Unsichtbar Staffel 1, Folge 1: Der Preis nicht zu glauben
Staffel 1, Folge 1
1. Der Preis nicht zu glauben
Staffel 1, Folge 1 (15 Min.)
„Ich bin in diese Talkshow gegangen und habe gesagt, dass ich Atheist bin. Ich wusste, es würde gefährlich. Aber es war nötig, dass es jemand tut.“ Am 11. Februar 2018 sagt Mohamed Hisham live im ägyptischen Fernsehen, dass er weder an Allah noch sonst einen anderen Gott glaubt. Es ist das erste Mal, dass er sich öffentlich zu seinem Atheismus bekennt. Doch das Gespräch entgleist. Nach wenigen Sätzen wird Hisham unterbrochen, vom Moderator unter Schimpftiraden als geisteskrank bezeichnet und aus der Sendung geschmissen. Danach bricht alles über Hisham herein. Der Mitschnitt der Sendung wird millionenfach im Internet geklickt und zehntausendfach kommentiert. Er erhält Morddrohungen, muss die Universität verlassen und wird von seiner religiös-konservativen Familie geschlagen und eingesperrt. Er sieht nur einen Ausweg: die Flucht. Ein Australier sammelt Geld für Hisham. Seine Route führt quer über die Kontinente – von Ägypten über Jordanien nach Ecuador – und endet schließlich im Transitbereich des Frankfurter Flughafens. Doch
auch als Asylsuchender in Deutschland kommt er nicht zur Ruhe: Islamistische Geflüchtete erkennen und drangsalieren ihn. Unterstützer müssen ihn nachts aus dem Flüchtlingsheim abholen. Heute lebt Hisham zurückgezogen an einem geheimen Ort in der tiefsten deutschen Provinz. Er besitzt kaum etwas, seine Eltern haben ihn enterbt. „In Ägypten musste ich mir keine Gedanken darüber machen, ob ich mir den Bus leisten kann. Hier ist das anders.“ Er lebt spartanisch auf 13 Quadratmetern. „Ich möchte ein normales Leben führen, das ist alles“. Damit seine Bildungsabschlüsse anerkannt werden, muss er Deutsch lernen. Dafür arbeitet er hart. Doch die Prüfung stellt ihn vor Herausforderungen. Besteht er sie nicht, heißt es weiter warten. Trotzdem bereut Hisham nichts: Er steht nach wie vor zu seinem Atheismus. Er unterstützt inhaftierte Atheisten in Ägypten und engagiert sich in Deutschland für die säkulare Flüchtlingshilfe. Nicht zu glauben ist für Hisham existenziell. Mutig auszusprechen, was er denkt: Das will er nie mehr aufgeben. In Ägypten wie in Deutschland. (Text: MDR)