noch um äußerliche Formen, um leere Gesten aber längst nicht mehr um innere Werte geht? In der neuen Ausgabe des „Philosophischen Quartetts“ im ZDF denken Peter Sloterdijk und Rüdiger Safranski mit ihren Gästen darüber nach, was bürgerliche Lebensform eigentlich bedeutet. Sie stellen sich mit Klaus von Dohnanyi, dem ehemaligen Ersten Bürgermeister Hamburgs, und dem Dramatiker, Autor und kritischen Zeitdiagnostiker Moritz Rinke die Frage: Taugt die Bürgerlichkeit noch als Lebensschablone für das 21. Jahrhundert oder entfalten sich neue, zeitgemäßere Lebensformen? Gibt es den „Neuen Bürger“ überhaupt? Oder ist er nur der alte Spießer im modischen Anzug? Die Bürgerlichkeit hielt sich an ungeschriebene, aber verbindliche Regeln, an die guten Sitten und den Anstand.
    Zu den Maximen, die ein Kaufmann einst beachtete, zählten die Ehrlichkeit und die Zuverlässigkeit. Die Solidität war die Grundlage allen Handelns. Das war die Zeit, in der es noch keine Banker, sondern Bankiers gab. Gerade die sich betont bürgerlich gebenden Banker haben mit ihrem Machthunger und ihrer Gier die Bürgerlichkeit um ihren sittlichen Kredit gebracht, ebenso wie Politiker, die sich ihren Sponsoren zur Verfügung stellen. Ist der Verlust der bürgerlichen Gemeinwohlorientierung, das Schwinden bürgerlicher Werte das, was unser politisches System nachhaltig erschüttert? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 02.05.2010ZDF
    Mit Bernd Kauffmann (Kulturmanager) und Moritz Rinke (Schriftsteller)
  • Folge 52
    Für Friedrich Schiller ist das Leben ernst und die Kunst heiter. Aber geht es bei den Künsten heute wirklich heiter zu? Theater müssen schließen, Opernhäuser fusionieren, öffentliche Gelder werden gesperrt, und ein überhitzter Kunstmarkt lässt die Preise einiger weniger Kunststars übermäßig steigen. Ob die Künste Notwendigkeit und Nahrung des Geistes oder nur Genussmittel, Luxus und gar überflüssig sind, diskutiert das „Philosophische Quartett“ im ZDF am Sonntag, 6. Juni 2010, 0:00 Uhr. Peter Sloterdijk und Rüdiger Safranski haben dazu die Schriftstellerin Juli Zeh („Corpus Delicti“, 2009) und einen der wichtigsten Komponisten zeitgenössischer Musik, Wolfgang Rihm, zu Gast. Sie sprechen darüber, inwieweit die Künste ihre eigentliche Bedeutung dort entfalten, wo sie um ihrer selbst willen geschaffen und aufgenommen werden.
    Und sie fragen sich kritisch, ob die Kunst am Ende immer noch frei ist, oder ob sie dem Verwertungsdruck von staatlichen Geldgebern, privaten Mäzenen und den Interessen die Wirtschaft unterworfen ist. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 06.06.2010ZDF
    Mit Juli Zeh (Schriftstellerin) und Wolfgang Rihm (Komponist)
  • Folge 53
    Zu allen Zeiten wurde der Verfall der Sitten beklagt, der Niedergang des öffentlichen Lebens angeprangert. Mehr denn je ist heute eine Krise des Öffentlichen festzustellen. Wenig vorbildlich verhalten sich zum Beispiel unsere Politiker. Intrigenanfälligkeit und Rücksichtslosigkeit scheinen in der öffentlichen Darstellung das hervorstechende Merkmal des politischen Handelns geworden zu sein. Ist das Verhalten unseres politischen Spitzenpersonals auch Ausdruck einer Krise unseres öffentlichen Lebens? Formlos, haltlos, respektlos: Das öffentliche Leben scheint immer weniger Regeln, weniger Prinzipien zu folgen, wo doch Regeln und Prinzipien das Herz der Demokratie sind. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 26.09.2010ZDF
    Mit Thea Dorn (Schriftstellerin) und Matthias Matussek (Kulturjournalist „Der Spiegel“)
  • Folge 54
    Die demographischen Zahlen belegen in nüchterner Gnadenlosigkeit: Die Deutschen sterben aus. Zumindest wird bis zur Mitte dieses Jahrhunderts die Anzahl der Bundesbürger dramatisch gesunken sein. Die Angaben der Demoskopen schwanken zwar relativ stark – die einen sehen im Jahr 2050 einen Rückgang der Bevölkerung um gut zehn Millionen auf siebzig Millionen, bis zur nächsten Jahrhundertwende um gut zwanzig auf sechzig Millionen Bürger; andere Institute rechnen gar mit einem jeweils doppelt so hohen Verlust. Autoren wie Frank Schirrmacher und nun Thilo Sarrazin haben das Problem der sich vermindernden und damit überalteten deutschen Gesellschaft publikumswirksam benannt. Die Politik freilich will auf die besorgniserregende Nachricht bis heute nicht reagieren. Sie stellt sich weitgehend taub.
    Selbst wenn sich die Geburtenraten in Deutschland – nur Italien weist in Europa noch schlechtere Zahlen aus – wieder erholten, gar vervielfachten, wäre wenig gegen den starken Trend zur Schwächung auszurichten.
