Dokumentation in 6 Teilen, Folge 1–6

  • Folge 1 (45 Min.)
    Im 15. Jahrhundert gerät mit dem Ende des Mittelalters die hierarchische Ordnung ins Wanken. Die Antike wird neu entdeckt. Mit der Renaissance erschüttern humanistische Ideen die starren Glaubenssätze der allmächtigen Kirche. Sie verliert langsam das Meinungs- und Veröffentlichungsmonopol.
    Jan Hus, geboren 1370, ergreift öffentlich Partei gegen den Klerus und fordert „christliche Verhältnisse“. Die Kirche soll ohne starke hierarchische Strukturen auskommen biblische Texte sollen für alle verständlich sein. Hus empört sich in der damaligen multi-lingualen Weltstadt Prag über den Widerspruch zwischen der kirchlichen Lehre der Armut und dem Leben des Klerus in Reichtum. Die moralische Empörung führt bei Hus zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit der Bibel. Durch den neu erfundenen Buchdruck werden seine Schriften massenwirksam. Obwohl er selbst Priester ist, stellt er sein persönliches Gewissen über das Kirchendogma. 1415 wird er deshalb als Ketzer verbrannt.
    Die in Europa – auch mit Unterstützung der Kirche – gegründeten Universitäten entwickeln sich zu Stätten freien Denkens. Die Theologie soll sich um Gott kümmern, weltliche Fragen dagegen sind Themen für die Wissenschaften, die in dieser Zeit entstehen. An die Stelle von Religion und Aberglaube treten überprüfbare wissenschaftliche Theorien einzelner Denker, die der Vernunft verpflichtet sind.
    Der 1473 geborene Nikolaus Kopernikus ist ein solcher Vordenker, der den akademisch-philosophischen Disput liebt und sich die Öffnung gegenüber der Wissenschaft zunutze macht. Er ersetzt das mittelalterliche Wunschdenken und den Glauben an die Erde als Mittelpunkt der Gestirne durch wissenschaftlich überprüfbare Beobachtungen und Berechnungen. Dabei greift er auf Theoretiker der griechischen Klassik zurück, deren Theorien über 1.000 Jahre unterdrückt wurden, weil sie nicht ins biblische Weltbild passten. Indem er die Sonne zum Mittelpunkt des Universums erklärt, stößt Kopernikus an die Grenzen der damaligen Weltanschauung.
    Plötzlich entsteht Erkenntnis aus Erfahrung, durch Handeln, Forschen und Experimentieren. Und die Europäer wagen Schritte in Richtung Mündigkeit, Aufklärung und Rationalität. Die individuelle Gesellschaft unter der Vorherrschaft der Vernunft, die heute als Stück europäischer Identität gilt, nimmt ihren Anfang.
    Auch Andreas Vesalius, geboren 1514, sucht nach Wahrheit, nach dem Wissen über die Anatomie des Menschen. Er ist Professor der Chirurgie und gilt heute als Begründer der neuzeitlichen Anatomie sowie des morphologischen Denkens in der Medizin. Der anatomische Atlas von Vesalius, zeitgleich veröffentlicht mit dem Schlüsselwerk von Kopernikus, setzt an die Stelle einer an Astrologie und Aberglaube orientierten Medizin die Erforschung des menschlichen Körpers – unter anderem auch Verstorbener – und der Erkrankungen des Menschen. Darüber hinaus entwickelt Vesalius eine Theorie der Abstammung des Menschen vom Affen über Pygmäen hin zum Menschen. Eine Theorie, die 300 Jahre später von Charles Darwin nachgewiesen wird. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereMi 19.11.2008arte
  • Folge 2 (45 Min.)
    Im 16. Jahrhundert entwickeln die Europäer eine Markt- und Geldwirtschaft, die moderne kapitalistische Züge trägt. Zuvor waren die Preise festgelegt. Zunftordnungen, Marktgesetze oder Kaufmannsabsprachen verboten Konkurrenz und sicherten allen ein Auskommen. Es existierte eine allgemeine Vorstellung darüber, welchen Wert eine Ware hat und was ein gerechter Preis dafür ist.
