Abendsonne an den Glasfassaden der Bürotürme, die Essener im Business-Kostüm bei Hummer und Prosecco. Das Herz des Reviers: ein postmoderner Schreibtisch mit Gourmetmeile. Schließlich hat Gott die Stadt mit den Worten erschaffen: Essen ist fertig! Und die Kohle verdient man hier längst über Tage, in Banken, Versicherungen, Energiekonzernen. Passé das Schmuddelimage der rauchenden Schlote, der rußverschmierten Fassaden. Kokereien und Fördertürme wurden stillgelegt und als Denkmale geschützt, sie sind der Stolz der Gegenwart. Allen voran Zeche Zollverein, eine vom Kohlenstaub befreite Diva, das erste Weltkulturerbe im Revier. Die Kathedralen der Arbeit haben sich in Kulturtempel verwandelt. Aus dem Volk der Malocher ist eine Generation herangewachsen, die sich die einst verbotenen Orte wie
selbstverständlich angeeignet hat: Tanzen in der Waschkaue, speisen in der Kompressorenhalle und heiraten in der Kohlenlese. ‚Welcome to Essen!‘ Wo früher die Kostgänger im Schichtwechsel einquartiert wurden, begrüßen heute die Töchter der Bergarbeiter Gäste aus aller Welt. Im Süden das Beverly Hills des Reviers. Gediegenheit, Wohlstand und der Baldeneysee – für die Segler das Tor zur Welt. In bester Lage die ‚Hügelbude‘, wie Krupp seinen ‚Comfort der kleinen Häuslichkeit‘ nannte. 150 Jahre Industriegeschichte sind wie ein Goldrausch über die Stadt hinweggefegt, haben ihr Gesicht geprägt, aber nicht ihre Wurzeln begründet. Mit einem hochadeligen Damenstift begann vor über 1.000 Jahren die Essener Geschichte. Bis zur Säkularisation war die Macht in Frauenhand, erst dann kamen die Zechenbarone. (Text: EinsPlus)