    Sterben die Deutschen tatsächlich aus? Darüber wollen Peter Sloterdijk und Rüdiger Safranski mit zwei Gästen diskutieren, die dezidierte An- und Einsichten zum Thema haben: Gunnar Heinsohn, der Bremer Soziologe, der unter anderem aus bevölkerungsstatistischen Fakten Motive, Auslöser und Wirkungsmechanismen weltpolitischer Bewegungen herleitet, daher demographische Prognostik auch als ein Frühwarnsystem begreifen kann, und Michael Naumann, der als Verleger und Journalist, heute als Chefredakteur der politisch-literarischen Monatsschrift „Cicero“ am Puls der Zeit ist und als Kulturstaatsminister in der Regierung Schröder die Systematik der Macht studieren konnte.
    Selbst wenn die politische Klasse von der Maxime Abschied nähme, dass Macht sich auch auf Bevölkerungsreichtum begründet, dass sie Standort und Bedeutung Deutschlands in Europa neu justierte und definierte – wie wird die Gesellschaft insgesamt auf all die künftigen Verwerfungen reagieren? Wie werden die Generationen ihre Konflikte austragen? Wie die in die Kassen Einzahlenden ihre mit den Transferabhängigen? Wie die ethnischen Gruppen der Einwanderer untereinander und mit den Alteingesessenen? Und wie werden sich all diese Konflikte verschärfen bei womöglich schwindendem Wohlstand? Einen Vorgeschmack darauf liefern gegenwärtig die angstbesetzten Auseinandersetzungen nicht nur konservativer Gruppen in Deutschland mit muslimischen Neubürgern. Wird eine dann veränderte deutsche Gesellschaft biegsam und intelligent genug sein, solche Zerreißproben zu bestehen? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 17.10.2010ZDF
    Mit Prof. Dr. Dr. Gunnar Heinsohn (Soziologe) und Dr. Michael Naumann (Chefredakteur „Cicero“)
  • Folge 55
    „Gott ist tot“, das hat Friedrich Nietzsche einstmals behauptet. Aber nun provoziert ein Wissenschaftler die Welt, indem er behauptet, dass es Gott nie gegeben hätte. Mit dieser These hat der Astrophysiker und Bestsellerautor Stephen Hawking in seinem neuesten Erfolgsbuch „Der große Entwurf“ einen lautstark geführten Disput über den Ursprung des Universums ausgelöst. Vor allem bei den Theologen regt sich Widerspruch, die sich selbstverständlich nicht damit abfinden können, dass die Erschaffung des Weltalls nicht Gottes großer Wurf und eine unumstößliche Glaubenssache sein soll. Es ist nun mal eine schwer zu begreifende Vorstellung, dass das Universum ganz aus sich selbst heraus entstanden sein könnte, ohne Schöpfung und vor allem ohne Schöpfer, nur den Gesetzen der Gravitation gehorchend.
    Indem Hawking die widerstreitenden Thesen der Relativität und der Quantenphysik zur „Theorie von allem“ zusammenzuführen versucht, glaubt er herausgefunden zu haben, dass das Weltall „nicht auf Intervention eines übernatürlichen Wesens oder Gottes angewiesen“ sei. Es gibt also keinen Gott, der das Licht angezündet und das Universum in Gang gesetzt hat. Universum ohne Gott? Darüber diskutieren Peter Sloterdijk und Rüdiger Safranski mit einem der prominentesten deutschen Theologen, Friedrich Wilhelm Graf, und dem profilierten Wissenschaftsjournalisten Gero von Randow von der „Zeit“. Die Klärung der Frage, ob denn Gott wirklich existiert, ist seit Menschengedenken versucht worden, obwohl der Kirchenlehrer Augustinus verfügt hatte, wer diese Frage stelle, für den sei die Hölle reserviert.
    Die zahlreichen Gottesbeweise wurden von bedeutenden Religionskritikern wie Immanuel Kant oder Ludwig Feuerbach verworfen, letzterer versuchte zu beweisen, dass Gottes Existenz eine Fiktion ist. Traditionell ist das Frage- und Antwortspiel um die Geheimnisse des Kosmos Sache der Philosophie. Doch die „Philosophie ist tot“, schreibt Hawking. Sie habe mit den neueren Entwicklungen in den Naturwissenschaften, vor allem in der Physik, nicht Schritt halten können, die mit ihren Entdeckungen die Suche nach der Erkenntnis voranbringen.
    Trotz des Hawkingschen Urteils werden die Philosophen Peter Sloterdijk und Rüdiger Safranski versuchen, mit ihren Gästen Früchte vom Baum der Erkenntnis zu pflücken, wenn sie die Menschheitsfragen stellen: Warum existieren wir? Warum gibt es etwas und nicht nichts? Gibt es eine objektive Realität, die der Wissenschaft zugänglich ist? Woher kommt alles? Kann das Universum aus dem Nichts entstehen oder braucht es dafür Gott? Gelingt es, die Weltformel zu finden? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 28.11.2010ZDF
    Mit Prof. Dr. Dr. h.c. Friedrich Wilhelm Graf (Theologe) und Gero von Randow (Wissenschaftsjournalist „Die Zeit“)

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