    Als Beispiel einer Handelsorganisation alter Tradition kann die 1157 gegründete Hanse gelten. Sie hatte europäische (Ostsee-)Städte verbunden, die durch Abkommen ihren Handelsraum absteckten und Konkurrenz ausschalteten. Um 1500 verliert die Hanse zunehmend ihre Monopolstellung. Und Wilhelm Brömse, Repräsentant des alten Hansesystems, wird Opfer der Umstände. Seine Verhaftung 1494 ist Zeichen für die wachsende Macht neuer, stärkerer Kräfte, gegen die die Hanse machtlos ist.
    Ab dem 16. Jahrhundert geht es nicht mehr nur darum, ein Auskommen zu haben, sondern systematisch Profit zu erzielen. Alles wird einer neuen rationalen Kosten-Nutzen-Analyse unterzogen. Ab jetzt bestimmt der Markt, das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage, die Preise. Das starre Stände- und Zunftsystem, in dem die Menschen bisher gearbeitet haben, bricht auf. Wusste bisher jeder, wo sein Platz war, herrschen nun Ungewissheit und Konkurrenz – aber auch Freiheit. Konsumieren und Repräsentieren werden zu Handlungsmotiven, so dass ein heute für uns alltägliches Modebewusstsein entsteht.
    Es eröffnen sich neue Märkte und neue Technologien entwickeln sich. Etienne Turquet, geboren 1494, etabliert die Seidenindustrie in Lyon. Er beginnt die Maschinisierung der Industrie und beschäftigt Waisenkinder als Arbeiter. Dadurch erzielt er hohe Gewinne bei geringen Kosten. Während er einerseits die Unterschicht in Lyon versorgt und gegen Armut kämpft, nutzt er andererseits Menschen für seinen persönlichen Profit aus. Spielten Risiko und Risikobereitschaft bisher kaum eine Rolle, bestimmen sie jetzt das Geschäft. Alles wird zur Ware, auch das Geld selbst, das bisher reines Tauschmittel war. Banken, Börsen und Wechsel entstehen und werden zu den wichtigsten neuen Wirtschaftssäulen.
    Jakob Fugger, geboren 1459 in Augsburg – „Jakob Fugger der Reiche“ genannt -, war ein Gewinner dieser Entwicklung und wurde zu Europas reichstem und bedeutendstem Kaufmann und Bankier des 16. Jahrhunderts. Er repräsentiert den neuen Typus des Unternehmers, indem er Handel und Bankwesen miteinander verknüpft und seine wirtschaftliche Macht einsetzt, um Einfluss auf die Politik zu nehmen. Jakob Fugger strebt ungeheuren Reichtum an – Geldvermehrung wird bei ihm zum Selbstzweck. Gleichzeitig entwickelt sich der Fernhandel zwischen Orient und Okzident zu einem Weltwirtschaftssystem. Die Art und Weise, wie im 16. Jahrhundert produziert und vermarktet wird, setzt die Regeln der bisherigen Ökonomie außer Kraft – der Kapitalismus hält Einzug. Neue, bis heute umstrittene Werte und Mentalitäten entstehen. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereMi 19.11.2008arte
  • Folge 3 (45 Min.)
    Im 17. Jahrhundert wird in Europa nach langen und blutigen Auseinandersetzungen endlich Frieden zwischen den christlichen Konfessionen geschlossen. Seit der Reformation bekämpfen sich Katholiken und Anhänger der neuen reformierten Kirche bis aufs Blut. Protestanten, Calvinisten, Puritaner und Hussiten auf der einen Seite und Katholiken auf der anderen Seite spalten die Gesellschaft. Hass, Feindschaft und Ausgrenzung bestimmen ein Klima, das 1618 zu einem beispiellosen Gemetzel eskaliert. Im 30-jährigen Krieg geht es darum, den Gegner komplett zu vernichten. Wer den falschen Glauben hat, verliert seine Existenzberechtigung. Diese Art absoluter Krieg ist neu. Bisherige Auseinandersetzungen wollten erobern, Beute machen und unterwerfen, aber nicht auslöschen. Glücklicherweise gibt es aber zwischen den extremen Fronten vermittelnde Vertreter und mutige Helden.
