Dokumentation in 4 Teilen, Folge 1–4

  • Folge 1
    Es herrscht Wiederaufbaustimmung, und die Sehnsucht nach heiler Welt lässt Heimatfilm und Schlager Erfolge feiern. Der Farbfilm „Schwarzwaldmädel“ zieht 1950 rund 16 Millionen Menschen in die deutschen Kinos. Der Blick der Menschen richtet sich in den Nachkriegsjahren nach vorn, und bereitwillig toleriert man, wie sich braune Karrieren reibungslos in den politischen und kulturellen Strukturen der BRD fortsetzen. Während die einen auf eine Rückbesinnung auf die „unbelastete“ klassische deutsche Kultur als Gegengift zum Schrecken der Nazidiktatur setzen, gedeiht die künstlerische Avantgarde ausgerechnet in der Provinz: Befreit von ideologischen Fesseln, zeigen Künstler auf der documenta in Kassel, in den modernen Studios für elektronische Musik in Köln und an der Hochschule für Gestaltung in Ulm kulturelle Leistungen auf höchstem Niveau.
    Junge Literaten sammeln sich in der Gruppe 47: Dort beginnt nicht nur die Karriere des späteren Literaturnobelpreisträgers Günter Grass. Mit wachsendem Wohlstand und dem Abstand einer Generation ist die Zeit schließlich reif für die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit, im Gerichtssaal der Frankfurter Auschwitzprozesse wie auch in der Kunst.
    Kinofilme wie „Die Brücke“, Fernsehsendungen über das „Dritte Reich“ und Theaterstücke wie Peter Weiss’ „Die Ermittlung“ (1965) tragen die Erinnerung an die deutsche Schuld tief hinein ins deutsche Bewusstsein und legen einen Grundstein für die aufgeklärte, offene Kultur der nächsten Generation. Die vierteilige Dokumentation „Bewegte Republik Deutschland“ lässt Zeitzeugen und jüngere Kulturschaffende zu wort kommen: Günter Grass, Herbert Grönemeyer, K.O. Götz, Alexander Kluge, Gabriele Wohmann, Herbert Lindinger, Volker Schlöndorff, Wolfgang Rihm, Uwe Timm, Stephan Braunfels, Irmin Schmidt (Can), Eva Menasse und Daniel Kehlmann erzählen aus erster Hand und bewerten die künstlerische Arbeit dieser Jahre.
    Roger Willemsen und die Historikerin Ute Frevert kommentieren die Ereignisse und Filmdokumente. Im ersten Teil der Reihe geht es um die Zeit von 1945 bis 1965. Im Anschluss um 21:00 Uhr zeigt 3sat den zweiten Teil der vierteiligen Dokumentation „Bewegte Republik Deutschland“. Die Teile drei und vier folgen am Mittwoch, 10. Dezember, ab 20:15 Uhr. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereMo 08.12.20143sat
  • Folge 2 (45 Min.)
    Die erste Jugendgeneration ohne Kriegserlebnisse wächst heran. Wohlgenährt und gut ausgebildet stellt sie die verkrusteten Institutionen in Deutschland in Frage. Die Spiegelaffäre 1962 fördert das neue kritische Bewusstsein der Bevölkerung zutage. Junge Regisseure wie Alexander Kluge und Schriftsteller wie Peter Handke rebellieren gegen „Opas Kino“ und die etablierte Literatur der Gruppe 47. Der bislang aus dem angelsächsischen Raum kopierten Unterhaltungsmusik eines Peter Kraus stellt sich mit Bands wie Can eine originär deutsche Popmusik gegenüber, die ihre Wurzeln in der elektronischen Avantgarde Stockhausens hat.
    Joseph Beuys stellt mit seinen Aktionen und der Forderung nach Auflösung von Autorität die Verhältnisse in der Kunstwelt auf den Kopf. Die Befreiung der Sexualität findet in aller Öffentlichkeit statt, auch in Filmen von „Schulmädchenreport“ bis „Zur Sache Schätzchen“ mit Uschi Glas. Der Protest geht auf die Straße und findet seinen skandalträchtigen Niederschlag auch im bürgerlichen Kulturbereich, etwa in der zeitgenössischen Musik Hans Werner Henzes oder der Literatur Heinrich Bölls.
    Der Terror der RAF und die als reaktionär empfundenen politischen Gegenmaßnahmen werden vom Neuen Deutschen Film eines Rainer Werner Fassbinders und Volker Schlöndorffs unmittelbar gespiegelt. Das kritische Bewusstsein der Achtundsechziger hat in den 1980er Jahren schließlich die ganze Gesellschaft erreicht. Im Bestseller-Roman, bei Massendemonstrationen, in den Texten der Popmusik und mit den Grünen auch im Bundestag: Fragen wie Abrüstung und Umweltschutz sind Mainstream.
    Die vierteilige Dokumentation „Bewegte Republik Deutschland“ lässt Zeitzeugen und jüngere Kulturschaffende zu wort kommen: Uschi Glas, Herbert Grönemeyer, Christian Petzold, Uwe Timm, Alexander Kluge, Irmin Schmidt (Can) und Volker Schlöndorff erzählen aus erster Hand und bewerten die künstlerische Arbeit dieser Jahre. Roger Willemsen und die Historikerin Ute Frevert kommentieren die Ereignisse und Filmdokumente. Im zweiten Teil geht es um die Jahre 1962 bis 1983. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereMo 08.12.20143sat
  • Folge 3 (45 Min.)