    Melchior Kardinal Khlesl, geboren 1552 in Wien, Bischof von Wien, ist zuerst ein heftiger Vertreter der Gegenreformation, später setzt er sich für den Dialog zwischen den Konfessionen ein. Während er zu Beginn seiner Laufbahn noch darauf bestand, dass das Kollegium der Wiener Universität nur noch aus Katholiken bestehen durfte und jeder Student das katholische Glaubensbekenntnis ablegen musste, beginnt er Ende des 16. Jahrhunderts, sich für eine Ausgleichspolitik zwischen den Konfessionen starkzumachen und bietet protestantischen Fürsten Zugeständnisse. Das stößt auf heftige Ablehnung. Khlesl wird verhaftet und verbringt mehrere Jahre in Gefangenschaft und Exil.
    Das wachsende Elend im Krieg der Konfessionen treibt immer mehr Menschen in Söldnerheere. Auch Peter Hagendorf wird im 30-jährigen Krieg Opfer der Umstände. Durch seinen Beruf als Söldner trägt er zum Fortbestehen des Krieges bei und nimmt dessen Gräuel als gegeben hin. Peter Hagendorf hinterlässt ein umfangreiches Tagebuch. Auf 192 Seiten schildert er seine Grenzerfahrungen zwischen Leben und Tod. Während des Krieges sterben sieben seiner Kinder und seine erste Frau.
    Der 30-jährige Krieg wird so grausam und aussichtslos, dass sich Europa eindringlich nach Frieden sehnt. 1648 kommen die europäischen Mächte zu einem einmaligen Friedenskongress in Münster und Osnabrück zusammen. Der Westfälische Frieden bereitet nicht nur dem Morden aus religiösen Gründen ein Ende, er setzt auch Maßstäbe für spätere Friedensverhandlungen und ein toleranteres Miteinander in Europa. Auf dem Kontinent wird es keine großen Konfessionskriege mehr geben und die Macht des Papstes wird erheblich eingeschränkt.
    Auch Fabio Chigi, geboren 1599 in Siena, setzt sich stark für den Frieden ein, obwohl der Friede seine Macht als Papst (von 1655 bis 1667 ist Chigi als Alexander VII. Oberhaupt der katholischen Kirche) verringert. Fabio Chigi macht sich einerseits als Vermittler während der Friedensverhandlungen verdient, kann andererseits aber dem schließlich ausgehandelten Frieden nicht zustimmen, da er dem Papsttum verpflichtet bleibt. Nach und nach legen sich die Anfeindungen der unterschiedlichen Konfessionen und die Menschen werden friedensfähig.
    Der Denker Hugo Grotius entwirft eine umfassende Friedensidee, die zur Grundlage des Westfälischen Friedens wird, der vieles verändert. Protestantismus und Katholizismus werden als zentrale Ideologien überwunden. Später treten politische Ideologien an ihre Stelle. Ihre Grenzen findet die neue Friedensidee im Islam: Dieser bleibt weiterhin ein Feindbild.
    Gab es bisher Frieden nur durch den Sieg des Stärkeren, also durch Gewalt, so treten im 17. Jahrhundert Verhandlungen und Diplomatie als Möglichkeit auf. Die Idee des Vertrages wirkt grundlegend für das europäische Völkerrecht. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereMi 19.11.2008arte
  • Folge 4 (45 Min.)
    Im 18. Jahrhundert führen die Europäer sowohl im Namen der Freiheit des Einzelnen als auch um die des Volkes heftige Kämpfe. Herrschaftssysteme und Gesellschaftsordnungen werden gründlich verändert, erste Demokratien entstehen und neue Werte wie Gleichheit, Gerechtigkeit und Gemeinwohl prägen die europäische Mentalität nachhaltig. Frankreich gilt seit der Revolution von 1789 als Mutterland der Freiheitsbewegung. In Paris ertönt der Ruf „Die Natur hat die Menschen frei und gleich geschaffen“.
    Vorläufer dieses Freiheitskampfes werden in England ausgefochten. Dort fordert Oliver Cromwell, geboren 1599 in Huntingdon, eine dauerhafte Repräsentation des neuen Bürgertums im Parlament. Ohne dessen Zustimmung sollen Beschlüsse des Königs keine Gültigkeit haben. Er kämpft gegen einen uneinsichtigen, absoluten Herrscher „von Gottes Gnaden“, der keine Einschränkung seiner Machtbefugnis duldet. Als Charles I. sich weigert, erzwingt Cromwell mit seiner „New Model Army“ seine Ziele, klagt den König des Hochverrats an und lässt ihn hinrichten. Damit gibt es in Europa zum ersten Mal eine Regierung ohne Monarchen. In Frankreich setzen die Revolutionäre ihre Forderungen ähnlich konsequent um. Das Herrscherpaar Ludwig XVI. und seine Frau Marie Antoinette sterben unter der Guillotine.
    Die Philosophie der Aufklärung geht davon aus, dass die Menschen von Natur aus gleich sind, dass nur die Gesellschaft die Menschen ungleich macht. Doch auch die Revolutionen des 18. Jahrhunderts sorgen nicht für vollkommene Gleichberechtigung. So haben Frauen nach wie vor bedeutend weniger Rechte als Männer. Dagegen wehrt sich Marie Gouze, geboren 1748 in Montauban. Durch öffentliche Auftritte, Reden, Plakataktionen und Theaterstücke macht sie den vorwiegend männlichen Verwaltern der Revolution deutlich, dass der Freiheitsbegriff auch für Frauen gelten muss.
    Sie kämpft gegen die „herr“schenden Verhältnisse im doppelten Wortsinn: gegen die Machthaber aus Monarchie, Aristokratie und Klerus und gegen Männer, die Frauen, unabhängig von ihrer gesellschaftlichen Position, keinerlei Rechte zugestehen. Doch ihre „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ von 1791 findet erst im 20. Jahrhundert Eingang in die Verfassungen Europas. Marie Gouze wird im Terrorjahr 1793 auf dem Schafott hingerichtet.
    Die Demokratisierung Europas setzt sich weiter fort. Der Mensch soll nur noch dem eigenen Willen gehorchen und nicht länger fremden Einflüssen unterworfen sein. Dieser Auffassung ist auch der polnische Freiheitskämpfer Tadeusz Ko?ciuszko. Inspiriert von Studienaufenthalten in Frankreich und praktischen Erfahrungen im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, kämpft er in Polen gegen die Privilegien des Adels. Als Preußen und Russland den polnischen Versuch einer freiheitlichen, republikanischen Verfassung durch eine Invasion beenden, fordert Ko?ciuszko mit dem von ihm organisierten Aufstand die Freiheit der Nation – erfolglos. In der Schlacht von Maciejowice 1794 wird er verwundet und gerät in russische Gefangenschaft. Doch er bleibt ein Beispiel dafür, dass die persönliche Freiheit Motor für die Freiheit des Volkes sein kann. Volkssouveränität statt Herrscherwillkür setzt sich nach und nach durch. Und statt Zensur gilt Meinungs- und Pressefreiheit. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereMi 26.11.2008arte
  • Folge 5 (45 Min.)
    Im 19. Jahrhundert formt sich ein neues Europa der Nationen. Nationalpatriotismus und Vaterlandsliebe erhalten Vorrang vor lokalen Bindungen. Auseinandersetzungen – auch kriegerische – bescheren Europa eine veränderte Landkarte. Und die nationalen Identitäten schaffen sich neue Symbole wie Nationalhymnen, Feiertage, Nationalhelden und Nationalgeschichte.