    40 Jahre deutscher Kultur finden auf zwei Seiten der innerdeutschen Grenze und zwischen zwei Machtblöcken statt. Zunächst entscheiden sich viele Künstler für die DDR als Wahlheimat. Ob Exil-Heimkehrer wie Bert Brecht und Hanns Eisler oder Literaten wie Christa Wolf und Heiner Müller, sie sehen im neuen Modellstaat das potenziell „bessere Deutschland“. Brecht und Helene Weigel erhalten mit dem Berliner Ensemble ihr eigenes Theater, die DEFA produziert mit üppiger Ausstattung Qualitätsfilme. Landesweit pflegen Theater und Orchester das klassische Kulturerbe, ihre schiere Zahl stellt den Westen mühelos in den Schatten.
    Auch um die Hoheit in Sachen Unterhaltung liefern sich Ost und West ein Wettrennen, vom Sandmännchen bis zum Indianerfilm. Doch Kultur gehört in der DDR unter politische Führung, und die Kunst hat dem von der UdSSR definierten Sozialistischen Realismus zu folgen. Später unternimmt die DDR mit dem „Bitterfelder Weg“ den Versuch, die „vorhandene Trennung von Kunst und Leben“ zu überwinden. Die Verlage leiden unter Zensur, kritische Filme wie „Spur der Steine“ (1966) werden abgesetzt, und selbst Rockmusikern wird ihre Spontanität in staatlichen Institutionen ausgetrieben.
    Kurze Phasen der Lockerung wie 1973 zu den Weltjugendspielen in Ostberlin bleiben die Ausnahme. Mit der Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann kippt die Stimmung auch unter staatstreuen Künstlern. Wer protestiert, erhält Berufsverbot, landet im Gefängnis oder wird zur Ausreise gezwungen. Künstler wie Manfred Krug, Nina Hagen und Katharina Thalbach verlassen die DDR. Die wirtschaftliche und innenpolitische Situation wird schließlich immer erdrückender.
    Der Exodus aus der sozialistischen Utopie ist nicht mehr aufzuhalten und das Ende der DDR nur noch eine Frage der Zeit. Die vierteilige Dokumentation „Bewegte Republik Deutschland“ lässt Zeitzeugen und jüngere Kulturschaffende zu Wort kommen: Dieter Birr (Puhdys), Wolfgang Thierse, Günter Grass, Herbert Grönemeyer, Katja Lange-Müller, Siegfried Matthus, Christian Petzold, Arno Rink, Ralf Schenk (DEFA-Stiftung), Volker Schlöndorff und Thomas Schoppe (Renft). Historikerin Ute Frevert kommentiert die Ereignisse und historischen Filmdokumente. Im dritten Teil geht es um die Jahre 1949 bis 1989. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereMi 10.12.20143sat
  • Folge 4 (45 Min.)
    Deutschland ist wieder groß, Berlin ist die Hauptstadt, und die Möglichkeiten scheinen unendlich. Doch ganz so einfach fällt Staat und Menschen das neue Zusammenleben nicht. Die Welt schaut zunächst fasziniert auf die neue Leichtigkeit der Deutschen. Techno und Musikfernsehen regieren die Jugendkultur, Schriftsteller wie Christian Kracht machen daraus Popliteratur. Selbst Politik und Erinnerungskultur stehen im Verdacht, im Sog des Infotainments an Ernsthaftigkeit einzubüßen. Aktionskünstler Christoph Schlingensief wird nicht müde, diese Tendenz ins Licht der Aufmerksamkeit zu zerren. Die westliche Lebenswelt wirft im Osten Deutschlands bald dunkle Schatten.
    Leuchttürme der DDR-Kultur wie die DEFA geraten unter die Räder der Marktwirtschaft. Die Enttäuschung über die Folgen der Wiedervereinigung vertieft den Graben zwischen „Besserwessis“ und „Jammerossis“. Sie schlägt sich nicht nur in einer trotzigen Welle der Ostalgie nieder, sondern auch in Gewaltausbrüchen gegen Ausländer. Doch Deutschland meistert am Ende nicht nur die innere Anstrengung der Wiedervereinigung, sondern geht auch aus den globalen Krisen des neuen Jahrtausends gestärkt hervor. Und immer mehr kulturelle Beispiele zeigen wie selbstverständlich eine neue gesamtdeutsche Realität.
    Durch Künstler wie die Choreografin Sasha Waltz gewinnt Berlin rasant an Anziehungskraft für Kreative aller Kunstsparten. Der innovative Spielfilm „Lola rennt“ (1998) von Tom Tykwer findet weltweit Anerkennung, die ehemaligen Ostrocker von Rammstein ebenso, und die jungen Maler der Leipziger Schule feiern Erfolge auf dem internationalen Kunstmarkt. Schriftsteller Daniel Kehlmann landet einen Welterfolg, Günter Grass und Herta Müller erhalten den Literaturnobelpreis. Die Deutschland-Maschine läuft wieder. Doch wohin die kulturelle Reise der BRD geht, oder ob sie überhaupt eine Richtung hat, bleibt unbeantwortet.
    Die Republik ist in Bewegung. Die vierteilige Dokumentation „Bewegte Republik Deutschland“ lässt Zeitzeugen und jüngere Kulturschaffende zu Wort kommen: Herbert Grönemeyer, Daniel Kehlmann, Christian Petzold, Dirk von Lowtzow, Wolfgang Thierse, Stephan Braunfels, Alexander Kluge, Volker Schlöndorff, Feridun Zaimoglu erzählen aus erster Hand und bewerten die künstlerische Arbeit dieser Jahre. Roger Willemsen und Historikerin Ute Frevert kommentieren die Ereignisse und Filmdokumente. Im vierten und letzten Teil geht es um die Jahre 1989 bis 2014. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereMi 10.12.20143sat

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