    In Griechenland trägt der Dichter Rigas Velestinlis, geboren 1757, durch seine Lieder zur Schaffung einer nationalen Identität bei und gewinnt politischen Einfluss. Seine volkstümlichen Kampfgesänge, in denen er zum Sturm auf die „Stadt der sieben Hügel“ (Konstantinopel) aufruft, finden weite Verbreitung. Er entwickelt eine Karte, auf der die von den Griechen seit der Antike kolonisierten Landschaften verzeichnet sind, gründet eine geheime revolutionäre Gesellschaft und verfasst ein Befreiungsprogramm für die Balkanvölker unter dem Titel „Große Idee“, das ein „Groß-Griechenland“ propagiert. Dieser neue republikanische Staat soll den gesamten Balkan und Kleinasien unter griechischer Führung umfassen. Velestinlis wird zum geistigen Vorkämpfer des griechischen Freiheitskampfes gegen die Herrschaft der Türken. Und er wird zum ersten Märtyrer dieses Kampfes, als er 1798 wegen Hochverrats in Belgrad hingerichtet wird.
    Vor dem Hintergrund der Französischen Revolution wird die Nation Hoffnungsträger jener Völker Europas, die sich nach Selbstbestimmung sehnen und ihre eigene Kultur leben wollen. Während also das individuelle Nationalgefühl wächst, bröckeln die zwei Großreiche Europas. Das Habsburger Reich modernisiert sich zu einem Vielvölkerstaat und das Osmanische Reich verliert Gebiete an neu gegründete Nationen.
    Zugleich entsteht mit der Nationenidee als Abgrenzung auch „das Fremde“. Minderheiten werden ausgemacht und eine nationale Kultur löst die internationale Kultur des alten Europa ab. Französisch ist nicht mehr länger herrschende Kultursprache. Erfolg und Wohlstand fördern Nationalbewusstsein und Heimatgefühl. Die eigene Nation wird gleichgesetzt mit Größe und Überlegenheit und Europa in Nationalismusdünkel verwickelt.
    Doch auch Gegenströmungen wie Pazifismus, Sozialismus und Internationalismus entstehen, werden jedoch vom wachsenden Nationalgedanken überdeckt. Die Konkurrenz der Nationen schafft eine neue Qualität ideologischer Feindschaft, die an religiöse Intoleranz erinnert. Ein ungehemmtes Aufrüsten beginnt. Frühzeitig erkennt die Pazifistin und Schriftstellerin Bertha von Suttner, geboren 1843 in Prag, diese bedrohliche Entwicklung. Sie ist keine Gegnerin des Nationengedankens an sich, weist aber konsequent darauf hin, dass aggressives Waffengeklirr, nationales Überlegenheitspathos und imperiales Sendungsbewusstsein von den europäischen Nationen Besitz ergriffen und den „romantischen Nationalismus“ verdrängt haben.
    Dagegen setzt sie die Vorstellungen von Pazifismus, Abrüstung und Konfliktregelung. In ihren Schriften sieht sie voraus, dass der überzogene Nationalismus die europäischen Völker in Kriege stürzen wird. Jede Nation versteht sich als Mittelpunkt der Welt. Und der nationale Narzissmus mündet tatsächlich in die Weltkriege des 20. Jahrhunderts. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereMi 26.11.2008arte
  • Folge 6 (45 Min.)
    Acht Millionen Tote, über 16 Millionen Verwundete, traumatisierte Frauen und Kinder an der Heimatfront. 1918, am Ende des Ersten Weltkrieges steht Europa unter Schock – und hat keine Zeit, sich davon zu erholen. Nur 20 Jahre später beginnt Deutschland auch den Zweiten Weltkrieg.
    Die jüdische Publizistin und Gelehrte Hannah Arendt, geboren 1906 in Hannover, ist eine der Ersten, die frühzeitig bemerkt, dass das nationalsozialistische Regime in den Krieg führen wird und dass es aktiv bekämpft werden muss. Sie steht damit im Gegensatz zu vielen gebildeten Deutschen, die sich mit dem Nationalsozialismus arrangieren wollen. In ihren Schriften kreist Arendt um ein Konzept von „Pluralität“ im politischen Raum. Demnach besteht in der Politik zwischen Menschen eine potenzielle Freiheit und Gleichheit, die verlangt, regelmäßig die Perspektive des anderen einzunehmen. Diese Idee wird erst nach dem Zweiten Weltkrieg als wertvoll erkannt und aufgegriffen, um die erneute Annäherung der europäischen Nationen zu befördern.
    Aber nicht nur zwischen, auch innerhalb der Nationen wird gekämpft. So tobt von 1936–39 der Spanische Bürgerkrieg. Einer seiner Protagonisten ist Dolores Ibárruri Gómez, geboren 1895 und genannt „La Pasionaria“. Die kämpferische Frau aus einfachen Verhältnissen wird eine der wichtigsten Sprecherinnen der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE). Sie ist eine begnadete, mitreißende Rednerin. Ibárruri gilt als überzeugte Stalinistin, gleichzeitig setzt sie sich leidenschaftlich für die Verbesserung der Frauenrechte ein. Sie wird von den spanischen Behörden verfolgt und mehrmals verhaftet. Von ihr stammt der vielzitierte Satz: „Lieber stehend sterben, als auf Knien leben“.
    Durch die Weltkriege haben die Mächte Europas ihre Weltgeltung verspielt. Die USA treten an ihre Stelle. Durch ihre Hilfe ermöglichen sie Europa den Wiederaufstieg, in politischer wie wirtschaftlicher Hinsicht. Jean Monnet, geboren 1888 in Cognac, gilt als einer der Gründerväter der Europäischen Gemeinschaft und wird als „Vater Europas“ bezeichnet. Vor seiner politischen Karriere in Frankreich vollzog er eine beeindruckende internationale Wirtschaftskarriere. Er treibt den Zusammenschluss der westeuropäischen Schwerindustrie voran und avanciert zu einem der einflussreichsten Wirtschaftslenker Europas.
    In den 90er Jahren überwinden weitgehend friedliche Revolutionen die Diktaturen des Kommunismus hinter dem Eisernen Vorhang. So steht in der Tschechoslowakei die „Samtene Revolution“ für den politischen Systemwechsel vom autoritären Sozialismus zu einem demokratischen System. Maßgeblich daran beteiligt ist Václav Havel, geboren 1936 in Prag. 1989 wird er Präsident der Tschechoslowakei. Unter anderem durch sein Wirken vollzieht sich der weitgehend gewaltfreie Wechsel innerhalb weniger Wochen. 1998 wird Havel der Westfälische Friedenspreis und 2004 die Freiheitsmedaille („The Presidential Medal of Freedom“) verliehen, die höchste zivile Auszeichnung in den USA.
    Europa besteht nun aus vielen neuen Nationen auf der Basis demokratischerer Verfassungen. Es hat sich auf typisch europäische Errungenschaften besonnen, die im Verlauf gemeinsamer Geschichte entstanden sind. Am Ende des 20. Jahrhunderts scheint der alte Kontinent wie Phoenix aus der Asche wieder auferstanden zu sein.
    Die sechste und letzte Folge der Reihe resümiert, was bis zum 20. Jahrhundert aus den europäischen Errungenschaften der vorangegangenen Epochen geworden ist. Wie steht es um den Individualismus? Haben Mündigkeit und freier Geist ihre Bedeutung zurückerlangen können? Was wird aus dem Kapitalismus, dessen Gegenbewegung, der Kommunismus, aus Europa verschwunden ist? Was ist aus den Ideen von Frieden und Freiheit geworden? Und was hat sich aus der Idee von Nation und Volkssouveränität entwickelt? (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereMi 26.11.2008arte

Erinnerungs-Service per E-Mail

TV Wunschliste informiert dich kostenlos, wenn Wir Europäer! online als Stream verfügbar ist oder im Fernsehen läuft.

Auch interessant…